Kategorie: Kultur

  • Tod, Karriereende oder einfach egal: Die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten

    Wie sieht es denn eigentlich aktuell mit dem Plagiatsverfahren zur Doktorarbeit von Norbert Lammert aus? Laut Spiegel online  dauert die Vorprüfung an der Uni Bochum noch an. Um eine mögliche Befangenheit der Prüfer zu vermeiden würde laut WAZ eine externe Prüfung angestrebt, da Lammert Honorarprofessor an der Ruhr-Uni sei. Während die offizielle Seite sich noch in der Vorprüfungsphase befindet und auf politischer Ebene vor Vorverurteilungen gewarnt wird, kommen die Plagiatsjäger zu dem Schluss, dass der Nachweis der Täuschung bereits in wesentlichem Umfang erbracht sei.
    Auf die Wähler scheint die Plagiatsafäre nur geringen Einfluss zu haben. Auch wenn es für ein Direktmandat nicht gereicht hat, konnte Lammert den Stimmenanteil in seinem Wahlkreis verglichen mit der Wahl vor vier Jahren um fast fünf Prozent auf 35,7% steigern. Ähnliches gilt auch für Annette Shavan in ihrem Wahlkreis in Ulm. Sie hat ihren Stimmenanteil von 42.8% bei der Wahl 2009 um fast 10% auf 52,1% in 2013 ausgebaut.
    Plagiate sind nur eine Spielart wissenschaftlichen Fehlverhaltens, und ich bin von der Gesellschaft für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften des Landbaus (GEWISOLA) eingeladen worden, um auf deren Konferenz am Freitag über Wissenschaftliches Fehlverhalten zu referieren. Wen es interessiert: Ich habe meine (kurze) Präsentation schon vorab online gestellt und hier eingebunden.

    Es ist relativ schwierig verlässliche Zahlen zur Häufigkeit wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu bekommen. Das liegt in der Natur der Sache, es geschieht ja meistens heimlich. Einer Meta-Analyse zur Folge geben in Umfragen rund 2% aller Wissenschaftler an, schon einmal Daten erfunden, gefälscht oder modifiziert zu haben. Den Kollegen trauen das rund 14% der Befragten zu.
    Wenn man statt dessen die Zahl der zurückgezogenen Publikationen und die aufgedeckten Plagiatsfälle als Maß für Fehlverhalten betrachtet, könnte man meinen, in den letzten Jahren sei ein starker Anstieg wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu verzeichnen. Die Autoren einer erst kürzlich publizierten Studie erklären den Anstieg mit aktuell niedrigeren Hürden, sowohl für die Publikation gefälschter Daten als auch für deren Widerruf. Ich denke, einen großen Anteil spielen dabei die technischen Möglichkeiten, digital zur Verfügung stehende Texte miteinander zu vergleichen und Datensätze auf statistische Auffälligkeiten hin zu untersuchen, und so mit relativ wenig aufwand Plagiate und Fälschungen zu entlarven.
    Eine Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist das Zurückhalten von Daten. Besonders relevant, da es direkt die Gesundheit von Menschen betrifft, ist das bei klinischen Studien zur Medikamentenwirksamkeit. Ben Goldacre hat diesen Fall in seinem Buch Bad Pharma das kürzlich auch auf Deutsch erschienen ist, ausführlich dargelegt und so zusammengefasst:

    Trials are frequently conducted, but then left unpublished, and so are unavailable to doctors and patients. Only half of all trials get published, and those with negative results are twice as likely to go missing as those with positive ones. This means that the evidence on which we base decisions in medicine is systematically biased to overstate the benefits of the treatments we give. […] This is research misconduct on a grand, international scale.

    Ich werde in meinem Vortrag in Berlin diese und weitere Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens thematisch nur anschneiden können, denn ich teile mir die Session mit Gunnar Breustedt, Gebhard Kirchgässner, Ludwig Theuvsen und Peter Winkler. Vielleicht finden wir ja in der anschließenden Podiumsdiskussion noch Antworten auf ein paar der Fragen, die ich in meinem Vortrag aufwerfe:

    • Was sind Gründe für wissenschaftliches Fehlverhalten?
    • Wer lehrt korrektes wissenschaftliches Arbeiten?
    • Welche Kontrollmechanismen existieren?
    • Was tun, wenn man Fehlverhalten entdeckt?
    • Wie soll Aufklärung und Bestrafung aussehen?
    • Was ist der Schaden für die Wissenschaft?

