Steve Jobs, der CEO von Apple, ist in den vergangenen Jahren dünner geworden. Heute hat er sich in einem offenen Brief zum ersten Mal zu den Gründen geäußert: Es sei eine Hormonstörung, welche ihm die Proteine “raubt”, die sein Körper braucht, um gesund zu sein. Vor viereinhalb Jahren wurde bei Jobs Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Wie hängt eine Operation des Pankreas mit Gewichtsverlust zusammen?
Ich bin seit zwei Wochen Besitzer eines neuen MacBooks. Man hat mir gesagt, damit schreiben sich die Blogposts leichter. Es stimmt. Und schön ist es auch noch. Als neuer Macianer betrifft mich der Gesundheitszustand des Apple CEO Steve Jobs natürlich persönlich. Heute hat Jobs einen offenen Brief an die Apple Community geschrieben, also auch an mich. Darin geht er zum ersten Mal genau auf Spekulationen bezüglich seiner Gesundheit ein. Aktueller Anlass ist die Absage seines traditionellen Vortrags bei der Macworld-Messe.
Jobs schreibt wörtlich: Fortunately, after further testing, my doctors think they have found the cause – a hormone imbalance that has been “robbing” me of the proteins my body needs to be healthy. Sophisticated blood tests have confirmed this diagnosis.
Übersetzt also: Eine Hormonstörung, die den Proteinstoffwechsel beeinträchtigt, und die dazu führt, dass er im vergangenen Jahr immer dünner geworden ist. Die Informationen sind nicht besonders ausführlich, daher ist dieser Blogpost auch reine Spekulation. Ich will versuchen, zu erklären, was Jobs denn tatsächlich haben könnte.
Mitte 2004 wurde bei Steve Jobs Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist normalerweise eine äußerst düstere Diagnose. Etwa 80% aller Patienten sterben daran, was vor allem daran liegt, dass der Krebs erst spät diagnostiziert wird. Jobs hatte Glück, er litt anscheinend an einer seltenen Form, welche die Inselzellen befällt. Ihm wurde, wahrscheinlich teilweise, die Bauchspeicheldrüse operativ entfernt. Dieser Eingriff nennt sich Duodenopankreatektomie oder Whipple-Operation. Es ist also davon auszugehen, dass sein Gewichtsverlust mit der Beeinträchtigung der Bauchspeicheldrüsenfunktion zu tun hat.
Funktionen der Bauchspeicheldrüse
Die Bauchspeicheldrüse, oder Pankreas, hat zwei unterschiedliche Funktionen. Zum einen ist sie für die Bildung der Hormone Insulin und Glucagon verantwortlich, welche direkt ins Blut (endokrin) abgegeben werden, und den Blutzuckerspiegel regulieren. Bei vollständiger Entfernung des Pankreas ist Jobs also so zu sagen Zuckerkrank und müsste sich Insulin spritzen. Insulin sorgt zum einen dafür, dass Glucose als Energielieferant von den Körperzellen aufgenommen werden kann. Zum anderen hat Insulin eine Funktion beim Körperfettaufbau und bei der Fettspeicherung. Insulinmangel kann also zur Gewichtsabnahme führen.
Die Bauchspeicheldrüse hat noch eine zweite, exokrine Funktion. Sie bildet 1,5 Liter Sekret pro Tag, das Verdauungsenzyme für Proteine, Kohlenhydrate und Fette enthält. Das Sekret wird in den Zwölffingerdarm abgegeben. Im Dünndarm werden dann die oben genannten Nährstoffe gespalten und nach weiteren Abbauschritten über die Darmwand resorbiert.
Vielleicht hat Jobs mit der Aussage ihm würden die Proteine “geraubt”, die sein Körper brauch, um gesund zu sein gemeint, dass er durch die Nahrung aufgenommene Proteine nicht mehr abbauen und er somit keine Aminosäuren (die Bausteine der Proteine) resorbieren kann. Tatsache ist: Die Bauchspeicheldrüse ist das wichtigste Verdauungsorgan, und bei teilweiser oder vollständiger Entfernung des Pankreas ist die Nährstoffaufnahme sicher beeinträchtigt, was ebenfalls eine Gewichtsabnahme zur Folge hat.
Gründe für Gewichtsverlust
Auch wenn eine Bauchspeicheldrüsenoperation durch Störung der exokrinen Funktion direkter zu einer Gewichtsabnahme führen sollte (der Nahrungsbrei aus dem Magen kann nicht mehr effektiv verdaut werden), handelt es sich bei den sekretierten Proteinen, nicht um Hormone sondern Enzyme. Steve Jobs spricht in seinem Brief jedoch von einer “hormone imbalance”.
Es erscheint also wahrscheinlicher, dass die Störung der endokrinen Funktion, also hier die Produktion und Abgabe von Insulin für den Gewichtsverlust verantwortlich ist. Insulin und Glucagon sind die einzigen Hormone, die von der Bauchspeicheldrüse produziert werden. Es sind Peptidhormone, also Proteine. Es würde mich jedoch wundern, wenn die Ärzte von Steve Jobs nach einer Pankreasoperation nicht konstant die Blutzuckerwerte geprüft haben und Jobs direkt mit Insulin versorgt hätten.
