Massenspektrometrie wird zur Analyse von Proteinen verwendet. Es ist eine der Schlüsseltechnologien moderner molekularbiologischer Forschung. Während die Massenspektrometer immer genauer, schneller und sensitiver werden, hat sich in den letzten 10 Jahren das Feld der quantitativen Proteomics entwickelt. Zum ersten Mal können im großen Stil Proteinmengen in biologischen Proben miteinander verglichen werden.
Nachdem ich vorgestern kurz vorgestellt habe, für was Massenspektrometrie in der Biologie benutzt wird (für die Analyse von Proteinen), gehe ich hier auf eine spezielle und äußerst aussagekräftige Anwendung ein. Es geht um quantitative Proteomics.
Die Daten, die von einem Massenspektrometer geliefert werden, sind in erster Linie qualitativ. Also: Was ist drin. Jedes Jahr gibts Fortschritte bei Sensitivität, Massengenauigkeit und Auflösung der Geräte, so dass aus komplexen Proben (Blutserum oder ganze Zelllysate, zum Beispiel) immer mehr Proteine identifiziert werden. Das ist natürlich schön, eine neue Qualität der Daten wurde aber durch die Einführung von quantitativen Methoden in der Massenspektrometrie erreicht. Also: Wie viel ist von dem einen Protein da, verglichen mit einer Kontrollprobe?
Quantitative Proteomics ist ein recht neues Forschungsfeld. Ich habe hier in der Abbildung die Anzahl der Publikationen pro Jahr (bis 2007) aufgetragen, die im Volltext “quantitative proteomics” erwähnen. Vor zehn Jahren gabs die erste Veröffentlichung zum Thema, und seither ist die Zahl rasant angestiegen. Zwei Schlüsselmethoden der quantitativen Proteomics will ich hier vorstellen, vor allem zur ersten gibts hier auf der Tagung “From Functional Proteomics to Systems Biology” einige Vorträge und Poster.
Anzahl der Veröffentlichungen die “quantitative proteomics” erwähnen. 1998 wurde der Begriff zum ersten Mal benutzt, 2007 wurden über 400 Paper publiziert mit “quantitative proteomics” im Volltext.
Quantitative Methoden: SILAC und iTRAQ
Es geht um SILAC und iTRAQ. Beides sind Akronyme, die ausgeschriebenen Varianten sollten also selbsterklärend sein: SILAC heißt: Stable Isotope Labeling of Amino acids in Cell cultre; und iTRAQ: isobaric Tags for Relative and Absolute Quantitation. Alles klar? Ohne jetzt hier auf Details der Methoden eingehen zu wollen, hier sind die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Bei beiden Methoden ergeben sich letztendlich markierte Peptide, die sich im Massenspektrometer von unmarkierten Peptiden unterscheiden. Anhand des Vergleichs der Signalstärken von markiertem und unmarkiertem Peptid, können relative Abundanzen abgeleitet werden.
Die Unterschiede sind klein, aber durchaus relevant bei der Auswahl der jeweiligen Methode zur Quantifizierung von Proteinproben: Bei SILAC werden die Proben schon in vivo markiert. Der Verlust oder Fehler bei der Präparation der Proben wird dadurch minimiert. iTRAQ hat einen zusätzlichen Markierungsschritt bei der Vorbereitung der Proben für die Massenspektrometrie, der Quelle für mögliche Fehler in den dann gemessenen Quantitäten sein kann. Bei SILAC können standardmäßig nur zwei Proben miteinander verglichen werden, während mit iTRAQ vier, und seit kurzem bis zu acht unterschiedliche Proben gleichzeitig analysiert und quantifiziert werden können.
Anwendungen für quantitative Proteomics
Die technischen Details dürften möglicherweise nur die wenigsten interessieren, und wer bis hier gelesen hat, bekommt jetzt noch ein paar Anwendungen vorgestellt: Beide Quantifizierungsmethoden werden zum Beispiel in der Krebsforschung verwendet. Gesunde Zellen werden dabei mit Krebszellen verglichen, und so auf die Ursachen der unkontrollierten Zellzeilung rück geschlossen. Weiter werden mit Hilfe quantitativer Proteomicsmethoden Biomarker für Krankheiten versucht zu identifizieren. Die Methoden werden natürlich ständig weiter entwickelt und ein großes Feld für Anwendungen ist natürlich die Grundlagenforschung. Es ist sehr spannend zu sehen hier auf der Tagung, welche Methoden sich für welche Anwendungen etablieren.
Ein Umstand sollte nicht unerwähnt bleiben. Zwei der weltweit führenden Labore für quantitative Proteomics stehen im deutschsprachigen Raum. Zum einen ist es die Gruppe um Matthias Mann am MPI für Biochemie in Martinsried, und zum anderen die Gruppe um Ruedi Aebersold an der ETH in Zürich.
Verwandter Eintrag im Blog:
Merci für den interessanten Post!
Jetzt bin ich noch mehr als vorher im Zweifel, ob ich im Frühling den Kurs über Anwendung von NMR in der Biologie mit Kurt Wüthrich oder den gleichzeitig stattfindenden Proteomics-Kurs von besagtem Ruedi Aebersold belegen soll…
Wieder in Schottland von der Summer School angekommen, habe ich mich ausgeschlafen durch meine Post gewühlt und war soeben neugierig auf Deinen Blog. Große Bewunderung meinerseits, dass Du es trotz der Tagung geschafft hast diese Blogeintraege zu schreiben. Ich habe noch einen kleinen Zusatz für alle die an quantitativer Massenspektroskopie interesiert sind. SILAC bietet mittlerweile die Möglichkeit auch 3 Proben in vivo zu vergleichen. Dazu werden die Proben in Medium mit light, heavy oder superheavy Isotopen von Arginine und Lysine herangezogen.