Autor: Tobias

  • Besprechung der neuen MRT-Ergebnisse

    Besprechung der neuen MRT-Ergebnisse

    Unsere Onkologin fragte Titien in der Besprechung der jüngsten MRT-Ergebnisse, wie es ihr ginge. Das Gangbild? Weiter unsicher aber stabil. Die Sprache? Etwas nuschelnd aber unverändert. Die Schwäche im linken Arm? Gleichbleibend. Sonstige Symptome? Alles wie bisher.

    Erst danach teilt sie uns die Ergebnisse mit. Der Tumor ist stabil. Sie dreht ihren Monitor so, dass wir auch einen Blick auf die MRT-Aufnahmen werfen können. Links die neuen Bilder, rechts das vom letzten MRT vor drei Monaten. Man sieht auf der aktuellen Aufnahme eine deutlich verringerte Aufnahme des Kontrastmittels in der Region im Stammhirn, in der der Tumor sitzt.

    Zwischen den zwei Aufnahmen liegt Titiens zweite Strahlentherapie und drei Runden mit Avastin. Liegt die geringere Aufnahme des Kontrastmittels daran, dass die Strahlen Tumorgewebe zerstört haben? Oder daran, dass durch das Avastin keine neuen Blutgefäße mehr in ihr Glioblastom einsprießen? Dadurch hätten die Tumorzellen weniger Sauerstoff zur Verfügung und würden sich langsamer teilen. Oder ist es ein Avastin-Artefakt: Durch weniger Blutgefäße käme auch das Kontrastmittel nicht mehr in der gleichen Zeit und Menge beim Tumor an.

    Vielleicht ist es eine Kombination aus allen drei Aspekten. Wir sind vorgestern jedenfalls mit sehr guter Laune nach dem Termin wieder nach Hause gefahren.

    Es gibt übrigens noch keine Neuigkeiten von der Krankenkasse. Unser Antrag auf Kostenübernahme der Avastin-Behandlung wurde ja abgelehnt und wir haben Widerspruch dagegen eingelegt.

    Bei einer offensichtlich wirksamen Krebsbehandlung ziert sich die Krankenkasse, homöopathische Mittel und anthroposophische „Medikamente“ werden aber erstattet.

  • Wissenschaftler sind wie Kebapläden im harten Konkurrenzkampf

    Wissenschaftler sind wie Kebapläden im harten Konkurrenzkampf

    Ich bin vor einigen Wochen zu meinem Werdegang und insbesondere zu meinem Wechsel von der akademischen Forschung in die Wissenschaftskommunikation interviewt worden. Das Interview wurde häufig gesehen, gelesen und geteilt. Ein Gleichnis hat es leider nicht in den EMBL careers Blog geschafft, in dem das Interview veröffentlicht wurde. Das möchte ich hier noch nacherzählen.

    Peter Thiel, der Milliardär, analysiert in seinem Buch „Zero to One“ (Affiliate Link) unterschiedliche Arten von Unternehmen. Er identifiziert auf der einen Seite des Spektrums Unternehmen mit Monopolstellung, und auf der anderen Seite Unternehmen, die in hartem Konkurrenzkampf miteinander stehen.

    Nach Thiel würden Unternehmen mit Monopolstellung tunlichst vermeiden damit zu prahlen, um nicht reguliert zu werden. Auf der anderen Seite wollten Unternehmen, die sich in absolutem Wettbewerb befinden, das häufig nicht wahrhaben wollen und würden sich allerlei Alleinstellungsmerkmale einbilden, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.

    Google ist ein Beispiel für den ersten Typ. Keiner würde ernsthaft bestreiten, dass Google ein Monopol bei der Internetsuche hat. Das Unternehmen kommuniziert anders. Google sei ein Unternehmen der Werbebranche, und da sei es nur eines von vielen und habe längst kein Monopol. Man mag den Schritt der Google-Gründer das Unternehmen Alphabet zu gründen auch interpretieren, um Regulierungsschritten vorzubeugen. Google trägt freilich zu 99,6% des Umsatzes von Alphabet bei.

