Kategorie: Geistes- & Sozialwissenschaften

  • Drei Gründe warum man an Verschwörungstheorien glaubt

    Drei Gründe warum man an Verschwörungstheorien glaubt

    Warum sind es eigentlich immer die Köche? Ein vorher mir gänzlich unbekannter Modekoch namens Attila Hildmann erreicht gerade traurige Berühmtheit durch das Verbreiten kruder Verschwörungstheorien rund um Covid-19. Mein Freund Giancarlo wohnt in Doha, ist Leibkoch eines katarischen Prinzen, und schickt mir regelmäßig über WhatsApp die jüngsten Nachrichten aus Verschwöristan.

    Es sind nicht nur die Köche. In Großbritannien, einem Land, in dem ja sonst bekanntermaßen rational entschieden wird, glauben offenbar 60% aller Einwohner an Verschwörungstheorien. Schon vor Covid.

    Welche Faktoren führen dazu, dass Menschen an Verschwörungstheorien glauben?

    Verschwörungstheorien bedienen sozialpsychologische Wünsche bei ihren Jüngern, schreiben Douglas et al. in ihrem Übersichtsartikel. Wenn diese Wünsche von Verschwörungstheorien eher gedeckt werden als von der schnöden Realität, dann wird die Alternative bereitwillig angenommen und verbreitet. Die Autoren unterteilen die Gründe für die Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien in drei Bereiche: Epistemische, existenzielle und soziale Motive.

    Epistemische Motive meint: Einfache, in sich logische Erklärungen und Bestätigungen für das was man sowieso schon glaubt (zu wissen). Existenzielle Motive meint: Keinen Einfuss zu haben auf die Umgebung und Kontrolle zu verlieren. Insbesondere wenn es keine klare, offizielle Erklärungen gibt und man sich selbst unsicher fühlt. Soziale Motive meint: Den Wunsch ein positives Selbstbild oder ein positives Image der eigenen Gruppe zu wahren. Der Glaube an Verschwörungstheorien ist unter Narzissten weiter verbreitet und in Gruppen, die sich marginalisiert oder auf der Verliererseite fühlen.

    Es scheint, als Böte die Corona-Krise einen idealen Nährboden für Verschwörungstheorien. Es gibt keine einfachen Erklärungen für das was gerade passiert, die Unsicherheit ist hoch, Kontrolle wird abgegeben und es ist naheliegend, sich auf der Verliererseite zu wähnen.

    Der wahrgenommene Anstieg an Verschwörungstheorien ist möglicherweise keine reine Corona-Modeerscheinung, die so schnell wieder verschwinden wird wie die selbst geschneiderten Masken. Die Forschung zeigt: Verschwörungstheorien erodieren Sozialkapital und führen zu Misstrauen gegenüber Institutionen im Allgemeinen und der Wissenschaft im Besonderen.

    Ich frage mich, was man dagegen tun kann? Reicht es aus, weiter beharrlich zu erklären, wie Wissenschaft funktioniert? Werden die “Vertrauensfaktoren” Eigene Expertise, Ehrlichkeit, und gute Absichten von Aluhüten überhaupt anerkannt?

    Zumindest die “Schwer erreichbaren Zielgruppen” sollten in den Fokus gerückt werden. Denn der Glaube an Verschwärungsthorien sei weiter verbreitet bei Menschen mit weniger ausgeprägtem analytischen Denken und einem niedrigeren Bildungsstand.

