Schlagwort: Krebs

  • Lars Vogt ist tot

    Lars Vogt ist tot

    Am 29. Mai 2022 fand im Konzerthaus hier in Karlsruhe ein Konzert statt. Brahms 2. Klavierkonzert Op. 83 und Schumann 2. Symphonie Op. 61. Der Solist war Lars Vogt.

    Kurz bevor das Konzert anfing, ich saß schon auf meinem Sitzplatz, wurde die Bühne umgebaut. Der Flügel wurde in der Mitte der Bühne geschoben, und so gedreht, dass Lars Vogt mit dem Rücken zum Publikum sitzen würde. Dann wurde der Deckel des Flügels entfernt, so dass Vogt freien Blick auf das Orchester hatte.

    Der Grund wurde uns vom Veranstalter direkt vor Beginn des Konzertes mitgeteilt: Mario Venzago, der designierte Dirigent, sei unpässlich. Stattdessen würde Lars Vogt nicht nur Solist beim Brahms Klavierkonzert sein, sondern auch dirigieren.

    Die Schumann Symphonie würde er dann auch übernehmen, sollte Venzago sich weiter nicht gut fühlen. So kam es dann auch, und es war keinesfalls beunruhigend, denn Vogt war sozusagen im Zweitberuf Dirigent.

    Das Konzert in Karlsruhe war wunderbar. Bei mir und bestimmt auch bei anderen eingeweihten Zuhörern schwang aber Wehmut mit an dem Abend.

    Vogt wurde Anfang 2021 mit Speiseröhrenkrebs diagnostiziert. Mit Lebermetastasen. Bereits im Spätstadium. Er hatte seine Krebserkrankung öffentlich gemacht, hier ein ergreifendes, ehrliches, reflektiertes Interview mit ihm.

    Lars Vogt ist heute, am 5. September 2022, gestorben.

  • Wie DIPG unsere Kommunikation erodiert

    Wie DIPG unsere Kommunikation erodiert

    Hier zu Hause ist es sehr viel ruhiger geworden, seit Titien nicht mehr richtig sprechen kann. Es war natürlich sie, die in unserer Beziehung die Kommunikation initiiert und am Laufen gehalten hat. Mir fehlt das.

    In den letzten Monaten wurde ihre Stimme immer nasaler, was sie störte. Aber sie war noch gut zu verstehen. In den letzten Wochen wurde aus sprechen ein Nuscheln und ich musste immer häufiger nachfragen, was sie denn gerade gesagt hatte. Das war frustrierend und führte dazu, dass sie immer weniger sprach.

    Ihre Aussprache lies weiter nach, auch ihre Handschrift war nicht mehr zu entziffern, so dass wir dazu übergingen, mit dem Handy zu kommunizieren. Sie schrieb und ich antwortete ihr verbal.

    Dann fiel ihr das Tippen immer schwerer und sie hatte Mühe, ihr Telefon zu halten. Inzwischen konnte ich auch wiederholt gesprochene, einzelne Worte nicht verstehen.

    Wir entwickelten eine Fragetechnik: Willst du etwas trinken? Etwas essen? Was mit Medikamenten? Soll ich deine Position ändern? Dann kommen Folgefragen: Wasser oder Saft oder Tee? Kopf oder Arme oder Beine anders?

    Vor ein paar Tagen konnte sie noch mit Lauten die Ja oder Nein ähnelten antworten. Jetzt sind die Finger ihrer rechten Hand und die Augenlider die einzigen Körperteile, die sie noch aktiv bewegen kann.

    Ein Finger oder einmal blinzeln heißt Ja. Zwei Finger oder zweimal blinzeln heißt Nein. Ein, zwei, oder drei Finger entsprechen Optionen, die ich ihr aufzähle.