    Kebabläden in Innenstädten sind ein Beispiel für den zweiten Unternehmenstyp, der sich in hartem Konkurrenzkampf befindet. Letztendlich verkaufen alle Kebapläden das gleiche Produkt. Kebap. Das Angebot is austauschbar, die Margen und Löhne sind niedrig, die Arbeitsbedingungen hart.

    Kebapläden versuchen sich dennoch argumentativ von der Konkurrenz abzusetzen: Wir backen unser Fladenbrot selbst; unser Lokal hat eine ganz besondere Lage; wir haben mehr Kebaparten als die anderen; wenn wir nur hart genug arbeiten, setzen wir uns sicher durch, und so weiter.

    Wissenschaftler sind wie Kebapläden

    Was hat diese Beobachtung nun mit der Karriere von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu tun, mag sich mancher nun verwundert fragen.

    Wissenschaftler, die im akademischen Umfeld arbeiten, sind wie Kebapläden. Sie stehen im Wettbewerb mit tausenden anderen Nachwuchswissenschaftlern, die alle das gleiche können und machen. Und alle balgen sich um limitierte finanzielle Ressourcen. Das Ergebnis sind, wie bei den Kebabläden, niedrige Löhne, Zeitverträge und harte Arbeitsbedingungen.

    Wie Kebapläden versuchen Wissenschaftler sich über gefühlte Alleinstellungsmerkmale von den anderen abzusetzen: Ich arbeite an einem ganz besonderen Protein oder Stoffewechselweg; mein Forschungsfeld ist gerade klar im Kommen; meine Projektideen sind außergewöhnlich gut; wenn ich nur hart genug arbeite, setze ich mich sicher durch; und so weiter.

    Wie schafft man es vom Konkurrenzkampf im absolutem Wettbewerb hin zu einer monopolistischen Position?

  • Sich nicht von der Waage tyrannisieren lassen

    Sich nicht von der Waage tyrannisieren lassen

    Unsere alte Badezimmerwaage hatte den Geist aufgegeben. Mal ging sie an, mal verweigerte sie ihren Dienst und die digitale Anzeige blieb dunkel. Auch die Messergebnisse waren nicht immer reproduzierbar.

    Wir haben unsere gesammelten Flugmeilen genutzt und eine neue gekauft. Ein hochkompliziertes Gerät, dass sich nach anfänglichen Mühen tatsächlich mit dem Handy verbindet und das Gewicht auf die erste Nachkommastelle genau aufzeichnet.

    Titien muss seit Ende letzten Jahres jeden Tag Kortison nehmen, um die Symptome von DIPG, ihrem Mittelliniengliom, einigermaßen in Schach zu halten. Eine unerwünschte Nebenwirkung der regelmäßigen Einnahme von Kortison ist die Gewichtszunahme.

    Titien wog kurz vor Weihnachen noch 51 kg. Das ist inzwischen stetig auf gut 57 kg geklettert. Das morgendliche Wiegen führt oft zu großer Unzufriedenheit bei ihr, zu Diskussionen am Frühstückstisch über unnötige Anpassungen der Diät, und häufig auch zu Tränen. Sie will sich das nicht mehr länger antun.

    Muss sie auch nicht. Titien hat mich gebeten, das Ding fort zu schaffen. Heute habe ich die neue Waage genommen und im Keller eingelagert.

  • Avastin abgelehnt – wir legen Widerspruch ein

    Avastin abgelehnt – wir legen Widerspruch ein

    Wir sind am Ende der offiziell zugelassenen Therapiemöglichkeiten für Titiens Glioblastom angekommen. Es sind trotzdem noch Pfeile im Köcher. Medikamente für den sogenannten Off-Label-Use. Diese Medikamente haben in klinischen Studien zwar eine gewisse Wirksamkeit gezeigt, sie werden von den Krankenkassen aber nicht ohne Weiteres erstattet.

