Warum kleine Journals ohne Open Access untergehen

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Beim Schreiben eines Übersichtsartikels ist mir aufgefallen, warum kleine Journals sich selbst schaden, wenn sie dort publizierte Artikel nicht öffentlich zugänglich machen (Open Access). Was nicht leicht zugänglich ist, wird weniger zitiert und verringert so den wichtigen Impact Factor.

Ich schreibe gerade einen Review, also einen Übersichtsartikel zu einem bestimmten Thema. Es geht um die Korrelation von mRNA und Proteinen. Die sollte recht gut sein, sollte man meinen. Schließlich wird direkt aus der mRNA am Ribosom das Protein synthetisiert. Ist sie aber nicht. Das hat mehrere Gründe auf post-transkriptioneller und post-translationeller Ebene. Welche das sind, und welche Bedeutung diesen Faktoren jeweils zukommt, das ist das Thema des Reviews.
Den Großteil der Zeit, die ich vor meinem Computer sitze, verbringe ich ja nicht mit dem eigentlichen Schreiben. Viel Zeitaufwendiger ist die Literaturrecherche und das Lesen der bereits publizierten Forschungs- und Übersichtsartikel, die mein Thema tangieren oder Aspekte desselben abdecken.

Literaturzitate sind die Währung der Fachmagazine

Zur Literaturrecherche verwende ich die Datenbank PubMed, in der Millionen Zusammenfassungen von Forschungsartikeln aus dem Bereich Lebenswissenschaften und Medizin gespeichert sind. Es erfordert einige Übung die relevantesten Artikel zum Thema der Wahl zu finden. Eine gute Strategie ist, sich ein relevantes Paper aufzurufen und anhand der Referenzen weitere Veröffentlichungen zu finden. Die passendsten werden gelesen, und wenn die Inhalte für meinen Review interessant sind, wird das Paper zitiert.
Ein Literaturzitat hat nicht nur die Aufgabe, meine Ausführungen zu belegen, es ist die Währung durch die Journals ihre Relevanz definieren. Je häufiger veröffentlichte Artikel einer Zeitschrift zitiert werden, desto höher ist der sogenannte Impact Factor. Je höher der Impact Factor ist, desto angesehener ist eine Zeitschrift, desto eher werden deren Artikel wahrgenommen.
Artikel, die ich bei meiner Recherche finde, fallen in drei Klassen: Erstens: Open Access Artikel. Diese Artikel sind im Volltext jedem frei zugänglich. Zweitens: Artikel in Fachzeitschriften, für die mein Institut ein Abonnement hat. Diese Artikel sind mir als Teil der Forschercommunity vorbehalten. Wer privat solche Artikel lesen möchte, braucht ein teures Abonnement. Die bekanntesten Magazine, Nature und Science, fallen in diese Klasse. Und drittens: Artikel, die entweder online nicht verfügbar sind oder Artikel, die in Magazinen publiziert werden, zu denen ich keinen freien Zugang habe.

Closed Access schadet direkt den Journals und indirekt den Autoren

Die dritten haben ein Problem. Dadurch, dass ich die Papers nicht sofort online verfügbar sind, werden sie wahrscheinlich von mir nicht zitiert. Es gibt eigentlich fast immer ähnliche Artikel, die ich stattdessen verwenden kann. Für mich bedeutet das nur ein bisschen mehr Literaturrecherche, für die Herausgeber der kleinen, Closed Access Journals ist das ein Desaster, da der Impact des Magazins leidet. Ich bin ja nicht der einzige, der den Artikel aus Gründen nicht direkten Verfügbarkeit nicht zitiert.
Wenn kleinere Magazine also ihre Artikel nicht frei online verfügbar machen, schaden sie damit direkt ihrer Reputation und indirekt ihren Autoren, deren Papers durch fehlende Zitate nicht gewürdigt und wahrgenommen werden.

