Schlagwort: Karriere

  • Wissenschaftler sind wie Kebapläden im harten Konkurrenzkampf

    Wissenschaftler sind wie Kebapläden im harten Konkurrenzkampf

    Ich bin vor einigen Wochen zu meinem Werdegang und insbesondere zu meinem Wechsel von der akademischen Forschung in die Wissenschaftskommunikation interviewt worden. Das Interview wurde häufig gesehen, gelesen und geteilt. Ein Gleichnis hat es leider nicht in den EMBL careers Blog geschafft, in dem das Interview veröffentlicht wurde. Das möchte ich hier noch nacherzählen.

    Peter Thiel, der Milliardär, analysiert in seinem Buch „Zero to One“ (Affiliate Link) unterschiedliche Arten von Unternehmen. Er identifiziert auf der einen Seite des Spektrums Unternehmen mit Monopolstellung, und auf der anderen Seite Unternehmen, die in hartem Konkurrenzkampf miteinander stehen.

    Nach Thiel würden Unternehmen mit Monopolstellung tunlichst vermeiden damit zu prahlen, um nicht reguliert zu werden. Auf der anderen Seite wollten Unternehmen, die sich in absolutem Wettbewerb befinden, das häufig nicht wahrhaben wollen und würden sich allerlei Alleinstellungsmerkmale einbilden, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.

    Google ist ein Beispiel für den ersten Typ. Keiner würde ernsthaft bestreiten, dass Google ein Monopol bei der Internetsuche hat. Das Unternehmen kommuniziert anders. Google sei ein Unternehmen der Werbebranche, und da sei es nur eines von vielen und habe längst kein Monopol. Man mag den Schritt der Google-Gründer das Unternehmen Alphabet zu gründen auch interpretieren, um Regulierungsschritten vorzubeugen. Google trägt freilich zu 99,6% des Umsatzes von Alphabet bei.

    Kebabläden in Innenstädten sind ein Beispiel für den zweiten Unternehmenstyp, der sich in hartem Konkurrenzkampf befindet. Letztendlich verkaufen alle Kebapläden das gleiche Produkt. Kebap. Das Angebot is austauschbar, die Margen und Löhne sind niedrig, die Arbeitsbedingungen hart.

    Kebapläden versuchen sich dennoch argumentativ von der Konkurrenz abzusetzen: Wir backen unser Fladenbrot selbst; unser Lokal hat eine ganz besondere Lage; wir haben mehr Kebaparten als die anderen; wenn wir nur hart genug arbeiten, setzen wir uns sicher durch, und so weiter.

    Wissenschaftler sind wie Kebapläden

    Was hat diese Beobachtung nun mit der Karriere von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu tun, mag sich mancher nun verwundert fragen.

    Wissenschaftler, die im akademischen Umfeld arbeiten, sind wie Kebapläden. Sie stehen im Wettbewerb mit tausenden anderen Nachwuchswissenschaftlern, die alle das gleiche können und machen. Und alle balgen sich um limitierte finanzielle Ressourcen. Das Ergebnis sind, wie bei den Kebabläden, niedrige Löhne, Zeitverträge und harte Arbeitsbedingungen.

    Wie Kebapläden versuchen Wissenschaftler sich über gefühlte Alleinstellungsmerkmale von den anderen abzusetzen: Ich arbeite an einem ganz besonderen Protein oder Stoffewechselweg; mein Forschungsfeld ist gerade klar im Kommen; meine Projektideen sind außergewöhnlich gut; wenn ich nur hart genug arbeite, setze ich mich sicher durch; und so weiter.

    Wie schafft man es vom Konkurrenzkampf im absolutem Wettbewerb hin zu einer monopolistischen Position?

  • Wie kommt man von der Forschung in die Wissenschaftskommunikation

    Wie kommt man von der Forschung in die Wissenschaftskommunikation

    Ich bin von Rachel Coulthard-Graf vom EMBL interviewt worden. Ich war da früher mal kurz als Postdoc tätig. Rachel hat unser Skype-Telefonat leicht gekürzt und transkribiert. Die Textversion steht auf dem EMBL Careers Blog zum nachlesen.