    Unser nächster Pfeil heißt Avastin, oder auch Bevacizumab. Avastin ist ein Antikörper, der spezifisch den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor VEGF hemmt, und so verhindert, dass neue Blutgefäße wachsen. Wachsende Tumore brauchen Sauerstoff, und der wird über neue Blutgefäße angeliefert. Wenn keine neuen Blutgefäße mehr gebildet werden, kommt beim Tumor zu wenig Sauerstoff an, was zumindest das Wachstum der Tumorzellen verlangsamen sollte.

    Avastin wird bei verschiedenen Tumorarten therapeutisch eingesetzt. Es gibt auch belastbare Daten, dass nachdem die zugelassenen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind, Avastin bei Glioblastomen lebensverlängernd wirkt und mehrere Monate der Tumor nicht weiter wächst. Zum Beispiel hier und hier.

    Nachdem Titiens zweite Strahlentherapie abgeschlossen ist, wollen wir möglichst zügig mit der Avastin-Therapie anfangen, idealerweise bevor der bestrahlte Tumor in Titiens Stammhirn weiter wächst.

    Gefangen zwischen Krankenversicherung und Medizinischem Dienst

    Unsere Onkologin schreibt einen Antrag für den Off-Label-Use von Avastin an unserer Krankenkasse. Die Krankenkasse leitet die Anfrage an den Medizinischen Dienst in Karlsruhe weiter.

    Der Medizinische Dienst lässt sich eine Woche Zeit, um festzustellen, dass der Antrag der Krankenkasse unvollständig war und meldet dies der Krankenkasse. Die Krankenkasse reicht den vollständigen Antrag nach.

    Der medizinische Dienst prüft, erstellt ein Gutachten und schickt die Entscheidung an die Krankenkasse. Die Krankenkasse schreibt uns einen Brief mit dem Gutachten.

    Die Krankenkasse teilt uns in dem Brief mit, dass sie basierend auf dem Gutachten des medizinischen Dienstes, die Erstattung der Therapie mit Avastin ablehnen. Der medizinische Dienst argumentiert in seinem Gutachten mit Daten von 2009.

    Wir und unsere Onkologin legen Widerspruch gegen die Entscheidung ein, und hoffen, dass sich die Krankenkasse eines besseren besinnt. Rechtlich gebunden ist sie nicht an das Gutachten des Medizinischen Dienstes.

    Die Krankenkasse schreibt uns, dass sie nicht alleine entscheiden kann, und unsere Unterlagen an den Medizinischen Dienst weiter leitet. Es kommt uns vor, als ginge es um das Schinden von Zeit. Nicht dass meine todkranke Frau viel davon übrig hätte.

    Wir wollen nicht auf das Ergebnis der Entscheidung warten. Die administrativen Mühlen mahlen langsamer als der Tumor wächst. Titien hat mit der Avastin-Therapie angefangen. Alle zwei Wochen für ein paar Stunden ambulant in der Tagesklinik per Infusion. Wir warten auf die Rechnungen, die wir einstweilen privat übernehmen müssen.

  • Das Glioblastom kommt zurück – zweites Rezidiv, zweite Strahlentherapie

    Das Glioblastom kommt zurück – zweites Rezidiv, zweite Strahlentherapie

    Nachdem klar ist, dass Titiens Tumor weiter wächst, überlegen wir mit unserer Onkologin, was ihr am meisten lebenswerte Zeit verschaffen würde. Wir einigen uns darauf, es erneut mit einer Strahlentherapie zu versuchen. Wir haben beide Respekt vor den möglichen Nebenwirkungen.

    Beim ersten Mal musste Titien vorzeitig abbrechen, war danach an den Rollstuhl gebunden und ihr Temperaturempfinden war so stark gestört, dass sie im Hochsommer mit Wollsocken, im Jogginganzug unter der Daunendecke im Bett immer noch gefroren hatte.

