Autor: Tobias

  • Spiel nicht mit den Schmuddelkindern – Ist Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation

    Spiel nicht mit den Schmuddelkindern – Ist Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation

    Die Plattform Wissenschaftskommunikation.de ist eine super Sache! Nicht umsonst ist mein Arbeitgeber Partner bei dem Projekt. Auf der Plattform werden die verschiedensten Kommunikationsformate akribisch gesammelt und organisiert. Es gibt Beiträge zur Forschung, der Science of Science Communication, und es gibt Seiten zur Arbeitswelt mit Profilen von Menschen, die Wissenschaft kommunizieren: Wissenschaftsjournalisten, Angestellte von Kommunikationsabteilungen und Pressestellen an Forschungsinstituten, freiberufliche Kommunikatoren und die eine oder den anderen Wissenschaftler.

    Die Seite hat außerdem den Anspruch, aktuelle Ereignisse in der Wissenschaftskommunikation zu kommentieren. Gerne kontrovers, so wie sich das für ein zünftiges Blog gehört. So geschehen dann auch letzten Donnerstag von der Journalistin Heidi Blattmann zu den Siggener Impulsen 2018.

    Frau Blattmann ist bei ihrer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Papier [pdf] leider nicht über die Fußnote der ersten Seite hinaus gekommen. Dafür macht sie ein anderes, altes Fass auf.

    Ist der Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation oder muss er sich davon abgrenzen? Man fühlt sich beim Lesen ihres Artikels in das Jahr 2014 zurück versetzt, als die Gefechte um die Definition des Begriffs Wissenschaftskommunikation gefühlt ihren Höhepunkt erreicht hatten.

    An ihr und an anderen Haudegen der Branche sind die Diskussionen von damals offenbar weitgehend wirkungsfrei vorbei gegangen. Deshalb wittert Frau Blattmann gleich eine Verschwörung der Wissenschafts-PR wenn sie anmerkt, dass die Wikipedia Seite zur Wissenschaftskommunikation Anfang Oktober 2018 ganz plötzlich umgeschrieben worden sei – mit eben jener neumodischen Definition von Wissenschaftskommunikation, die den Journalismus mit einbezieht – und die ihr aufstößt.

    Niemand will den Wissenschaftsjournalismus vereinnahmen oder dessen Unabhängigkeit in Frage stellen. Alle sind sich der besonderen Rolle des Journalismus bewusst. Woher kommt dann der Wunsch der Journalistin, ihren Beruf von dem allgemeinen Begriff Wissenschaftskommunikation abzugrenzen? Josef König liefert eine mögliche Antwort auf die Frage in einem Kommentar unter einem Artikel von Markus Pössel (der übrigens Hauptautor des Wikipedia-Artikels zur Wissenschaftskommunikation ist). Josef König schreibt da:

    Ich bin seit ca. 30 Jahren in der Hochschulpresse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig und mit dem idw deutlich auch darüber hinaus. Ich glaube, dass ich die Vorbehalte gut erkenne. Für mich stellt sich die Entwicklung so dar, dass in dieser Zeit die PR-Leute als nicht kompetent und als keine geeigneten Gesprächspartner von Wissenschaftsjournalisten angesehen wurden. Der neuen Begriff Wisskomm kommt mir daher wie ein „Kampbegriff“ gegen diese Sicht der Wissenschaftsjournalisten vor, und seine „Perfidie“ liegt darin begründet, dass er sie gleichsam eingemeindet und somit die klare Rollentrennung verwischt.

    Geht es also um Eitelkeit und die Standesdünkel der guten alten Zeit der journalistischen Deutungshoheit von damals?

    Heute suchen alle nach Möglichkeiten, den Wissenschaftsjournalismus nachhaltig zu finanzieren und gleichzeitig dessen Unabhängigkeit zu gewährleisten. Übrigens auch Thema des Siggener Impulspapiers. Auf Seite vier und auf Seite sieben.Wichtiger als alte Wortdefinitions-Grabenkämpfe, wie ich finde.