    Wenn sie mir etwas sagen will, das nicht ins Raster aus trinken, essen, Medikamente und Liegeposition passt, dann fange ich mit dem ABC an und sie tippt mit einem Finger auf meine Hand, wenn wir beim richtigen Buchstaben sind.

    abcde ich spüre ihr Tippen
    Wieder zurück: B C, sie tippt. Erster Buchstabe C
    abcdefghijk ich spüre ihr Tippen
    Wieder zurück:F G H, sie tippt. Zweiter Buchstabe H
    Am Schluss steht da CHECK FACEBOOK auf meinem Block und ich weiß, dass ich ihr die Kommentare zu ihrem letzten Facebook-Eintrag vorlesen soll, den sie schon vor drei Wochen vorgeschrieben hatte, als sie noch das Handy bedienen konnte, und den ich gestern in ihrem Namen publiziert habe.

    Gestern Abend wollte sie mir noch was sagen:
    abcdefghi
    abcdefghijklmnopqrstuvw
    abcdefghi
    abcdefghijkl
    abcdefghijkl
    abcd
    abcdefghi
    abcde
    abcdefghijklmn
    abcde
    abcdefghijklmnopqrstuvwx
    abcdefghijklmnopqrst
    abcdefghijklmnopqrstuvw
    abcde
    abcde
    abcdefghijk

  • Alternativmedizin tötet Krebspatienten

    Alternativmedizin tötet Krebspatienten

    Als Angehöriger einer Krebspatientin ist eines unvermeidbar: Einem werden von vielen Seiten oft gut gemeinte „alternative“ Therapiemöglichkeiten vorgeschlagen.

    Kurkuma, Canabisöl, Hemohim, Reservatrol, Methadon, intra-arterielle Chemotherpaie, Bruno Gröning und so weiter. Da ist viel hanebüchenes Zeug dabei, man glaubt es erst, wenn man es selbst hört und liest.

    Die gut gemeinten Ratschläge lassen sich in drei Katergorien einordnen. Da sind erstens die Diät-Tips, zweitens die medikamentösen Alternativtherapien und drittens die – nennen wir sie mal – „spirituellen“ Vorschläge zur Heilung.

    Vielleicht schreibe ich zu einigen der vorgeschlagenen Alternativen irgendwann noch mal mehr. Ich antworte jedenfalls auf die Vorschläge die uns erreichen damit, dass wir uns entschieden haben, den Weg zu gehen, der erwiesernmaßen lebensverlängernd wirkt: Den der Medizin.

    Es ist gar nicht so leicht zu beantworten, um wie viel Jahre die Medizin eigentlich das Leben Krebskranker verlängert. Zum einen müssen unterschiedliche Krebsarten unterschieden werden, zum andern spielen neben dem medizinischen Fortschritt noch Faktoren wie eine bessere Krebsvorsorge und Früherkennung eine Rolle.

    Was man jedoch sicher sagen kann ist: Alternativemedizin tötet. Auch zusätzlich zur konventionellen Krebstherapie, also der ganzen oder teilweisen operativen Entfernung vom Tumoren, der Strahlentherapie und der Chemotherapie, wirkt Alternativmedizin nicht. Wer mehr Beispiele braucht sei an das Blog Science Based Medicine verwiesen.

    Hier habe ich nur eine Abbildung aus einem Paper vom Januar 2018 eingebunden. Die Abbildung zeigt den Anteil der überlebenden Krebspatienten und Patientinnen über einen Zeitraum von 7 Jahren nach ihrer Diagnose. Die Patienten hatten die häufigsten Krebsarten, also Lungenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs.

    Die gestrichelte Linie zeigt die Patienten, die sich auf konventionelle Therapiemethoden verlassen haben. Die durchgezogene Linie zeigt Patienten, die sich statt der konventionellen Therapie auf alternativmedizinische Methoden verlasen habe.

    Nach sechs Jahren war die Hälfte der Alternativmedizinpatienten tot. Drei Viertel der Patienten mit konventioneller Therapie war noch am Leben.

    Wahrscheinlich renne ich mit diesem Artikel bei den meisten meiner Leserinnen und Leser offene Türen ein. Ich finde einen anderen Aspekt der „alternativen“ Therapien diskussionswürdig:

    Mir fällt es als promoviertem Molekularbiologen und Proteinbiochemiker relativ einfach, den uns vorgeschlagenen alternativen Therapien argumentativ zu begegnen. Ich habe das Gefühl, ich erspare Titien dadurch seit der Diagnose und während ihrer Therapie eine Menge Unsicherheit und Zweifel.

