Schlagwort: Hirntumor

  • Wie DIPG unsere Kommunikation erodiert

    Wie DIPG unsere Kommunikation erodiert

    Hier zu Hause ist es sehr viel ruhiger geworden, seit Titien nicht mehr richtig sprechen kann. Es war natürlich sie, die in unserer Beziehung die Kommunikation initiiert und am Laufen gehalten hat. Mir fehlt das.

    In den letzten Monaten wurde ihre Stimme immer nasaler, was sie störte. Aber sie war noch gut zu verstehen. In den letzten Wochen wurde aus sprechen ein Nuscheln und ich musste immer häufiger nachfragen, was sie denn gerade gesagt hatte. Das war frustrierend und führte dazu, dass sie immer weniger sprach.

    Ihre Aussprache lies weiter nach, auch ihre Handschrift war nicht mehr zu entziffern, so dass wir dazu übergingen, mit dem Handy zu kommunizieren. Sie schrieb und ich antwortete ihr verbal.

    Dann fiel ihr das Tippen immer schwerer und sie hatte Mühe, ihr Telefon zu halten. Inzwischen konnte ich auch wiederholt gesprochene, einzelne Worte nicht verstehen.

    Wir entwickelten eine Fragetechnik: Willst du etwas trinken? Etwas essen? Was mit Medikamenten? Soll ich deine Position ändern? Dann kommen Folgefragen: Wasser oder Saft oder Tee? Kopf oder Arme oder Beine anders?

    Vor ein paar Tagen konnte sie noch mit Lauten die Ja oder Nein ähnelten antworten. Jetzt sind die Finger ihrer rechten Hand und die Augenlider die einzigen Körperteile, die sie noch aktiv bewegen kann.

    Ein Finger oder einmal blinzeln heißt Ja. Zwei Finger oder zweimal blinzeln heißt Nein. Ein, zwei, oder drei Finger entsprechen Optionen, die ich ihr aufzähle.

    Wenn sie mir etwas sagen will, das nicht ins Raster aus trinken, essen, Medikamente und Liegeposition passt, dann fange ich mit dem ABC an und sie tippt mit einem Finger auf meine Hand, wenn wir beim richtigen Buchstaben sind.

    abcde ich spüre ihr Tippen
    Wieder zurück: B C, sie tippt. Erster Buchstabe C
    abcdefghijk ich spüre ihr Tippen
    Wieder zurück:F G H, sie tippt. Zweiter Buchstabe H
    Am Schluss steht da CHECK FACEBOOK auf meinem Block und ich weiß, dass ich ihr die Kommentare zu ihrem letzten Facebook-Eintrag vorlesen soll, den sie schon vor drei Wochen vorgeschrieben hatte, als sie noch das Handy bedienen konnte, und den ich gestern in ihrem Namen publiziert habe.

    Gestern Abend wollte sie mir noch was sagen:
    abcdefghi
    abcdefghijklmnopqrstuvw
    abcdefghi
    abcdefghijkl
    abcdefghijkl
    abcd
    abcdefghi
    abcde
    abcdefghijklmn
    abcde
    abcdefghijklmnopqrstuvwx
    abcdefghijklmnopqrst
    abcdefghijklmnopqrstuvw
    abcde
    abcde
    abcdefghijk

  • Wie funktioniert die Pflege zu Hause?

    Wie funktioniert die Pflege zu Hause?

    Titien und ich schreiben ja beide, wie wir mit ihrer Krankheit umgehen. Vor allem jetzt, da es ihr zunehmend schlechter geht, bekommen wir sehr viel Zuspruch, gute Wünsche, Hilfsangebote und Vorschläge, wie wir ihre Pflege besser organisieren könnten.

    Zunächst das Wichtigste: Sowohl Titien als auch ich freuen uns über Likes und wenn unsere Artikel über Soziale Medien kommentiert und weiter geteilt werden, und wir freuen uns sehr über Kommentare und Nachrichten unter den Artikeln in unseren jeweiligen Blogs. Vielen Dank dafür und bitte so weiter machen!

    Wir bekommen jede Woche Besuch von den “Brückenschwestern”. Das ist ein onkologischer Palliativdienst in Karlsruhe, der von den großen Krankenhäusern der Stadt getragen wird. Wir hätten außerdem die Möglichkeit, einen privaten Pflegedienst in Anspruch zu nehmen. Bei Bedarf kommt unsere Hausärztin hier vorbei und schaut nach Titien. Selbstverständlich gibt es auch in Karlsruhe für die Palliativpflege ausgestattete Heime und Hospize.