    Eine einheitliche Antwort auf die Frage was die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten sind, werden wir sicher nicht finden. Es kann Patienten töten, wie in Bad Pharma dargestellt, und wissenschaftliche Karrieren beenden. Zumindest Wahlergebnisse scheint es aber nicht nachhaltig zu beeinflussen.

  • Die Top 5 Wahlwerbespots aller Zeiten

    Für mich sind Bundestags- Landtags- und Europawahlen immer großes Kino, das im manischen Hin-und Herschalten zwischen den Fernsehkanälen gipfelt, in denen ab 18:00 Uhr -nach Schließen der Wahllokale – die ersten Prognosen und dann die Hochrechnungen verkündet werden.
    Aber schon in den Wochen vor der Wahl wird die Spannung für das große Ereignis durch die allabendlich an prominenter Stelle ausgestrahlten Wahlwerbespots aufgebaut. Die Qualität der Wahlwerbung der unterschiedlichen Parteien ist, gelinde gesagt, inhomogen. Je nach Budget und beauftragter PR-Agentur sind die Spots gut gemacht, nichtssagend, liebenswert-dilletantisch oder nicht zum Aushalten.
    Dieses Jahr wurde die FDP mit ihrem Spot ja bereits mit Spot und Häme überzogen. Wie bei den Liberalen war im Werbevideo der NPD und in der Werbung für Quark einer finnischen Agentur die gleiche fahrradfahrende Familie zu sehen. Viel Potential zum Fremdschämen haben auch Spots von Spartenparteien aus den neunziger Jahren. Einige dieser Perlen sind auf Youtube zu finden und hier verlinkt. Mangelhafte Qualität der Videos bitte ich zu entschuldigen:

    •  PDS 1994 (Die rechte Kabine ist übrigens frauenfeindlich)
    • APPD 1998 (Besserer Verkehr mit der Allgemeinen Pogopartei Deutschlands)
    • Naturgesetzpartei 1999 (Leider fehlen die yogischen Flieger)
    • ÖDP 2002 (Über Mobilfunkstrahlung)
    • PBC 2002 (Kinder sind wie Koffer)

    Klar ist, die Wahlwerbespots dienen der Orientierung der Wähler; sie sollen die politischen Botschaften und Pläne der Parteien verständlich erklären. Ganz unabhängig von der Qualität der Wahlwerbung ist die hier eingebundene Rede des MdB Karl-Heinz Stiegler in ihrer programmatischen Aussagekraft und Deutlichkeit jedoch weiter unübertroffen. Ein wahrer Meilenstein deutscher Politik und Vorbild für Generationen Politiker.

    Eigentlich sind Wahlwerbespots im Fernsehen aber ein Atavismus. Längst bestimmen die Wähler anhand von Umfragetools wie dem Wahl-O-Mat welche Partei den eigenen, vorgefertigten Meinungen am nächsten kommt. Was vordergründig für Wähler entweder eine nette Spielerei ist, oder nützliche Hilfe bei der Orientierung in der Parteienlandschaft bietet, liefert den Machern (für den Wahl-O-Mat ist die Bundeszentral für politische Bildung verantwortlich) interessante statistische Daten über die politischen Meinungen und Ansichten der Nutzer.
    Der Wahl-O-Mat ist das bekannteste Tool zum Abgleich der eigenen Einstellungen mit jener der Parteien. Es gibt jedoch auch Alternativen: Der Parteinavi der Uni Konstanz erlaubt eine differenziertere Meinungsäußerung, der Bundeswahlkompass, an dem die Uni Bamberg beteiligt ist, formuliert die Fragen besser. Bei mir kamen alle drei übrigens zu jeweils ähnlichen Wahlempfehlungen.

  • Mama, ich bin im Fernsehen!

