Autor: Tobias

  • Was noch tun, außer sein Mitgefühl zeigen?

    Was noch tun, außer sein Mitgefühl zeigen?

    Gestern habe ich ein kurzes Video aus Tel Aviv gesehen. Kurz nach Mittag. Bewölkter Himmel. Die Sirenen heulen, Vögel fliegen auf, Explosionen sind zu hören, vermutlich der Iron Dome in Aktion. Dennoch schafft es eine Hamas-Rakete durch die Raketenabwehr und schlägt in ein Haus ein.

    Ich hätte eigentlich heute in einem Flieger der Lufthansa nach Tel Aviv sitzen sollen. Ich hätte mich dann nach Gvulot durchgeschlagen, ein Kibbutz etwa 10 km vom Gazastreifen entfernt. Ich hätte dort drei Tage lang einen Workshop für Wissenschaftler mit zwei Kollegen gegeben. 

    Statt dessen hatten wir drei heute ein Zoom-Meeting. Mein Kollege in Tel Aviv war heute Morgen schon schwimmen, ein Bad in seiner Nähe habe wieder geöffnet. Er braucht 40 Sekunden für eine Bahn. Wenn der Bademeister bei Raketenalarm pfeift also maximal 20 Sekunden bis an den Beckenrand. Dann hat er noch 70 Sekunden um in den nächsten Luftschutzbunker zu kommen. Das reicht.

    Viele der ermordeten Israelis und der Geiseln der Hamas seien, wie er, Teil des linken Spektrums in Israel und hätten sich vor dem Angriff am 7. Oktober für die Belange der Palästinenser eingesetzt. Er wünscht sich Frieden und weiß doch, dass die Hamas und deren Terrorinfrastruktur zerstört werden muss. 

    Wie lange kann es gehen, bis Frieden herrscht? Optimistisch gesprochen eine Generation, vielleicht 30 Jahre, meint er. Es ist kompliziert. Er weiß es nicht. 

    Mir fehlen auch die Worte. Aber die einfach gestrickten und die verkappten Antisemiten, die jetzt ihre Masken fallen lassen, die finden welche. In den Sozialen Medien und auf “Pro-Palästina”-Demonstrationen. Was kann man dem entgegen setzen?

  • Alles Gute zum Geburtstag, Titien

    Alles Gute zum Geburtstag, Titien

    Ich bin gerade in Wien. Ich habe hier die letzten drei Tage einen Workshop gegeben. Heute geht es zurück nach Karlsruhe und dann direkt weiter nach Lindau.

    Heute ist der 24. Juni, Titiens Geburtstag. „Two, Four, Six – easy to remember!“ hat sie gesagt und gelacht. Ich glaube, es war bei unserem ersten Date.

    Ich war 2019 in Wien mit ihr. Zwei Jahre nach Ihrer Diagnose, ein gutes Jahr vor ihrem Tod. Erinnern ist schön und immer noch schmerzhaft.

  • Elon rettet die ScienceBlogs

    Elon rettet die ScienceBlogs

    Gestern habe ich gelesen, dass die ScienceBlogs zum Jahresende dicht machen. Das Blogportal war ja die Heimat dieses Blogs von 2008-2018. Der aktuelle und wohl fünfte Besitzer der ScienceBlogs, der Konradin-Verlag, wird ab Januar 2023 kein weiteres Geld mehr in das Projekt stecken.

    Die Schließung ist natürlich schade für die Autoren und die Leser. In den Kommentaren zu den Artikeln in denen die Schließung thematisiert wird, werden aber schon Pläne geschmiedet, wie man das Projekt weiterführen könnte. Ich denke aktuell nicht, dass das gelingen wird.

    Das werbefinanzierte Blogportal hat meines Wissens nach zu keinem Zeitpunkt gewinnbringend gewirtschaftet. Neben den Kosten für das Hosting und den fast vernachlässigbar geringen Beträgen, die als Lohn an die Blogger ausgezahlt wurden, entstehen weitere Kosten beim Betrieb einer solchen Plattform: Im Marketing und Vertrieb, redaktionell, administrativ, und rechtlich.

    Obwohl sich Blogs als Format für “Long-Form” Journalismus eigentlich sehr gut für die Kommunikation von Wissenschaftsthemen eignet, ist das Format aus der Mode gekommen. Es gibt zu wenig Leser und zu wenig neue und gute Autoren, um eine kritische Masse zu erreichen, die notwendig wäre, um solch ein Portal wirtschaftlich zu betreiben.