Selbstverständlich können auch Störungen anderer Hormone, zum Beispiel Androgene, zu Gewichtsverlust führen. Vor dem Hintergrund der Krebserkrankung von Steve Jobs erscheint jedoch ein Zusammenhang mit den Funktionen der Bauchspeicheldrüse naheliegend.
Die Keynote Lecture der Macworld, auch genannt “Stevenote” wird dieses Jahr von Phil Schiller gehalten, dem “Senior Vice President of Worldwide Product Marketing”. Schiller hat übrigens Biologie studiert.
Eine sehr häufige Ursache für starken Gewichtsverlust ist eine Schilddrüsenüberfunktion, d.h. die Überproduktion von Levo-Thyroxin. Eine Schilddrüsenunterfunktion hingegen bewirkt das konträre: eine Gewichtszunahme. Als ich Deinen Artikel gelesen habe, kam mir das zunächst als Ursache in den Sinn. Nun habe ich mal ganz schnell, so kurz vor der Arbeit gegoogelt, ob es einen Zusammenhang zwischen Schilddrüse und Pankreas gibt und bin auf einen wissenschaftlichen Artikel von Licini gestoßen, der zumindest bei Hunden eine Schilddrüsenvergrößerung nach Pankreasentfernung beobachtet hat. Habe den Artikel nur angelesen, da er nicht komplett zugänglich im Netz ist! Zumindest scheint das für mich eine sehr logische Erklärung. Ist aber nur eine Vermutung, sonst nichts! Schilddrüsenüber- sowie -unterfunktionen sind auch keine Seltenheit. Kann also auch sein, dass er daran unabhängig vom Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist. Die Symptome selbst bei geringer Hormonstörung sind sehr stark und könnten durchaus erklären, warum er nicht den Vortrag hält. Eine Medikamenteneinstellung und damit Besserung der Symptome dauert gut und gern an die 2 Monate.
Ich möchte nur zu bedenken geben, dass Mr. Jobs immerhin einen offenen Brief verfasst hat, der eigene Gesundheitszustand aber etwas sehr persönliches ist.
Ob bei Jobs also tatsächlich eine “hormon imbalence” vorliegt sei mal dahingestellt.
Immerhin ist das eine Aussage bei der ca 90% der Leser verständnisvoll Nicken (von Hormonen und dass “die wichtig sind im Körper” hat jeder mal gehört), im Grunde aber nicht die geringste Ahnung haben – eine Aussage also die im Grunde wenig aussagt, weiteren Gewichtsverlust-spekulationen aber vorgreift.
Ich habe mich jetzt nicht sonderlich mit Steve Jobs oder seinen Gewichtsproblemen auseinandergesetzt, bei starkem/plötzlichen/ allgemein auffälligem Gewichtsverlust denke ich aber in erster Linie an Krebs. Möglicherweise ein Rezidiv? Wenn der Krebs spät bemerkt wurde (s.o.) sind Metastasen doch durchaus denkbar.
Eine weitere kleinere Anmerkung: Sollte bei Jobs eine Whipple-OP durchgeführt worden sein fehlt ihm (großteils) das Duodenum; dieses ist hauptsächlich für die Resorption von Nährstoffen verantwortlich. Ein fehlen desselben würde uU auch eine Gewichtsreduktion erklären.
@Anne: Danke, Eine Schilddrüsenüberfunktion hatte ich vergessen.
@Benedict: Das Duodenum (Zwölffingerdarm) ist nur ein etwa 25 cm langer Abschnitt am oberen Dünndarm. Dort wird die Gallenflüssigkeit und eben das Sekret der Bauchspeicheldrüse eingeleitet. Für die Resorption der Nährstoffe ist hauptsächlich der nachfolgende rund 3 m lange Dünndarm verantwortlich.
Vielleicht noch eine kurze Anmerkung, wie sich die äußert düstere Prognose genauer analysieren lässt: In frühen Stadien des Pankreas-Karzinoms tut sich der Pathologe üblicherweise schwer, eine schwere entzündliche Veränderung im Rahmen einer chronischen Pankreatitis von einem hoch differenzierten (also wenig entarteten) Pankreaskarzinom zu unterscheiden.
Sollte Herr Jobs Glück im Unglück haben – ich hoffe es für ihn – dann handelte es sich bei ihm um eine Pankreatitis und nicht um ein Karzinom. Die wirklich düstere Nachricht ist nämlich folgende: lässt man die Biopsien jener Patienten reanalysieren, die nach fünf Jahren noch leben, dann fallen (wenig überraschend) sehr viele unsichere Befunde auf. Ist sich der Pathologe wirklich sicher, ist Pankreaskrebs praktisch unheilbar. Einige Professoren (z.B. Schmid, München) sprechen von einer 10-Jahres-Überlebensrate von 0,1‰ (ja, Promille!), einige Pathologen äußern Zweifel, ob ein Pankreaskarzinom prinzipiell überhaupt vollständig operativ entfernt werden kann.
Der Gewichtsverlust macht einem also berechtigterweise richtig arge Sorgen.
In der New York Times von gestern:
Also vielleicht doch die exokrine Funktion der Bauchspeicheldrüse.
@Moritz: Danke für deine Anmerkungen, die Zahlen sind wirklich düster. Wurde Jobs eigentlich bestrahlt und chemotherapeutisch behandelt?