    Seit ein paar Tagen registrieren sich deutlich mehr Nutzer für Recently als es im August der Fall war. Liegt es daran, dass alle, die relevante, neue biomedizinische Publikationen finden wollen in den letzten Wochen am Strand lagen? Hoffentlich auch!
    Wahrscheinlicher ist aber, dass der Artikel über Recently ist im Laborjournal für das erhöhte Verkehrsaufkommen auf recentlyapp.com sorgt. Der Artikel preist die App für Wissenschaftler und Mediziner in allen Facetten an – kein Wunder, ich habe den Artikel ja auch selbst geschrieben.
    Außerdem habe ich Biotechnologie.tv ein Interview über Recently gegeben, in dem ich auch noch mal die Hintergründe und die Funktionsweise von Recently erkläre. Es sollte hier unten zu sehen sein.

    Das Interview mit mir startet bei 6 min 12 sec. Hier ist der Direktlink zum Video.
    Zwar nicht ausdrücklich das Video hier mit meinem Interview, aber dafür andere von Biotechnologie.tv, wie z.B die Kreidezeit über Gentechnik oder über Gregor Mendel, stellen sich gerade der Konkurrenz in einem Web-Video-Wettbewerb, in dem die meist-gelikten und kommentierten Wissenschaftsvideos prämiert werden.
    Ich wusste gar nicht, wie divers die Landschaft für deutsche Wissenschaftsvideos ist. Da sind durchaus Perlen mit dabei, bis Ende September kann noch abgestimmt werden. Und in der ersten richtigen Arbeitswoche nach dem Urlaub erst mal ein paar Videos gucken ist auch nicht das schlechteste.

    Mehr zu Recently:
  • Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Google feiert die Geburtstage einflussreicher Persönlichkeiten und wichtige Jahrestage in dem sie ihr Logo thematisch anpassen. Ein sogenanntes Google-Doodle wurde vorgestern Rosalind Franklin zu teil. Wer war Rosalind Franklin?
    Sie war eine Strukturbiologin bevor der Begriff überhaupt erfunden war. Sie hat an der Entdeckung der Struktur der DNA entscheidend mitgearbeitet und ihr ist dennoch akademische Anerkennung, vergleichbar mit der von Francis Crick und James Watson, versagt geblieben.
    Rosalind Franklin. Quelle: Wikipedia
    Die Geschichte von Rosalind Franklin ist sehr gut recherchiert, von etlichen Briefen und Aufzeichnungen gestützt und daher recht einfach nachzuerzählen. Sie gibt einen ungewöhnlich detaillieren Einblick in den damaligen akademischen Alltag mit erfolgreichen Kooperationen und persönlichen Antipathien, genialen Momenten, Managementfehlern und der unautorisierten Nutzung der Daten Dritter.
    Ähnliches spielt sich auch heute noch in den Laboren ab, wenn auch die Entdeckungen oftmals weit weniger bahnbrechend sind als die Aufklärung der Struktur der DNA.
    Franklin begann 1951 am MRC in London als wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung Biophysik von John Randall zu arbeiten. Randall gab ihr ein Projekt zur Untersuchung von DNA durch Röntgenstrukturanalyse, einer Methode mit der sie Erfahrung hatte.
    Bislang hatte Maurice Wilkins und sein Doktorand Raymond Gosling an dem Projekt gearbeitet – mit erfolgsversprechenden, jedoch zu ungenauen Ergebnissen. Während Wikins im Urlaub war, wurde Franklin das Projekt (und die Aufsicht über den Doktoranden Gosling) komplett übertragen – allerdings ohne Wilkins rechtzeitig und adäquat davon zu unterrichten.
    Dieser klare Kommunikationsfehler von Randall war der Auslöser für Reibereien zwischen den Kollegen Wilkins und Franklin. Die Charaktere beider Forscher – Wilkins scheu und bedacht, Franklin ungeduldig und direkt – tat ihr übriges um das Verhältnis beider Forschern weiter zu belasten.
    Neben den technischen Aspekten der Röntgenstrukturanalyse, die Franklin ohne Zweifel beherrschte, war die größte Herausforderung die richtige Interpretation der Daten. Watson, Crick, sowie Linus Pauling vermuteten, dass DNA helikal vorlag, jedoch hatten deren Modelle Fehler, die erst durch die Arbeit von Franklin an DNA mit unterschiedlich starker Hydratation und durch ihre hervorragenden Beugungsaufnahmen der DNA erkannt werden konnten.
    Am 30. Januar 1953 reiste Watson ans MRC, um Wilkins eine Kooperation vorzuschlagen. Er wollte mit vereinten Kräften Linus Pauling bei der Lösung der Struktur der DNA zuvor zu kommen. Wilkins war nicht in seinem Büro und Watson traf auf Franklin, die ihm klar zu verstehen gab, dass sie alleine in der Lage sei, ihre Daten zu interpretieren und nicht auf die Kooperation angewiesen wäre.
    Beugungsaufnahme 51 (Quelle: Wikipedia)
    Der vor den Kopf gestoßene Watson traf sich am selben Tag dennoch mit Wilkins, der ihm im Rahmen der geplanten Kooperation eine Beugungsaufnahme Franklins zeigte – ohne deren Wissen oder Zustimmung.
    Diese Aufnahme 51 war der Schlüssel zum Verständnis der DNA Struktur. Es war keine einfache Helix, wie von Pauling postuliert, es waren keine drei umeinander geschlungene Fasern, wie Watson und Crick dachten, sondern zwei Stränge, die eine Doppelhelix bildeten.
    Fünf Wochen nach dem verhängnisvollen Meeting am MRC in London hatten Watson und Crick die DNA-Struktur gelöst. Sie publizierten ihr Doppelhelixmodell in Nature am 25. April 1953. Franklin war inzwischen ans Birbeck College in London gewechselt. Randall, ihr alter Chef, legte großen Wert darauf, dass ihre Daten zur DNA-Struktur am MRC verblieben.
    Obwohl die Daten von Franklin nach Aussagen von Francis Crick entscheidend für die Aufklärung der DNA Struktur waren, wurde ihr keine eigentliche Autorschaft auf dem Paper zu Teil. Sie wurde in einem Nebensatz gegen Ende des Briefs an Nature erwähnt:

    We have also been stimulated by a knowledge of the general nature of the unpublished experimental results and ideas of Dr. M. H. F. Wilkins and Dr. R. E. Franklin and their coworkers at Kings College, London.

    Wenn man den historischen Aufzeichnungen glauben kann, war Franklin auch nach der Publikation des Artikels von Watson und Crick nicht von der vorgeschlagenen Struktur überzeugt. Sie vermisste stichhaltige, experimentelle Daten, die das Modell stützten.
    Neun Jahre später war die Doppelhelixstruktur wissenschaftlich etabliert und Watson, Crick und Wilkins bekamen 1962 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Entdeckung der Struktur der DNA.
    Franklin freilich ging leer aus. Sie war bereits 1958 mit 37 Jahren an Krebs gestorben.

  • Ideenklau: Die Parasiten der Wissenschaft

    Ideenklau: Die Parasiten der Wissenschaft

    Marcus Pössel erzählt in seinem Blog „relativ einfach“ eine offenbar reale Geschichte vom Diebstahl einer Idee aus einer Bewerbung für eine Postdocstelle in der Astronomie. Einer der Professoren, an den das Bewerbungsschreiben ging, versuchte laut des Artikels das geplante Projekt selbst durchzuführen, ohne den Urheber zu informieren oder ihn etwa an den Messungen und Analysen zu beteiligen. Durch Zufälle erfährt der Bewerber für die Postdocstelle von dem Ideenklau und glücklicherweise ist der Bewerber letztendlich dennoch der erste, der die zugehörigen Daten publizieren kann.
    Der dort beschriebene Fall stellt eine Ausnahme dar, weil der Urheber durch die schriftliche Dokumentation der Idee identifizierbar war, und weil der Dieb der Idee ebenfalls relativ eindeutig identifiziert werden konnte, da offenbar ein im Wortlaut sehr ähnlicher Antrag bei einer astronomischen Beobachtungsstation von ihm eingereicht wurde.
    Ideenklau in der Wissenschaft kommt in meiner Erfahrung relativ häufig vor, selten sind jedoch die Urheber der Ideen so einfach zu identifizieren wie im oben beschriebenen Fall, denn häufig werden gute Ideen in gutem Glauben formlos und mündlich kommuniziert. Auf Konferenzen, nach Vorträgen, in Meetings und in Gesprächen beim Mittagessen. Die meisten Ideendiebstähle passieren dadurch in einer Grauzone, in der Ideenklau relativ einfach dadurch gerechtfertigt wird, dass man sich eben durch Dritte habe inspirieren lassen.
    Ich glaube auch, dass sich vielfach diejenigen, die Ideen klauen, gar keiner Schuld bewusst sind. Denn wer noch nie eine eigene Idee hatte, und wem folglich auch noch nie eine geklaut wurde, kann gar nicht wissen, wie es sich anfühlt, geistiges Eigentum gestohlen zu bekommen. Derjenige versteht auch nicht den Wunsch, dieses zu schützen – vor eben jenen Parasiten der Wissenschaft die Ihre „Inspiration“ für Projekte einfach direkt von Kollegen übernehmen.
    Es ist allerdings auch klar, dass die Wissenschaft von Ideen alleine nicht lebt. Es kommt auf deren Umsetzung an. Dabei den Beitrag des Urhebers der Idee bewusst oder unbewusst zu ignorieren und zu verschleiern demotiviert die Ideengeber und ist klar wissenschaftliches Fehlverhalten. Es sollte dementsprechend behandelt und geahndet werden.