    Titelbild: Theodoor Verstraete – Frühling in Shoore (Zeeland). Public Domain Lizenz

  • Der Brexit, die Katalanen und deutsche Identitätspolitik

    Der Brexit, die Katalanen und deutsche Identitätspolitik

    Der Begriff „Identitätspolitik“ war mir bis vor kurzem gar nicht geläufig. Aber offenbar ist diese Art Politik zu machen gerade in Mode. Identitätspolitik beschreibt laut Wikipedia „politisches Handeln, bei dem Bedürfnisse einer jeweils spezifischen Gruppe von Menschen im Mittelpunkt stehen“.

    Soweit, so klar. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe schafft Identität. Politik, die die Interessen dieser Gruppen bedient, heißt Identitätspolitik.

    Die Brexit-Debatte in Großbritannien ist ein Beispiel dafür. Wer – aus welchen Gründen auch immer – den Brexit wünscht, der fühlt sich der Gruppe der Brexiteers zugehörig. Die Interessen dieser Gruppe wird durch Identitätspolitik bedient. Einfache Sätze, Zuspitzung der Konflikte, wir gegen die.

    Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien ist ein weiteres Beispiel für diese Art Politik. Es geht gar nicht um Sachthemen oder darum, dass es den Menschen besser gehen soll. Es geht um ein Gefühl, um Identität (die Katalanische). Es gibt nur einen Weg, die anderen haben Unrecht.

    Identitätspolitik oder Umverteilungspolitik

    Dem gegenüber steht eine Politik, die die Interessen aller im Blick hat, und versucht durch Umverteilung es einer möglichst breiten Wählerschicht recht zu machen.

    Entscheidungen werden in der Umverteilungspolitk entlang bestimmter politischer Maxime getroffen. Die Sozialdemokraten wollen Steuern und Sozialleistungen anders regeln als die Christdemokraten. Das führt zu unterschiedlichen Versprechen vor Wahlen, darum geht es in Koalitionsverhandlungen und in politischen Debatten.

    Die Umverteilungspolitik hat es manchmal schwer, ihre Ziele klar zu formulieren und zu kommunizieren. Das aktuelle Regierungsprogramm von CDU und CSU hat die Überschrift: „Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben„. Auf der Webseite der SPD steht der Slogan: „Für eine offene, freie Gesellschaft. Für Gerechtigkeit und Respekt.

    Es klingt ja beides gut und man kann sich vorstellen, wie lange da um jedes Wort gerungen wurde. Es bleibt dennoch schwammig. Wahlen entscheidet man damit nicht.

    Verluste und Gewinne der Parteien bei der Landtagswahl in Hessen Ende Oktober 2018

    Parteien, die Identitätspolitik betreiben, haben es da sehr viel einfacher. Wer sich der Gruppe zugehörig fühlt, die meint es kämen zu viele Ausländer nach Deutschland und den etablierten Parteien sowieso mal eins auswischen will, der identifiziert sich mit der AfD. Dass die Partei ansonsten nichts auf die Kette kriegt: Geschenkt.

    Wer zu jenen gehört, die das Gefühl haben, dass Bio einfach besser sein muss und an heißen Sommertagen ein schlechtes Gewissen ob der eigenen CO2-Bilanz bekommt, der wählt Grün. Wissenschaftliche Ergebnisse, die der grünen Ideologie entgegenstehen, werden geflissentlich ignoriert und aktiv durch Desinformation diskreditiert.

    Ob die Sozialen Medien mit griffigen aber verkürzten Aussagen den Aufstieg der Parteien und Gruppierungen, die Identitätspolitik betreiben, verursacht, fördert oder gar nicht beeinflussen, ist ein Thema für die Forschung.

    Identitätspolitik hat ihre Daseinsberechtigung um die Anliegen von Minderheiten zu vertreten. Wer Mehrheiten vertreten möchte, muss weiter denken als nur bis zum nächsten Grenzpfosten. Viele Standpunkte der Identitätspolitik-Parteien entlarven sich dann von selbst als realitätsfremde Gruppenzugehörigkeits-Wohlfühlphrasen.