    Die Radiologie liegt neben der neuroonkologischen Station, auf der Titien nach ihrer Biopsie lag. Wir kennen die Wege und wir kennen die meisten Schwestern und Ärztinnen. Und sie erinnern sich an uns.

    Die Radiologin spricht die Nebenwirkungen der Photonentherapie mit uns durch und macht uns Mut. Insgesamt soll Titien mit 30 Gray bestrahlt werden. 15 Mal zwei Gray. Diesmal ohne Sicherheitssaum. Es ist eine palliative Therapie.

    Titien wartet vor der Radiologie auf ihren Bestrahlungstermin

    Vor der ersten Bestrahlung wird ein Planungs-CT angefertigt und wieder eine Maske an Titiens Kopf angepasst, um sicher zu stellen, dass die Strahlen auch nur dort wirken wo sie sollen.

    Wir haben die Weihnachtefeiertage für uns und direkt am 27.12. geht es los. Jeden Werktag bis Mitte Januar. Wir fahren mit dem Auto zur Klinik, gehen langsam zur Radiologie, wir warten bis sie aufgerufen wird, zehn Minuten später sind wir auf dem Weg nach Hause.

    Titien übersteht alles soweit gut. Das Kortison hält die Nebenwirkungen in Schach. Zum Abschied bringen wir den Schwestern und den Ärztinnen eine Zwölferbox Donuts vorbei und nehmen ihre Maske als Andenken mit.

    Das städtische Krankenhaus in Karlsruhe.
  • Wer abends durch das Twankenhaus schlendert

    Wer abends durch das Twankenhaus schlendert

    Wir sind bei unserer Hausärztin zum Blut abnehmen. Titien wird aufgerufen, wir gehen zusammen mit der Pflegerin, die immer Titien Vene trifft, ins Behandlungszimmer. Sie schließt die Türe hinter uns, atmet durch, und dann bricht es aus ihr heraus:

    Die Praxis sei chronisch unterbesetzt, aber sie würden keine geeigneten zusätzlichen Krankenpflegekräfte finden. Was kein Wunder wäre, da das Gehalt schlecht sei und die Arbeit anspruchsvoll und anstrengend. Eine angelernte Fachkraft, die am Flughafen Passagiere abtastet, verdiene deutlich mehr als sie. Sie würde sich überlegen, etwas ganz anderes zu machen.

    Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte, außer ihr zu sagen, dass wir ihr sehr dankbar sind für das was sie leistet. Wir sind allen dankbar, die an Titiens Behandlung beteiligt sind. Unserer Hausärztin, unserer Onkologin, außerdem allen Ärztinnen, Ärzten, Pflegerinnen und Pfleger, die in der Radiologie, in der onkologischen Tagesklinik, und auf der neuroonkologischen Station arbeiten, auf der Titien ja lange stationär behandelt wurde.

    Auch wenn wir selbst glücklicherweise fast durchweg gute Erfahrungen mit dem medizinischen Personal gemacht haben, so lassen meine Eindrücke während der vielen Stunden in Wartezimmern und vor Terminen doch einen Schluss zu: Das Gesundheitswesen ist auf Kante genäht.

    Meine Eindrücke werden nicht nur von der Pflegerin bestätigt, die uns ihr Leid beim Blut abnehmen klagte. Es gibt zunehmend Stimmen von Personen aus dem Gesundheitswesen, die ungeschönt die Arbeitsbedingungen schildern.

    https://twitter.com/MuellerLiesche/status/884826211393908736

    Zum Beispiel veröffentlich eine Ärztin unter dem Psedonym Lieschen Müller in ihrem Blog Interviews mit Ärztinnen mit Kind. Es sind inzwischen gut 30, die sich alle lohnen zu lesen.