    Ich bin jedoch in der privilegierten Lage, Titien hier zu Hause pflegen zu können. Zum einen haben wir hier eine passende Infrastruktur: Unsere Wohnung ist behindertengerecht mit breitem Flur, ausreichend großen Zimmern, ohne Treppen und mit niedrigen Türschwellen. Wir haben einen Aufzug und können ebenerdig das Haus verlassen, mein Auto ist ebenfalls direkt mit dem Lift in der Tiefgarage erreichbar. Wir sind außerdem ausgestattet mit einem Pflegebett mit elektrisch verstellbarem Kopf und Fußteil, mit einem Rollstuhl, einem Toilettenstuhl, einem Rollator und einem Duschlift.

    Weiter sind die körperlichen Voraussetzungen für die Pflege zu Hause gegeben: Ich bin groß und kräftig. Titien ist klein und zierlich. Selbst bei durch das Kortison bedingten starken Wassereinlagerungen wiegt sie noch unter sechzig Kilogramm. Das will sie oft selbst nicht glauben und bestellt dann Jogginghosen in Größe XL, die ich dann in Größe M umtauschen muss – und selbst die sitzen noch bequem. Ich kann Titien alleine vom Bett auf den Toilettenstuhl, in die Dusche, aufs Sofa, in den Rollstuhl, und zurück befördern. Selbst wenn es sie mal auf den Boden setzt, wie gestern morgen im Bad geschehen, kann ich sie einfach aufheben und wieder in den Rollstuhl setzen.

    Drittens sind die weiteren Rahmenbedingungen optimal: Ich habe einen verständnisvollen Arbeitgeber, der mir erlaubt in dieser Zeit von zu Hause aus flexibel zu arbeiten. Wir haben einen fürsorglichen Freundeskreis, der bei Bedarf jederzeit für Einkäufe und Gespräche zur Verfügung steht. Ich habe außerdem bereits Erfahrung mit der Pflege Angehöriger. Ich habe meine Mutter ihre letzten 15 Monate begleitet, bevor sie 2016 an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb.

    Der letzte Punkt ist aber der Wichtigste: Es ist der ausgesprochene Wunsch von uns beiden, dass ich sie pflege und dass sie so lange wie möglich hier zu Hause gepflegt wird. Titien hat das sogar schriftlich in ihrer Patientenverfügung festgehalten. 

    Titien hat oft noch einen weiteren Wunsch: Sie möchte niemand anderen sehen. Das führt dazu, dass wir der Musiktherapeutin direkt wieder absagen, die Titien mit auf eine “Klangreise” nehmen wollte. Oder dazu, dass wir keine Physiotherapeuten hier nach Hause bestellen, um an meinem Rücken rum zu massieren. 

    Das bedeutet auch, dass wir nur sehr selten Freunde zu uns nach Hause einladen. Titien will oft einfach nur ihre Ruhe. Danke, dass ihr das alle respektiert.

  • Muskelschwäche durch Kortison oder Hirntumor

    Muskelschwäche durch Kortison oder Hirntumor

    Titiens Symptome verändern sich weiter. Leider nicht zum Guten. Sie hat inzwischen fast keine Kraft mehr in ihren Muskeln. Ich vermute, ursächlich dafür ist sowohl der Progress ihres Hirntumors, als auch das hochdosierte Kortison, sowie die Tatsache, dass ihre Muskeln aus Bewegungsmangel abbauen. 

    Deshalb hängt ihr Kopf immer zur Seite wenn sie sitzt. Deshalb ist es inzwischen wirklich ein Kraftakt für mich, Titien in der Wohnung hin und her zu bewegen.

    Um ihren Kopf zu stabilisieren habe ich ihr eines dieser hufeisenförmigen Reisekopfkissen gekauft, an denen man an Flughäfen immer jene Passagiere erkennt, die sonst nie fliegen. Aus Memoryschaum mit waschbarem Bezug. Titien liebt ihr Kissen, die Dinger sind also offenbar tatsächlich für irgendwas gut.

    Ihre funktionslose Halsmuskulatur war auch der Grund, warum wir in den letzten Tagen nicht mehr mit dem Rollstuhl die Enten füttern waren. Es ist ihr sehr unangenehm, wenn ihr Kopf unkontrolliert nach rechts, links, vorne oder hinten ausschlägt, wenn ich sie mit dem Rollstuhl über eine Bürgertsteigkante schiebe, oder wenn wir auf nicht komplett plan geteerten Wegen fahren. 