  • Mein neuer Job als Dozent und eine Einladung zum Seminar über Wissenschaftskommunikation

    Mein neuer Job als Dozent und eine Einladung zum Seminar über Wissenschaftskommunikation

    Für die meisten Menschen, die regelmäßig die ScienceBlogs lesen klingt es trivial: Wer, wie, wo über Wissenschaft berichtet, hat sich in den letzten Jahren verändert. Zeitungsberichte, Fernsehreportagen, Radiointerviews und der Tag der offenen Tür wurden durch Blogs, soziale Medien, online Foren, Podcasts, selbst produzierte Videos, Science Slams, und so weiter ergänzt und erweitert.
    Die veränderte Medienlandschaft bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, über Artikel in Fachpublikationen hinaus, direkt an der Kommunikation über Wissenschaft teil zu nehmen und somit die Wahrnehmung der Wissenschaft im Allgemeinen und die der eigenen Person und Forschung im Speziellen zu beeinflussen.
    Der NaWik Pfeil vereint wesentliche Elemente der Wissenschaftskommunikation. Quelle: NaWik
    Nicht alle Wissenschaftler haben die Chancen, die sich dadurch bieten erkannt, oder eine Antwort auf die Frage, warum man als Wissenschaftler überhaupt von den verfügbaren Medien Gebrauch machen und kommunizieren sollte.
    Jene Frage, auf die es, vielleicht wenig überraschend, keine allgemeingültige Antwort gibt, wird zentral in den Seminaren des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik) behandelt.
    Ganz egal, ob die Kommunikation primär der Förderung der eigenen Reputation dienen soll, ob es einfach aus Spaß an der Weitergabe des eigenen Wissens geschieht, oder man sich der Gesellschaft gegenüber verpflichtet fühlt, die als Gesamtheit der Steuerzahler ja häufig die eigene Forschung finanziert: Das NaWik bietet Wissenschaftlern in Seminaren die Möglichkeit die Werkzeuge effektiver Kommunikation zu lernen und mit neuen wie traditionellen Medien professionell umzugehen.
    Was sich wie ein Absatz aus einem Werbeprospekt für das NaWik anhört, hat genau diesen Hintergrund: Ich bin seit kurzem Dozent am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation und biete zusammen mit meinen Kollegen eben solche Seminare an.
    Meistens werden diese Veranstaltungen von Unis und wissenschaftlichen Einrichtungen für ihre Mitarbeiter direkt gebucht. Aufgrund zahlreicher Nachfragen bieten wir aktuell drei offene Seminare in unseren Räumen in Karlsruhe an: „Verständlich Schreiben“ mit Klaus Wingen, „Verständlich Präsentieren“ mit Kristin Raabe und ein Seminar zu „Wissenschaft Online und in Sozialen Medien“ mit mir als Dozent.
    Es sind übrigens noch ein paar Plätze offen in den Seminaren. Hier gibts mehr Informationen zu den Seminaren und auch einen Link zur Anmeldung!

    Das NaWik ist ein Institut der Klaus Tschira Stiftung und des Karlsruher Instituts für Technologie.
  • Dialog oder Lobbyarbeit? Wissenschaftskommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

    Dialog oder Lobbyarbeit? Wissenschaftskommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