    Das Geschäftsmodell der Finanzierung durch Werbung ist gescheitert. Popups und Bandenwerbung nerven einfach nur. Niemand klickt darauf und die Hälfte hat sowieso Werbeblocker installiert. Außerdem kann im Umfeld von Blogs mit wissenschaftlichem Anspruch nicht jeder Scheiß beworben werden, ohne bei Stammlesern und Autoren auf Widerstand zu stoßen.

    Ein Abomodell, bei dem Leser regelmäßig bezahlen müssten, um die Inhalte zu sehen, ist ebenfalls chancenlos. Die Stammleserschaft von Wissenschaftsblogs ist zu klein und zu arm. Fast noch wichtiger: Das Ziel vieler Autoren ist meiner Ansicht nach, möglichst viele Menschen mit den Artikeln zu erreichen. Eine Bezahlschranke würde das verhindern.

    Eine direkte Finanzierung durch externe Geldgeber z.B. aus der Industrie scheitert an Interessenkonflikten und möglicher inhaltlicher Einflussnahme (siehe Pepsigate).

    Die Finanzierung durch “neutrale” Geldgeber, wie z.B. unabhängige Stiftungen oder öffentliche Förderorganisationen, wird ja für den Wissenschaftsjournalismus allgemein seit Jahren diskutiert. Seit diesem Jahr gibt es den Innovationsfonds Wissenschaftsjournalismus, der jährlich 300.000 EUR vergibt. Ob damit eine nachhaltige Finanzierung einer Blogplattform möglich wäre? Ich wage es zu bezweifeln.

    Ich bin mal gespannt, was die übrigen Autorinnen und Autoren der ScienceBlogs vor haben. Bettina Wurche, die Autorin von Meertext, hat jedenfalls schon angekündigt, dass sie plant, Ihren Blog weiter zu führen – wo auch immer. Sie verweist in Ihrem aktuellen Artikel auch auf ihr Twitter Profil.

    Vielleicht findet ja Elon einen Weg, wie “Content Creators” dort Geld verdienen können. Ich würde jedenfalls die acht Dollar bezahlen.

  • Lars Vogt ist tot

    Lars Vogt ist tot

    Am 29. Mai 2022 fand im Konzerthaus hier in Karlsruhe ein Konzert statt. Brahms 2. Klavierkonzert Op. 83 und Schumann 2. Symphonie Op. 61. Der Solist war Lars Vogt.

    Kurz bevor das Konzert anfing, ich saß schon auf meinem Sitzplatz, wurde die Bühne umgebaut. Der Flügel wurde in der Mitte der Bühne geschoben, und so gedreht, dass Lars Vogt mit dem Rücken zum Publikum sitzen würde. Dann wurde der Deckel des Flügels entfernt, so dass Vogt freien Blick auf das Orchester hatte.

    Der Grund wurde uns vom Veranstalter direkt vor Beginn des Konzertes mitgeteilt: Mario Venzago, der designierte Dirigent, sei unpässlich. Stattdessen würde Lars Vogt nicht nur Solist beim Brahms Klavierkonzert sein, sondern auch dirigieren.

    Die Schumann Symphonie würde er dann auch übernehmen, sollte Venzago sich weiter nicht gut fühlen. So kam es dann auch, und es war keinesfalls beunruhigend, denn Vogt war sozusagen im Zweitberuf Dirigent.

    Das Konzert in Karlsruhe war wunderbar. Bei mir und bestimmt auch bei anderen eingeweihten Zuhörern schwang aber Wehmut mit an dem Abend.

    Vogt wurde Anfang 2021 mit Speiseröhrenkrebs diagnostiziert. Mit Lebermetastasen. Bereits im Spätstadium. Er hatte seine Krebserkrankung öffentlich gemacht, hier ein ergreifendes, ehrliches, reflektiertes Interview mit ihm.

    Lars Vogt ist heute, am 5. September 2022, gestorben.

  • Leider nur ein kurzer Sommer

    Leider nur ein kurzer Sommer

    Heute jährt sich Titiens Todestag zum zweiten Mal. Rein zufällig hatte ich heute einen Arzttermin zum Checkup. Alles ist ok, der eine Polyp ist nicht weiter gewachsen, der eine Leberwert spinnt immer noch, obwohl ich sehr wenig Alkohol trinke.