    Ich habe ihr hierfür eine professionelle Halsmanschette gekauft, die ihren Kopf so fixiert, dass wir wieder guten Gewissens mit dem Rollstuhl raus können. Wir gewinnen Lebensqualität zurück und die Tiere in der Günther-Klotz-Anlage werden weiter gemästet. Das war gestern ihr glücklichster Moment.

    Meine Muskelschwäche

    Ich pflege Titien ja alleine, bin also den ganzen Tag bei ihr und sorge dafür, dass sie vom Bett ins Bad, in die Dusche, auf die Toilette, ins Wohnzimmer aufs Sofa und an den Esstisch kommt. Jeder Gang bedeutet, dass ich sie anheben muss (ihren Kopf dabei stützen), auf den durch ein Sitzkissen zum Rollstuhl umfunktionierten Toilettenstuhl umsetzen muss (Bremsen vorher feststellen), und sie dann damit durch die Wohnung fahre, um sie dann wieder anzuheben und umzusetzen.

    Sie kann mich beim aufstehen und umsetzen aus eigener Kraft nicht mehr unterstützen. Titien ist schwer wie ein Sack Kartoffeln (oder ein Sack Reis?) und das hin und her hieven geht leider auch an mir nicht spurlos vorbei. Seit dem Wochenende habe ich einen veritablen Hexenschuss – obwohl ich immer darauf achte, sie lehrbuchhaft aus den Knien anzugeben und den Rücken gerade zu lassen. 

    Diesen Artikel schreibe ich zum Beispiel gerade am Laptop im Liegen auf meiner Yogamatte. So ist der Rücken halbwegs schmerzfrei. Aber ich will ja Titien auch beim Tabletten nehmen nicht alleine lassen, und so futtere ich morgens und mittags je eine halbe Ibuprofen 600, während sie ihr Kortison nimmt. 

  • Neue Routinen

    Neue Routinen

    Zum Aufstehen muss ich Titien im Bett so drehen, dass ihre Beine über die Bettkante baumeln. Dann stütze ich ihren Kopf mit einer Hand, während sie sich an meinen anderen Arm klammert. So kann ich sie langsam in Sitzposition hoch ziehen.

    Sie kann dann noch selbstständig aufstehen und mit dem Rollator langsam ins Bad schlurfen. Ich gehe voraus und bereite ihre Kontaktlinsen vor, die ich ihr einsetze, sobald sie im Bad ankommt. Ich drücke Zahnpasta auf ihre elektrische Zahnbürste. Putzen kann sie noch alleine. Wenn sie die Haare nicht waschen möchte, binde ihr die Haare mit einem Haarband zusammen.

    Gestützt auf den Rollator und mit meiner Hilfe schafft sie es, sich auf den Duschlift zu setzen. Ich hebe ihre Beine in die Badewanne und entferne das Pflaster mit der ihre Magensonde am Bauch fixiert ist. Ich stelle die Temperatur des Wassers ein, reiche ihr den Duschkopf und ziehe den Vorhang hinter ihr zu. Noch duscht sie alleine. Beim Haare waschen braucht sie schon Hilfe.

    Ich trockne sie ab, hebe die Beine wieder aus der Wanne und helfe ihr dabei aufzustehen und wieder Halt am Rollator zu finden. Ich entferne ihr Haarband und käme sie. Ich streife ihr die Haare aus dem Gesicht und fixiere die Strähne mit einer Haarklammer am Kopf und verteile drei Spritzer Guerlain Super Aqua-Lotion in ihrem Gesicht.

    Titien schleicht dann wieder ins Schlafzimmer und lässt sich aufs Bett fallen. Ich hebe ihre Beine auf die Matratze. Ich creme erst ihre Beine ein, ihren Po, und dann ihre Arme. Sie hält die Augen geschlossen.

    Ich ziehe etwa 50 ml Wasser mit einer Spritze auf, schließe die Spritze an ihre Magensonde an und spüle die Sonde. Ich desinfiziere meine Hände und sprühe ihr Desinfektionsmittel auf den Bauch, auf die Stelle an der ihre Magensonde austritt. Die Stelle ist entzündet, seit sie wieder hochdosiert Kortison nehmen muss. Sie verzieht ihr Gesicht vor Schmerzen.

