Schlagwort: Biopsie

  • Noch einmal Nussschnecken?

    Noch einmal Nussschnecken?

    Liebe Bäckerei Meier,

    bei meiner Frau wurde im Frühjahr 2017 ein Hirntumor diagnostiziert. Eine Nebenwirkung der dafür notwendigen Biopsie war, dass sie zwischenzeitlich nicht mehr schlucken konnte und wochenlang über eine Magensonde ernährt werden musste.

    Sie lernte mühsam wieder essen und ein Ziel trieb sie dabei an: Sie wollte zu ihrem Geburtstag am 24. Juni mit mir Tee trinken und eine der von ihr geliebten Nussschnecken von Ihnen essen können.

    Tatsächlich war sie zu ihrem 36. Geburtstag wieder soweit hergestellt, dass wir bei Sonnenschein auf unserem Balkon in der Lessingstraße sitzen konnten und Nussschnecken essen. Ich habe Ihnen zwei Fotos von damals hier an die Mail angehängt.

    Dieses Jahr fing ihr Tumor erneut an zu wachsen und ihr Zustand hat sich leider rapide verschlechtert. Aktuell kann sie noch sehr langsam und mit sehr viel Mühe essen, wir wissen nicht, wie lange das noch geht. Am 24. Juni wird meine Frau 39 Jahre alt und sie wünscht sich wieder eine Nussschnecke.

    Wir kaufen jeden Samstag in Ihrer Filiale in der Sophienstraße ein. Inzwischen schiebe ich sie im Rollstuhl. Leider gibt es seit ein paar Monaten keine Nussschnecken mehr bei Ihnen. Wir haben es es mit Rosinenschnecken probiert, mit Nusshörnchen, Walnuss-Hefeschnecken oder Johannisbeer-Hefeschnecken. Nichts kann eine Nussschnecke von Ihnen ersetzen.

    Wäre es möglich, dass Sie auf den 24. Juni noch einmal Nussschnecken backen?

    Vielen Dank und mit herzlichen Grüßen

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    Hallo Herr Maier,

    vielen Dank für ihre E-Mail.

    Hierzu fehlen uns die Worte.

    Gerne erfüllen wir Ihren Wunsch und sie können am 24.Juni in der Sophienstrasse unsere Nussschnecken abholen.

    Wir wünschen Ihnen weiterhin ALLLES Gute.

  • Nach der Hirnstamm-Biopsie

    Nach der Hirnstamm-Biopsie

    Titien wacht aus der Vollnarkose nach der Biopsie auf. Ich bin bei ihr. Sie schreit und hat panische Angst davor, keine Luft zu bekommen. Ich versuche sie zu beruhigen, mir zerreißt es fast das Herz. Auf ihrer Stirn sind rote Druckstellen von dem Metallgestell, in das ihr Kopf bei der Biopsie eingespannt war. Sie schläft wieder ein.

    Der operierende Arzt nimmt sich nur kurz Zeit um mir zu erklären, dass die robotergestützte stereotaktische Biopsie so lange gedauert habe, weil es Schwierigkeiten dabei gab, die Proben zu entnehmen. Es sei außerdem zu einer leichten Einblutung in den Biopsiekanal gekommen.

    Später, als Titien wieder in ihrem Stationszimmer liegt und langsam wach wird, wird das Ausmaß der akuten Folgen der Biopsie sichtbar. Sie schielt stark. Sie kann kaum sprechen, sie kann nicht schlucken, ihre Mimik ist eingefroren, sie fühlt in ihrem linken Arm nur ein Kribbeln. Ihre Koordination ist stark eingeschränkt. Sie schafft es nicht, mit geschlossenen Augen ihre Zeigefinger zur Nase zu führen.

    Ich übernachte neben ihrem Bett auf einem Stuhl und wische ihr alle paar Minuten die Spuke aus dem Mundwinkel. Zum Glück sind ihre Eltern da. Wir können uns abwechseln mit der Wache an ihrem Bett.

    In den ersten Tagen nach der OP wird es nicht besser. Sie kann nicht aufstehen, sich nicht waschen und nicht gehen.