    Hier eingebunden ist das Video des Interviews. Es geht in unserem Gespräch ganz allgemein um die Karriere jenseits der akademischen Forschung und im Besonderen um meinen Weg vom Postdoc in die Wissenschaftskommunikation.

    00:00 Meine Rolle am NaWik
    01:36 Mein Weg vom Postdoc ans NaWik
    07:22: Networking und sich von anderen unterscheiden
    10:24 Wertebasierter Ansatz beim Wechsel der Karriere
    13:40 Wissenschaftler in der Wissenschaftskommunikation
    15:00 Was mir am meisten am aktuellen Job gefällt
    15:59 Wie mein wissenschaftlicher Hintergrund in meinem aktuelle Job hilft
    18:36 Welche Qualifikationen man für den Job braucht
    20:20 Wie man als Wissenschaftler in die Wissenschaftskommunikation kommt
    26:07 Missverständnisse über den Karrierewechsel und die Akteure der Wissenschaftskommunikation
    28:40 Wo findet man Stellenangebote für die Wissenschaftskommunikation
    30:04 Was jetzt anders ist als früher im Labor
    31:56 Generelle Tipps zum Weg raus aus der Wissenschaft

    Ich gebe ja neben meinem Job am NaWik als freiberuflicher Trainer Karriere-Workshops für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In den Workshops sammeln wir immer auch Beispiele für Karrierewechsel raus aus der Wissenschaft.

    Schreib mir doch eine Email, wenn du deine Geschichte erzählen willst. Vielleicht machen wir einen Gastbeitrag hier im Blog draus.

  • Mein neuer Job als Dozent und eine Einladung zum Seminar über Wissenschaftskommunikation

    Mein neuer Job als Dozent und eine Einladung zum Seminar über Wissenschaftskommunikation

    Für die meisten Menschen, die regelmäßig die ScienceBlogs lesen klingt es trivial: Wer, wie, wo über Wissenschaft berichtet, hat sich in den letzten Jahren verändert. Zeitungsberichte, Fernsehreportagen, Radiointerviews und der Tag der offenen Tür wurden durch Blogs, soziale Medien, online Foren, Podcasts, selbst produzierte Videos, Science Slams, und so weiter ergänzt und erweitert.
    Die veränderte Medienlandschaft bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, über Artikel in Fachpublikationen hinaus, direkt an der Kommunikation über Wissenschaft teil zu nehmen und somit die Wahrnehmung der Wissenschaft im Allgemeinen und die der eigenen Person und Forschung im Speziellen zu beeinflussen.
    Der NaWik Pfeil vereint wesentliche Elemente der Wissenschaftskommunikation. Quelle: NaWik
    Nicht alle Wissenschaftler haben die Chancen, die sich dadurch bieten erkannt, oder eine Antwort auf die Frage, warum man als Wissenschaftler überhaupt von den verfügbaren Medien Gebrauch machen und kommunizieren sollte.
    Jene Frage, auf die es, vielleicht wenig überraschend, keine allgemeingültige Antwort gibt, wird zentral in den Seminaren des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik) behandelt.
    Ganz egal, ob die Kommunikation primär der Förderung der eigenen Reputation dienen soll, ob es einfach aus Spaß an der Weitergabe des eigenen Wissens geschieht, oder man sich der Gesellschaft gegenüber verpflichtet fühlt, die als Gesamtheit der Steuerzahler ja häufig die eigene Forschung finanziert: Das NaWik bietet Wissenschaftlern in Seminaren die Möglichkeit die Werkzeuge effektiver Kommunikation zu lernen und mit neuen wie traditionellen Medien professionell umzugehen.
    Was sich wie ein Absatz aus einem Werbeprospekt für das NaWik anhört, hat genau diesen Hintergrund: Ich bin seit kurzem Dozent am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation und biete zusammen mit meinen Kollegen eben solche Seminare an.
    Meistens werden diese Veranstaltungen von Unis und wissenschaftlichen Einrichtungen für ihre Mitarbeiter direkt gebucht. Aufgrund zahlreicher Nachfragen bieten wir aktuell drei offene Seminare in unseren Räumen in Karlsruhe an: „Verständlich Schreiben“ mit Klaus Wingen, „Verständlich Präsentieren“ mit Kristin Raabe und ein Seminar zu „Wissenschaft Online und in Sozialen Medien“ mit mir als Dozent.
    Es sind übrigens noch ein paar Plätze offen in den Seminaren. Hier gibts mehr Informationen zu den Seminaren und auch einen Link zur Anmeldung!