    Leider habe ich das Originalzitat nicht mitgeschrieben. Reiner Korbmann gibt es so in seinem Blog wieder: „Wenn ich nicht bereit bin, als Konsequenz der gesellschaftlichen Meinungsbildung in schlimmster Konsequenz mein Labor zuzumachen – etwa weil die Gesellschaft meine Arbeiten nicht akzeptieren kann – dann darf ich diesen Prozess nicht Dialog nennen.“ Oder anders ausgedrückt: „Ein Dialog beginnt da, wo man akzeptiert, dass jemand nein sagt”.
    Gesagt hat das Dietram Scheufele auf dem Forum Wissenschaftskommunikation. Scheufele ist Professor für Science Communication an der Universität Wisconsin, Madison und er war so etwas wie der Star des diesjährigen Branchentreffens der deutschen Wissenschaftskommunikatoren.
    Der Satz hat viel Zustimmung und Beifall bekommen auf der von Wissenschaft im Dialog organisieren Fachkonferenz in Potsdam. Ein Dialog mit der Gesellschaft und deren Recht mitzuentscheiden klingt ja auch gut und demokratisch. Schließlich wird die meiste Forschung durch Steuergelder gefördert.
    Ich bin mir nicht sicher, ob dieser “konsequente Dialog” der richtige Weg ist. Im Gegenteil, ich empfinde die Aussage als populistisch und, wenn Scheufeles Satz zu einem Leitmotiv für Wissenschaftskommunikation würde – zugespitzt formuliert – als Verrat an der Wissenschaft.
    Ich verdeutliche meine Meinung vielleicht am besten mit Beispielen.
    Insbesondere bei kontrovers diskutierten Themen aus der Wissenschaft wird deutlich, dass die Meinung der Gesellschaft, oder vielmehr die prominenter Interessengruppen aus der Gesellschaft (denn mit der ganzen Gesellschaft diskutiert man eigentlich nie) nach objektiven Kriterien nicht als Entscheidungskriterium dienen sollte.
    Soll man Tierhäuser schließen, wenn Tierschützer Umfragen produzieren, wonach die Gesellschaft Tierversuche verdammt? Tierversuche an Mäusen oder Fischen sind ein wesentlicher Bestandteil der biomedizinischen Grundlagenforschung. Sie waren beispielsweise bei der Entdeckung der zellulären Grundlagen des menschlichen Orientierungssinns unumgänglich. Forschung, die dieses Jahr mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde.
    Ist es richtig, nationale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen auszusprechen, weil es zwar einem gesellschaftlichen Konsens entspricht, die Risiken und Nebenwirkungen auf die sich die Anbaugegner berufen jedoch erwiesenermaßen übertrieben oder schlicht unwahr sind?
    Sollen die Ergebnisse von Klimawissenschaftlern keinen Einfluss auf die Energiepolitik haben, wenn sich ein gesellschaftlicher Konsens findet, wonach die Folgen eines unverminderten Ausstoßes von CO2 auf den Klimawandel vernachlässigbar seien?
    Wissenschaft findet Wahrheiten, die so lange gelten, bis sie wissenschaftlich widerlegt sind, und nicht so lange, wie diese von einem gesellschafttlichen Konsens getragen werden. Deshalb finde ich, hat die Wissenschaft das Recht auf die Richtigkeit und Relevanz von Forschungsergebnissen zu bestehen und in irrational geführten Debatten durchaus die Erlaubnis die Diskussion abzubrechen. Kein Dialog ist auch eine Option.
    Diese Beispiele verdeutlichen mehrere Aufgaben für die Wissenschaftskommunikation, die verallgemeinerbar sind und einen Dialog auf Augenhöhe überhaupt erst möglich machen:
    • Das zielgruppengerechte Aufbereiten und verständliche Erklären wissenschaftlicher Ergebnisse unter Nutzung unterschiedlicher (neuer) Medien, Akteure und Formate.
    • Die Unterstützung der fachlichen Qualität und Sicherstellung der Aktualität des Unterrichts in wissenschaftlichen Fächern an Schulen im Zuge einer kontinuierlichen wissenschaftlichen Alphabetisierung.
    • Die Qualifikation von Wissenschaftlern selbst als zentrale Akteure der Wissenschaftskommunikation (wie im Aufruf des Siggener Kreises beschrieben).
    Vielleicht schafft es die Community ja, die Debatte um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation so langsam hinter sich zu lassen, und findet ein neues, eigenes Leitbild. Wie wäre es mit: Wissenschaftskommunikation ist Lobbyarbeit für die Forschungsfreiheit und für ein rationales Weltbild.
    Bild oben: Skulptur Großer Dialog von Karel Nepraš (Wikimedia commons)
  • Was uns von anderen Tieren unterscheidet in drei Sätzen

    Auf die Frage, was uns von anderen Tieren unterscheidet, gibt es traditionell eine einleuchtende Antwort. Wir sind eben die Krone der Schöpfung! Wissenschaftlichen Kriterien hält diese Argumentation freilich nicht stand. Aber: Es gibt eine Erklärung für die außergewöhnlichen kognitiven Fähigkeiten des Menschen, und die geht, zusammengefasst in drei Sätze, so:

    Die Dichte der Neurone ist beim Menschen und bei anderen Primaten im Vergleich zu anderen Tieren außergewöhnlich hoch, so dass in relative geringen Gehirnvolumina eine stattliche Anzahl an Neuronen untergebracht werden kann.
    Der hohe Energiebedarf, der mit einer hohen Anzahl an Nervenzellen einhergeht, limitiert die Größe von Primatenhirnen, kann aber vom Menschen nur durch die Aufnahme gekochter Speisen gedeckt werden.
    Der Mensch hat insgesamt etwa 86 Milliarden Nervenzellen im Gehirn, 16 Milliarden davon in der Großhirnrinde, mehr als jedes andere Tier.
    Wer das ganze etwas ausführlicher, im Zusammenhang, und in rund einer viertel Stunde anhören möchte, dem sei der vor ein paar Tagen erschienene Ted-Talk von Suzana Herculano-Houzel empfohlen:

    [ted id=1879]
     

    Aufgabe für den Kommentarteil: Bitte in drei Sätzen erklären, wie die Anzahl der Neuronen im Großhirn mit Bewusstsein zusammenhängt.
  • 6% aller einflussreichen Wissenschaftler sind weiblich

    Über einen Tweet vom Laborjournal bin ich auf eine Publikation aufmerksam geworden, die eine Liste mit über 400 besonders einflussreichen biomedizinischen Forschern der letzten Jahre enthält. Die Liste wurde durch die Auswertung der Anzahl publizierter Artikel und der Zitierungen und der biomedizinischen Fachliteratur generiert, sozusagen die erweiterten Wissenschaftscharts in der Sparte Biomedizin.
    Man mag von der Evaluierung des Einflusses von Wissenschaftlern durch Publikationsdaten im Allgemeinen und von der Methode der Autoren der PublikationA list of highly influential biomedical researchers, 1996–2011” im Besonderen halten, was man will. Ein Ungleichgewicht bleibt wahrscheinlich selbst bei gravierendsten methodischen Mängeln bestehen:
    Manuelles Auswerten der eingebundenen Tabelle ergibt, dass gerade einmal 26 der gelisteten einflussreichen Wissenschaftler weiblich sind – das sind etwas über 6%.
    Die mit Abstand am häufigsten genannte Institution an der die aufgelisteten einflussreichen Wissenschaftler arbeiten (11,5%) ist Harvard. Ich war zufällig vor ein paar Wochen in Boston und habe dort eine Gruppe Harvard-Doktoranden getroffen, die an einem Kurs über “Leadership und Communication Skills” für Wissenschaftler teilnahmen und dort Techniken lernten, die ihnen helfen sollen, erfolgreiche Wissenschaftler zu werden. Was mir vor allem in Erinnerung blieb: Etwa 80% der Kursteilnehmer waren weiblich.
    Lust auf Leadership scheinen die Frauen also zu haben. Ob sich das in einer Liste einflussreicher biomedizinischer Wissenschaftler in 30 Jahren so widerspiegeln wird?
    Edit 17:28 Uhr: Ich arbeite freiberuflich für das oben erwähnte Consultingunternehmen und habe deshalb den Link zu deren Seite soeben wieder entfernt.

  • Tod, Karriereende oder einfach egal: Die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten

    Wie sieht es denn eigentlich aktuell mit dem Plagiatsverfahren zur Doktorarbeit von Norbert Lammert aus? Laut Spiegel online  dauert die Vorprüfung an der Uni Bochum noch an. Um eine mögliche Befangenheit der Prüfer zu vermeiden würde laut WAZ eine externe Prüfung angestrebt, da Lammert Honorarprofessor an der Ruhr-Uni sei. Während die offizielle Seite sich noch in der Vorprüfungsphase befindet und auf politischer Ebene vor Vorverurteilungen gewarnt wird, kommen die Plagiatsjäger zu dem Schluss, dass der Nachweis der Täuschung bereits in wesentlichem Umfang erbracht sei.
    Auf die Wähler scheint die Plagiatsafäre nur geringen Einfluss zu haben. Auch wenn es für ein Direktmandat nicht gereicht hat, konnte Lammert den Stimmenanteil in seinem Wahlkreis verglichen mit der Wahl vor vier Jahren um fast fünf Prozent auf 35,7% steigern. Ähnliches gilt auch für Annette Shavan in ihrem Wahlkreis in Ulm. Sie hat ihren Stimmenanteil von 42.8% bei der Wahl 2009 um fast 10% auf 52,1% in 2013 ausgebaut.
    Plagiate sind nur eine Spielart wissenschaftlichen Fehlverhaltens, und ich bin von der Gesellschaft für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften des Landbaus (GEWISOLA) eingeladen worden, um auf deren Konferenz am Freitag über Wissenschaftliches Fehlverhalten zu referieren. Wen es interessiert: Ich habe meine (kurze) Präsentation schon vorab online gestellt und hier eingebunden.

    Es ist relativ schwierig verlässliche Zahlen zur Häufigkeit wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu bekommen. Das liegt in der Natur der Sache, es geschieht ja meistens heimlich. Einer Meta-Analyse zur Folge geben in Umfragen rund 2% aller Wissenschaftler an, schon einmal Daten erfunden, gefälscht oder modifiziert zu haben. Den Kollegen trauen das rund 14% der Befragten zu.
    Wenn man statt dessen die Zahl der zurückgezogenen Publikationen und die aufgedeckten Plagiatsfälle als Maß für Fehlverhalten betrachtet, könnte man meinen, in den letzten Jahren sei ein starker Anstieg wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu verzeichnen. Die Autoren einer erst kürzlich publizierten Studie erklären den Anstieg mit aktuell niedrigeren Hürden, sowohl für die Publikation gefälschter Daten als auch für deren Widerruf. Ich denke, einen großen Anteil spielen dabei die technischen Möglichkeiten, digital zur Verfügung stehende Texte miteinander zu vergleichen und Datensätze auf statistische Auffälligkeiten hin zu untersuchen, und so mit relativ wenig aufwand Plagiate und Fälschungen zu entlarven.
    Eine Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist das Zurückhalten von Daten. Besonders relevant, da es direkt die Gesundheit von Menschen betrifft, ist das bei klinischen Studien zur Medikamentenwirksamkeit. Ben Goldacre hat diesen Fall in seinem Buch Bad Pharma das kürzlich auch auf Deutsch erschienen ist, ausführlich dargelegt und so zusammengefasst:

    Trials are frequently conducted, but then left unpublished, and so are unavailable to doctors and patients. Only half of all trials get published, and those with negative results are twice as likely to go missing as those with positive ones. This means that the evidence on which we base decisions in medicine is systematically biased to overstate the benefits of the treatments we give. […] This is research misconduct on a grand, international scale.

    Ich werde in meinem Vortrag in Berlin diese und weitere Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens thematisch nur anschneiden können, denn ich teile mir die Session mit Gunnar Breustedt, Gebhard Kirchgässner, Ludwig Theuvsen und Peter Winkler. Vielleicht finden wir ja in der anschließenden Podiumsdiskussion noch Antworten auf ein paar der Fragen, die ich in meinem Vortrag aufwerfe:

    • Was sind Gründe für wissenschaftliches Fehlverhalten?
    • Wer lehrt korrektes wissenschaftliches Arbeiten?
    • Welche Kontrollmechanismen existieren?
    • Was tun, wenn man Fehlverhalten entdeckt?
    • Wie soll Aufklärung und Bestrafung aussehen?
    • Was ist der Schaden für die Wissenschaft?

    Eine einheitliche Antwort auf die Frage was die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten sind, werden wir sicher nicht finden. Es kann Patienten töten, wie in Bad Pharma dargestellt, und wissenschaftliche Karrieren beenden. Zumindest Wahlergebnisse scheint es aber nicht nachhaltig zu beeinflussen.