    Es bleibt nicht beim Klagen über die Arbeitsbedingungen. Der Twitter-Hashtag #Twankenhaus wird vor allem von Ärztinnen und Ärzten benutzt, um ein oft utopisch klingendes Bild vom perfekten Gesundheitswesen zu beschreiben.

    Die Tweets unter dem Hashtag legen die Missstände im aktuellen System offen – und liefern gleich die Antworten mit, was besser gemacht werden könnte. Die Ärztin Schwesterfraudoktor hat in ihrem Blog vor drei Wochen das Twitter-Phänomen näher beschrieben:

    Warum das Twankenhaus? Die Antwort ist so einfach wie simpel: Weil das Arbeiten in unserem aktuellen System keinen Spaß mehr macht. Und Menschenleben gefährdet. 

    Aus: Wir wollen das Twankenhaus von Schwesterfraudoktor

    Den Twitter-Account @Twankenhaus gibt es noch keine drei Monate. Er hat schon knapp 4000 Follower. Seit ein paar Tagen gibt es ein neues Logo. Es tut sich was. Die Personen hinter dem @Twankenhaus schreiben: Auch hinter den Kulissen arbeiten wir an der Ausformulierung unsrer Ziele und Forderungen. Einige davon sind im Artikel von Schwesterfraudoktor schon vorformuliert.

    Ich wünsche mir, dass die Gespräche hinter den Kulissen etwas verändern. Zum Wohl der Ärztinnen und Ärzte, der Pflegerinnen und Pfleger, der Patientinnen und deren Angehöriger.

    https://twitter.com/twankenhaus/status/1101207120249270273
  • Momente ohne Hoffnung nach dem MRT

    Momente ohne Hoffnung nach dem MRT

    Das MRT bestätigt was Titien spürt. Der Tumor in ihrem Kopf wächst wieder. Sie ist unsicherer auf den Beinen, als wir den Termin in der Klinik haben.

    Wir füllen, wie jedes Mal, den Aufklärungsbogen aus. Ihr wird ein Kontrastmittel gespritzt, sie legt sich in das Gerät, und eine halbe Stunde später sind wir auf dem Weg nach Hause. Der Termin für die Besprechung der Ergebnisse ist in der Folgewoche.

    Wir sitzen bei unserer Onkologin im Arztzimmer und berichten von den veränderten Symptomen. Neben der Unsicherheit beim Gehen hat Titien das Gefühl undeutlicher zu sprechen und zunehmend weniger Kraft im rechten Arm. Außerdem berichtet sie von Druck im Kopf und von gelegentlichen Lachanfällen.

    Titien wird untersucht und wir bekommen das Ergebnis des MRTs mitgeteilt. Man sieht einen Unterschied zum letzten MRT auf den Bildern. Sowohl in der Größe des Tumors als auch in der Intensität des aufgenommen Kontrastmittels.

    Obwohl wir das geahnt haben trifft uns das Ergebnis. Titien weint, mir bricht die Stimme und ich glaube, auch unsere Onkologin hat gerötete Augen.

    Wir besprechen weitere Therpiemöglichkeiten. Erneute Bestrahlung, Avastin, oder vielleicht an einer klinischen Studie teilnehmen? Vielleicht wissen die am NCT in Heidelberg noch weiter? Wirkliche Hoffnung haben wir in diesem Moment keine.

  • Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    2018 hinterlassen wir einen CO2-Abdruck, der jeder Klimaaktivistin die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen müsste. Titien geht es so gut, dass wir viel verreisen können. Anfangs ist unsere Onkologin skeptisch, als wir ihr von geplanten Fahrten nach Dänemark, Spanien und in die Schweiz erzählen.

    Sie gewöhnt sich aber daran, dass wir unsere Termine in der Klinik mit unseren Reisen abstimmen müssen. Wir fliegen nach Rom zum Hochzeitstag. Fliegen zwei, drei Mal nach Barcelona, fahren nach Florenz und besuchen Freunde in Köln, Berlin, München und Stuttgart.

