Reisebericht Teil 2: Die Röschenflechte ist ein unschöner Hautausschlag. Meine Urlaubsbegleitung leidet und die Ärzte sind machtlos. Genauso machtlos wie Betroffene seltener genetischer Krankheiten und Millionen Menschen in der dritten Welt, infiziert mit Tuberkulose, erkrankt an AIDS und Malaria. 85 % der Menschen weltweit haben keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten. Warum gibt es eigentlich keine Komission, die sich mit ethisch gebotener Forschungsförderung beschäftigt?

Ein weiteres medizinisches Highlight meiner Nordspanientour: Bei meiner Reisebegleitung ist die Haut explodiert. Ich war mit den Petermännchenstichen noch gut bedient, während er von einem Tag auf den Anderen aussah wie Kirschstreusel. Meeresfrüchteallergie? Syphilis im zweiten Stadium? Zurück in Barcelona lautete die fachärztliche Diagnose: Röschenflechte (Pityriasis rosea).
Die Röschenflechte ist eine nicht ansteckende Erkrankung, die in den meisten Fällen nach 6 bis 8 Wochen wieder abklingt. Es wird vermutet, dass das sehr weit verbreitete humane Herpesvirus 7 der Erreger sein könnte, und Stress (Urlaub mit mir) als Auslöser dient. Dieses Paper beleuchtet Ursachen, Diagnose und Behandlung, und diese aktuelle Studie belegt, dass die verbreitete Gabe von Erythromycin keinen Effekt auf den Verlauf der Krankheit hat.
Eine Therapie gibt es also nicht. Daher auch der Rat der Ärztin: Nicht schwitzen, nicht duschen, viel cremen. Und das im August in Barcelona. Die Vorstellung, mit roten Punkten übersät am Strand zu liegen und von den Damen in Bikinis missachtet zu werden, war für meine Reisebegleitung noch schwerer zu verkraften, als diese Ratschläge.
Der Krankheitsverlauf sah folgendermaßen aus: Um einen unscheinbaren 10-cent-Stück großen roten Fleck auf der Brust (Primärmedallion) entwickelten sich innerhalb von drei Tagen dutzende Pusteln am Oberkörper in Mückenstichgröße (siehe erstes Foto). Binnen einer weiteren Woche war der ganze Körper mit hunderten herpesartigen Bläschen übersät, die stark zu jucken anfingen. Nach einer weiteren Woche wurde die Haut über den Pusteln trotz intensivem cremens schuppig und fing an, sich zu schälen (siehe zweites Foto). Von unerschütterlichem Optimismus geprägt nimmt mein betroffener Freund an, es muss sich hierbei schon um Zeichen des Abheilens handeln.

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Während also mein verunstalteter Kumpane anstatt am Strand zu liegen zu Hause sitzt, im Internet surft und sich über die Röschenflechte informiert fällt ihm auf: Er ist nicht alleine – Bei 0.5 % aller Menschen bricht die Krankheit irgendwann aus. Er ist nicht der einzige mit Panik – eine anonyme Benutzerin hat unter dem Titel “Hilfe, Röschenflechte!!!!Dreh durch….” einen Forumseintrag des blanken Entsetzens gepostet: “…ich kann mich nichtmal mehr eincremen, so ekel ich mich vor mir selbst”.
Und: er ist empört, dass es kein wirksames Medikament gegen die Röschenflechte gibt. “Eine Krankheit, die mit Syphilis verwechselt werden kann, und offensichtlich den Betroffenen zu schaffen macht, wird weder von den Ärzten, noch von der pharmazeutischen Industrie ernst genommen – und die Ärztin begründet ihre Hilflosigkeit mit der kaum vorhandenen Forschung zu der medizinisch gesehen “harmlosen” Krankheit”.

So sehr ich meinem Besuch noch ein paar entspannte Tage mit reiner Haut am Strand gönne: Pityriasis rosea ist eben weder ansteckend noch gefährlich, und wird wohl daher von der Wissenschaft und der pharmazeutischen Industrie stiefmütterlich behandelt – und befindet sich damit in prominenter Gesellschaft anderer vernachlässigter Krankheiten. Alle aufzuzählen sprengt den Rahmen des Blogeintrags. Man kann sie aber vielleicht in drei Klassen kategorisieren:

1. Ungefährliche Krankheiten
2. Sehr seltene Krankheiten
3. Krankheiten der dritten Welt

Alle drei Klassen haben eines gemeinsam: Dem Leid der Betroffenen wird nicht adequat von medizinischer und pharmazeutischer Seite begegnet. Bei Krankheiten der Klasse eins (in die auch die Röschenflächte fällt) ist es das tatsächlich empfundene Leid der Patienten, das im Gegensatz zu einer nicht gegebenen medizinischen Indikation steht. Weitere Beispiele wären: Schwer diagnostizierbare Chronische Müdigkeit und möglicherweise einige psychosomatische Leiden.
Krankheiten der Klasse zwei sind häufig genetischen Ursprungs, und per Definition treten sie nicht häufiger als in 1:2000 Fällen auf. Darunter fallen Leiden wie Epidermolysis bullosa (Hautkrankheit), verschiedene Muskeldystrophien und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS, neurodegenerative Krankheit mit Stephen Hawking als prominentem Betroffenen).
Die Diskrepanz bei Krankheiten der Klasse zwei liegt zwischen den sehr hohen Forschungskosten und der äußerst geringen Patientenzahl (was auch medizinische Studien fast unmöglich macht). Die Forschung an einigen dieser seltenen Krankheiten werden vom BMBF mittlerweile aktiv gefördert.
Bei Krankheiten der Klasse drei liegt die Diskrepanz zwischen den ökonomischen Interessen der pharmazeutischen Industrie und der Armut der Patienten. Ob Malaria, HIV, Tuberkulose oder Cholera, betroffen sind meistens Menschen in armen Ländern. Und dann Hunderttausende bis Millionen. Es sind verschiedene Faktoren, die eine effektive Bekämpfung der Krankheiten in Ländern der dritten Welt unmöglich machen:
1. Forschung und Entwicklung der benötigten Medikamente
2. Aufklärung der Menschen über Ansteckungsgefahr und Übertragungswege
3. Unverhältnismäßige Preispolitik der Pharmaunternehmen
4. Patentrechtliche Hürden
Die vier Punkte werden im hier verlinkten Briefing Paper 109 von Oxfam genauer ausgeführt. Oxfam ist eine bekannte internationale NGO, das Paper vom November 2007 mit dem Titel “Investing for life. Meeting poor people’s needs for access to medicines through responsible business practices” umfasst 56 Seiten und ist als .pdf frei erhältlich.
Im Forum Gesundheitspolitik wird die Oxfam Veröffentlichung ebenfalls aufgegriffen. Dort wird die deutsche Koordinatorin des Medikamenten-Schwerpunkts von Oxfam, Corinna Heineke, zitiert: “Mehr als 85 % der Menschen weltweit haben keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten. Noch immer konsumieren heute die reichsten 15 Prozent der Welt über 90 Prozent aller Medikamente, während in Armut lebende Menschen in Entwicklungsländern keinen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten haben”.
Weiter informiert die BUKO Pharmakampagne in regelmäßigen Briefen über die Aktivitäten der deutschen Pharmaindustrie in der dritten Welt.

Einige vermieste Strandtage durch eine Haut übersäht mit roten Pusteln, eine höchst seltene Muskeldystrophie oder zwei Millionen Tuberkulosetote jedes Jahr; die Betroffenen leiden immer und die Antworten der Pharmaindustrie sind auf die genannten Krankheiten höchst unzufriedenstellend.
Warum gibt es eigentlich einen Ethikrat, der sich mit dem Verbot ganzer Forschungsrichtungen befasst, und keine Komissionen, die sich mit ethisch gebotener Forschungsförderung beschäftigt?

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15 Kommentare

  1. Nur so zur Ergänzung: die Röschen haben inzwischen ausgeflochten – deutlich schneller als die im Allgemeinen angesetzten sechs bis acht Wochen. In Deutschland zurückgekehrt, behandelte mich mein Hausarzt mit einer Mischung aus homöopatischen Mittelchen (Urtica und Atropa Belladonna) sowie Antihistaminika (Desloratadin). Binnen dreier Tage ging die Reizung der Röschen stark zurück, so daß ein normales Schlafverhalten wieder möglich war. Eine Flasche Bepanthenol Lotion verhalf der geschundenen Haut wieder zu alter Geschmeidigkeit.
    Ein unbeschreibliches Gefühl der Erleichterung war die Folge.

  2. Du hast homöopatisch geschrieben.
    Zum Glück sind hier alle gerade mit dem Weltuntergang durch den Large Hedron Colider und mit Ayurveda beschäftigt, sonst wärst du hier schon auseinander genommen worden!
    Freut mich, dass es dir besser geht.

  3. @ Tobias,
    bist Du auch ein Wissenschaftler, der an das nicht glaubt, was nicht sein darf? Ich jedenfalls freue mich über das, was mir hilft – egal ob Placebo, Schamanismus oder Tango. Und denke trotzdem, dass die Wissenschaft letzlich immer Recht hat. Sie weiß es bloss manchmal noch nicht.

  4. “Der Ethikrat sollte in Moralrat umbenannt werden.
    Hm. Moral bezeichnet das, was als richtiges Handeln angesehen wird. (wikipedia). Die Frage bleibt, wer bestimmt was richtiges Handeln ist. Im Ethikrat sinds die Kirchen.

  5. Hallo Tine,
    ich glaube bei meiner Reisebegleitung hats auch erst nach einer Woche angefangen zu jucken. Ich hoffe, es bleibt dir erspart. Hat dir der Hautarzt denn irgendwas verschrieben?