    Ich reinige die Austrittsstelle mit einer Kompresse, sprühe erneut etwas Desinfektionsmittel auf die Stelle und verbinde ihre Magensonde mit drei Kompressen und drei Streifen Heftpflaster. Seit drei Jahren jeden Tag.

    Ich suche ihr eine Unterhose aus, klebe eine Slipeinlage ein und ziehe ihr den Slip an. Ich stelle dafür ihre Beine auf, so dass sie ihre Hüfte leichter anheben kann. Ich finde eine weite Jogginghose für sie. Erst muss ich die Beine einfädeln, dann wieder aufstellen um ihr die Hose bei angehobener Hüfte anzuziehen.

    Ich stütze wieder ihren Nacken und ziehe sie in Sitzposition. Sie atmet tief und rasselnd ein, als wäre sie lange unter Wasser gewesen und kann endlich wieder Luft holen. Ich ziehe ihr ein T-Shirt an. Titien stützt sich auf den Rollator, steht auf und geht langsam ins Wohnzimmer.

    Ich muss noch duschen, Zähne putzen, was anziehen, Tee kochen, Müsli vorbereiten, und eine Stunde nach dem aufstehen sitzen wir am Frühstückstisch.

  • Austherapiert

    Austherapiert

    Gestern lag dann auch der Arztbrief im Briefkasten. Die Auswertung des PET-Scans mit Tracer hat ergeben, dass ihr Tumor im Stammhirn weiter wächst. Alle sonstigen Stellen, die im MRT verdächtig aussahen, sind offenbar nicht aktiv, also wahrscheinlich Artefakte der vergangenen Bestrahlungen.

    Was das bedeutet haben wir schon am Freitag Nachmittag erfahren. Ich verpasste den Anruf unserer Onkologin um halb zwei und rief sie zurück, als ich zurück von meiner kurzen Rennrad-Tour war.

    Ihr lägen inzwischen die Bilder des PET-Scans vor und demnach sei ein Rezidiv im Pons aufgetreten. Das sei die Stelle, an der schon zwei Mal bestrahlt wurde und eine weitere Bestrahlung hätten die Radiologen ausgeschlossen.

    Wir sollten noch einmal kommende Woche zur Avastin-Therapie kommen, aber sie denkt, dass auch nach Rücksprache mit dem Tumorboard, keine weitere Therapiemöglichkeiten bestünden.

    Schaut euch die unscharfen, farbigen Bilder gut an. Sie sind sechzehnhundert Euro wert. Die Kasse zahlt den FET-PET-Scan nämlich nicht.

    Titien geht es nicht gut. Sie ist weitestgehend auf meine Hilfe angewiesen. Sie braucht Hilfe beim Anziehen. Zum Duschen braucht sie einen Duschlift. Spazieren gehen wir nur noch mit Rollstuhl, in der Wohnung braucht sie den Rollator und kann damit auch nur mit Mühe gehen.

    Am schlimmsten ist, dass die Kommunikation mit ihr nur noch eingeschränkt möglich Kommunikation ist. Der Tumor beeinträchtigt ihre Aussprache. Je nach Tageszeit und -form ist sie schwer bist fast gar nicht zu verstehen. Das erfordert von mir Geduld und ist für sie frustrierend.

    Hier eine Liste mit schönen Momenten, ohne bestimme Reihenfolge:

    Ich habe inzwischen das Kochen übernommen. Sie sitzt dazu auf ihrem Rollator bei mir in der Küche und überwacht, dass ich für die asiatischen Rezepte auch die richtigen Zutaten in der richtigen Menge nehme.

    Wir haben 5 kg Sonneblumenkerne, 2,5 kg Erdnussbruch und 3 l getrocknete Mehlwürmer gekauft. Jeden Tag kommen Kohlmeisen, Blaumeisen, Spatzen und Amseln zu uns auf den Balkon.

    Ich kann dankenswerterweise auch weiter von zu Hause aus arbeiten und muss nicht ins Büro oder verreisen. Meine Seminare gebe ich online – und das funktioniert sehr gut. Ich habe mir einen Greenscreen gekauft. So kann ich einen Hintergrund meiner Wahl einstellen, während ich meine Seminare gebe, während Titien hinter mir auf dem Sofa liegen kann.