    Die Ärztin, unsere Ärztin, die heute die Ultraschalluntersuchung meiner Bauchorgane durchgeführt hat, war die Ärztin, die heute vor zwei Jahren bei uns zu Hause war und den Totenschein für Titien ausgestellt hat.

    Ich habe sie nicht daran erinnert. Ich hatte heute früh schon geheult, als ich mit Titiens Bruder telefonierte.

    Ich bin weiterhin etwa zwei Mal im Monat beim Baum unter dem Titien neben meinen Eltern begraben liegt. Die Trockenheit macht der großen Buche ganz schön zu schaffen. Die Blätter sind braun und fallen, die Krone ist fast kahl. Ich hoffe, sie kommt durch.

    Ein kurzer Sommer für den Baum. Wie der von Titien.

    Sonst geht es mir gut. Irgendwo habe ich mal gelesen, Trauer würde mir der Zeit nicht weniger, aber das Leben würde darum wachsen. So fühlt es sich in etwa an.

    Ich bin im August in Karlsruhe geblieben und arbeite im Büro. Es ist weniger los und ich kann mich auf das konzentrieren, was sonst immer liegen bleibt. Ich habe dann im Herbst Urlaub. Barcelona, Wien, und noch mal Barcelona.

    Mitte Juli war ich in Piräus mit Lena und Katrin, zwei Freundinnen von Titien. Katrin wohnt da mit Manuel. Wir waren im Meer schwimmen, segeln, bei einem Konzert der Gruppe Moderat in einem antiken Amphitheater und haben die Insel Aegina erkundet.

    Mitte Juni war ich mit Ashley und Kayan, auch zwei Freundinnen von Titien, in Basel. Bei 38 Grad mit Schwimmsack zwei Kilometer den Rhein runter treiben lassen. Das Leben wächst darum.

    Ich mache mir ab und zu Gedanken, wie ich WeiterGen weiter schreiben soll. Aus einem Wissenschaftsblog ist ein Tagebuch des Lebens von Titien und mir mit ihrer Krankheit geworden und daraus ein Trauerblog nach Titiens Tod.

    Ich glaube irgendwann muss es einfach mit was ganz Trivialem hier weitergen.

  • Gedanken über Trauer im ersten Jahr nach Titiens Tod

    Gedanken über Trauer im ersten Jahr nach Titiens Tod

    Am Montag jährt sich Titiens Todestag. Der 23. August 2020 war ein Sonntag. Sie ist morgens in meinen Armen gestorben. Das zu schreiben treibt mir die Tränen in die Augen und diese Woche – ihre letzte Woche – ist emotional eine besondere Herausforderung. Ich habe mir Urlaub genommen, so wie letztes Jahr. 

    Hier ein paar lose zusammengestellte Gedanken über Trauer und das letzte Jahr. 

    Trauer hat eine akute Phase und eine latente Phase. Die akute Phase dauerte bei mir ein paar Monate. Die latente Phase dauert an, vielleicht mein Leben lang. Ehrlich gesagt wünsche ich mir das sogar. Trauern ist mir nicht unangenehm.

    Die Stärke und Dauer der Trauer ist weit mehr von der Tiefe der Beziehung abhängig als von der vergangenen Zeit seit dem Tod. Trauer kommt und geht in Wellen. Die Intensität ändert sich nicht, die Frequenz hingegen schon. Die Trauerepisoden werden im Lauf der Zeit nicht stetig seltener, sie kommen einfach unregelmäßig. Zur Zeit kommen sie oft.

    Es gibt Orte an denen ich Titien nahe bin. Der Baum unter dem sie und meine Eltern begraben liegen ist einer davon. Ich fahre alle zwei Wochen hin. Die Fotos für die Collage hier im Beitragsbild sind über das letzte Jahr dort oben entstanden.

    Ich gehe dort erst lange spazieren, erinnere mich, und rufe dann Titiens Bruder an. Wir gehen zusammen vom Ort an dem die Fotos entstanden sind zum Baum und verbringen Zeit am Grab.

    Zwei weitere Situationen in denen ich mich ihr nahe fühle: Beim alleine Auto fahren stelle ich mir vor, sie säße auf dem Beifahrersitz neben mir. Wir unterhalten uns dann manchmal.

