Für mich sind Bundestags- Landtags- und Europawahlen immer großes Kino, das im manischen Hin-und Herschalten zwischen den Fernsehkanälen gipfelt, in denen ab 18:00 Uhr -nach Schließen der Wahllokale – die ersten Prognosen und dann die Hochrechnungen verkündet werden.
Aber schon in den Wochen vor der Wahl wird die Spannung für das große Ereignis durch die allabendlich an prominenter Stelle ausgestrahlten Wahlwerbespots aufgebaut. Die Qualität der Wahlwerbung der unterschiedlichen Parteien ist, gelinde gesagt, inhomogen. Je nach Budget und beauftragter PR-Agentur sind die Spots gut gemacht, nichtssagend, liebenswert-dilletantisch oder nicht zum Aushalten.
Dieses Jahr wurde die FDP mit ihrem Spot ja bereits mit Spot und Häme überzogen. Wie bei den Liberalen war im Werbevideo der NPD und in der Werbung für Quark einer finnischen Agentur die gleiche fahrradfahrende Familie zu sehen. Viel Potential zum Fremdschämen haben auch Spots von Spartenparteien aus den neunziger Jahren. Einige dieser Perlen sind auf Youtube zu finden und hier verlinkt. Mangelhafte Qualität der Videos bitte ich zu entschuldigen:
- PDS 1994 (Die rechte Kabine ist übrigens frauenfeindlich)
- APPD 1998 (Besserer Verkehr mit der Allgemeinen Pogopartei Deutschlands)
- Naturgesetzpartei 1999 (Leider fehlen die yogischen Flieger)
- ÖDP 2002 (Über Mobilfunkstrahlung)
- PBC 2002 (Kinder sind wie Koffer)
Klar ist, die Wahlwerbespots dienen der Orientierung der Wähler; sie sollen die politischen Botschaften und Pläne der Parteien verständlich erklären. Ganz unabhängig von der Qualität der Wahlwerbung ist die hier eingebundene Rede des MdB Karl-Heinz Stiegler in ihrer programmatischen Aussagekraft und Deutlichkeit jedoch weiter unübertroffen. Ein wahrer Meilenstein deutscher Politik und Vorbild für Generationen Politiker.
Eigentlich sind Wahlwerbespots im Fernsehen aber ein Atavismus. Längst bestimmen die Wähler anhand von Umfragetools wie dem Wahl-O-Mat welche Partei den eigenen, vorgefertigten Meinungen am nächsten kommt. Was vordergründig für Wähler entweder eine nette Spielerei ist, oder nützliche Hilfe bei der Orientierung in der Parteienlandschaft bietet, liefert den Machern (für den Wahl-O-Mat ist die Bundeszentral für politische Bildung verantwortlich) interessante statistische Daten über die politischen Meinungen und Ansichten der Nutzer.
Der Wahl-O-Mat ist das bekannteste Tool zum Abgleich der eigenen Einstellungen mit jener der Parteien. Es gibt jedoch auch Alternativen: Der Parteinavi der Uni Konstanz erlaubt eine differenziertere Meinungsäußerung, der Bundeswahlkompass, an dem die Uni Bamberg beteiligt ist, formuliert die Fragen besser. Bei mir kamen alle drei übrigens zu jeweils ähnlichen Wahlempfehlungen.
pro-Grammatik wäre für viele ins Netz gestellte Texte imho sinnvoller…
Die sind zum Nachbar-clip ausgeschwärmt.
Im Zuge der RL-Kontakte (ja, sowas mache ich historisches Relikt immer noch) wurde auch dieses Mal deutlich, daß das gefühlte Gros der Wähler* gar keine Infos einholt, sondern stur das wählt, was immer schon gewählt wurde — oder den einst gewählten mal so richtig die rote Karte zeigen will. Und dann NPD oder dergleichen avisiert, in erstaunlich vielen Fällen (vergangene, selbstverständlich) jedoch wieder (c/p) stur das wählt, was immer schon gewählt wurde.
btw: Die Technik des PBC-clips grenzt doch schon an subliminale Werbung, Bibelstellen-Priming.
Meine höchstpersönliche Liste des tatsächlich Wählbaren ist recht kurz – so blieb reichlich Platz zum Experimentieren. Und von den Knallchargen standen einige auf dem Treppchen. Weia…
Die Einteilung auf der politischen Landkarte gefllt mir bei beiden Tools nicht.
Ich würde mich selber woanders verordnen. Und war auch über ein, zwei Parteien überrascht, da ich ein anderes Bild von denen habe.
Diese Spinnennetz-Grafik des Partei-Navis gefällt mir von der Art. Es gab (gibt?) für Schweizer Wahlen ein Tool, was auf viel mehr Fragen basiert und eine differenziertere Grafik erstellt hat. Die fand ich damals recht genau.
Die Fragen eigneten sich aber auch nicht immer für die Darstellung auf der 2D-Landkarte. Bspw galt die Frage nach der Aufnahme der Türkei in die EU beim Parteiwahlkompass als Einordnung progressiv-konservativ.
Kreuzt man “teils/teils” an weil man prinzipiell dafür ist, aber im Moment nicht alle Bedingungen erfüllt sieht (wegen Erdogans Politik), gilt man sofort ein Stück konservativer als man ist.
Da fehlt dann noch ein Halbsatz “gemäß die Türkei erfüllt die Aufnahmekriterien”.
Die Republikaner sind mal wieder vor Gericht unterlegen, diesmal mit folgendem Spot:
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/gericht-verbietet-umstrittenen-wahlkampfspot-der-republikaner-a-920952.html
Bloody Mary,
der Spot steigt sofort in die Top 5 ein! Hier der Youtube-Link.
http://www.youtube.com/watch?v=EJZmydFB6ug
Verdient hat er es, Tobias. Wegen der Lärmbelästigung sah ich mich gestern abend gezwungen, erst mal die Stummfilmzeit wieder aufleben zu lassen und kann daher drei Stufen sortieren: Bilder schon chartwürdig, mit diesem grottigen Gegröhle zusammen nervenzerfetzend, mit der Hintergrund-Geschichte vereint letztlich schier schädelsprengend, man wünscht sich fast lieber die letzte Migräne zurück
Was soll das sein? Ein beherzter Versuch, die in den letzten Jahren aufgekommene Meinung, die Rechten seien jetzt, nach dem Wechsel vom schweinsnackigen Baseballschläger-Schwinger zur nadelstreifigen Nervensäge gefährlicher, weil smarter geworden in Grund und Boden zu torpedieren?
Die Gleichsetzung der PDS nd der APPD mit demokratiefeindlichen Organisationen wie der ÖPP, der PBC und sontigen Konsorten erschreckt mich.
Ist der Blogautor etwa undemokretisch und will unliebsame Konkurrenz einfach undemokratisch verbieten??????
Die einzige Gleichsetzung der Parteien besteht darin, dass alle genannten schon mal schlechte Wahlwerbung gemacht haben.
Was bitte?
Wußte ich auch nicht, Tobias, doch wenn ich vermuten, also meine Muster projizieren darf: Lokaler Holzhammer-Wahlkampf. Hoffentlich statistisch unbedeutend.
Doch das mit der Gleichsetzung ist doch nicht von der Hand zu weisen: All die Genannten werden zusammen in ein und demselben www erwähnt.