    Wie geht es wohl Patienten, die nicht in der Lage sind, medizinische gesichertes Wissen von alternativem Humbug zu unterscheiden? Die nicht wissen, ob sie ihrer Onkologin oder dem Freundeskreis oder der Webseite, die sie selbst auf Facebook „recherchiert“ haben trauen können?

    Sich bei der Wahl der Therapie sicher zu fühlen trägt auch zur Lebensqualität Krebskranker bei.

  • Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Wenn bildgebende Verfahren darauf hindeuten, dass da was wächst, was nicht hingehört, will nicht zuletzt die Patientin oder der Patient wissen, was da eigentlich los ist. Man sticht da also mit einer hohlen Nadel rein und entnimmt ein paar Proben.

    Was bei verdacht auf Leberkrebs zum Beispiel noch relativ grobmotorisch und ambulant geschieht, verlangt bei Gehirntumoren mehr Geschick und Planung. Basierend auf CT und MRT Aufnahmen, wird der bestmögliche Weg zur Raumforderung geplant. Wichtiger als durchstochene Nervenzellen sind Blutgefäße, die möglichst umfahren werden wollen mit der Biopsienadel.

    Die Pons im Stammhirn ist eine delikate Region. Dort sitzen auf engstem Raum die Nervenzentren verantwortlich für den Schlaf-Wach-Rhythmus, für Atmung, Schlucken, Gleichgewicht, Augenbewegungen und für Gesichtsausdrücke.

    Eine Biopsie in der Pons erfolgt entweder von vorne oben (transfrontal) oder von hinten durchs Kleinhirn (transcerebellar). Dazu wird die Biopsienadel an ein fest mit dem Kopf verschraubtes Gerüst montiert. Eine Neurochirurgin oder ein Neurochirurg führt die sogenannte stereotaktische Biopsie entweder direkt oder ferngesteuert vor dem Bildschirm durch, die Patientin ist unter Vollnarkose.

    Insgesamt hat diese Methode eine erstaunlich hohe Erfolgsrate. In 96% der Fälle kann Material für die mikroskopische, histologische und molekulare Charakterisierung entnommen werden. In 6,7% der Fälle kommt es bei der Biopsie zu Komplikationen.

    Titien war eine von den 6,7%.

  • Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Acht Geschworene in einem Gericht entscheiden nicht, ob ein Pestizid krebserregend ist. Die Gefährlichkeit wird basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen von Genehmigungsbehärden eingestuft. 
    Wenn also nun ein kalifornisches Geschworenengericht einem schwer krebsranken Gärtner und Hausmeister Entschädigungszahlungen in Höhe 289 Millionen US-Dollar zuspricht, dann zeigt das vor allem, dass die Geschworenen viel Mitgefühl mit dem Kläger haben.
    Es zeigt auch, dass die Geschworenen nicht in der Lage waren, die wissenschaftliche Faktenlage richtig einzuschätzen. Die ist nämlich eindeutig: Glyphosat verursacht kein Krebs.
    Wie ein Blick in die Kommentarspalten zu Artikeln zeigt, die diese Tatsache ohne zu relativieren berichten, sind die acht Geschworenen des Gerichts in Kalifornien nicht die einzigen, die Probleme damit haben, wissenschaftliche Daten richtig einzuordnen und im Zweifelsfall ihre gefühlte Wahrheit zu überdenken. 
    Wäre das nicht schön, wenn es weniger wissenschaftlichen Analphabetismus gäbe, und Fakten und Daten, Meinungen und Entscheidungen beeinflussen und bestimmen würden? 
    Wir sind weit davon entfernt. Obwohl Bayer bereits Einspruch gegen das Urteil eingelegt hat, ist die Bayer-Aktie nach bekannt werden des Urteil um gut 10% eingebrochen. Bayer ist seit der Übernahme von Monsanto dieses Jahr der Besitzer des Unternehmens, das verklagt wurde.