    Wir fahren Tretboot auf dem Titisee. Wir gehen in Kunstmuseen und auf Konzerte von Tocotronic und Calexico. Ich laufe im Sommer meinen ersten Halbmarathon – den NCT-Lauf gegen Krebs.

    Beim NCT-Lauf gegen Krebs (vor dem Lauf) mit #teamschnipsflausch

    Unsere Onkologin muss trotzdem schlucken, als wir ihr von unseren Sommerreiseplänen erzählen. Von Karlsruhe nach Frankfurt. Von Frankfurt nach Hongkong, von dort nach Shenzen. Nach ein paar Tagen weiter nach Macau, zurück nach Shenzhen, und dann nach Beijing. Von dort wieder zurück nach Hause.

    Wir packen die Chemotabletten und das Kortison für Notfälle ein und begeben uns auf Titiens spuren. Sie hat ja in Shenzhen studiert und lange in Beijing gelebt. Wir verbringen Zeit mit ihrer Familie, die aus Jakarta anreist und lernen Yuna kennen, ihre zweijährige Nichte.

    Wir treffen Freunde und Bekannte und haben ein volles Besichtigungsprogramm, inklusive Chinesischer Mauer. Wer gerne die Urlaubsbilder sehen möchte, sei auf die Artikel in Titiens Blog verwiesen (Teil I, Teil II).

    Titiens Symptome sind stabil. Sie sieht Doppelbilder und spürt ständig linksseitig ein Kribbeln, als wäre ihr Arm eingeschlafen. Erst im November merkt sie Veränderungen. Sie spricht etwas undeutlicher und sie hat den Eindruck, dass ihr im rechten Arm Kraft fehlen würde.

    Wir haben Anfang Dezember einen Termin für ein MRT.

  • Die guten Seiten von Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform

    Die guten Seiten von Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform

    Ich finde es immer etwas verdächtig, wenn sich alle in meiner Twitter-Timeline einig sind. In diesem Fall ist die Einigkeit überwältigend. Es geht es um die EU-Urheberrechtsreform, insbesondere um Artikel 11 und 13. Alle sind dagegen.

    Ich gestehe, ich habe den ganzen Reformentwurf nicht gelesen. Ich verstehe, dass der Hintergedanke ist, aktuell geltendes Recht an gesellschaftliche Gegebenheiten anzupassen und Urheber besser zu schützen. Das finde ich, ist eine gute Idee. Die Medienwelt verändert sich und ich bin ja auch Urheber. Von den Texten hier zum Beispiel, und ich möchte zum Beispiel nicht, dass jemand anderes – womöglich ohne Gegenleistung – mit meinen Inhalten Geld verdient. Oder die Inhalte als die Seinen ausgibt.

    Ganz gegen Urheberrechtsschutz kann also nur jemand sein, der selbst noch nie etwas eigenes geschaffen hat und somit den Wert geistigen Eigentums nicht begreift.

    Die aktuelle Rechtslage und das Geschäftsmodell von Verlagen

    Rein rechtlich verhält es sich etwa so: Jeder Urheber und jede Urheberin hat die Rechte an den Werken, die er oder sie erschafft. Für Lebzeiten, und für 70 Jahre nach dem Tod. Zusammen mit den Urheberrechten hat ein Urheber auch die Verwertungsrechte für die Werke.

    Was ein Urheber abgeben kann, sind Nutzungsrechte. Darauf baut das Geschäftsmodell von Verlagen auf. Sie lassen sich Nutzungsrechte geben, gegen eine angemessene Vergütung. 

    Nach Erhalt der Nutzungsrechte publizieren Verlage dann und versuchen mit den Inhalten Geld zu verdienen. Das machen wissenschaftliche Fachverlage mit einem Abomodell zum Teil sehr erfolgreich. Elsevier hat zum Beispiel eine Gewinnspanne von 37%.