  • Die Top 5 Wahlwerbespots aller Zeiten

    Für mich sind Bundestags- Landtags- und Europawahlen immer großes Kino, das im manischen Hin-und Herschalten zwischen den Fernsehkanälen gipfelt, in denen ab 18:00 Uhr -nach Schließen der Wahllokale – die ersten Prognosen und dann die Hochrechnungen verkündet werden.
    Aber schon in den Wochen vor der Wahl wird die Spannung für das große Ereignis durch die allabendlich an prominenter Stelle ausgestrahlten Wahlwerbespots aufgebaut. Die Qualität der Wahlwerbung der unterschiedlichen Parteien ist, gelinde gesagt, inhomogen. Je nach Budget und beauftragter PR-Agentur sind die Spots gut gemacht, nichtssagend, liebenswert-dilletantisch oder nicht zum Aushalten.
    Dieses Jahr wurde die FDP mit ihrem Spot ja bereits mit Spot und Häme überzogen. Wie bei den Liberalen war im Werbevideo der NPD und in der Werbung für Quark einer finnischen Agentur die gleiche fahrradfahrende Familie zu sehen. Viel Potential zum Fremdschämen haben auch Spots von Spartenparteien aus den neunziger Jahren. Einige dieser Perlen sind auf Youtube zu finden und hier verlinkt. Mangelhafte Qualität der Videos bitte ich zu entschuldigen:

    •  PDS 1994 (Die rechte Kabine ist übrigens frauenfeindlich)
    • APPD 1998 (Besserer Verkehr mit der Allgemeinen Pogopartei Deutschlands)
    • Naturgesetzpartei 1999 (Leider fehlen die yogischen Flieger)
    • ÖDP 2002 (Über Mobilfunkstrahlung)
    • PBC 2002 (Kinder sind wie Koffer)

    Klar ist, die Wahlwerbespots dienen der Orientierung der Wähler; sie sollen die politischen Botschaften und Pläne der Parteien verständlich erklären. Ganz unabhängig von der Qualität der Wahlwerbung ist die hier eingebundene Rede des MdB Karl-Heinz Stiegler in ihrer programmatischen Aussagekraft und Deutlichkeit jedoch weiter unübertroffen. Ein wahrer Meilenstein deutscher Politik und Vorbild für Generationen Politiker.

    Eigentlich sind Wahlwerbespots im Fernsehen aber ein Atavismus. Längst bestimmen die Wähler anhand von Umfragetools wie dem Wahl-O-Mat welche Partei den eigenen, vorgefertigten Meinungen am nächsten kommt. Was vordergründig für Wähler entweder eine nette Spielerei ist, oder nützliche Hilfe bei der Orientierung in der Parteienlandschaft bietet, liefert den Machern (für den Wahl-O-Mat ist die Bundeszentral für politische Bildung verantwortlich) interessante statistische Daten über die politischen Meinungen und Ansichten der Nutzer.
    Der Wahl-O-Mat ist das bekannteste Tool zum Abgleich der eigenen Einstellungen mit jener der Parteien. Es gibt jedoch auch Alternativen: Der Parteinavi der Uni Konstanz erlaubt eine differenziertere Meinungsäußerung, der Bundeswahlkompass, an dem die Uni Bamberg beteiligt ist, formuliert die Fragen besser. Bei mir kamen alle drei übrigens zu jeweils ähnlichen Wahlempfehlungen.

  • Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Google feiert die Geburtstage einflussreicher Persönlichkeiten und wichtige Jahrestage in dem sie ihr Logo thematisch anpassen. Ein sogenanntes Google-Doodle wurde vorgestern Rosalind Franklin zu teil. Wer war Rosalind Franklin?
    Sie war eine Strukturbiologin bevor der Begriff überhaupt erfunden war. Sie hat an der Entdeckung der Struktur der DNA entscheidend mitgearbeitet und ihr ist dennoch akademische Anerkennung, vergleichbar mit der von Francis Crick und James Watson, versagt geblieben.
    Rosalind Franklin. Quelle: Wikipedia
    Die Geschichte von Rosalind Franklin ist sehr gut recherchiert, von etlichen Briefen und Aufzeichnungen gestützt und daher recht einfach nachzuerzählen. Sie gibt einen ungewöhnlich detaillieren Einblick in den damaligen akademischen Alltag mit erfolgreichen Kooperationen und persönlichen Antipathien, genialen Momenten, Managementfehlern und der unautorisierten Nutzung der Daten Dritter.
    Ähnliches spielt sich auch heute noch in den Laboren ab, wenn auch die Entdeckungen oftmals weit weniger bahnbrechend sind als die Aufklärung der Struktur der DNA.
    Franklin begann 1951 am MRC in London als wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung Biophysik von John Randall zu arbeiten. Randall gab ihr ein Projekt zur Untersuchung von DNA durch Röntgenstrukturanalyse, einer Methode mit der sie Erfahrung hatte.
    Bislang hatte Maurice Wilkins und sein Doktorand Raymond Gosling an dem Projekt gearbeitet – mit erfolgsversprechenden, jedoch zu ungenauen Ergebnissen. Während Wikins im Urlaub war, wurde Franklin das Projekt (und die Aufsicht über den Doktoranden Gosling) komplett übertragen – allerdings ohne Wilkins rechtzeitig und adäquat davon zu unterrichten.
    Dieser klare Kommunikationsfehler von Randall war der Auslöser für Reibereien zwischen den Kollegen Wilkins und Franklin. Die Charaktere beider Forscher – Wilkins scheu und bedacht, Franklin ungeduldig und direkt – tat ihr übriges um das Verhältnis beider Forschern weiter zu belasten.
    Neben den technischen Aspekten der Röntgenstrukturanalyse, die Franklin ohne Zweifel beherrschte, war die größte Herausforderung die richtige Interpretation der Daten. Watson, Crick, sowie Linus Pauling vermuteten, dass DNA helikal vorlag, jedoch hatten deren Modelle Fehler, die erst durch die Arbeit von Franklin an DNA mit unterschiedlich starker Hydratation und durch ihre hervorragenden Beugungsaufnahmen der DNA erkannt werden konnten.
    Am 30. Januar 1953 reiste Watson ans MRC, um Wilkins eine Kooperation vorzuschlagen. Er wollte mit vereinten Kräften Linus Pauling bei der Lösung der Struktur der DNA zuvor zu kommen. Wilkins war nicht in seinem Büro und Watson traf auf Franklin, die ihm klar zu verstehen gab, dass sie alleine in der Lage sei, ihre Daten zu interpretieren und nicht auf die Kooperation angewiesen wäre.
    Beugungsaufnahme 51 (Quelle: Wikipedia)
    Der vor den Kopf gestoßene Watson traf sich am selben Tag dennoch mit Wilkins, der ihm im Rahmen der geplanten Kooperation eine Beugungsaufnahme Franklins zeigte – ohne deren Wissen oder Zustimmung.
    Diese Aufnahme 51 war der Schlüssel zum Verständnis der DNA Struktur. Es war keine einfache Helix, wie von Pauling postuliert, es waren keine drei umeinander geschlungene Fasern, wie Watson und Crick dachten, sondern zwei Stränge, die eine Doppelhelix bildeten.
    Fünf Wochen nach dem verhängnisvollen Meeting am MRC in London hatten Watson und Crick die DNA-Struktur gelöst. Sie publizierten ihr Doppelhelixmodell in Nature am 25. April 1953. Franklin war inzwischen ans Birbeck College in London gewechselt. Randall, ihr alter Chef, legte großen Wert darauf, dass ihre Daten zur DNA-Struktur am MRC verblieben.
    Obwohl die Daten von Franklin nach Aussagen von Francis Crick entscheidend für die Aufklärung der DNA Struktur waren, wurde ihr keine eigentliche Autorschaft auf dem Paper zu Teil. Sie wurde in einem Nebensatz gegen Ende des Briefs an Nature erwähnt:

    We have also been stimulated by a knowledge of the general nature of the unpublished experimental results and ideas of Dr. M. H. F. Wilkins and Dr. R. E. Franklin and their coworkers at Kings College, London.