    Bayer verliert acht Milliarden Euro an Wert

    Der Kursverlust von 10% bedeutet konkret, dass der Bayer-Konzern in Folge des 253 Millionen Euro Urteils mit dem Schlusskurs gestern gut acht Milliarden Euro an Wert verloren hat.
    Der Markt rechnet also damit, dass dies nicht die einzige Verurteilung von Monsanto zu Glyphosat uns Krebs bleibt, sondern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Milliarden Euro entweder an Kläger gezahlt werden müssen oder es zu einer außergerichtlichen Einigung in Folge einer Sammelklage kommen wird, um die Kläger zu entschädigen und Bayer zukünftige Rechtssicherheit in der Causa Glyphosat zu bieten.
    Acht Milliarden Euro wären deutlich mehr Entschädigungszahlungen, als zum Beispiel Merck für den Skandal um ihr Schmerzmittel Vioxx zahlen musste (4,9 Milliarden USD), oder Bayer für ihr 2001 vom Markt genommenen Cholesterinsenker Lipobay (4,2 Milliarden USD).
    Der Unterschied ist: Sowohl Lipobay als auch Vioxx verursachen schwere Nebenwirkungen und es kam im Zusammenhang mit deren Einnahme zu Todesfällen. Die Zahlungen an die Kläger sind also gegründet und gehen mit einem zumindest impliziten Schuldeingeständnis einher. 
    Soll sich Bayer im Falle Glyphosat für etwas schuldig bekennen, ohne dass es dafür hinreichende Indizien geschweige denn Beweise gäbe? Würde eine außergerichtliche Einigung im Fall Glyphosat mit potentiell tausenden Klägern nicht automatisch als Schuldeingeständnis gewertet werden?

    Hinweis: Der Artikel dient der Information und ist keine Anlageberatung. Erklärung zu Interessenkonflikten: Ich besitze zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels keine Wertpapiere der Bayer AG. Ich plane auch nicht in den 72 Stunden nach Veröffentlichung des Artikels Wertpapiere der Bayer AG zu kaufen. 
  • Hilft die E-Zigarette beim Aufhören mit dem Rauchen?

    Hilft die E-Zigarette beim Aufhören mit dem Rauchen?