    Bild oben von user dumbonyc auf flickr (CC BY-SA 2.0)
  • Die Resonanz auf Recently

    Die Resonanz auf Recently

    Wenn man Noah Gray Glauben schenken kann, dann ist Recently ein Treffer ins Schwarze. Der Redakteur von Nature schreibt auf Twitter über unsere App:

    These algorithms, if good, will be valuable as the quantity of published science continues to explode. The filter problem is massive.

    Gray hat das Problem erkannt! Die Zahl der jährlich neu publizierten akademischen Fachartikel steigt ständig. Dieses Jahr werden höchstwahrscheinlich zum ersten Mal über eine Million neue biomedizinische Artikel publiziert werden. Ohne technische Hilfsmittel ist es da eigentlich unmöglich, den Überblick zu behalten.
    Jährlich neu publizierte peer-reviewte biomedizinische Fachartikel der letzten 50 Jahre (nicht kumulativ!). 2013 wird erstmal die Millionengrenze überschritten. (Werte x 1000)
     
    Recently versucht genau hier zu helfen. Die App erleichtert es Forschern aus den Lebenswissenschaften sowie Ärzten mit der persönlich relevanten Fachliteratur auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Wir haben Recently vor drei Wochen als kostenlose beta-Version veröffentlicht  und ich habe die App ja hier auch vorgestellt. Zeit für einen kurzen Zwischenbericht – und für ein Dankeschön an vielen registrierten Nutzer und Tester, von denen uns gut 50 konstruktives Feedback zur App geschickt haben.
    Ich war positiv überrascht von der hohen Zahl der Registrierungen für Recently in den ersten Wochen. Das ist nicht zuletzt anderen Journalisten, Bloggern und Wissenschaftern zu verdanken, die den Link zur App auf Twitter und Facebook, in institutsinternen Mailinglisten und auf der eigenen Website verbreitet haben. Hier eine Auswahl der Resonanz auf den Launch von Recently:
    Matthias Fromm hat mich für das Open Science Radio eine gute halbe Stunde zu Recently Interviewt. Herausgekommen ist ein gut halbstündiges Gespräch mit vielen Hintergrundinformationen.
    Die Laborwelt titelte kurz nach dem Launch: „Fachartikel: App trennt die Spreu“ und schreibt: „Die neue Web-App „Recently“ hilft Forschern, den Durchblick im Publikationsdickicht zu bewahren
    Bent Petersen, ein Assistenzprofessor für Bioinformatik in Kopenhagen schreibt in seinem Blog: „It is very easy to get started with Recentlyapp.com. You need to provide your name and a valid email address. In a second step, they ask you to provide three publications relevant to your research field, so they can start recommending articles to you.“
    Marc Scheloske berichtet in der Wissenswerkstatt ebenfalls über Recently und nennt die App ein „raffiniertes Tool um interessante Fachliteratur zu entdecken
    Soweit eine Zwischenmeldung nach den ersten Wochen, ich hoffe natürlich, dass es ähnlich erfolgreich weiter geht und wir möglichst viele neue Nutzer bekommen – selbstverständlich sind wir auch weiterhin an Feedback interessiert.
    Recently ist übrigens auch Sponsor eines Beachvolleyballteams (siehe Foto oben). Dieses Jahr sind wir bislang ungeschlagen.

