Titien wacht aus der Vollnarkose nach der Biopsie auf. Ich bin bei ihr. Sie schreit und hat panische Angst davor, keine Luft zu bekommen. Ich versuche sie zu beruhigen, mir zerreißt es fast das Herz. Auf ihrer Stirn sind rote Druckstellen von dem Metallgestell, in das ihr Kopf bei der Biopsie eingespannt war. Sie schläft wieder ein.
Der operierende Arzt nimmt sich nur kurz Zeit um mir zu erklären, dass die robotergestützte stereotaktische Biopsie so lange gedauert habe, weil es Schwierigkeiten dabei gab, die Proben zu entnehmen. Es sei außerdem zu einer leichten Einblutung in den Biopsiekanal gekommen.
Später, als Titien wieder in ihrem Stationszimmer liegt und langsam wach wird, wird das Ausmaß der akuten Folgen der Biopsie sichtbar. Sie schielt stark. Sie kann kaum sprechen, sie kann nicht schlucken, ihre Mimik ist eingefroren, sie fühlt in ihrem linken Arm nur ein Kribbeln. Ihre Koordination ist stark eingeschränkt. Sie schafft es nicht, mit geschlossenen Augen ihre Zeigefinger zur Nase zu führen.
Ich übernachte neben ihrem Bett auf einem Stuhl und wische ihr alle paar Minuten die Spuke aus dem Mundwinkel. Zum Glück sind ihre Eltern da. Wir können uns abwechseln mit der Wache an ihrem Bett.
In den ersten Tagen nach der OP wird es nicht besser. Sie kann nicht aufstehen, sich nicht waschen und nicht gehen.
Auch das Pflegeteam der neurochirurgischen Station scheint überfordert. Titien wird von einem Pfleger nachts aufgeweckt und angepflaumt. Sie sei ja wohl erwachsen und bräuchte niemanden, der neben ihr nachts sitzt.
Langsam, ganz langsam macht sie Fortschritte. Sie kann sitzen. Sie kann mit Hilfe aufstehen. Ich dusche sie im engen Bad des Krankenzimmers.Wenn ich sie stütze, kann sie die ersten Schritte machen. Jeden Tag ein paar Meter mehr.
Sie wird über eine Magensonde ernährt, die durch ihre Nase geführt wird, weil sie immer noch nicht schlucken kann. Sie trägt immer noch die weiten, hinten offenen Nachthemden der neurochirurgischen Station. Die Narbe am Hinterkopf, hinter dem rechten Ohr, verheilt langsam.

Neun Tage nach der Biopsie sind die Ergebnisse da. Noch am selben Tag wird Titien entlassen. Ein Krankentransport bringt sie ins städtische Klinikum Karlsruhe. Ihre Mutter ist bei ihr im Krankenwagen. Ich fahre im Auto hinterher, Titiens Vater sitzt schweigsam auf dem Beifahrersitz.
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