    Nützt Artikel 11 privaten Blogs?

    In Artikel 11 der Urheberrechtsreform wird geregelt, dass die Nutzungsrechte auch für sehr kurze Textauszüge gelten sollen. Wenn also jemand auf Facebook oder Twitter einen Link zu einem Artikel teilt und beim Link neben einem Foto in ein, zwei Sätzen steht, worum es in dem Artikel geht, ist nach der geplanten Gesetzgebung eine Vergütung fällig. Für den Verlag, wohlgemerkt, nicht für den Urheber.

    Es ist fraglich, ob von der Vergütung je etwas bei den Urhebern ankommt. Ich jedenfalls habe keine Diskussion darüber gesehen, wie mögliche Mehreinnahmen der Verlage an die Urheber weiter gegeben werden können. Ich würde die Diskussion gerne führen. Sehr viel lieber als über Uploadfilter zu debattieren. Dazu unten mehr.

    Falls Plattformen wie Facebook und Twitter keine Lizenzgebühren an die Verlage bezahlen wollen, ist es mindestens so fraglich, ob dann überhaupt noch jemand auf geteilte, nackte Links ohne Bild und ohne kurze Zusammenfassung klickt. Die Verlage schießen sich also selbst ins Knie, wenn dadurch die Reichweite sinkt.

    Nach langem Nachdenken habe ich für diesen Fall für mich mit meinem kleinen, privaten Blog tatsächlich einen Vorteil von Artikel 11 entdeckt. Ich habe nichts dagegen, dass Teaserbilder und Texte meiner Artikel auf Sozialen Medien erscheinen. Die Vergütung wären dann vielleicht ein paar Leser mehr. Das würde mir schon reichen.

    Für wissenschaftliche Fachliteratur könnte Artikel 11 bedeuten, dass die Verlage vom NIH, dem Träger der Literaturdatenbank Pubmed, Lizenzgebühren für eingebundene Abstracts der Artikel verlangen. Oder dass Pubmed nur noch die Abstracts von Open Access Artikeln anzeigt.

    Artikel 13 verschiebt die Haftung von Nutzern zu den Plattformen

    Artikel 13 wird der Uploadfilter-Artikel genannt. Es geht zusammengefasst darum: Wenn ein Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet, dann haftet aktuell der Nutzer. Nach Artikel 13 haften dann zuerst die Plattform, auf der die Inhalte verbreitet werden.

    Prinzipiell ist das eine gute Sache für die Nutzer. Aber Foren, Soziale Medien und andere Plattformen wollen natürlich nicht für Urheberrechtsverletzungen Ihrer Nutzer gerade stehen. Andererseits nehmen sie es aber offenbar aktuell billigend in Kauf, dass auf ihren Seiten Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Sie haften ja nicht dafür.

    Kein Betreiber einer Seite oder Plattform möchte mögliche Urheberrechtsverletzungen seiner Nutzer manuell prüfen. Es würden also wahrscheinlich sogenannte Uploadfilter zum Einsatz kommen, die automatisch entscheiden, welche Inhalte dann verfügbar sein dürfen und welche nicht.

    Die Gegner der Urheberrechtsreform befürchten hier Zensur und merken an, wie denn die Filter wohl nutzungsrechtlich geschützte Inhalte von erlauben Inhalten unterschieden werden können. Weiter befürchten die Gegner der Reform, dass beispielsweise Memes, also Parodien, die häufig auf geschützen Fotos aufbauen, nicht als Inhalte erkannt werden, die unter die künstlerische Freiheit fallen, sondern von den Filtern aussortiert würden.

    Filter von Inhalten aktuell schon im Einsatz

    Ich bin überzeugt, dass sich da sehr schnell technische Lösungen finden und man als Nutzer von Uploadfiltern nichts davon merkt. Automatische Filter sind außerdem nichts neues. Der Mailverkehr wird gefiltert und Spam zuverlässig aussortiert. Die Kommentare hier im Blog – wie auf den allermeisten anderen Websites auch – werden von einem Plugin automatisch gefiltert. Die echten kommen durch, Spam nicht. In Echtzeit (probiert es aus! Ich freue mich immer über Kommentare).