    Das NaWik ist ein Institut der Klaus Tschira Stiftung und des Karlsruher Instituts für Technologie.
  • Wenn eine wissenschaftliche Karriere einem Marathon gleicht, kommen 90% nie am Ziel an

    Wenn eine wissenschaftliche Karriere einem Marathon gleicht, kommen 90% nie am Ziel an

    Vor einiger Zeit habe ich folgenden Satz gelesen: „Eine Karriere in der Wissenschaft ist kein Sprint, sondern ein Marathon”. Klingt oberflächlich richtig. Wer in der Wissenschaft erfolg haben will, muss Scheuklappen anlegen, Gas geben, und vor allem ausdauernd sein.
    Bei einem Volksmarathon kommen im Durchschnitt rund 80% der Starter im Ziel an, und wer ausreichend trainiert, ist wahrscheinlich bei den Finishern dabei. Der Anteil der promovieren Wissenschaftler, die irgendwann mit unbefristetem Arbeitsvertrag ausgestattet in einem akademischen Umfeld arbeiten, ist hingegen lächerlich gering.  8% der Doktoranden haben aktuellen Zahlen aus den USA zur Folge später tatsächlich eine (immer noch befristete) “Tenure-Track” Stelle inne.
    Ungeachtet der miserablen Aussichten auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere wertet die Mehrzahl der Doktoranden und Doktorandinnen Forschung oder Lehre innerhalb des akademischen Umfelds dennoch als attraktivsten Karriereweg. Kein Wunder, werden doch laut einer Studie 85% aller Doktoranden in den Biowissenschaften innerhalb ihres beruflichen Umfelds ermutigt, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, anstatt sie realistisch und adäquat auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
    Das Missverhältnis zwischen den akademischen Karriereplänen vieler Nachwuchswissenschaftler und der den tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeiten im System, zusammen mit fehlender oder nur rudimentärer Karriereberatung an den Unis und Instituten führt regelmäßig zu großen Frustrationen. Wenn die Erkenntnis reift, dass man trotz harter Arbeit, trotz guter Ideen, trotz jahrelanger Entbehrungen und trotz vieler Publikationen, den Marathonlauf nicht zu Ende bringen wird, stellt sich nicht selten das Gefühl ein, beruflich gescheitert zu sein.
    Es wird Zeit, dass sich die Kultur ändert. Eine Doktorarbeit ist keine Etappe in einem Wettlauf und eine wissenschaftliche Karriere ist kein Marathon mit einem Ziel, das mit großer Wahrscheinlichkeit nie erreicht wird. Wenn nicht einmal jeder zehnte Doktorand langfristig Platz im akademischen System findet, ist die Promotion vielmehr eine qualifizierende Zusatzausbildung für den Arbeitsmarkt außerhalb, als ein Baustein einer wissenschaftlichen Karriere.
    Das muss nicht nur so kommuniziert werden, ich denke, die Institute und Fakultäten haben ob dieser Zahlen dem wissenschaftlichen Nachwuchs gegenüber sogar die Verantwortung, sie aktiv bei der Berufswahl zu unterstützen. Ich weiß, dass es an britischen Universitäten sogenannte “Career Offices” gibt. Wie steht damit in Deutschland? Gibt es unterstützende Maßnahmen für die Karriere außerhalb? Wie sehen diese aus und werden sie angenommen?