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17 Kommentare

  1. Genau diese Erfahrung habe ich in ganz anderen Wissensgebieten auch gemacht. Das gleiche gilt für Buch-Verlage, die nicht zulassen, dass man bei Google-Books rein liest. Keine Zitate, kein Mehr-Verkauf.
    Und wenn jetzt dieser Beitrag unter einer Creative Commons-Lizenz stehen würde, könnte ich ihn verbreiten und einen Link hierher setzen…

  2. Um es gleich vorweg zu nehmen, die Hauptthese des Beitrags unterstütze ich voll. Ich möchte aber ein paar Fragen loswerden, die Dein Literaturreview betreffen. Auch möchte ich anmerken, dass ich keinen Deut von dem verstanden habe, worum es Dir inhaltlich geht. Meine zentrale Frage lautet: Möchtest Du ein traditionelles Literaturreview (auch narratives Review, weitere Nachteile hier, S. 480f) oder ein systematisches Review machen?
    Du schreibst:

    “Zur Literaturrecherche verwende ich die Datenbank PubMed […]”

    Warum sollte man nur eine Datenbank verwenden? Gibt es in dem Bereich nicht mehr? Was ist bspw. mit grauer, unveröffentlichter Literatur, die man so nicht findet, die aber in einigen Bereichen (ich weiß es bspw. aus der Ökonomie) immer wichtiger wird.

    “Es erfordert einige Übung die relevantesten Artikel zum Thema der Wahl zu finden.”

    Stimmt, vor allem erfordert es einen genauen Plan, der die Fragestellung, Suchkriterien, Recherchequellen etc. umfasst. Vielleicht ist das aber auch gemeint 🙂 Stichwort: transparente, systematische und replizierbare Recherche.

    “Und drittens: Artikel, die entweder online nicht verfügbar sind oder Artikel, die in Magazinen publiziert werden, zu denen ich keinen freien Zugang habe. Die dritten haben ein Problem. Dadurch, dass ich die Papers nicht sofort online verfügbar sind, werden sie wahrscheinlich von mir nicht zitiert. Es gibt eigentlich fast immer ähnliche Artikel, die ich stattdessen verwenden kann.”

    publication bias … und: Wie kannst Du das wissen, dass es ähnliche Artikel gibt?
    Vielleicht schieße ich mit meiner (angedeuteten) Kritik aber auch mit Kanonen auf Spatzen. Wer sich gleichwohl für weitere Literatur zu den Themen Literaturrecherche und systematische Reviews interessiert, der sei auf die Cochrane und die Campbell Collaboration verwiesen.

  3. Das ist vor allem ein Desaster für die betroffenen Wissenschaftler. Deswegen sollten Forscher grundsätzlich das Recht haben, ihre publizierten Artikel auf der eigenen Homepage öffentlich zugänglich zu machen.

  4. Mein Notfallpaket zur Beschaffung von Artikeln ohne online-Zugang meiner Bibliothek (in dieser Reihenfolge):
    1. Titel googeln. Die Autoren haben ihre Artikel oft im Volltext auf ihrer Webseite oder sie wurden sonstwo als pdf gespeichert.
    2. Liebe Kollegen mit online-Zugang zur Zeitschrift mit der Bitte um das pdf anmailen.
    3. Autoren mit der Bitte um das pdf anmailen.
    4. Unibibliothekskatalog nach hardcopy der Zeitschrift durchstöbern (bei älteren Artikeln).
    (ab hier wird’s mühsam bzw. teuer…)
    5. Andere Bibliothek in der Nähe aufsuchen.
    6. Artikel per Fernleihe bestellen (wenn Zeit keine Rolle spielt…)
    7. Artikel online kaufen (wenn Geld keine Rolle spielt…)

  5. Bernd,
    in meinem Bereich, also der biomedizinischen Grundlagenforschung, ist PubMed und Medline tatsächlich die Quelle für peer-reviewte, publizierte Arbeiten. Unveröffentlichte Daten (auch meine eigenen) fliessen in den Review nicht mit ein.
    Ich verwende verschiedene Recherchemethoden in PubMed, dazu kommt am Montag noch ein Blogpost. PubMed liefert immer mehere Ergebnisse zu einer Suche, so dass es einfach ist, ähnliche und verwandte Artikel zu finden. Weiter hat PubMed eine “Related Articles” Funktion und es wird angezeigt, von wem ein gefundener Artikel zitiert wurde.
    Der Publication bias, also der Hang nur positive Forschungsergebnisse zu publizieren ist hier kein Problem. Mein Review dreht sich ja gerade um ein solches negatives Ergbnis: Zwischen mRNA und protein Levels in der Zelle ist keine grosse Korrelation zu beobachten. Warum das so ist versuche ich anhand vorhandener Literatur herauszuarbeiten.
    Wer selber mal suchen möchte: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/
    Zum Beispiel mal “H1N1 influenza” eingeben (3000 Artikel). Oder “mRNA protein correlation” (11000 Artikel)

  6. Ulrich,
    Punkte 1-6 habe ich alle schon gehabt. Selbst gekauft habe ich noch keinen Artikel. Tatsächlich ist es aber so, dass in meinem Fachgebiet häufig verwandte Artikel zur Verfügung stehen, die an Stelle des zugangslimitierten verwendet werden können.

