Forscher in Deutschland publizieren überdurchschnittlich gut – bis auf die Sozialwissenschaftler

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7.67% aller weltweit veröffentlichten wissenschaftlicher Papers haben mindestens eine Autorin, die in Deutschland angesiedelt ist. Im internationalen Vergleich ist Deutschland besonders stark in Astonomie und Physik. Die Sozialwissenschaften bilden qualitativ und quantitativ das Schlusslicht.

In Deutschland ist man sich ja nie so ganz sicher, wo man wissenschaftlich im internationalen Vergleich eigentlich steht. Unbestritten ist englisch die Weltwissenschaftssprache und in den intenationalen Unirankings dominieren US-amerikanische Hochschulen. In Deutschland iniziierte Exzellenzinitiativen, der Pakt für Forschung und Inovation und andere Förderkonzepte scheinen eher politischer Aktivismus zu sein als vernünftige Wissenschaftspolitik zu reflektieren.
Aktuelle Zahlen von Thomson Reuters widersprechen dieser pessimistischen Sichtweise und zeichnen ein durchaus erfreuliches Bild des wissenschaftlichen Outputs Deutschlands im internationalen Vergleich. Von 2006 bis 2010 wurden rund 415 000 Papers veröffentlicht mit mindestens einem Autor oder einer Autorin die an an einer deutschen Hochschule oder einem deutschen Wissenschaftsinstitut angestellt sind. Das sind 7.67% aller weltweit publizierten Papers.
Weiter ist Qualität der Veröffentlichungen – gemessen an der Anzahl der Zitierungen – deutlich über dem internationalen Durchschnitt. Besonders stark ist die deutsche Foschungslandschaft in der Astronomie (space science) und der Physik.
Unterdurchschnittlich sind nur die Sozialwissenschaften, die Wirtschaftswissenschaften und Psychatrie/Psychologie. Über Gründe dafür lohnt sich zu spekulieren. Liegt es an unzureichernder Förderung durch Bund und Länder? Liegt es an einer unterschiedlichen Publikationspraxis in diesen Disziplinen?
Hier eingebunden die komplette Tabelle aufgelistet nach Wissenschaftssparten.

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Für einen besseren internationalen Vergleich wären äquivalente Daten für andere Staaten notwendig. Um Aussagen über den Einfluss der Politik auf den wissenschaftlichen Output zu treffen wären Daten aufgeschlüsselt nach Bundesländern sinnvoll und vor allem Daten über weiter zurück liegende Fünfjahreszeiträume.
Comic oben: PhD Comics

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20 Kommentare

  1. Was mir – als Sozialwissenschaftler – so ad hoc dazu einfällt: die Internationalisierungsstrategie ist eine ganz andere; und es gibt immer noch sowas wie “kontinentale” oder gar “nationale” Diskurse (inkl. noch immer einer starken Vorherrschaft des Deutschen als Wissenschaftssprache). Das geht bis hin zu Qualitätsstandards, die an “gute” Sozialwissenschaft angelegt werden, und die je nach Land erheblich differieren. Interessant wäre ja, wie Philosophy und Humanities in dem Ranking abschneiden – und wie der sozialtheoretische Teil der Sozialwissenschaft berücksichtigt wurde. Kurz: ob die Zahlen in der Tabelle das selbe messen, wäre erst noch zu diskutieren.

  2. “Wirtschaftswissenschaften”?
    Sind das nicht die Leute die aus der Leber eines frisch geschlachteten Zickleins oder aus dem Flug der Schwalben die Börsenkurse von morgen lesen?
    Gruß
    Oli