    Titien hat die Krankenschwestern der onkologischen Ambulanz ins Herz geschlossen. Nachdem sie letztes Jahr jeder schon ein Plüschtier geschenkt hat, folgte letzte Woche je ein T-Shirt mit dem jeweiligen Lieblingstier. Sie waren außer sich vor Freude. Meet Schwester Eule, Schwester Lama, Schwester Hund und Schwester Faultier. Nicht auf dem Bild: Schwester Panda und Schwester Papagei.

    Titien hat sehr viele Leser und bekommt sehr schöne Kommentare auf die Artikel in ihrem Blog und auf ihren Posts auf Facebook. Dort zu schreiben und mit den Leserinnen und Lesern aus aller Welt zu interagieren bedeutet ihr unheimlich viel.

    Wir sind immer sehr früh wach und haben jeden Morgen Zeit, ausgiebig zusammen zu frühstücken. Jeden Tag trinken wir Kaffee zusammen nach dem Mittagessen – oft mit Kuchen oder süßen Teilchen vom Bäcker.

    Titien hat sich ein Worteratespiel auf ihr Handy geladen. Jeden Abend bevor wir einschlafen spielen wir zusammen ein paar Runden und versuchen aus zusammenhangslosen Buchstaben die gewünschten Wörter zu bilden.Titien ist sehr viel begabter darin als ich, in etwas sinnlosem Sinn zu finden.

  • Es geht abwärts mit Titien

    Es geht abwärts mit Titien

    Titien geht es zunehmend schlechter. Ihr Zustand ändert sich fast täglich. Erste Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen konnten mit Dexamethason erfolgreich bekämpft werden. Jetzt hilft auch eine Erhöhung der Kortisonmenge nicht mehr, um die Symptome wirksam einzudämmen. 

    Heute Morgen waren wir noch mal in der Klinik zu unserem ambulanten Avastin-Termin. Wir haben gehofft, mit unserer Ärztin zu sprechen und das weitere therapeutische Vorgehen zu besprechen. Wir hoffen, dass noch mal eine Runde Strahlentherapie in Frage kommt. Wir hoffen, dass wir schnellstmöglich ein Termin für einen FET-PET Scan bekommen. Damit können metabolisch aktive Zellen von nekrotischen Zellen in ihrem Hirn unterschieden werden und die Strahlentherapie kann so besser geplant werden. Wir wissen noch nicht, wie und wann es weiter geht.

    Letzten Samstag waren wir noch mit dem Rollator beim Bäcker. 300 m mit Pausen dazwischen – aber machbar. Inzwischen gehen auch kurze Strecken nur noch im Rollstuhl. Vor ein paar Tagen ist Titien in der Küche gestürzt beim Versuch, den Trittmülleimer zu bedienen. Seither ist sie auch in der Wohnung nur noch mit Rollator unterwegs. Vorhin habe ich den Duschlift wieder installiert, so kann Titien beim Duschen sitzen. 

    Der Tumor in Titiens Stammhirn beeinträchtig stark ihre Aussprache. Ich muss oft nachfragen, was sie gerade gesagt und gemeint hat. Es macht uns beiden Angst zu sehen, wie unsere Kommunikation durch ihre Krankheit beeinträchtigt wird. Noch geht es und noch kann sie schreiben und tippen.

    Gerade zum Beispiel sitzt sie hinter mir auf dem Sofa mit Stift und Papier und schreibt ihren Eltern, ihrer Tante und ihrem Bruder. Abschiedsbriefe.

  • Im Hier und Jetzt angekommen

    Im Hier und Jetzt angekommen

    Heute ist der 05. April 2019. Ich bin mit den Artikeln zu Titiens Hirntumor und wie wir damit umgehen inzwischen im Hier und Jetzt angekommen. Ich habe in den letzen drei Monaten die vergangenen gut zwei Jahre im Zeitraffer zusammengefasst und in 20 Artikel gepackt.

    Ich werde hier weiter über Titien, mich, ihre Krankheit und darüber wie wir damit umgehen schreiben. Zu den bisherigen Artikeln gab es ja ab und zu Rückmeldungen von Lesern in Form von Kommentaren. Ich freue mich immer sehr darüber. Von Freunden kommt die Rückmeldung, dass sie das Blog nutzen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben und deshalb nicht ständig anrufen zu müssen und zu fragen, wie es uns geht. Schön, wenn es auch diesen Zweck erfüllt.