  • 13 Gründe für den Postdoc. Mich haben sie von einem Rückfall geheilt.

    Gestern hatte ich einen Rückfall. Den ersten seit zwei Jahren, seit ich nicht mehr als Postdoc arbeite, sondern selbstständig bin. Ich bin eingeladen worden, der Verteidigung einer Doktorarbeit beizuwohnen, mein Funktion ist die des externen Herausforderers. Ich muss mir also die Dissertation des Kandidaten gründlich durchlesen, und mir Fragen überlegen, die ich bei der Disputation stellen kann. Beim Lesen des Ergebnisteils waren sie wieder da, die ganzen Ideen für Projekte, und ich habe den Kick gespürt, den ich bekomme, wenn sich sich eine unerforschte Frage auftut und ich weiß, welche Experimente und Analysen notwendig sind, um den nächsten Schritt zu gehen.
    Ich weiß nicht, warum ich überhaupt zugesagt habe, bei der Disputation dabei zu sein. Aus altruistischen Gründen, oder weil ich einfach noch nie in Tallinn war? Heute morgen war ich jedenfalls wieder geheilt von dem Rückfall. Ich habe mich erinnert, zu welchem Preis man die Kicks der eigenen Ideen einkauft.

    Klick aufs Bild vergrößert die Abbildung. Von the upturned microscope .

  • Academia: Don't believe the hope

    Als kleiner Nachschlag zu meinem gestrigen Artikel über die Probleme in der akademischen Welt, insbesondere in Bezug auf Doktorandinnen und Postdocs, die möglicherweise die Hoffnung treibt, wenn sie nur genug Zeit und Energie investieren, es doch möglich sein sollte, einen Job im akademischen Betrieb zu ergattern.
    Die hier eingebundene Grafik (Klick darauf vergrößert sie) zeigt auf, wo die 16.000 Biologie-Doktorandinnen und Doktoranden, die jedes Jahr in den USA anfangen, sich Jahre später, wieder finden.
    37% aller Promovierenden brechen demnach vor der Doktorprüfung ab. 70% aller Akademiker, die die Promotion abschließen fangen einen Postdoc an. Insgesamt enden weniger als 8% all jener, die eine Promotion anfangen und 15% aller Postdocs auf einer sogenannten Tenure Track Stelle, also einem Job, der eventuell mal in einer unbefristeten Anstellung mündet.
    Infografik: Where will a Biology PhD take you. Quelle: http://www.ascb.org/ascbpost/index.php/compass-points/item/285-where-will-a-biology-phd-take-you
    Das große Problem ist nicht die geringe Anzahl der akademischen Stellen. Es gibt eben nur begrenzt Fördermittel. Es ist das fehlende Interesse des Systems, diejenigen, die darin ausgebildet werden, auf alternative Karrieren vorzubereiten. Wobei der Begriff „Alternative Karriere“ aufgrund der oben dargestellten Zahlenverhältnisse und in Anlehnung an den Vortrag von Gregory Petsko, eigentlich für den akademischen Weg vorbehalten sein sollte.
    Um es mit dem gescheiterten Akademiker und derzeit beliebtesten Nihilisten des Internets zu sagen:
    Academia: Don’t believe the hope.