  3. Ich glaube Till spricht einen wichtigen Punkt an. Es bilden sich geographische Biotope um Denkschulen und Diskurse. Ein Beispiel wäre der deutsche Soziologieübervater Luhmann der im englischen Sprachraum nach wie vor eher unbekannt ist (zumindest so mein nicht-Soziologen Eindruck).
    Ich war zum Beispiel auch überrascht bei der ganzen Plagiatsaffäre, dass Chatzimarkakis seine Dissertation in internationalen Beziehungen auf Deutsch (ab)schrieb und noch dazu die Bibliographie mit deutschsprachingen Werken spickte und teilweise gar für Fach-Klassiker die Deutsche Übersetzung angab. In französischsprachigen Raum war das übrigens weitgehend bis vor kurzem auch so (doch ich beobachte dort inzwischen ein Umdenken).
    Das Fach hat aber vor allem eine Tradition im englischsprachigen Raum. Nicht-Englisch für Publikationen (eigenen oder als Quelle) ist oft schon fast gleichzusetzen mit Nicht-Relevant (hängt natürlich ein wenig vom Bereich ab). Mein Studium, meine Lektüre und naütrlich alles was ich schrieb war fast nur Englisch. Der Fachverband (International Studies Association) ist eigentlich der Nordamerikanische Dachverband, der noch ein paar Ausländer akzeptiert (und tagt auch jährlich nur in den USA oder Kanada).
    Wie man da auf Deutsch als Arbeitssprache insistieren kann, ist mir ein Rätsel. Man marginalisiert sich so jedoch ziemlich effizient. Ich nehme einmal an, dass in Fächern mit noch weniger internationalem Bezug dies sogar noch stärker stattfindet.
    Bei den Wirtschaftswissenschaften hätte ich jedoch erwartet, dass sie besser abschneiden. Das verwirrt mich ein wenig.

  4. @ ali:
    Bei den Wirtschaftswissenschaften hätte ich jedoch erwartet, dass sie besser abschneiden. Das verwirrt mich ein wenig.
    Man sollte economics getrennt von business auswerten. Die deutschen Betriebswirte haben zum Großteil erst vor ein paar Jahren begonnen, in Zeitschriften zu publizieren und hinken damit weit hinterher. In VWL ist das dagegen längst Standard, dort dürfte es besser aussehen.

  5. @Ali
    Ich teile Deine Bedenken gegenüber einem akademischen Sprachchauvinismus zwar, sehe aber – aus meiner journalistischen Arbeit – auch eine Schattenseite: Wenn ausschließlich in englischer Sprache geforscht und publiziert wird, mag das zwar der wissenschaftlichen Binnen-Effizienz (und auch der Binnen-Reputation) förderlich sein, weil dann alle in der gleichen “Liga” spielen. Aber darunter kann sehr leicht die Vermittlung dieser Forschung gegenüber der “heimischen” Bevölkerung leiden, weil irgendwann das Vokabular dafür fehlt. Es sollte also neben dieser aus akademischen Gründen wünschenswerten Sprach-Globalisierung auch zumindest das Bemühen geben, einen adäquaten “populärwissenschaftlichen” Wortschatz in der heimischen Sprache zu erhalten. Spontan fiele mir da jetzt, ohne weitere Recherche, der Begriff des “Forcing” ein, unter dem sich ein Englisch Sprechender auch ohne großartige Vokabeldefinition etwas vorstellen kann – dem nicht eingeweihten Deutschen wird er hingegen nur ein großes Fragezeichen auf die Stirn brennen.

  6. @J. Schönstein
    Mir als Naturwissenschaftler fehlt jetzt schon die Sprache geistes- und sozialwissenschaftliche Publikationen zu lesen (war vor einiger Zeit “genötigt” das zu tun), umgekehrt mag es auch so sein. Ohne einen Beleg zu haben, vermute ich, daß dies vielen Leuten so geht / gehen würde. 😉
    Bei der Popularisierung von Wissenschaft gibt es im deutschen Sprachraum in meinen Augen auch die Kluft zwischen Natur- und Geistes/Sozialwissenschaften: Erstere werden oft als Karikatur präsentiert (zum Glück gibt es scienceblogs 😉 ) und Zweitere viel zu oft in einer feuilletonartigen Melange. Damit aber erkläre ich auch, offen eingestanden, nicht die Publikationsschwäche mancher Disziplin.
    Und doch meine ich, daß Wissenschaft und deren Popularisierung oder Vermittlung zwei verschiedene Dinge sind und das Argument der Publikationssprache ist zwar wichtig, sollte jedoch nicht auf diese Weise dafür herangezogen werden, um die eigene Arbeit nicht international zur Disposition zu stellen.

  7. ich denke ähnlich wie ali, dass bestimmte fächer bzw. deren gegenstand nicht immer international ausgelegt ist in der fach-kultur. ali hat luhmann erwähnt, und gerade bei der soziologie sind eben auch nicht alle behandelten gegenstände für internationale publikationen geeignet, da sie sich mit “spezifisch deutschen” gegenständen beschäftigen.
    darüberhinaus stellt sich die frage, welche publikationsformate für welche disziplin überhaupt angeboten werden und ob diese erfasst werden. z.t. fehlen für bestimmte disziplinen auch einfach internationale zusammenhänge. so etwas, wie die “allgemeine erziehungswissenschaft” hat meines wissens nach keine wirkliche internationale entsprechung und ist etwas “typisch deutsches”.
    das könnte einiges erklären. u.u. ist den sozialwissenschaftlern der impact factor aber auch einfach noch nicht so wichtig, da er aktuell (aufgrund der oben beschriebenen situation) noch keine so große spielt? je mehr ich darauf achte, dass ich in den “richtigen” journals veröffentliche, umso wichtiger werden diese ja auch.