  6. Hallo,
    bei mir wurde heute auch die Röschenflechte diagnostiziert. Allerdings hatte ich den Primärherd schon seit ca. 3 Wochen. Seit gestern habe ich den Ausschlag am Bauch und Brust, der aber nicht juckt. M.E. muß Juckreiz auch kein Symptom sein, so hat es jedenfalls der Hautarzt gesagt.
    Bettina

  7. Ich habe die Flechte seit 3 Wochen, derzeit verheilt sie, seit heute weiß ich wie sie heißt und dass sie harmlos ist. Eine Eigenblutspritze vor einer Woche, Urineinreibung und vor allem Gelassenheit haben mich diese Rötungen gut ertragen lassen. Ich denke man sollte wegen derlei Hautirritationen nicht sofort Cortison oder ähnliche uns mit erheblichen Nachwirkungsrisiken konfrontierende Medizin anwenden. Wir neigen heutezutage dazu, überspannt auf jegliche Krankheiten zu reagieren. Das geht mir ganz genauso. Letztlich erweist sich das aber meist als Fehler und die einzigen, die mächtig viel an unserer Angst oder Ungeduld verdienen sind Ärzte und Pharmakonzerne. Da ist es gut, wenn man einen Arzt oder Heiler gefunden hat, der uns auf unsere Ängste aufmerksam macht und uns nur dann mit Medizin quält, wenn es wirklich nötig ist, ja vor allem wenn die Ursachen eindeutig festgestellt werden können. Wie oft habe ich schon erlebt, dass Äzte Medizin verschreiben ohne die Ursachen der Krankheiten benennen zu können. Was ich angesichts der häufigen Erkrankung an der Röschenflechte in diesem September noch zu bemerken hätte: Ein guter Zeitpunkt für die Forschung mal wieder an den Ursachen herumzudoktern.

  8. Hallo,
    das ist jetzt vielleicht ein bißchen Off-Topic, aber mal was zur “Homöopathie”: Ich bin da nicht so bewandert, aber ich verwende manchmal für mich oder meine Hunde Substanzen, die offiziell homöopathische oder anthroposophische Mittelchen, aber grundsätzlich erstmal Phytopharmaka sind. Atropa Belladona ist nämlich in der geeigneten Konzentration tödlich, hat also dann nix mehr mit Homöopathie zu tun. Viele Ärzte/Tierärzte verschreiben bzw. empfehlen solche Mittel, die offiziell vielleicht homöopathisch, aber relativ hoch konzentriert sind, dass da auch wirklich was drin ist, was wirken kann. Das ist dann quasi umgekehrt zur richtigen Homöopathie, die meint, je weniger drin ist, desto stärker wirkt es. Oder wenn`s geschüttelt und gerührt wird… . Ich glaube, der Titel “homöopathisches Mittel” auf der Packung hat den Vorteil, dass es nicht verschreibungspflichtig ist.
    Ciao

  9. Hallo,
    ich wollte an dieser Stelle für alle Betroffenen Folgendes ergänzen:
    100 Punkte für die oben erwähnte Urtica, jedoch keineswegs nur homöopathisch angewendet:

    Ich hatte die Röschenflechte vor 2 Jahren intensiv und sie ist (leider) gerade wieder aufgeflammt, was aber gar nicht sooo tragisch ist, da ich einen ECHTEN Geheimtipp hierfür gefunden habe, …
    … nämlich die gute alte Brennessel…. Kurz dazu der Hintergrund:
    Ich war damals verzeifelt, weil ich immensen Juckreiz hatte, am Primärmedaillon und dem darauffolgenden ca. 8-10 Wochen anhaltenden Ausschlag, also echt eher übel, wobei ich sonst nicht sehr schmerzempfindlich bin. Habe auch schon 2 Gürtelrosen hinter mir, und ich fand die RF mindestens genauso unangenehm.

    Den gut gemeinten Tipp meiner Mutter, es doch mit Brennesseltee zu versuchen „schlug ich zunächst in den Wind“, da ich Einiges probiert hatte (auch Kortisonsalbe, die zwar etwas half aber keineswegs zufriedenstellend …). Ich wagte daraufhin aber doch einen Versuch, da sich in meinem Garten stets auch ordentliche Pflanzen der Gattung rtica/Urticaceae finden. Und es war unglaublich… schon die erst Tasse Tee milderte den Juckreiz deutlich und signifikant besser als alles Andere, was ich in den 2-3 Wochen davor probiert hatte (und in der leider sehr spärlichen Literatur dazu so empfohlen wird …).
    Ich trank daraufhin über den Tag regelmäßig verteilt ein paar Tassen Brennesseltee, womit die Krankheit (für mich zumindest) Ihren Schrecken verloren hatte… Es war damit wirklich erträglich, bis auf die optischen Einschränkungen :).

    Nun habe ich, 2 Jahre später, erneut (sogar) 2 Primärmediallons bekommen, bisher jedoch ohne Ausschlag. Ich verwende erneut die Brennessel (als Tee) und diesmal auch zerkleinerte frische Blätter als Auflage (in normalen Pflastern eingelegt) und kann erneut die klare Linderung aber auch Besserung der Medaillons beobachten.

    Wollte das dem Thema nur ergänzen und hoffe, nein glaube sogar fest daran, dass es vielen Betroffenen Linderung bescheren wird :). Und wenn es Euch hilft, dankt nicht mir, dankt der Natur 🙂

    Dann wünsch ich noch eine gute Zeit,
    Markus

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