    Ein Uploadfilter für nutzungsrechtlich geschützte Inhalte ist auf dem Sozialen Netz für Forschende, ResearchGate, schon im Einsatz. Noch ist der Filter manuell: WissenschaftlerInnen, die dort ihre publizierten Artikel hochladen wollen, müssen vorher entscheiden, ob sie den Artikel privat speichern oder allen zugänglich machen wollen – sofern sie es nutzungsrechtlich dürfen. Unter dem neuen Recht müsste ResearchGate selbst für jedes hochgeladene Paper prüfen, ob es öffentlich zugänglich sein darf. Technisch sicher machbar.

    Bild oben via pxhere cc0
  • Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Titien wird 1981 in Jakarta geboren. Sie ist Indonesierin, gehört aber der chinesischen Minderheit im Land an, die gut ein Prozent der Gesamtbevölkerung Indonesiens ausmacht.

    Während der Asienkrise 1997-1998 brechen in Indonesien die Mai-Unruhen aus, die sich gegen die Chinesische Minderheit richten. Ihr Vater verschifft Titien mit 16 Jahren zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach Shenzhen, China.

    Titien soll nach einem Chinesisch-Intensivkurs anfangen zu studieren, vermasselt aber den Eingangstest zur Uni. Sie besteht darauf, ihr Studium trotzdem anfangen zu dürfen. Sie verhandelt mit dem Dekan ihrer Fakultät, dass sie zur Probe studieren darf und falls sie die Prüfungen am Ende des ersten Semesters schafft, darf sie bleiben.

    Sie gehört nach dem Semester mit zu den besten des Jahrgangs und schließt nach vier Jahren ihr Studium der Internationalen Ökonomie ab. Es bleibt ihr Geheimnis, dass sie durch den Umzug mit 16 nie die Schule abgeschlossen hat.

    Titien arbeitet für ein chinesisches Handelsunternehmen für anderthalb Jahre, bevor sie entscheidet, dass sie gerne in die Hauptstadt Beijing ziehen möchte.

    Die indonesische Vertretung dort wird 2006 mit einem neuen Botschafter besetzt und Titien bewirbt sich auf eine Stelle als Übersetzerin. Sie wird ein paar Tage später zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

    Titien reist nach Beijing mit leichtem Handgepäck, hat ihr Bewerbungsgespräch und ihr wird auf der Stelle ein Arbeitsvertrag angeboten. Sie soll schon am nächsten Tag mit dem Botschafter auf erste Termine fahren. Titien ruft in Shenzhen an, ihr Vater schickt ihr die wichtigsten Unterlagen und Kleidung.

    Titien bereist während ihrer Zeit in der Botschaft alle chinesischen Provinzen, von der Inneren Mongolei bis Tibet, von Guangdon nach Xinjiang. Sie wird als Übersetzerin für gr0ße Anlässe eingesetzt. Sie betreut die First Ladies während internationaler Konferenzen.

    Titien zwischen Xi Jinping und Susilo Bambang Yudhoyono. Jakarta Post, 2013.

    Sie übersetzt als letzte Person im Raum bei Verhandlungen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem ehemaligen indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono.

    Sie dient auch unter dem aktuellen Präsidenten Jokowi. Einer ihrer größten Erfolge ist ihre Beteiligung am Handelsabkommen zwischen Indonesien und China über den Import von Vogelnestern. Einer wertvollen Suppenzutat in China.

    2015 hat sie genug von Beijing und entscheidet sich nach Deutschland zu ziehen. Wegen der guten Luft, wie sie mir sagt, als wir uns ins Stuttgart kennen lernen.