  • Nach der Hirnstamm-Biopsie

    Nach der Hirnstamm-Biopsie

    Titien wacht aus der Vollnarkose nach der Biopsie auf. Ich bin bei ihr. Sie schreit und hat panische Angst davor, keine Luft zu bekommen. Ich versuche sie zu beruhigen, mir zerreißt es fast das Herz. Auf ihrer Stirn sind rote Druckstellen von dem Metallgestell, in das ihr Kopf bei der Biopsie eingespannt war. Sie schläft wieder ein.

    Der operierende Arzt nimmt sich nur kurz Zeit um mir zu erklären, dass die robotergestützte stereotaktische Biopsie so lange gedauert habe, weil es Schwierigkeiten dabei gab, die Proben zu entnehmen. Es sei außerdem zu einer leichten Einblutung in den Biopsiekanal gekommen.

    Später, als Titien wieder in ihrem Stationszimmer liegt und langsam wach wird, wird das Ausmaß der akuten Folgen der Biopsie sichtbar. Sie schielt stark. Sie kann kaum sprechen, sie kann nicht schlucken, ihre Mimik ist eingefroren, sie fühlt in ihrem linken Arm nur ein Kribbeln. Ihre Koordination ist stark eingeschränkt. Sie schafft es nicht, mit geschlossenen Augen ihre Zeigefinger zur Nase zu führen.

    Ich übernachte neben ihrem Bett auf einem Stuhl und wische ihr alle paar Minuten die Spuke aus dem Mundwinkel. Zum Glück sind ihre Eltern da. Wir können uns abwechseln mit der Wache an ihrem Bett.

    In den ersten Tagen nach der OP wird es nicht besser. Sie kann nicht aufstehen, sich nicht waschen und nicht gehen.

    Auch das Pflegeteam der neurochirurgischen Station scheint überfordert. Titien wird von einem Pfleger nachts aufgeweckt und angepflaumt. Sie sei ja wohl erwachsen und bräuchte niemanden, der neben ihr nachts sitzt.

    Langsam, ganz langsam macht sie Fortschritte. Sie kann sitzen. Sie kann mit Hilfe aufstehen. Ich dusche sie im engen Bad des Krankenzimmers.Wenn ich sie stütze, kann sie die ersten Schritte machen. Jeden Tag ein paar Meter mehr.

    Sie wird über eine Magensonde ernährt, die durch ihre Nase geführt wird, weil sie immer noch nicht schlucken kann. Sie trägt immer noch die weiten, hinten offenen Nachthemden der neurochirurgischen Station. Die Narbe am Hinterkopf, hinter dem rechten Ohr, verheilt langsam.

    Die Narbe nach der Biopsie. Am rechten unteren Bildrand ist außerdem ihre Magensonde erkennbar. In der Mitte unten ist ein Teil des Pflasters zu sehen, das den Speichelfluss unterdrücken soll.

    Neun Tage nach der Biopsie sind die Ergebnisse da. Noch am selben Tag wird Titien entlassen. Ein Krankentransport bringt sie ins städtische Klinikum Karlsruhe. Ihre Mutter ist bei ihr im Krankenwagen. Ich fahre im Auto hinterher, Titiens Vater sitzt schweigsam auf dem Beifahrersitz.

  • Arten des Wartens

    Arten des Wartens

    Es gibt vier Arten des Wartens.

    Das freudige Warten. Wenn man verliebt am Bahnsteig steht und auf die Ankunft des Zuges wartet, in dem die Freundin sitzt.

    Das frustrierte Warten. Wenn man in der Telefonwarteschleife mit verzerrter klassischer Musik festhängt beim Versuch mit einer städtischen Behörde einen Termin auszumachen.

    Das bange Warten. Wenn man mit den Schwiegereltern vor dem Operationssaal sitzt und die Biopsie am Hirnstamm der eigenen Frau sechs statt der geplanten zwei Stunden dauert. Oder auf den Moment, wenn der leitende Oberarzt die Ergebnisse der Biopsie bereits kennt und man mit ernster Miene zum Gespräch gebeten wird.

    Es soll noch das resignierte Warten geben. Hier bisher noch nicht durch Beispiele belegbar.

  • Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Stereotaktische Biopsie des Stammhirns

    Wenn bildgebende Verfahren darauf hindeuten, dass da was wächst, was nicht hingehört, will nicht zuletzt die Patientin oder der Patient wissen, was da eigentlich los ist. Man sticht da also mit einer hohlen Nadel rein und entnimmt ein paar Proben.