    Kaum ein Raucher, der restlos glücklich mit seiner Sucht ist, wird freiwillig auf die E-Zigarette umsteigen. Wer umsteigt, das sind die Gesundheitsbewussten, die mit dem schlechten Gewissen, diejenigen, die aufhören wollen.
    Die E-Zigarette wird auch so vermarktet: Zwei Drittel der in einer Studie untersuchten Marketing Claims von Anbietern der elektrischen Zigarette nehmen direkt auf den Ausstieg aus dem Tabakkonsum Bezug.
    Wie sieht es aber mit der Evidenz aus? Hilft die E-Zigarette um mit dem Rauchen aufzuhören? Dadurch, dass die elektrische Variante der Zigarette eine relativ neue Erfindung ist, gibt es nicht besonders viele Studien zum Thema. Diejenigen, die ich mir angeschaut habe, zeigen keinen klaren Nutzen des Tabakersatzprodukts beim Abgewöhnen der Sucht.
    Eine klinische Studie mit 657 aussteigewilligen Teilnehmern aus Australien hat untersucht, ob die E-Zigarette beim Aufhören besser hilft als Nikotinpflaster oder der kalte Entzug in Form von Placebo-E-Zigaretten.
    Die Teilnehmer der Studie wurden drei Monate mit den Zigarettenersatzpräparaten versorgt, und sechs Monate nach Studienstart wurde der Erfolg beim Aufhören ausgewertet. 7,3% der Teilnehmer, die auf E-Zigaretten umgestiegen waren, hatten auch sechs Monate nach Studienstart den tabakhaltigen Zigaretten entsagt. 5,8% der Teilnehmer, die Nikotinpflaster benutzten und 4.1% der Teilnehmer, die nikotinfreie Placebo-E-Zigaretten bekamen, waren ebenfalls zigarettenfrei nach den sechs Monaten Beobachtungszeitraum. Ein klarer Nutzen sieht anders aus.
    Eine aktuell publizierte Populationsstudie fand zwar, dass signifikant mehr Frauen, junge Erwachsene und Menschen mit wenig Bildung sich auf die E-Zigaretten einlassen; in der Studie war jedoch der Anteil derjenigen, die nach einem Jahr aufgehört hatten in der Gruppe jener, die E-Zigaretten rauchten sogar niedriger als in der Zigaretten rauchenden Kontrollgruppe.
    Die Autoren schreiben, mit Einschränkung der statistischen Aussagekraft ihrer Daten, dass es verboten werden sollte, E-Zigaretten in der Werbung als Mittel zum Aufhören anzupreisen, so lange die Evidenz hierfür fehle. Eine Stellungnahme des Deutschen Krebsforschungszentrums dkfz zur E-Zigarette kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen: „Die Evidenz reicht bislang nicht aus, um qualifizierte Aussagen zur Wirksamkeit der E-Zigarette als Hilfsmittel zum Rauchstopp zu treffen.
    Zur Frage, ob ehemalige Raucher mit den weniger direkt gesundheitsschädlichen E-Zigaretten wieder anfangen, also auf die alte Sucht im neuen Gewand hereinfallen, habe ich leider keine Daten gefunden. Eine Annekdote aus den Kommentaren zum Artikel gestern beschreibt, wie die E-Zigarette von einem ehemaligen Raucher zur Kontrolle von Hunger und Gewicht eingesetzt wird.
    Vielleicht besinnen sich ja die Hersteller der E-Zigarette und bewerben ihre Produkte in Zukunft als Diätmittel.

  • Die E-Zigarette kann Millionen Menschenleben retten. Wozu dann regulieren?

    Die E-Zigarette kann Millionen Menschenleben retten. Wozu dann regulieren?

    Tabak hat im zwanzigsten Jahrhundert 100 Millionen Menschenleben gefordert. Die WHO prognostiziert 1 Milliarde Tabaktote weltweit für dieses Jahrhundert – wenn der bisherige Trend anhält.
    Seit 2007 wird ein Mittel gegen den Tabaktod angeboten. Die E-Zigarette raucht nicht, sie produziert Dampf. Die E-Zigarette stinkt nicht, weil nichts verbrannt wird. Die E-Zigarette ist weniger gesundheitsschädlich, denn es entsteht kein Kohlenmonoxid, keine Blausäure, kein Arsen, keine Nitrosamine und keine polyzyklischen Kohlenwasserstoffe.
    Ist die elektrische Zigarette also die Lösung eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit? Die Teilnehmer einer Vortragsrunde mit dem Titel “Sanftes Töten oder unsere größte Chance für das Gesundheitswesen” äußerten sich gestern auf dem Euro Science Open Forum (ESOF) vorsichtig positiv, hatten allerdings auch Bedenken.
    Wilson Compton, Stellvertretender Direktor vom NIDA zitierte Literatur, wonach genetische Unterschiede in Nikotinrezeptoren dazu beitragen, wie viele Zigaretten ein Raucher braucht und wie abhängig und krank er dementsprechend wird. Auch sei bei Jugendlichen die Plastizität des Gehirns noch hoch, und daher die Gefahr der Abhängigkeit von Nikotin daher höher.
    Das sind allerdings keine Bedenken spezifisch gegen die elektrische Variante der Nikotinzufuhr, und so hatte Sudhanshu Patwardhan, internationaler Engagement Officer von Nicoventures Media, also der Vertreter der Industrie, es leicht, die E-Zigarette als die Lösung aller Gesundheitsprobleme darzustellen. Er prognostizierte, dass 2021 mehr Geld mit E-Zigaretten als mit traditionellen Tabakprodukten umgesetzt wird.
    Als Kontrapunkt sprach danach Deborah Arnott, die Leiterin der not-for-profit Organisation ASH (action on smoking and health). Die E-Zigarette sei seit 2007 auf dem europäischen Markt, und obwohl die Hälfte der Raucher in Großbritannien sie schon ausprobiert habe, würde nur ein Drittel derjenigen die es probieren, tatsächlich umsteigen, berichtete Arnott. Dennoch sei zu beobachten, dass obwohl die Zahl der Nutzer der E-Zigaretten derzeit stark ansteigt, die Gesamtzahl der Raucher weiter abnehmen würde.
    Alle Teilnehmer der Session erkannten großes Potential in den elektronischen Zigaretten, da die gesundheitlichen Gefahren durch die giftigen Inhaltsstoffe tabakbasierter Zigaretten weitgehend wegfallen würden. Besonders Arnott warnte aber auch vor potentiellen neuen Gefahrenquellen durch zugesetzte Aromastoffe, Verunreinigungen, und vor fehlender Regulierung des Marktes. Auch die Gefahr, dass die E-Zigarette eine Einstiegsdroge für Jugendliche sei, ist gegeben und kann noch nicht beurteilt werden, da der Markt einfach noch zu jung sei.
    “People smoke for nicotine but die from tar” war die Erkenntnis, auf die alle Präsentationen aufbauten. Der Rauch ist also das Problem, und nicht das Nikotin. Zumindest aus gesundheitspolitischer Sicht.
    Wer Abhängigkeiten aber generell nicht mag, für den sind aber auch mit LED Lämpchen bestückte Vaporisieraparaturen keine Alternative. Für den gibts nur den Entzug. Und für ehemalige Raucher die Hoffnung, nicht auf die alte Sucht im neuen Gewand hereinzufallen.