  8. @Ulrich Berger
    Die Vermengung mit BWL ist mir auch aufgefallen. In dem Fach kommt noch dazu, dass ich den Eindruck habe, dass man sich oft gar nicht als “akademische” wahrnehmen will.
    @Jürgen Schönstein
    Ich habe meinen Kommentar auch gar nicht als Wertung gemeint betreffend Englisch. Dass bei uns das Englische die Lingua Franca ist, ist ein Fakt an das man sich anpassen muss, will man den Kopf über Wasser halten. Egal ob man das gut findet oder nicht. Genau darum erstaunt es mich so, dass man national beschliesst, da nicht mitzumachen und somit seinen Bereich international in die Belanglosigkeit stürzt.
    Die Vermittlung ist tatsächlich ein Problem. Aber für Laien unverständliches Jargon entwickelt sich genau so auf Deutsch (Randbemerkung: Ich halte Jargon übrigens nicht per se für schlecht sondern oft eine Notwendigkeit für die wissenschaftsinterne Kommunikation). Das Problem kann man unabhängig von der Arbeitssprache anpacken. Aber du sagst eigentlich nichts anderes.
    @CM

    Mir als Naturwissenschaftler fehlt jetzt schon die Sprache geistes- und sozialwissenschaftliche Publikationen zu lesen

    Du kannst beruhigt sein. Das Problem ist gegenseitig und ich glaube unvermeidlich. Aber darum hast du eben Recht: Vermittlung nach Aussen und interne Kommunikation sind zwei verschiedene Dinge. Wenn die oben zitierten Zahlen stimmen und Jürgens Kritik an der Vermittlung ebenfalls korrekt ist versagen die Sozialwissenschaften in Deutschland in beiden Bereichen.

  9. @CM: das denke ich auch. Als Geisteswissenschaftler ist es nicht immer einach den Stil der “real Science” zu verstehen, da wir auf anderen Grundlagen basierend arbeiten. Mir jedoch gefällt es so und es ist auch fundiert. Eine gegenseitige Kommunikation jedoch fände ich interessant und könnte mich dem “fremden” Fach auch näher bringen. Über Sozialwissenschaftler selbst kann ich leider nichts sagen.

  10. Nationale Zeitschriften werden vom Web of Science laut deren Website auch indiziert, ebenfalls in den Sozialwissenschaften. http://wokinfo.com/products_tools/multidisciplinary/webofscience/contentexp/expansionessay/
    Laut diesem Dokument http://wokinfo.com/media/pdf/globalwos-essay.pdf (evtl. Registrierung notwendig) waren 2005 596 und 2010 745 deutsche Journals Teil der Datenbank.
    Es ist also zu einfach, sich auf eine regionale Publikationskultur in den Sozialwissenschaften zu berufen und so das unterdurchschnittliche Abschneiden zu erklären.

  11. Es gibt – beispielsweise bei der Geschichts- oder auch der Literaturwissenschaft – zudem auch Disziplinen, bei denen die Sprachenfrage sich beinahe von selbst ergibt. Werke zur deutschen Geschichte oder zu Paul Celan könnte natürlich auch auf Englisch verfassen, aber die jeweilige Landessprache ist dann doch näherliegend. Zumal sich hier ggf. auch auf der höherliegenden Ebene noch kontinentale Sonderheiten ergeben; bei der europäischen Geschichte ist Englisch auch nicht unbedingt Publikationsstandard, eher wird die Beherrschung mehrerer Sprachen zur Rezeption der jeweils landessprachlichen Arbeiten vorausgesetzt. Nur: Wie das in ein ‘allgemeines’ Ranking abbilden?

