Heute vor drei Monaten ist Titien gestorben. Ich habe sie in den Armen gehalten, als sie aufgehört hat zu atmen und ihr Herz stehen blieb.

Ich funktioniere. Ich kann wieder Seminare und Workshops geben. Ich gehe in mein Büro und arbeite tags über. Abends kriege ich weiter nichts hin.

Ich kann mich auf nichts konzentrieren, habe keine Motivation und alles geht mir emotional nahe. Lesen geht nicht, Serien gucken geht nicht, schreiben geht nicht, Rennradfahren geht nicht. Mit Freunden telefonieren geht manchmal. Mit dem Handy spielen, das geht.

Ich habe angefangen zu meditieren. Waking Up mit Sam Harris. Und nach meiner täglichen Mindfullness-Session bleibe ich einfach sitzen und denke an Titien. Mir fällt dann ein Foto ein und ich erinnere mich an die Situation drum rum. Manchmal spreche ich auch mit ihr.

Vorgestern zum Beispiel. Ich hatte einen Freund besucht und war mit dem Auto auf dem Rückweg nach Karlsruhe. Ich fuhr auf der leeren Autobahn, draußen war es schon dunkel. Ich habe meine Hand auf den Beifahrersitz gelegt, dahin wo sonst ihre Beine waren, und habe mich mit ihr unterhalten. Da war sie mir ganz nah.

Alle zwei Wochen etwa fahre ich zu unserem Familenbaum in den Ruheforst. Da liegt Titiens Urne neben den Urnen meiner Eltern begraben. Ich stehe dann an unsere Buche gelehnt und starre auf ihr noch frisches Grab. Es fühlt sich gut an, zu wissen, dass ich mal da, neben ihr, liegen werde.

Ich telefoniere immer noch fast täglich mit Titiens Bruder. Mit ihren besten Freundinnen habe ich regelmäßige Videokonferenzen. Ich treffe mich alle drei Wochen mit meinem Trauerbegleiter und ich habe das Glück sehr gute, mitfühlende, verständnisvolle Freunde zu haben, die wissen, dass ich keine Ratschläge brauche, wie ich drüber weg komme und ich auch nicht aufgemuntert werden möchte.

Ich bin traurig und das ist auch ok so.

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5 Kommentare

  1. Lieber Tobias, 3 Monate ohne Titien, 3 Monate ohne täglich von ihr selbst, oder durch Dich von ihr zu lesen… es tut sich mir noch immer sehr weh, dass sie nicht mehr da ist – dass keine Heilung gefunden werden konnte. Sie war einfach viel zu jung und ihr hätter noch so viel vorgehabt. Es tut mir sehr leid. Auch ich würde nur funktionieren und hoffen, dass der Schmerz weniger wird. Das wünsche ich Dir sehr. Dass Du traurig sein kannst, aber atmen kannst und irgendwann gut damit leben kannst. Gut, soweit es eben geht. Heute ist mir erst aufgefallen, dass auch Deine Eltern viel zu früh gehen mussten. Du musstest wirklich schon so viel furchtbares durchleben, aber das hat Divh auch so stark gemacht. Ich wünsche Dir alles Liebe weiterhin und dass es Dir immer ein kleines Stückchen besser geht – genau das wir Titien sich auch wünschen. 🦆🌶️ Ich denke an Euch beide, liebe Grüße, Jasmin

  2. Moin… Trauer ist notwendig.
    Ein jeder hat da seine eigenen Mechanismen.

    Alles Gute weiterhin.

    Beste Grüße Jens

  3. Hallo Tobias, über längere Zeit verfolgte ich Titiens Geschichte. Es berührte mich zutiefst, mit welcher Stärke sie ihren Weg ging und mit wieviel Hingabe du ihr bis zuletzt zur Seite standest. Diese tiefe Liebe und eine solche Verbundenheit findet man so selten in unserer Zeit.
    Ich kann mir vorstellen, dass für dich die Welt vor 3 Monaten still stand… Es gibt keine Worte, die einen solchen Verlust beschreiben können.
    Das Leben geht irgendwie weiter, doch die Lücke bleibt – der wichtigste Mensch fehlt entsetzlich.
    Wenn du magst, kannst du bei Youtube “Du bleibst mir nah” von Klaus-André Eickhoff googeln. Lieder, die genau in diese Situation hinein sprechen.
    Ich wünsche dir Kraft, immer wieder aufzustehen und dem Leben auch schöne Momente abzugewinnen – auch wenn es nie mehr so sein wird, wie es war…

  4. Lieber Tobias, es mag seltsam klingen, aber mich beruhigt, was Du da schreibst. Denn: Es ist der Preis der Liebe, diese Trauer. Bin auch in Trauer, unsäglich. Will mich erinnern, nah sein, nicht vergessen. Der Schmerz ist dann riesig, aber die Liebe und Nähe eben auch. Vertrage nur wenige Menschen, funktioniere auch, aber in jeder freien Minute: Erinnern. Nun 152 Tage vergangen. Die Trauer wird stärker, finde ich. Akuter. Egal. Es waren tolle Menschen. – Alles Liebe, Su

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