  • Die Leiden der Jungen Wissenschaftler

    Die Leiden der Jungen Wissenschaftler

    Wenige aktive Wissenschaftler werden behaupten, dass derzeit mit dem akademischen System so weit alles in Ordnung ist. Die Probleme sind vielschichtig. Die prominenteste Kritik bezieht sich aktuell vor allem aber auf das Publikationswesen.
    So hat Nobelpreisträger Randy Scheckman letztes Jahr im Dezember einen Artikel im Guardian publiziert, in dem er Open Access Publishing propagiert und den Impact-Faktor im Allgemeinen sowie den Einfluss der Flagschiff-Journale einflussreicher Verlage, nämlich Cell, Nature und Science, im Besonderen kritisiert.
    Sydney Brenner, ebenfalls Nobelpreisträger, hat in einem kürzlich publizierten Interview eine ähnliche argumentative Richtung eingeschlagen. Er kritisiert darin den Einfluss der Herausgeber der Wissenschaftsmagazine auf das, was publiziert wird und somit wissenschaftliche Trends bestimmt.
    Er warnt in dem Interview vor dem Einfluss des Impact-Faktors auf die Beurteilung der Förderwürdigkeit von Wissenschaftlern und Forschungsprojekten und schlägt damit die Brücke von Problemen mit dem Publikationswesen zu allgemeinen Problemen im akademischen System.
    Brenner stellt fest, dass viele der bahnbrechenden wissenschaftlichen Erfolge der letzten Jahrzehnte heute, bedingt durch Publikationsdruck und dem verlangten Erreichen kurzfristiger Ziele, wohl nicht mehr möglich wären. In einem Nachruf (pdf) auf den vergangenen November verstorbenen zweifachen Nobelpreisträger Frederick Sanger schreibt Brenner:

    „A Fred Sanger would not survive today’s world of science. […] He would be labelled as unproductive, and his modest personal support would be denied. We no longer have a culture that allows individuals to embark on long-term—and what would be considered today extremely risky—projects.“

    Die aktuellen Probleme im System Wissenschaft sind komplex und nicht nur mit einem ungeeigneten oder wenigstens unzureichenden Publikationssystem zu erklären. Die aktuellen Probleme im System Wissenschaft sind auch nicht alleine aus dem Blickwinkel von oben, von Wissenschaftlern, die es geschafft haben, wie die Nobelpreisträger Schekman und Brenner, zu verstehen. Die aktuellen Probleme betreffen vor allem jene, die selbst forschen.
    Die National Academy of Science in den USA hat eine Kommission gegründet, um die Situation der Postdocs in the USA zu untersuchen, also diejenigen Wissenschaftler, die zusammen mit den Doktorandinnen die eigentliche Forschungsarbeit leisten. Die Ergebnisse werden vom Leiter der Kommission, Gregory Petsko, in einem Video zusammen gefasst. Sie treffen auch auf die akademische Welt außerhalb der USA zu.

    Petsko erkennt, dass nur ein Bruchteil der Postdocs tatsächlich Chancen auf eine akademische Karriere haben, gleichzeitig werden die Nachwuchswissenschaftler an den Universitäten und Instituten aber vollkommen unzureichend auf eine Berufstätigkeit außerhalb der akademischen Forschung vorbereitet.

    „The figure [of postdcos continuing an academic career] is much below 20%. We’re fond of saying that we should prepare people for alternative careers without realising that we are the alternative career. […] If we believe as scientists that the people we are training in our labs are being trained for academic careers, we are fooling ourselves and we are doing them a disservice. […] We need to worry about whether we are giving them adequate preparation for careers that are not like the careers that we have.“

    Petsko hat Recht: Der akademische Weg ist zum Standard geworden. Vor allem in den Naturwissenschaften existiert fast ein Automatismus, wonach man an das Studium eine Promotion anschließt, und danach – häufig aus tatsächlichem oder so wahrgenommenen Mangel an Alternativen – mit dem Postdoc weiter macht. Die wissenschaftliche Karriere gleicht einer breiten Straße, die dennoch für über 80% in einer Sackgasse endet.
    Das Überangebot an hochqualifizierten Wissenschaftlern, die um viel zu wenige verfügbare Stellen im akademischen Mittelbau oder als Gruppenleiter oder Nachwuchsprofessor konkurrieren, hat längst zu einem ungesunden und von Frustrationen geprägten Umfeld geführt, in dem die wenigsten noch Spaß an der Forschung haben und psychische Erkrankungen schon normal und akzeptiert sind.