    Wie funktioniert die E-Zigarette?

    Die inzwischen in der dritten Generation verfügbaren elektronischen Zigaretten enthalten ein Reservoir für eine Nikotinhaltige Lösung, ein Heizelement, welches diese Lösung verdampft, einen Sensor, der erkennt, ob und wie stark der Raucher an der Zigarette zieht, und ein elektrisches Schaltelement, welches mit einer wiederaufladbaren Batterie verbunden ist und welches das Heizelement, sowie bei manchen ein eingebautes LED Lämpchen reguliert.

    Was wird mit der E-Zigarette eingeatmet?

    Die durch das Heizelement verdampfte Lösung basiert häufig auf Propandiol und Glycerin und enthält bis zu 20 mg/ ml Nikotin. Den meisten E-Zigartetten werden noch Aromastoffe beigemischt. Am Heizelement wird das dickflüssige Gemisch verdampft, es wird also kein Rauch eingeatmet.

    Ist die E-Zigarette gesundheitsschädlich?

    Propandiol und Glycerin sind nicht giftig. Nikotin ist in den verwendeten Dosierungen ebenfalls nicht gesundheitsschädlich. Bei den zugesetzten Aromastoffen ist es häufig nicht abschließend geklärt, wie gesundheitsschädlich diese sind, und insbesondere ob sie durch das notwendige Erhitzen nicht gesundheitsschädlich werden. Weiter besteht die Gefahr durch Verunreinigungen unbekannte Stoffe einzuatmen.

  • Radikalisierte Terrorkommandos – Was verursacht Brustkrebs?

    Spätestes seit Cornelius‘ Artikel vom Vormonat wissen wir, dass Krebs „der Feind im eigenen Körper [ist], der aus einer irgendwann entarteten […] Zelle hervorgegangen ist, die sich Schritt für Schritt zu einem mit allen Wassern gewaschenen Terrorkommando […] verwandelt hat„.

    Es sind Mutationen, die für Krebs verantwortlich sind. Mutationen, die dazu führen, dass sich Zellen unkontrolliert teilen. In Nature ist jetzt eine Studie des Cancer Genome Atlas Consortiums erschienen, in der systematisch die molekularen Grundlagen von Brustkrebs analysiert und kartiert wurden. Oder um in Cornelius‘ dichterischem Duktus zu bleiben: In der Studie wird untersucht, welche Terrorkommandos im Busen zum Einsatz kommen und was diese radikalisiert.