  • Kochen und Wissenschaft – mit Bildern aus dem BestenRestaurant der Welt

    Kochen und Wissenschaft – mit Bildern aus dem BestenRestaurant der Welt

    Katalonien hat eine lange kulinarische Tradition, die in der weltweit höchsten Dichte von Restaurants mit drei Michelin-Sternen gipfelt. Ferran Adrià und sein inzwischen
    geschlossenes Restaurant „El Bullí“ dürfte den meisten ein Begriff sein. Der Celler Can Roca in Girona stand lange im Schatten von Adriàs Küche. Heute ist das Restaurant, das von den drei Roca-Brüdern gegründet und geleitet wird, zum besten Restaurant der Welt gekürt worden. Auch wenn sich dadurch nichts ändert, außer dass es noch schwieriger wird, einen Tisch dort zu reservieren, ist das doch eine Meldung wert – und ein Anlass meine Fotos hier zu teilen, die ich an einem Abend im Can Roca geschossen habe. Rund 25 Gänge mit dazugehörigen Weinen.
    Kochen und Wissenschaft ist auf keinen Fall so weit auseinander, wie es anfangs scheinen mag. Wer ein Ei kocht, denaturiert Proteine, und die Herstellung von Bier und Wein ist pure Mikrobiologie. Wer Fleisch grillt, Brot toastet oder Pommes brät, verlässt sich auf die Maillard-Reaktion, bei der Aminosäuren mit reduzierenden Kohlehydraten reagieren, die dabei braun werden und Geschmacksstoffe entwickeln.
    Harvard hat sich dem Thema „Wissenschaft und Kochen“ mit einer eigenen Veranstaltungsreihe genähert, und viele bekannte Restaurantchefs eingeladen, inklusive Ferran Adria vom El Bullí und Carme Ruscalleda vom Restaurant Sant Pau in Sant Pol, eine Stunde nördlich von Barcelona gelegen und ebenfalls mit drei Michelin Sternen dekoriert. Als ich 2011 einen Freund in Harvard besucht habe, hat sie dort zufällig gerade einen Vortrag über die Maillard-Reaktion gehalten. Auf Catalan, aber mit einem Dolmetscher. Ein zweiter Assistent hat während ihres Vortrags im Hintergrund Migas gekocht, eine spanische Spezialität aus altem Brot, bei der die Maillard-Reaktion ebenfalls geschmacksgebend ist.
    Carme Ruscalleda in Harvard beim Vortrag über die Maillard-Reaktion.

    Migas ist ein sehr altes, traditionelles Gericht. Ganz im Gegenteil zur Molekularküche, die von Ferran Adrià wenn nicht erfunden, so doch maßgeblich mitbestimmt wurde. Entwicklungen wie künstlicher Kaviar durch Sphärisierung mit Alginat und Kalziumchlorid, oder der Einsatz von Geruchsstoffen wie zum Beispiel Zigarrenrauch in Schäumen gehen auf ihn zurück. Bislang kamen diese Impulse für die Weiterentwicklung dessen, was in der Küche produziert wird häufig von den Köchinnen und Köchen selbst.
    Ich wundere mich, warum nicht mehr Naturwissenschaftler dabei eine Rolle spielen. Wir sind prädestiniert für die molekulare Küche. Wir experimentieren, wir verstehen die Chemie hinter den Gerichten, wir haben Laborerfahrung und kennen uns mit den benutzten Geräten aus. Versuchsanleitungen sind nichts anderes als Rezepte und wenn ein Experiment wiederholt wird, dann wird das nachgekocht, wir sprechen also schon die gleiche Sprache.
    Ich habe zusammen mit meinem Nachbarn Giancarlo Fiori, einem Sternekoch aus Chile, der auf den Fotos vom Can Roca auch zu sehen ist, jedenfalls das Labor schon einmal zum Kochstudio umfunktioniert. Die Ergebnisse waren vielversprechend und zum Teil sogar genießbar. Ich denke, ich werde im nächsten Blogpost vorstellen, was wir genau gekocht haben. Dieser hier soll den Profis Ruscalleda, Roca und Adrià vorbehalten bleiben. Als kleines Bilderrätsel hier dennoch schon mal ein Teaser: Was ist das?