    Mein iPhone zeigt mir in Form eines Widgets auf dem Startbildschirm jeden Tag andere, zufällig ausgewählte Photos an. Sehr viele davon sind mit Titien. 

    Mein liebstes Hobby ist zur Zeit das Rennradfahren. Ich fahre regelmäßig lange Touren. Die weiteste war 200 km lang von zu Hause zum Baum unter dem Titien begraben ist und wieder zurück. Wenn ich langsamer fahre, ist Zeit zum nachdenken. Wenn ich schneller fahre, kann ich abschalten. Ich hatte noch nie muskulösere Oberschenkel. 

    Noch ein Hinweis an Freunde und Bekannte: Es ist schön, wenn ihr an mich und an sie in diesen Tagen denkt. Ich melde mich selbst, wenn ich telefonieren möchte, freue mich aber wie immer über Kommentare hier.

  • Im Museum mit Titien

    Im Museum mit Titien

    Vor ein paar Tagen war ich mit zwei Freunden spazieren. Neben der Frage nach der Endlichkeit des Seins und der Feststellung einer neuen Gelassenheit, vermutlich im Zusammenhang mit dem inzwischen erreichten Alter (45), haben wir uns gefragt, was wir eigentlich in der Pandemie vermissen.

    Auch wenn sich meine Sozialkontakte weitgehend auf den kurzen und immer freundlichen Austausch mit der Kassiererin beim wöchentlichen Besuch im Supermarkt beschränken, ist es nicht das Zusammensein mit anderen, das mir fehlt.

    Mir fehlt Titien und mir fehlt Kultur und mir fehlt Kultur mit Titien.

    Ein Besuch im Museum mit Titien war immer ein Erlebnis. Wo andere Besucher stumm und andächtig vor den Gemälden stehen, baute Titien immer sofort einen persönlichen Bezug zu den Kunstwerken auf. Besuche in Museen mit ihr war mit das Lustigste, was wir zusammen erlebt haben.

    Das lag auch daran, dass sie – vermutlich auch im Zusammenhang mit ihrem Tumor im Stammhirn – große Probleme hatte, sich das Lachen in den ernsten Museumsräumen zu verkneifen.

    Unten ein Video von ihr, wie sie bei einem Besuch von uns in der Stuttgarter Staatsgalerie vor genau zwei Jahren verzweifelt versucht, ihr Lachen in den Griff zu kriegen.

  • Wo der Schmerz raus will

    Wo der Schmerz raus will

    Mein Tag fing heute Morgen mit einer Pantoprazol und 800 mg Ibuprofen an. Um meinen Pegel zu halten, lege ich alle vier Stunden 400 mg Ibuprofen nach. Um zwei Stunden versetzt und ebenfalls im Vierstundenrhythmus gibts 20 Tropfen Novalgin. 

    Mit den Nachwehen der Silvesternacht hat das nichts zu tun. Pünktlich zum Beginn meiner Weihnachtspause meldete sich mein unterer Rücken, seit vier Tagen mit nie gekannter Vehemenz. Die linke Pobacke schmerzt, es zieht das Bein runter und der linke Fuß ist taub. Sitzen geht gar nicht. Liegen ist ok, der Arzt meinte ich solle mich bewegen, spazieren gehen, Radfahren. Können vor Schmerzen. 

    Es ist, als wolle mein Körper sicherstellen, dass ich in meinem Urlaub auch tatsächlich Pause mache. Ich ergebe mich.

    Eine alternative, nicht weniger belegbare Hypothese über die Ursache habe ich noch: Mein Jahr wahr so schmerzhaft, ich kann das gar nicht alles rausheulen. Da sucht sich der Schmerz einen anderen Weg, bei mir eben das Rückenmark runter, an einem Lendenwirbel raus und dann den Ischiasnerv entlang.

    Heute vor einem Jahr in Seoul.

    Heute vor einem Jahr war ich mit Titien zum Familientreffen in Seoul. Direktflug von Frankfurt. Titiens Bruder ist mit einer Koreanerin verheiratet. Er hat seine Frau und seine Tochter, meine Nichte, zum letzten Mal vor einem Jahr gesehen. Er arbeitet in Jakarta, Frau und Tochter sind in Pandemiezeiten in Korea besser aufgehoben.