  7. Meine Reihenfolge, wenn über meinen Zugang der Artikel online nicht verfügbar ist:
    1. Subito
    2. Online kaufen
    Zahlt eh der Kunde aus der Pharmaindustrie als “expenses”.
    Zum Posting: Das grundsätzliche Problem ist doch nicht neu. Wer früher nicht Wochen auf eine Fernleihe warten wollte, hat sich anders beholfen, im Zweifel wurde eben der Artikel aus einer kleinen Zeitschrift, die in Deutschland nur einmal verfügbar war oder gar nicht, nicht zitiert. Durch Abstracts in PubMed/Medline und online-Kauf ist das besser geworden. Für einen Wissenschaftler mach doch OpenAccess keinen Unterschied. Er hat Zugang zu aller online in seiner Bibliothek verfügbarer Literatur. Für ihn ist das als Privilegierter praktisch “Open Access”.
    Man sollte mal definieren, was “kleine Zeitschriften” sind. Journals, die von den internationalen Wissenschaftsverlagen verlegt werden, aber nicht in der Backfiles-Vereinbarung mit den Bibliotheken enthalten sind? Journals unabhängiger, nationaler Verlage in anderen Ländern und Berufsverbänden? Spezialzeitschriften, die nur ein sehr enges Thema mit einer überschaubaren “Scientific Communtiy” ansprechen? Das kann bei den Folgen für die Wahrnehmung einen grossen Unterschied ausmachen.
    Ein bedeutenderes wissenschaftliches Informationsproblem erscheint mir die Sichtbarkeit der “grauen Literatur”. Forschungsberichte, Tagungsbeiträge und Abstracts usw. Systematisch geht da nichts, es regiert der Google-Zufall bzw. das Können/Erfahrung des Suchenden.

  8. strappato,
    historisch völlig richtig. Ich kenne die vor-PubMed Zeit überhaupt nicht, aber ohne eine verlässliche Literaturdatenbank wäre meine aktuelle Arbeit bedeutend Zeitaufwendiger. Das Risiko, dass mir relevante Publikationen entgingen wäre viel größer.
    Ich habe online zwar Zugang zu sehr vielen Zeitschriften, Ausnahmen sind die kleinen Zeitschriften. Die sind also für jedes Institut individuell definiert. Die Grenzen von Pubmed muss ich für meinen Review nicht ausloten – für andere Themenbereiche mag dies der Fall sein.
    Erfahrung spielt auch bei der Suche auf PubMed eine große Rolle.

  9. Mein 1. Semester: Einführung in die wissenschaftliche Arbeit. Wie man Karteikarten anlegt und Exzerpte schreibt, Bibliotekskataloge und Stichwortkataloge nutzt. Später, so Anfang der 90er durfte der Nutzer sich die Medline-CDs ausleihen und am Bibliotheks-PC recherchieren. War dann Diskjockey-Arbeit. Abstracts zum Teil nicht verfügbar. Dannach gings in den Zeitschriftensaal, bewafffnet mit Leihzettel und Kopierkarte. Was Freihand nicht zu erhalten war musste mit Leihzettel angefordert werden. Die Archiv-Bestellungen konnte man 3x am Tag zu festen Zeiten abholen. Die Jahrgänge waren natürlich gebunden. Da konnte es passieren, dass man mit einem 2 Dutzend Wälzern den Gang zum Kopiererer angetreten ist. Was dann immer noch fehlte, wurde per Fernleihe bestellt. Bis Ende des Jahrtausends musste der Fernleihschein noch mit einer Schreibmaschine, die in der Bibliothel stand ausgefüllt werden.
    So haben im Prinzip alle derzeitigen Lehrstuhlinhaber und Funkltionsträger wissenschaftlich früher gearbeitet. Hilft vielleicht zum gegenseitigen Verständnis wenn es bei der Duskussion um OpanAccess hoch hergeht.