    Bild: Thomas Sahan via flickr CC BY 2.0
  • Tod, Karriereende oder einfach egal: Die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten

    Wie sieht es denn eigentlich aktuell mit dem Plagiatsverfahren zur Doktorarbeit von Norbert Lammert aus? Laut Spiegel online  dauert die Vorprüfung an der Uni Bochum noch an. Um eine mögliche Befangenheit der Prüfer zu vermeiden würde laut WAZ eine externe Prüfung angestrebt, da Lammert Honorarprofessor an der Ruhr-Uni sei. Während die offizielle Seite sich noch in der Vorprüfungsphase befindet und auf politischer Ebene vor Vorverurteilungen gewarnt wird, kommen die Plagiatsjäger zu dem Schluss, dass der Nachweis der Täuschung bereits in wesentlichem Umfang erbracht sei.
    Auf die Wähler scheint die Plagiatsafäre nur geringen Einfluss zu haben. Auch wenn es für ein Direktmandat nicht gereicht hat, konnte Lammert den Stimmenanteil in seinem Wahlkreis verglichen mit der Wahl vor vier Jahren um fast fünf Prozent auf 35,7% steigern. Ähnliches gilt auch für Annette Shavan in ihrem Wahlkreis in Ulm. Sie hat ihren Stimmenanteil von 42.8% bei der Wahl 2009 um fast 10% auf 52,1% in 2013 ausgebaut.
    Plagiate sind nur eine Spielart wissenschaftlichen Fehlverhaltens, und ich bin von der Gesellschaft für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften des Landbaus (GEWISOLA) eingeladen worden, um auf deren Konferenz am Freitag über Wissenschaftliches Fehlverhalten zu referieren. Wen es interessiert: Ich habe meine (kurze) Präsentation schon vorab online gestellt und hier eingebunden.

    Es ist relativ schwierig verlässliche Zahlen zur Häufigkeit wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu bekommen. Das liegt in der Natur der Sache, es geschieht ja meistens heimlich. Einer Meta-Analyse zur Folge geben in Umfragen rund 2% aller Wissenschaftler an, schon einmal Daten erfunden, gefälscht oder modifiziert zu haben. Den Kollegen trauen das rund 14% der Befragten zu.
    Wenn man statt dessen die Zahl der zurückgezogenen Publikationen und die aufgedeckten Plagiatsfälle als Maß für Fehlverhalten betrachtet, könnte man meinen, in den letzten Jahren sei ein starker Anstieg wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu verzeichnen. Die Autoren einer erst kürzlich publizierten Studie erklären den Anstieg mit aktuell niedrigeren Hürden, sowohl für die Publikation gefälschter Daten als auch für deren Widerruf. Ich denke, einen großen Anteil spielen dabei die technischen Möglichkeiten, digital zur Verfügung stehende Texte miteinander zu vergleichen und Datensätze auf statistische Auffälligkeiten hin zu untersuchen, und so mit relativ wenig aufwand Plagiate und Fälschungen zu entlarven.
    Eine Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist das Zurückhalten von Daten. Besonders relevant, da es direkt die Gesundheit von Menschen betrifft, ist das bei klinischen Studien zur Medikamentenwirksamkeit. Ben Goldacre hat diesen Fall in seinem Buch Bad Pharma das kürzlich auch auf Deutsch erschienen ist, ausführlich dargelegt und so zusammengefasst:

    Trials are frequently conducted, but then left unpublished, and so are unavailable to doctors and patients. Only half of all trials get published, and those with negative results are twice as likely to go missing as those with positive ones. This means that the evidence on which we base decisions in medicine is systematically biased to overstate the benefits of the treatments we give. […] This is research misconduct on a grand, international scale.