    Heute morgen geht es Titien übrigens gut! Wir haben wie immer zusammen gefrühstückt. Es gab Müsli und schwarzen Tee. Nachher ist das erste Symposium für kommunizierende Wissenschaftler bei uns am NaWik. Ich bin außerplanmäßig doch gleich morgens mit meinem Vortrag dran.

    Heute ist außerdem unser Hochzeitstag. Wir haben das Wochenende um uns zu feiern! Das Video hier drunter ist zwei Jahre alt. Titien übt ihren neuen Nachnamen. Mit Karlsruher Baustellenhintergrund.

    Titien hat in ihrem Blog noch mehr zu den vergangenen zwei Jahren geschrieben. Ich glaube, sie publiziert nachher gleich noch einen Artikel über uns.


  • Besprechung der neuen MRT-Ergebnisse

    Besprechung der neuen MRT-Ergebnisse

    Unsere Onkologin fragte Titien in der Besprechung der jüngsten MRT-Ergebnisse, wie es ihr ginge. Das Gangbild? Weiter unsicher aber stabil. Die Sprache? Etwas nuschelnd aber unverändert. Die Schwäche im linken Arm? Gleichbleibend. Sonstige Symptome? Alles wie bisher.

    Erst danach teilt sie uns die Ergebnisse mit. Der Tumor ist stabil. Sie dreht ihren Monitor so, dass wir auch einen Blick auf die MRT-Aufnahmen werfen können. Links die neuen Bilder, rechts das vom letzten MRT vor drei Monaten. Man sieht auf der aktuellen Aufnahme eine deutlich verringerte Aufnahme des Kontrastmittels in der Region im Stammhirn, in der der Tumor sitzt.

    Zwischen den zwei Aufnahmen liegt Titiens zweite Strahlentherapie und drei Runden mit Avastin. Liegt die geringere Aufnahme des Kontrastmittels daran, dass die Strahlen Tumorgewebe zerstört haben? Oder daran, dass durch das Avastin keine neuen Blutgefäße mehr in ihr Glioblastom einsprießen? Dadurch hätten die Tumorzellen weniger Sauerstoff zur Verfügung und würden sich langsamer teilen. Oder ist es ein Avastin-Artefakt: Durch weniger Blutgefäße käme auch das Kontrastmittel nicht mehr in der gleichen Zeit und Menge beim Tumor an.

    Vielleicht ist es eine Kombination aus allen drei Aspekten. Wir sind vorgestern jedenfalls mit sehr guter Laune nach dem Termin wieder nach Hause gefahren.

    Es gibt übrigens noch keine Neuigkeiten von der Krankenkasse. Unser Antrag auf Kostenübernahme der Avastin-Behandlung wurde ja abgelehnt und wir haben Widerspruch dagegen eingelegt.

    Bei einer offensichtlich wirksamen Krebsbehandlung ziert sich die Krankenkasse, homöopathische Mittel und anthroposophische „Medikamente“ werden aber erstattet.

  • Sich nicht von der Waage tyrannisieren lassen

    Sich nicht von der Waage tyrannisieren lassen

    Unsere alte Badezimmerwaage hatte den Geist aufgegeben. Mal ging sie an, mal verweigerte sie ihren Dienst und die digitale Anzeige blieb dunkel. Auch die Messergebnisse waren nicht immer reproduzierbar.

    Wir haben unsere gesammelten Flugmeilen genutzt und eine neue gekauft. Ein hochkompliziertes Gerät, dass sich nach anfänglichen Mühen tatsächlich mit dem Handy verbindet und das Gewicht auf die erste Nachkommastelle genau aufzeichnet.

    Titien muss seit Ende letzten Jahres jeden Tag Kortison nehmen, um die Symptome von DIPG, ihrem Mittelliniengliom, einigermaßen in Schach zu halten. Eine unerwünschte Nebenwirkung der regelmäßigen Einnahme von Kortison ist die Gewichtszunahme.

    Titien wog kurz vor Weihnachen noch 51 kg. Das ist inzwischen stetig auf gut 57 kg geklettert. Das morgendliche Wiegen führt oft zu großer Unzufriedenheit bei ihr, zu Diskussionen am Frühstückstisch über unnötige Anpassungen der Diät, und häufig auch zu Tränen. Sie will sich das nicht mehr länger antun.

    Muss sie auch nicht. Titien hat mich gebeten, das Ding fort zu schaffen. Heute habe ich die neue Waage genommen und im Keller eingelagert.