  12. Und was besagen solche Zahlen nun? Soll man daraus schließen das “in den deutschen Sozialwissenschaften” etwas falsch läuft? Ich halte es doch für sehr fragwürdig von derartigen Zahlen direkt auf ein “Versagen” oder mangelnde Qualität zu schließen – zumal hier scheinbar unter dem Label “social sciences” entweder eine ganze Reihe Disziplinen unbeachtet blieben oder viele eigentlich doch unterschiedliche Fächer unter diesem Label zusammengefasst wurden. Wie hier schon jemand sagte, arbeiten die “Sozialwissenschaften” auf einer ganz anderen Grundlage, mit einem anderem Ziel und somit in einer ganz anderen wissenschaftlichen Kultur, wodurch es m.E. ziemlich schwierig ist anhand von derartige Zahlen die Fächer zu vergleichen und dann ein “scheitern” festzustellen.

    Werke zur deutschen Geschichte oder zu Paul Celan könnte natürlich auch auf Englisch >verfassen, aber die jeweilige Landessprache ist dann doch näherliegend.
    Wobei ich das Gefühl habe, dass dann deutschsprachige Publikationen von englischen Historikern beispielsweise gerne mal ignoriert werden, wenn diese jedoch zur deutschen Geschichte forschen – ich würde jedenfalls von einem Buch mit dem Titel “Modern German History” erwarten im Literaturverzeichnis auch die Namen einiger deutscher Autoren vorzufinden 😉

  13. Mazze,
    du bist Sozialwissenschaftler, oder? Welche andere Grundlage soll das denn sein, welche andere wissenschaftliche Kultur nach der die Sozialwissenschaften funktionieren. Werden Forschungsergebnisse denn nicht publiziert?
    Hier geht es nicht um eine pauschale Kritik an den Sozialwissenschaften, sondern darum zu verstehen, warum diese Disziplin in dem eingebundenen Ranking ganz offensichtlich schlecht abschneidet. Geklärt wurde, dass auch deutschsprachige Journals von Thomson Reuters berücksichtigt werden. Falls die Sozialwissenschaften bevorzugt auf Deutsch publizieren, entziehen sie sich wohl dem internationalen Umfeld und werden durch geringere Zitierhäufigkeit “bestraft”. Ausgleichend zitieren sich auf deutsch schreibende Autoren möglicherweise selbst häufiger als internationale Magazine, da (wie oben in Kommentaren angedeutet) die Sozialwissenschaften sich häufiger mit lokalen Problemen beschäftigen.
    Ist dieser Effet also ausreichend um die Zahlen zu erklären oder kommt hinzu dass die Sozialwissenschaften in Deutschland qualitativ international nicht mithalten können? Falls dem so wäre, läge das wohl kaum an der Qualität der Sozialwissenschaftler, sondern möglicherweise an der unzureichenden Finanzierung dieser Wissenschaftsdisziplin durch die öffentliche Hand .
    Andreas: Ja, Space Science ist mehr als nur Astronomie.

  14. Space Science ist nach meinem Wissen weiter gefasst als Astronomie, es beinhaltet auch z.B. die Raumfahrttechnik.

  15. Welche andere Grundlage soll das denn sein, welche andere wissenschaftliche Kultur nach der die Sozialwissenschaften funktionieren.

    tja, wie soll ich es jetzt sagen, ohne jemanden zu diskriminieren …
    aber wenn hier jemand die biolgische zweigeschlechtlichkeit mit fadenscheinigen ideologischen argumenten zu “dekonstruieren” sucht, dann scheint mir das nicht sonderlich wissenschaftlich, sondern gehörig normativ. und nach dieser art “wissenschaftlichen kultur” funktioniert einiges in den sozialwissenschaften.

  16. Ein Aspekt könnte hier vielleicht eine Rolle spielen, zumindest in der Geschichtswissenschaft: Viele Zeitschriften gibt es nicht bzw. erst seit kurzem online im Gegensatz zu den meisten englischsprachigen.

  17. @Radicchio:
    Du hättest auch einmal nachschauen sollen, welcher Disziplin bzw. welchem
    akademischen Stallgeruch der Autor der von dir verlinkten Promotion angehört.
    Kleiner Tip: Sozialwissenschaftler ist er nicht. Und bei denen arbeitet er auch
    nicht.
    http://www.heinzjuergenvoss.de für nähere Auskünfte.
    Dementsprechend kann bei seiner Arbeit auch keine “art “wissenschaftlichen kultur”” funktionieren. Davon einmal abgesehen kann das von Voß beschriebene überhaupt
    nicht normativ sein. Kennst du überhaupt die Bedeutung dieses Wortes? Oder ging bei
    dir mit dem Lesen der Vokabel “Dekonstruktion” der Welt-Zeitungsleser-Beißreflex
    mit dir durch?

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