    Ich werde in meinem Vortrag in Berlin diese und weitere Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens thematisch nur anschneiden können, denn ich teile mir die Session mit Gunnar Breustedt, Gebhard Kirchgässner, Ludwig Theuvsen und Peter Winkler. Vielleicht finden wir ja in der anschließenden Podiumsdiskussion noch Antworten auf ein paar der Fragen, die ich in meinem Vortrag aufwerfe:

    • Was sind Gründe für wissenschaftliches Fehlverhalten?
    • Wer lehrt korrektes wissenschaftliches Arbeiten?
    • Welche Kontrollmechanismen existieren?
    • Was tun, wenn man Fehlverhalten entdeckt?
    • Wie soll Aufklärung und Bestrafung aussehen?
    • Was ist der Schaden für die Wissenschaft?

    Eine einheitliche Antwort auf die Frage was die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten sind, werden wir sicher nicht finden. Es kann Patienten töten, wie in Bad Pharma dargestellt, und wissenschaftliche Karrieren beenden. Zumindest Wahlergebnisse scheint es aber nicht nachhaltig zu beeinflussen.

  • Ist Schavan als Ministerin noch tragbar?

    Ist Schavan als Ministerin noch tragbar?

    Annette Schavan bekommt offiziell ihren Doktortitel aberkannt und Boris Becker spricht aus, was außerhalb des akademischen Betriebs viele denken: „Bin ich froh, dass ich keinen Doktortitel habe“. Diejenigen, die einen haben sind froh, nicht prominent zu sein, sonst ginge es Ihnen wohl auch bald an den Kragen. Gibt es überhaupt Doktorarbeiten (in den meisten Fällen die erste nach wissenschaftlichen Maßstäben angefertigte Arbeit) die keine Plagiate, Falschzitate, oder zumindest Paraphrasen enthält, die zu nahe am Original sind? Doktoranden in den Lebenswissenschaften, die ihre Dissertation auf Deutsch schreiben, haben es sogar noch ein bisschen einfacher. Die gesamte Primärliteratur ist in Englisch, und wer kann schon nachweisen, dass ein Teil der Einleitung nicht eine Übersetzung aus einem Review-Artikel ist?
    Groß wird das Gemetzel, wenn den Plagiatswächtern die Prominenten der ersten Reihe ausgehen, und sie sich in breiter Front beispielsweise den Doktorarbeiten von einfachen Universitätsprofessoren zuwenden. Wenn Angestellte des akademischen Betriebs während der Promotion plagiiert haben sollten, die gesamte akademische Kariere sozusagen auf einer frühen Unaufrichtigkeit aufbaut ist, scheinen berufliche Konsequenzen unausweichlich. Das hat auch sein Gutes, so kommen möglicherweise einige hochausgebildete Jungakademiker endlich an einen den eigenen Qualifikationen entsprechenden Job und müssen sich nicht weiter von befristetem Vertrag zu befristetem Vertrag hangeln. Vielleicht einfach mal die Doktorarbeit des der eigenen Karrierere im Weg stehenden Vorgesetzten bei vroniplag anmelden?
    Aber lassen wir das. Zu einer Frage habe ich jedoch noch keine eigene Antwort gefunden. Bei Professoren ist es ja einigermaßen einsehbar, dass die Doktorarbeit Einfluss auf die eigene Karriere haben soll, und auch Fehler früh in der akademischen Laufbahn späte Konsequenzen haben können. Warum jedoch die Politikerin Annette Schavan jetzt nicht mehr als Ministerin tragbar sein soll, das muss mir jemand noch mal erklären.
     

  • Ziemlich lächerlich. John Gurdons Zeugnis im Wortlaut

    John Gurdon, Nobelpreisträger 2012 für Medizin und Physiologie zusammen mit Shin’ya Yamanaka, war offenbar nicht besonders gut in der Schule. Hier ein Ausschnitt aus seinem Zeugnis als er 16 Jahre alt war. Sein Biologielehrer hatte wenig Hoffnung.

    Besonders schön, wie ich finde: …several times he has been in trouble, because he will not listen, but will insist on doing his work in his own way.