Wir sind am Ende der offiziell zugelassenen Therapiemöglichkeiten für Titiens Glioblastom angekommen. Es sind trotzdem noch Pfeile im Köcher. Medikamente für den sogenannten Off-Label-Use. Diese Medikamente haben in klinischen Studien zwar eine gewisse Wirksamkeit gezeigt, sie werden von den Krankenkassen aber nicht ohne Weiteres erstattet.

Unser nächster Pfeil heißt Avastin, oder auch Bevacizumab. Avastin ist ein Antikörper, der spezifisch den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF hemmt, und so verhindert, dass neue Blutgefäße wachsen. Wachsende Tumore brauchen Sauerstoff, und der wird über neue Blutgefäße angeliefert. Wenn keine neuen Blutgefäße mehr gebildet werden, kommt beim Tumor zu wenig Sauerstoff an, was zumindest das Wachstum der Tumorzellen verlangsamen sollte.

Avastin wird bei verschiedenen Tumorarten therapeutisch eingesetzt. Es gibt auch belastbare Daten, dass nachdem die zugelassenen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind, Avastin bei Glioblastomen lebensverlängernd wirkt und mehrere Monate der Tumor nicht weiter wächst. Zum Beispiel hier und hier.

Nachdem Titiens zweite Strahlentherapie abgeschlossen ist, wollen wir möglichst zügig mit der Avastin-Therapie anfangen, idealerweise bevor der bestrahlte Tumor in Titiens Stammhirn weiter wächst.

Gefangen zwischen Krankenversicherung und Medizinischem Dienst

Unsere Onkologin schreibt einen Antrag für den Off-Label-Use von Avastin an unserer Krankenkasse. Die Krankenkasse leitet die Anfrage an den Medizinischen Dienst in Karlsruhe weiter.

Der Medizinische Dienst lässt sich eine Woche Zeit, um festzustellen, dass der Antrag der Krankenkasse unvollständig war und meldet dies der Krankenkasse. Die Krankenkasse reicht den vollständigen Antrag nach.

Der medizinische Dienst prüft, erstellt ein Gutachten und schickt die Entscheidung an die Krankenkasse. Die Krankenkasse schreibt uns einen Brief mit dem Gutachten.

Die Krankenkasse teilt uns in dem Brief mit, dass sie basierend auf dem Gutachten des medizinischen Dienstes, die Erstattung der Therapie mit Avastin ablehnen. Der medizinische Dienst argumentiert in seinem Gutachten mit Daten von 2009.

Wir und unsere Onkologin legen Widerspruch gegen die Entscheidung ein, und hoffen, dass sich die Krankenkasse eines besseren besinnt. Rechtlich gebunden ist sie nicht an das Gutachten des Medizinischen Dienstes.

Die Krankenkasse schreibt uns, dass sie nicht alleine entscheiden kann, und unsere Unterlagen an den Medizinischen Dienst weiter leitet. Es kommt uns vor, als ginge es um das Schinden von Zeit. Nicht dass meine todkranke Frau viel davon übrig hätte.

Wir wollen nicht auf das Ergebnis der Entscheidung warten. Die administrativen Mühlen mahlen langsamer als der Tumor wächst. Titien hat mit der Avastin-Therapie angefangen. Alle zwei Wochen für ein paar Stunden ambulant in der Tagesklinik per Infusion. Wir warten auf die Rechnungen, die wir einstweilen privat übernehmen müssen.

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5 Kommentare

  1. Es ist absolut frustrierend, dass in solchen wirklich extremen und auch dringenden Fällen bei den Beteiligten Behörden und Versicherungen kein adäquater schneller Prozess existiert, der zu schnellen Entscheidungen führt, welche dabei aber den Betroffenen und dessen Leid im Fokus hat.
    Ich wünsche euch und vor allem Titien viel Erfolg mit Avastin, auch wenn ihr dafür zumindest vorerst selbst zahlen müsst.
    Viele Grüße
    Holger

    1. Danke Holger. Es ist frustrierend. Zum Glück sind wir in der Lage die Kosten erst mal selbst zu tragen, so dass wir auch ohne Zusage anfangen konnten. Bei Patienten die weniger finanziellen Puffer haben entschiedet solch eine Verzögerung darüber, ob überhaupt behandelt wird. Ethisch äußerst fragwürdig.

  2. Hallo Tobias,
    Ich finde das Verhalten der Krankenkassen in dieser Hinsicht ethisch mehr als bedenklich. Das tut mir sehr leid.
    Ich nehme an, dass Eure Onkologin zusammen mit Euch schon überprüft hat, ob klinische Studien für Titien in Frage kommen. Ich weiß nicht, ob es für Titien passende Studien mit Avastin gibt, die momentan auch rekrutieren. In dem Falle würde nach meinem Verständnis der Studiensponsor alle Kosten übernehmen. Aber ist vermutlich schwer, was passendes zu finden…
    Lasst Euch nicht von der Krankenkasse abwimmeln. Ich wünsche Euch ganz viel Durchhaltevermögen, starke Nerven und das Wichtigste, dass Avastin Titien hilft.
    Alles Liebe,
    Alex

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