    Zwei Freundinnen von mir haben in 2020 ebenfalls ihre Partner verloren. Ian, Martas Mann, ist an Knochenkrebs gestorben. Felipe, der Mann von Almoraima, ist vor vier Tagen ebenfalls an einem Hirntumor gestorben. Alle in unserem Alter.

    An sie habe ich gestern Abend gedacht, und an die vielen Menschen, die Titien und mich im vergangenen Jahr unterstützt haben. Danke und frohes neues Jahr.

  • Heute vor drei Monaten

    Heute vor drei Monaten

    Heute vor drei Monaten ist Titien gestorben. Ich habe sie in den Armen gehalten, als sie aufgehört hat zu atmen und ihr Herz stehen blieb.

    Ich funktioniere. Ich kann wieder Seminare und Workshops geben. Ich gehe in mein Büro und arbeite tags über. Abends kriege ich weiter nichts hin.

    Ich kann mich auf nichts konzentrieren, habe keine Motivation und alles geht mir emotional nahe. Lesen geht nicht, Serien gucken geht nicht, schreiben geht nicht, Rennradfahren geht nicht. Mit Freunden telefonieren geht manchmal. Mit dem Handy spielen, das geht.

    Ich habe angefangen zu meditieren. Waking Up mit Sam Harris. Und nach meiner täglichen Mindfullness-Session bleibe ich einfach sitzen und denke an Titien. Mir fällt dann ein Foto ein und ich erinnere mich an die Situation drum rum. Manchmal spreche ich auch mit ihr.

    Vorgestern zum Beispiel. Ich hatte einen Freund besucht und war mit dem Auto auf dem Rückweg nach Karlsruhe. Ich fuhr auf der leeren Autobahn, draußen war es schon dunkel. Ich habe meine Hand auf den Beifahrersitz gelegt, dahin wo sonst ihre Beine waren, und habe mich mit ihr unterhalten. Da war sie mir ganz nah.

    Alle zwei Wochen etwa fahre ich zu unserem Familenbaum in den Ruheforst. Da liegt Titiens Urne neben den Urnen meiner Eltern begraben. Ich stehe dann an unsere Buche gelehnt und starre auf ihr noch frisches Grab. Es fühlt sich gut an, zu wissen, dass ich mal da, neben ihr, liegen werde.

    Ich telefoniere immer noch fast täglich mit Titiens Bruder. Mit ihren besten Freundinnen habe ich regelmäßige Videokonferenzen. Ich treffe mich alle drei Wochen mit meinem Trauerbegleiter und ich habe das Glück sehr gute, mitfühlende, verständnisvolle Freunde zu haben, die wissen, dass ich keine Ratschläge brauche, wie ich drüber weg komme und ich auch nicht aufgemuntert werden möchte.

    Ich bin traurig und das ist auch ok so.

  • Titiens Begräbnis

    Titiens Begräbnis

    Gestern war Titiens Beerdigung. Mir fehlen die Adjektive, um den Tag zu beschreiben.

    Titien wurde unter einer Buche in einem Wald neben meinen Eltern in meiner alten Heimat bestattet. Mein Bruder Tilman hat mich von Karlsruhe nach Obersulm gefahren. Christian, mein bester Freund aus Grundschul- und Gymnasiumszeiten, ist evangelischer Pfarrer. Er hat das Begräbnis geleitet. Titiens beste Freundin Kayan hat auch gesprochen. Sarah und Frank haben das Begräbnis mit Geige und Akkordeon begleitet. Es war eine Zeremonie mit Familie und engen Freunden. Ich habe Titiens Urne vom Aussegnungsplatz zum Grab getragen und selbst abgelassen.

    Als ich nach Hause kam, lag ein Buch mit Illustrationen im Briefkasten, das ich bestellt hatte. “Finding Joy” von Gary Andrews. Gary hat 2017 seine Frau Joy verloren, sie starb an einer Sepsis. Das muss kurz nach Titiens Diagnose gewesen sein.

    Ich folge Gary seither auf Twitter. Er verarbeitet seine Trauer, in dem er dort jeden Tag eine Zeichnung publiziert. Jetzt, am 3. September, sind die Illustrationen der letzten Jahre in Buchform erschienen.

    Ich habe das Buch gestern Abend noch aufgeschlagen. Ich bin mit meinem Prozess der Trauer auf der dritten Seite. Wir waren im Wald und haben von Titien Abschied genommen. Dabei brach das Licht durch die Blätter.

    Titien vor unserem Baum (2017)