    Brustkrebs ist der bei Frauen am häufigsten diagnostizierte bösartige Tumor. In Deutschland sterben pro Jahr über 17 000 Menschen an den Folgen von Brustkrebs und jedes Jahr werden 72 000 neue Fälle diagnostiziert. Da nur etwa 5% aller Brustkrebserkrankungen erblich bedingt sind, stellt sich die Frage, welche für Brustkrebs verantwortliche Mutationen in welchen Genen im Lauf eines Lebens auftreten. Ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen von Brustkrebs erlaubt einerseits eine bessere Klassifizierung diagnostizierter Tumore und andererseits viel zielgerichtetere Therapien, beispielsweise mit Antikörpern und Hormonantagonisten.

    Die Autoren der Studie, ein großes Konsortium hauptsächlich in den USA ansässiger Forschergruppen, haben Tumorzellen und zur Kontrolle Keimbahnzellen von 825 Patienten mit einer ganzen Batterie von molekularen Hochdurchsatzverfahren untersucht. Gesammelt wurden mRNA Expressionsdaten, Informationen zur DNA Methylierung und zu DNA Punktmutationen. Weiter wurde die microRNA sowie das komplette Exom sequenziert und die Expression bestimmter Proteine gemessen. Für 348 Tumore waren schließlich Daten von allen angewandten Techniken vorhanden.

    Mammakarzinome können klinisch in drei therapeutische Gruppen eingeteilt werden. ER-positive Tumore sprechen auf Hormonantagonisten an. Brustkrebszellen, in denen mehrere Kopien des HER2 Gens gefunden werden, können mit Antikörpern therapiert werden. Eine dritte Klasse, der diese Marker fehlen, sind auf Chemotherapie angewiesen. Diese Klassifizierung konnte in den letzten Jahren durch Genexpressionsanalyse auf vier Subtypen erweitert werden. Diese vier molekularen Klassen konnten in der jetzt vorliegenden Studie bestätigt und verfeinert werden.

    Eines der Schlüsselergebnisse ist, dass viele der neu entdeckten Brustkrebsmutationen spezifisch in den einzelnen, bereits etablierten Subklassen auftraten. Die Integration mit den Ergebnissen der anderen Analysemethoden erlaubt jetzt deutlich detailliertere Einblicke, was auf molekularer Eben in den Brustkrebsklassen passiert. Eine Zusammenfassung bietet diese Tabelle.

    Zudem sollten diese Ergebnisse ermöglichen, die Brustkrebsdiagnose durch Einsatz komplementärer Techniken zu verbessern. Eine Maßnahme, die Leben retten kann. Matthias Mann, Direktor am MPI für Biochemie und einer der weltweit führenden Proteomforscher spricht davon, dass derzeit 10% aller diagnostizierten Brustkrebsfälle falsch klassifiziert werden.

    Interessanterweise fanden die Autoren der Nature Studie außerdem, dass eine der etablierten Brustkrebsklassen, der sogenannte basal-like-Subtyp, eine ähnliche molekulare Signatur aufweist wie eine Form des Ovarialkarzinoms. Die Autoren folgern, dass beide Krebstypen folglich auf die gleichen therapeutischen Ansätze reagieren sollten.

    Die Studie ist online bei Nature frei zugänglich. Das Foto oben ist von tipstimes (CC BY-SA 2.0). Zur Diskussion ob dieses Photo eine sehr ernste Krankheit unnötig sexualisiert hier entlang.
    ResearchBlogging.orgThe Cancer Genome Atlas Network (2012). Comprehensive molecular portraits of human breast tumors Nature DOI: 10.1038/nature11412

  • 20 Jahre Mauerfall: Der Gesundheitszustand in West und Ost

    Die Partei.png

    12% der Deutschen wollen die Mauer wieder haben, Broder vergleicht die rot-rote Koalition in Brandenburg mit einer Mischung aus Eiscreme und Hundekacke. Wenigstens gesundheitlich wächst zusammen was zusammen gehört.
    (mehr …)