Hier zu Hause ist es sehr viel ruhiger geworden, seit Titien nicht mehr richtig sprechen kann. Es war natürlich sie, die in unserer Beziehung die Kommunikation initiiert und am Laufen gehalten hat. Mir fehlt das.

In den letzten Monaten wurde ihre Stimme immer nasaler, was sie störte. Aber sie war noch gut zu verstehen. In den letzten Wochen wurde aus sprechen ein Nuscheln und ich musste immer häufiger nachfragen, was sie denn gerade gesagt hatte. Das war frustrierend und führte dazu, dass sie immer weniger sprach.

Ihre Aussprache lies weiter nach, auch ihre Handschrift war nicht mehr zu entziffern, so dass wir dazu übergingen, mit dem Handy zu kommunizieren. Sie schrieb und ich antwortete ihr verbal.

Dann fiel ihr das Tippen immer schwerer und sie hatte Mühe, ihr Telefon zu halten. Inzwischen konnte ich auch wiederholt gesprochene, einzelne Worte nicht verstehen.

Wir entwickelten eine Fragetechnik: Willst du etwas trinken? Etwas essen? Was mit Medikamenten? Soll ich deine Position ändern? Dann kommen Folgefragen: Wasser oder Saft oder Tee? Kopf oder Arme oder Beine anders?

Vor ein paar Tagen konnte sie noch mit Lauten die Ja oder Nein ähnelten antworten. Jetzt sind die Finger ihrer rechten Hand und die Augenlider die einzigen Körperteile, die sie noch aktiv bewegen kann.

Ein Finger oder einmal blinzeln heißt Ja. Zwei Finger oder zweimal blinzeln heißt Nein. Ein, zwei, oder drei Finger entsprechen Optionen, die ich ihr aufzähle.

Wenn sie mir etwas sagen will, das nicht ins Raster aus trinken, essen, Medikamente und Liegeposition passt, dann fange ich mit dem ABC an und sie tippt mit einem Finger auf meine Hand, wenn wir beim richtigen Buchstaben sind.

abcde ich spüre ihr Tippen
Wieder zurück: B C, sie tippt. Erster Buchstabe C
abcdefghijk ich spüre ihr Tippen
Wieder zurück:F G H, sie tippt. Zweiter Buchstabe H
Am Schluss steht da CHECK FACEBOOK auf meinem Block und ich weiß, dass ich ihr die Kommentare zu ihrem letzten Facebook-Eintrag vorlesen soll, den sie schon vor drei Wochen vorgeschrieben hatte, als sie noch das Handy bedienen konnte, und den ich gestern in ihrem Namen publiziert habe.

Gestern Abend wollte sie mir noch was sagen:
abcdefghi
abcdefghijklmnopqrstuvw
abcdefghi
abcdefghijkl
abcdefghijkl
abcd
abcdefghi
abcde
abcdefghijklmn
abcde
abcdefghijklmnopqrstuvwx
abcdefghijklmnopqrst
abcdefghijklmnopqrstuvw
abcde
abcde
abcdefghijk

Beteilige dich an der Unterhaltung

5 Kommentare

  1. Es ist hart und sehr traurig Titiens Leiden mitzuverfolgen und das nur über eure beiden Blogs. Es muss so viel schwieriger für euch sein.
    Es tut mir so leid für euch. Ihr seid beide tolle Menschen und Titien hat mich mit ihrer offenen Art und Weise ihre Blog Einträge zu schreiben in den Bann gezogen. Ich bin euch, bin Titien sehr dankbar für die Einsichten und Denkanstöße, welche ihr über die Jahre vermittelt habt.
    Ich wünsche ihr von Herzen dass sie friedvoll und geliebt gehen kann.

    Traurige Grüße
    Holger

    1. Hey Holger, schön von dir auch hier zu lesen.
      Holger II aus unserer Spüle (hier ganz jung) hat sich übrigens zu einer veritablen Paprikapflanze gemausert! Unglaublich, dass die Bilder hinter dem Link gerade mal ein Jahr alt sind.
      Holger II

    2. Du bist großartig und eine unfassbar tolle Stütze für Titien! Ich hoffe ihr habt ein tolles SAPV-Team.
      Alles Liebe für euch!

  2. Dear Tobias and Titien
    My reading in German is ok, writing much less so. I have only followed your story in recent times, but without doubt your courage will remain as an example to me. May this next passage of time be as peaceful as possible. Godspeed.

  3. Sehr geehrter Herr Maier,
    ich kenne weder Sie noch Ihre Frau persönlich. Ich bin über ihre Beiträge auf scienceblog über Ihr Blog hier “gestolpert” und verfolge Ihre Leidensgeschichte nun schon … länger.
    Ich kann Ihnen als Wildfremder hier im Internet unmöglich helfen oder seelischen Trost spenden; dafür fehlt die persönliche Basis.
    Was ich aber kann, ist Ihnen zu schreiben, dass ich Ihr Verhalten und Ihren Umgang mit der tragischen Situation als vorbildlich empfinde. Natürlich hoffe ich, dass mich oder meine Lieben nie ein vergleichbares Schicksal wie Ihrer Frau ereilt. Sollte es jedoch dazu kommen, so hoffe und bete ich, dass meine Lieben und ich so stark sind, wie sie beide.
    So schlimm die Krankheit ist. So schrecklich das vermeintlich unausweichliche scheint. Ein kleines Stück von Titiens durch Sie vermittelten Stärke, Lebensfreude und Beispiel wird – auch in mir – weiterleben.

    Danke für Ihr Beispiel an Menschlichkeit, Aufopferung und Liebe, Herr Maier.

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