    Was bei verdacht auf Leberkrebs zum Beispiel noch relativ grobmotorisch und ambulant geschieht, verlangt bei Gehirntumoren mehr Geschick und Planung. Basierend auf CT und MRT Aufnahmen, wird der bestmögliche Weg zur Raumforderung geplant. Wichtiger als durchstochene Nervenzellen sind Blutgefäße, die möglichst umfahren werden wollen mit der Biopsienadel.

    Die Pons im Stammhirn ist eine delikate Region. Dort sitzen auf engstem Raum die Nervenzentren verantwortlich für den Schlaf-Wach-Rhythmus, für Atmung, Schlucken, Gleichgewicht, Augenbewegungen und für Gesichtsausdrücke.

    Eine Biopsie in der Pons erfolgt entweder von vorne oben (transfrontal) oder von hinten durchs Kleinhirn (transcerebellar). Dazu wird die Biopsienadel an ein fest mit dem Kopf verschraubtes Gerüst montiert. Eine Neurochirurgin oder ein Neurochirurg führt die sogenannte stereotaktische Biopsie entweder direkt oder ferngesteuert vor dem Bildschirm durch, die Patientin ist unter Vollnarkose.

    Insgesamt hat diese Methode eine erstaunlich hohe Erfolgsrate. In 96% der Fälle kann Material für die mikroskopische, histologische und molekulare Charakterisierung entnommen werden. In 6,7% der Fälle kommt es bei der Biopsie zu Komplikationen.

    Titien war eine von den 6,7%.

  • Der erste Schritt der Reise

    Der erste Schritt der Reise

    Manche Themen sind erst zu persönlich und dann zu kompliziert, um sie in einem Blogartikel zu behandeln.

    Meine Frau Titien fragte mich: „Warum schreibst du denn nicht über meine Krankheit auf deinem Blog?“

    Weil ich die Zeit, die uns bleibt, lieber mit dir verbringen möchte, als vor meinem Computer“ antwortete ich.

    Titiens rechtes Auge wollte vor 21 Monaten nicht mehr richtig zur Seite. Vor 20 Monaten sahen wir einen kleinen hellen Fleck auf einer CT-Aufnahme ihres Kopfes. Eine Raumforderung, wie uns der behandelnde Arzt erklärte. Vor 19 Monaten hatten wir einen Termin für eine stereotaktische Biopsie am Stammhirn. Vor 18 Monaten wussten wir, dass Titien einen Gehirntumor hat. Ein diffuses Mittelliniengliom. WHO Grad IV.

    Manche Themen sind erst zu persönlich und dann zu kompliziert, um sie in einem Blogartikel zu behandeln. Auch eine Reise von 1000 Meilen beginnt mit einem ersten Schritt (Laotse).

    Die Reise geht hier auf WeiterGen in den nächsten Tagen weiter.
    Titien schreibt auf Titien.de.

  • Warum ich keine ganzen Artikel mehr auf ScienceBlogs veröffentliche

    Warum ich keine ganzen Artikel mehr auf ScienceBlogs veröffentliche

    Ich war elf Jahre bei den ScienceBlogs als Autor aktiv. Die Plattform hat in dieser Zeit mehrfach den Besitzer gewechselt. Seed Media, Burda, Glam, National Geographic. Seit vier Jahren gehört ScienceBlogs.de zur Konradin Mediengruppe.

    Vertreter des Verlags haben mir über den Redaktionschef mitgeteilt, dass meine Vertragsbedingungen zum 1.1.2019 anders ausgelegt werden. Unter den geänderten Bedingungen würde ich bei meiner geringen Artikelfrequenz und Leserzahl effektiv meine Inhalte kostenfrei zur Verfügung stellen. Dazu bin ich nicht bereit.

    Ich werde meine Artikel in Zukunft hier auf WeiterGen.de publizieren. Frei von Werbung, in angenehmem Design, und weiter unabhängig.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn mir möglichst viele bisherige Leserinnen und Leser erhalten blieben. Bei einem einsamen Blog im weiten Internet kein einfaches Unterfangen.