    Auch das Pflegeteam der neurochirurgischen Station scheint überfordert. Titien wird von einem Pfleger nachts aufgeweckt und angepflaumt. Sie sei ja wohl erwachsen und bräuchte niemanden, der neben ihr nachts sitzt.

    Langsam, ganz langsam macht sie Fortschritte. Sie kann sitzen. Sie kann mit Hilfe aufstehen. Ich dusche sie im engen Bad des Krankenzimmers.Wenn ich sie stütze, kann sie die ersten Schritte machen. Jeden Tag ein paar Meter mehr.

    Sie wird über eine Magensonde ernährt, die durch ihre Nase geführt wird, weil sie immer noch nicht schlucken kann. Sie trägt immer noch die weiten, hinten offenen Nachthemden der neurochirurgischen Station. Die Narbe am Hinterkopf, hinter dem rechten Ohr, verheilt langsam.

    Die Narbe nach der Biopsie. Am rechten unteren Bildrand ist außerdem ihre Magensonde erkennbar. In der Mitte unten ist ein Teil des Pflasters zu sehen, das den Speichelfluss unterdrücken soll.

    Neun Tage nach der Biopsie sind die Ergebnisse da. Noch am selben Tag wird Titien entlassen. Ein Krankentransport bringt sie ins städtische Klinikum Karlsruhe. Ihre Mutter ist bei ihr im Krankenwagen. Ich fahre im Auto hinterher, Titiens Vater sitzt schweigsam auf dem Beifahrersitz.

  • Arten des Wartens

    Arten des Wartens

    Es gibt vier Arten des Wartens.

    Das freudige Warten. Wenn man verliebt am Bahnsteig steht und auf die Ankunft des Zuges wartet, in dem die Freundin sitzt.

    Das frustrierte Warten. Wenn man in der Telefonwarteschleife mit verzerrter klassischer Musik festhängt beim Versuch mit einer städtischen Behörde einen Termin auszumachen.

    Das bange Warten. Wenn man mit den Schwiegereltern vor dem Operationssaal sitzt und die Biopsie am Hirnstamm der eigenen Frau sechs statt der geplanten zwei Stunden dauert. Oder auf den Moment, wenn der leitende Oberarzt die Ergebnisse der Biopsie bereits kennt und man mit ernster Miene zum Gespräch gebeten wird.

    Es soll noch das resignierte Warten geben. Hier bisher noch nicht durch Beispiele belegbar.

  • Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Wenn bildgebende Verfahren darauf hindeuten, dass da was wächst, was nicht hingehört, will nicht zuletzt die Patientin oder der Patient wissen, was da eigentlich los ist. Man sticht da also mit einer hohlen Nadel rein und entnimmt ein paar Proben.

    Was bei verdacht auf Leberkrebs zum Beispiel noch relativ grobmotorisch und ambulant geschieht, verlangt bei Gehirntumoren mehr Geschick und Planung. Basierend auf CT und MRT Aufnahmen, wird der bestmögliche Weg zur Raumforderung geplant. Wichtiger als durchstochene Nervenzellen sind Blutgefäße, die möglichst umfahren werden wollen mit der Biopsienadel.

    Die Pons im Stammhirn ist eine delikate Region. Dort sitzen auf engstem Raum die Nervenzentren verantwortlich für den Schlaf-Wach-Rhythmus, für Atmung, Schlucken, Gleichgewicht, Augenbewegungen und für Gesichtsausdrücke.

    Eine Biopsie in der Pons erfolgt entweder von vorne oben (transfrontal) oder von hinten durchs Kleinhirn (transcerebellar). Dazu wird die Biopsienadel an ein fest mit dem Kopf verschraubtes Gerüst montiert. Eine Neurochirurgin oder ein Neurochirurg führt die sogenannte stereotaktische Biopsie entweder direkt oder ferngesteuert vor dem Bildschirm durch, die Patientin ist unter Vollnarkose.

    Insgesamt hat diese Methode eine erstaunlich hohe Erfolgsrate. In 96% der Fälle kann Material für die mikroskopische, histologische und molekulare Charakterisierung entnommen werden. In 6,7% der Fälle kommt es bei der Biopsie zu Komplikationen.

    Titien war eine von den 6,7%.