    Wenn man den historischen Aufzeichnungen glauben kann, war Franklin auch nach der Publikation des Artikels von Watson und Crick nicht von der vorgeschlagenen Struktur überzeugt. Sie vermisste stichhaltige, experimentelle Daten, die das Modell stützten.
    Neun Jahre später war die Doppelhelixstruktur wissenschaftlich etabliert und Watson, Crick und Wilkins bekamen 1962 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Entdeckung der Struktur der DNA.
    Franklin freilich ging leer aus. Sie war bereits 1958 mit 37 Jahren an Krebs gestorben.

  • Deep Inside – 10000 Pornostars und ihre Karrieren

    Deep Inside – 10000 Pornostars und ihre Karrieren

    Jon Millwards Webseite ist gerade schwer zu erreichen. Kein Wunder. Er hat eine Infografik über Pornostars veröffentlicht. Millward hat aus einer Pornofilmdatenbank Informationen zu Zehntausend Darstellern und Darstellerinnen extrahiert, analysiert und graphisch aufbereitet. Wo kommen die Erotikdarsteller her? Wie alt und schwer sind sie? Wie sehen sie aus? Wie oft drehen sie? Und was zum Teufel machen sie in den Filmen?
    Das und mehr nutzlos-nützliches Wissen in der Infografik unten (Klick aufs Bild macht sie groß und lesbar, 3.1 MB). In diesem Sinne, schönes Wochenende!

  • Ist Schavan als Ministerin noch tragbar?

    Ist Schavan als Ministerin noch tragbar?

    Annette Schavan bekommt offiziell ihren Doktortitel aberkannt und Boris Becker spricht aus, was außerhalb des akademischen Betriebs viele denken: „Bin ich froh, dass ich keinen Doktortitel habe“. Diejenigen, die einen haben sind froh, nicht prominent zu sein, sonst ginge es Ihnen wohl auch bald an den Kragen. Gibt es überhaupt Doktorarbeiten (in den meisten Fällen die erste nach wissenschaftlichen Maßstäben angefertigte Arbeit) die keine Plagiate, Falschzitate, oder zumindest Paraphrasen enthält, die zu nahe am Original sind? Doktoranden in den Lebenswissenschaften, die ihre Dissertation auf Deutsch schreiben, haben es sogar noch ein bisschen einfacher. Die gesamte Primärliteratur ist in Englisch, und wer kann schon nachweisen, dass ein Teil der Einleitung nicht eine Übersetzung aus einem Review-Artikel ist?
    Groß wird das Gemetzel, wenn den Plagiatswächtern die Prominenten der ersten Reihe ausgehen, und sie sich in breiter Front beispielsweise den Doktorarbeiten von einfachen Universitätsprofessoren zuwenden. Wenn Angestellte des akademischen Betriebs während der Promotion plagiiert haben sollten, die gesamte akademische Kariere sozusagen auf einer frühen Unaufrichtigkeit aufbaut ist, scheinen berufliche Konsequenzen unausweichlich. Das hat auch sein Gutes, so kommen möglicherweise einige hochausgebildete Jungakademiker endlich an einen den eigenen Qualifikationen entsprechenden Job und müssen sich nicht weiter von befristetem Vertrag zu befristetem Vertrag hangeln. Vielleicht einfach mal die Doktorarbeit des der eigenen Karrierere im Weg stehenden Vorgesetzten bei vroniplag anmelden?
    Aber lassen wir das. Zu einer Frage habe ich jedoch noch keine eigene Antwort gefunden. Bei Professoren ist es ja einigermaßen einsehbar, dass die Doktorarbeit Einfluss auf die eigene Karriere haben soll, und auch Fehler früh in der akademischen Laufbahn späte Konsequenzen haben können. Warum jedoch die Politikerin Annette Schavan jetzt nicht mehr als Ministerin tragbar sein soll, das muss mir jemand noch mal erklären.