    Ich würde euch gerne benachrichtigen, wenn ich neue Artikel publiziere. Dazu bitte ich euch, hier unten in der Fußzeile eure Emailadresse einzutragen und WeiterGen zu abonnieren.

  • Keine Geschichten mehr? Relotius und Wissenschaftskommunikation

    Keine Geschichten mehr? Relotius und Wissenschaftskommunikation

    Wie Claas Relotius wohl Weihnachten verbringt? Vielleicht bei seinen Eltern. In vertrauter Umgebung im Bildungsbürgertum. Klassische Musik kommt leise aus den zu groß geratenen Standlautsprechern im Wohnzimmer. Es ist Brahms. Ein Holzscheit knackt im offenen Kaminofen. Relotius sitzt im selben Ledersessel, in dem er sonst immer sitzt, wenn er bei seinen Eltern zu Besuch ist. Er versucht sich auf die Musik zu konzentrieren. Denn sobald seine Gedanken abschweifen, wird ihm schwindelig. 
    Er kann einem schon fast wieder Leid tun, wie er jetzt in den Medien von den ehemaligen Kollegen auseinander genommen wird. Von denen, die es immer schon wussten, und denen, die ihre Empörung öffentlich teilen müssen. Und von den Lesern. Jenen, die jetzt den Untergang des SPIEGEL prophezeien, und von jenen, die meinen, dass die Reportage, also die von Relotius bevorzugte journalistische Darstellungsform, als Format ausgedient hat.
    Letztere Stimme kommt auch aus der Ecke der Wissenschaft. Mein Eindruck ist, dass viele Forschende eine Aversion gegen das Geschichten erzählen in der Wissenschaftskommunikation haben. Große Fallzahlen zählen mehr als Anekdoten. Porträtierte Einzelschicksale wirken aber mehr als die statistisch signifikanten Ergebnisse des letzten Papers. Das wird als ungerecht wahrgenommen. 
    Auch Julika Griem, Vizepräsidentin der DFG, fragte in ihrem Vortrag beim diesjährigen Forum Wissenschaftskommunikation, warum “alle gegenwärtig auf erzählerische Vermittlung setzen”. Sie wünscht sich, dass die Wissenschaftskommunikation ihr Publikum nicht nur einseitig mit Narrativen füttert und “irgendwo abholt, sondern sorgfältig, umsichtig, furchtlos und […] zärtlich überfordert”. Hier das Transkript ihrer Rede als pdf. Die Wissenschaftskommunikation bräuchte laut Griem “keinen barrierefreien Abenteuerspielplatz, sondern ein bisschen mehr hartnäckigen und frustrationstoleranten Ernst für die Sache”.
    Bei allem Ernst: Wer als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler Zielgruppen jenseits der eigenen Fachcommunity erreichen will, muss lernen, die sachliche Wohlfühlecke zu verlassen. Eine gute Geschichte bleibt eine gute Geschichte. Sie soll das erzählen, was die Daten aussagen. Und wahr muss sie sein.

    Bild: Großvater erzählt eine Geschichte von Samuel Albrecht Anker. Gemeinfreie Lizenz.
  • Symposium für kommunizierende Wissenschaftler am NaWik

    Symposium für kommunizierende Wissenschaftler am NaWik

    Wer hin und wieder einen Blick in die Seitenspalte meines Blogs wirft weiß, dass ich am NaWik in Karlsruhe angestellt bin. Ich bin seit 2015 am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. Ein wichtiger Grund, warum ich die Stelle hier überhaupt bekommen habe, war, dass ich vor 10 Jahren während meines Postdocs anfing, dieses Blog hier zu schreiben. Ich habe die Geschichte hier schon mal kurz aufgeschrieben.
    Was damals galt, ist heute fast noch genauso. Wer aktiv forscht und nebenbei noch mit Menschen jenseits der eigenen Fachcommunity kommuniziert, ist ein seltenes Pflänzchen.
    Wir am NaWik haben uns überlegt, erstmalig nur für kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Symposium zu organisieren. Der Call für Beiträge ist bis zum 25. Januar 2019 offen. Unten der komplette Text des Calls und hier der Link zum pdf. sowie der Ausschreibung auf NaWik.de. Gerne weitersagen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Karlsruhe sähen.