  • Deep Inside – 10000 Pornostars und ihre Karrieren

    Deep Inside – 10000 Pornostars und ihre Karrieren

    Jon Millwards Webseite ist gerade schwer zu erreichen. Kein Wunder. Er hat eine Infografik über Pornostars veröffentlicht. Millward hat aus einer Pornofilmdatenbank Informationen zu Zehntausend Darstellern und Darstellerinnen extrahiert, analysiert und graphisch aufbereitet. Wo kommen die Erotikdarsteller her? Wie alt und schwer sind sie? Wie sehen sie aus? Wie oft drehen sie? Und was zum Teufel machen sie in den Filmen?
    Das und mehr nutzlos-nützliches Wissen in der Infografik unten (Klick aufs Bild macht sie groß und lesbar, 3.1 MB). In diesem Sinne, schönes Wochenende!

  • Die Infografik und der Programmablauf zum Ende der Welt

    Die Infografik und der Programmablauf zum Ende der Welt

    Das Ende ist nah! Der Scienceblogs-Server geht bereits in die Knie ob des für morgen im Kalender eingetragenen Weltuntergangs. Das auch alles seine Ordnung hat und alle wissen, was passieren wird, hier der genaue Programmablauf für morgen (vorläufige Version!). Um fünf Uhr früh geht es schon los mit dem Wecken der Weltbevölkerung. Mit der Ankunft der Auserirdischen wird  nicht vor sieben Uhr gerechnet. Der öffentliche Festakt zum Ende der Welt beginnt um kurz nach drei Nachmittags, nach einer Schweigeminute.

    Wer sich noch mal die „Argumente“ der skeptischen Ketzer und die der Gläubigen zu Gemüte führen möchte ist mit dem gesammelten Œvre von Florian Freistetetter bestens bedient (hier eine Zusammenfassung). Alternativ kann man sich auch die passende Infografik zum Weltuntergang anschauen.
    Ich selbst – als Mitglied der Weltregierung – habe natürlich einen der umkämpften Plätze in einem Beobachtungsflugzeug ergattert und werde mir das Ende gemütlich an Bord eines Airbus A319 auf dem Weg von Barcelona nach Stuttgart anschauen. Die 3D Brille ist natürlich schon eingepackt.

    Bild oben via InformationIsBeautiful. Programmablauf aus meiner Facebooktimeline.
  • Wenn Sprache durch den Magen geht

    Wenn Sprache durch den Magen geht

    Die hoch gelobte Website Medien-Doktor hat sich die Beurteilung der Qualität wissenschaftsjournalistischer Artikel in der Presse zur Aufgabe gemacht. Anhand definierter Kriterien werden die Artikel dort mit Null bis fünf Sternen ausgezeichnet. Marcus Anhäuser, leitender Redakteur bei Mediendoktor und ebenfalls Blogger hier auf ScienceBlogs, kann das alles besser und ausführlicher erklären.

    Der Mediendoktor ist auf Themen aus der Medizin fokussiert und selbst dort kann das Gutachterteam niemals alle Artikel untersuchen, bei denen es sich lohnen würde, eine Beurteilung zu erstellen. Zudem sind durch die jüngsten und begrüßenswerten Entwicklungen der Seite – hin zu einer Art deutschem Science Media Center – womöglich weitere Kapazitäten gebunden, so dass dort leider nur unregelmäßig neue Beurteilungen von Artikeln erscheinen.