  10. Besucher,
    Open Acccess Journals, so wie zum Beispiel die der PLoS lassen sich von den Autoren eine Publikationsgebühr entrichten. Etwa 2000 Euro pro Artikel. PLoS ist eine Non-Profit Organisation.
    Viele andere Verlage, wie zum Beispiel die Nature publishing group, finanziert sich hingegen traditionell über Abonnements und Werbung. Weiter erheben diese Journals auch Publiaktionsgebühren (zu Beispiel kosten manchmal Farbabbildungen extra) Das ist erst mal nicht unbedingt ein schlechteres Geschäftsmodell.
    Die Frage, die sich Lars Fischer aktuell stellt (oben im zweiten Kommentar verlinkt) ist: Haben nicht alle das Recht auf einen barrierefreien Zugang zu Forschungsergebnissen, da diese oft durch öffentliche Gelder finanziert wurden?
    Für die Qualität sind primär die Autoren, die Editoren und externen Begutachter zuständig. Letztere arbeiten umsonst.

  11. Nur eine Frage: Wie sollen Verlage sich finanzieren, wenn alle Beiträge, die sie publizieren, frei zugänglich wären? Sie ermöglichen es doch erst, dass eure Arbeiten – auch in ansprechender Qualität- publiziert werden.
    Natürlich kann ich verstehen, dass es die Literaturrecherche erschwert oder man von einigen Paper nicht einmal ahnt, dass es sie gibt, weil sie nirgends gelistet sind. Aber man sollte auch die anderen Seite sehen: Wenn alles kostenlos sein soll, wer soll die Arbeit machen, die dahinter steckt. Und leidet dann nicht die Qualtität?
    Das war nur so ein Gedanke, den ich hier noch ergänzen wollte.

  12. @ Besucher: In der Mathematik gibt es immer mehr Universitäten und Fachverbände, die in eigener Regie Fachzeitschriften herausgeben, die oft besser (und natürlich billiger) sind als die von Verlagen herausgegebenen. Beim heutigen Stand der Technik braucht man dafür nur eine Sekretärin (und natürlich engagierte Herausgeber).
    Siehe auch http://www.scienceblogs.de/mathlog/2008/03/mathematische-zeitschriften.php : da ist z.B. mal das komplette Herausgeber-Gremium einer Elsevier-Zeitschrift zurückgetreten und hat die Zeitschrift anschließend in Eigeninititative neu gegründet – ohne den Verlag.

  13. Als Ergänzung zu den Finanzierungsquellen:

    First, there is “Green” and “gold” open access. Green open access means the author retains the copyright, which can be negotiated with many journals, not only open access journals. The author has the copyright and usually deposits a copy of the paper in some repository or on his own website. Or there are laws now in place that every publication funded by the NIH has to be made public within 12 months after publication. So that would be green open access, and it’s pretty much free. Gold open access, as in open access journals, has different ways of funding. A relatively small proportion of open access journals, but for various historical contingencies the best known and probably most popular open acces journals, are charging authors. Other ways of funding are from scientific societies, through advertising, through donations and sponsorships, and many journals use more than one means of funding.

    The small minority of journals that charge authors waive charges for authors that ate at the moment incapable of paying. All seven PLoS journals waive fees no questions asked. There’s actually a checkbox when you submit: “Well, I can’t pay.” The important part of that is, nobody on the editorial side knows which manuscript was paid for, reviewers, editors, nobody knows. Only the bookkeeper knows. Which means that there is no way to taint the editorial or the review process by knowing who paid and who didn’t. I think that’s very important to keep those things separate. You don’t want to be influenced subconsciously by knowing this was paid for or this was not, or even the assumption that unpaid ones are of lesser value, perhaps because they come from the developed world. That’s exactly what we are trying to counter. One of the visions of PLoS is encouraging research and publication in the developing world. We are kind of surprised that 90 percent of our manuscripts are paid for, and we have examples of publications being paid for two years later.

    Bora Zivkovic, Quelle
    Btw, das Interview hat sich echt mal gelohnt…

  14. Nice article Tobias, I just finalized rewriting the grant proposal and it did frustrate me that I was unable to get my hands on some potentially interesting articles.
    Another issue : doesn’t it frustrate you that ‘supplemental info’ is always a separate pdf file? Why can’t they just make one pdf out of it? First pages, the article as it is published and then following the references, the supplemental info. It is a hassle to organize those supps in applications like “Papers”.

  15. Tom,
    good point. Managing supplemental material is a nuisance. It is also annoying that for many papers I basically have to read two documents in parallel, because some figures mentioned a lot in the main text by the authors only made it to the 95 page supplement as figure S17.

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