    Ich habe mir vorgenommen, hier im Blog auch hin und wieder auf das einzugehen, was online über Wissenschaft publiziert wird. Im Unterschied zu einer möglichst unvoreingenommenen Beurteilung der Artikel nach festen Regeln, wie es der Mediendoktor vormacht, greife ich hier einfach subjektiv Teilaspekte heraus, und versuche zu klären was missverständlich ist und weiterführende Informationen zu liefern, wo ich diese gerade parat habe.

    Doch genug der Vorberichterstattung. Der Artikel meiner Wahl erschien vorgestern im SpiegelOnline, es ging um die Frage, ob Fleischkonsum ernährungswissenschaftlich geboten ist oder nicht. Diese Frage soll gar nicht der zentrale Gegenstand des Blogposts hier werden, sondern eher ein kleiner Randaspekt des SpOn-Artikels, der so aber in vielen populärwissenschaftlichen Artikeln falsch gemacht wird. Der Autor schreibt, Fleisch böte eine Eiweißquelle, die das Gehirnwachstum positiv beeinflusste.

    Fleisch ist keine Eiweißquelle, Fleisch enthält gar kein Eiweiß.

    Was der Autor meint, sind Proteine. Fleisch besteht zu einem guten Teil aus Proteinen. Eiweiß kommt in Eiern vor, es umgibt den Dotter und es enthält ebenfalls Proteine, zu rund 10%. Etwa 90% sind Wasser. Das Hauptprotein von Eiweiß heißt Ovalbumin, die Hauptproteine in Muskelfasern (Fleisch) heißen Aktin (Bild Mitte) und Myosin (Bild oben).

    Die Nutzung von Eiweiß als Proteinersatzwort ist weit verbreitet. Nicht nur in Artikeln auf Spiegel Online, auch auf Lebensmitteletiketten mit Nährwertinformationen ist von Kohlenyhdraten (richtig), Fetten (richtig) und Eiweiß die Rede, wo Proteine gemeint sind. Warum schrecken Journalisten davor zurück das Wort „Protein“ in die Feder zu nehmen? Selbst in Realschullehrplänen der Mittelstufe ist von Proteinen die Rede.

    Der Grund für meine Wortklauberei ist, dass der Eiweiß-Euphemismus die Zusammenhänge vernebelt. Proteine sind an allen Funktionen der Zelle beteilig, sie sind auf der DNA codiert. Proteine regulieren die Zellteilung, geben Stabilität, sind für Transportvorgänge verantwortlich, bilden Muskeln (Aktin und Myosin), Haare sind aus Proteinen (Keratine) und manche Proteine sind sogar damit beschäftigt andere Proteine in ihre Bestandteile, also in Peptide oder gleich in einzelne Aminosäuren, zu zerlegen. Diese sogenannten Proteasen sind unter anderem im menschlichen Magen und Verdauungstrakt aktiv. Womit wir wieder beim Artikel in Spiegel Online wären. Der Autor schreibt:

    Zwar kann unser Verdauungstrakt tierische Eiweiße besonders leicht verwerten, weil ihre Aminosäurenstrukturen den unsrigen ähneln. Doch durch eine Kombination von Eiern, Molkereiprodukten und pflanzlichen Lebensmitteln – wie etwa Kartoffeln und Quark oder Ei und Soja – werden wir mit Eiweißen versorgt, die in ihrer Verwertbarkeit nicht nur dem Fleisch ähnlich, sondern ihm sogar überlegen sind. Unser Stoffwechsel kann sie noch leichter verarbeiten.

    Den Proteasen ist herzlich egal, ob es sich um pflanzliche oder tierische Proteine handelt, die sie da proteolytisch spalten. Im sauren Milleu des Magens werden (fast) alle Proteine gleich denaturiert und anschließend abgebaut. Eine überlegene Verwertbarkeit pflanzlicher Proteine gibt es dabei mit Sicherheit nicht.

    Abbildungen aus der Protein data bank: Myosin oben, Aktin-Filament in der Mitte