    Und jetzt DU!
    Forschende betreiben Wissenschaftskommunikation
    NaWik-Symposium am 5. April 2019 in Karlsruhe

    Das Symposium richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich aktiv in die Kommunikation ihrer Themen mit Nicht-Spezialisten einbringen. Wir wollen Ihnen eine Plattform bieten um sich auszutauschen, voneinander zu lernen, miteinander zu diskutieren und sich zu vernetzen.
    Neben Vorträgen und Workshops wollen wir Ihnen die Gelegenheit geben, sich und Ihren persönlichen Kommunikationsansatz oder ein Kommunikationsprojekt Ihres Forschungsbereichs zu präsentieren.
    Bitte schicken Sie uns eine kurze Beschreibung Ihres Formats (maximal 250 Wörter), mit dem Sie Wissenschaftskommunikation betreiben und das Sie beim NaWik-Symposium vorstellen möchten.
    Wir möchten mit Ihnen beim Symposium die brennenden Themen diskutieren: Wie lässt sich Kommunikation in den Forschungsalltag integrieren? Welche Anreize zur Kommunikation gibt es für Forschende? Was funktioniert gut? Und was hat vielleicht auch nicht so gut geklappt? Ihre Ideen, Erkenntnisse und Erfahrungen sind gefragt.
    Schicken Sie uns Ihr Proposal zu Ihrem Projekt, Ihren Erfahrungen formlos per E-Mail an:
    symposium@nawik.de

  • Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Acht Geschworene in einem Gericht entscheiden nicht, ob ein Pestizid krebserregend ist. Die Gefährlichkeit wird basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen von Genehmigungsbehärden eingestuft. 
    Wenn also nun ein kalifornisches Geschworenengericht einem schwer krebsranken Gärtner und Hausmeister Entschädigungszahlungen in Höhe 289 Millionen US-Dollar zuspricht, dann zeigt das vor allem, dass die Geschworenen viel Mitgefühl mit dem Kläger haben.
    Es zeigt auch, dass die Geschworenen nicht in der Lage waren, die wissenschaftliche Faktenlage richtig einzuschätzen. Die ist nämlich eindeutig: Glyphosat verursacht kein Krebs.
    Wie ein Blick in die Kommentarspalten zu Artikeln zeigt, die diese Tatsache ohne zu relativieren berichten, sind die acht Geschworenen des Gerichts in Kalifornien nicht die einzigen, die Probleme damit haben, wissenschaftliche Daten richtig einzuordnen und im Zweifelsfall ihre gefühlte Wahrheit zu überdenken. 
    Wäre das nicht schön, wenn es weniger wissenschaftlichen Analphabetismus gäbe, und Fakten und Daten, Meinungen und Entscheidungen beeinflussen und bestimmen würden? 
    Wir sind weit davon entfernt. Obwohl Bayer bereits Einspruch gegen das Urteil eingelegt hat, ist die Bayer-Aktie nach bekannt werden des Urteil um gut 10% eingebrochen. Bayer ist seit der Übernahme von Monsanto dieses Jahr der Besitzer des Unternehmens, das verklagt wurde.

    Bayer verliert acht Milliarden Euro an Wert

    Der Kursverlust von 10% bedeutet konkret, dass der Bayer-Konzern in Folge des 253 Millionen Euro Urteils mit dem Schlusskurs gestern gut acht Milliarden Euro an Wert verloren hat.
    Der Markt rechnet also damit, dass dies nicht die einzige Verurteilung von Monsanto zu Glyphosat uns Krebs bleibt, sondern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Milliarden Euro entweder an Kläger gezahlt werden müssen oder es zu einer außergerichtlichen Einigung in Folge einer Sammelklage kommen wird, um die Kläger zu entschädigen und Bayer zukünftige Rechtssicherheit in der Causa Glyphosat zu bieten.
    Acht Milliarden Euro wären deutlich mehr Entschädigungszahlungen, als zum Beispiel Merck für den Skandal um ihr Schmerzmittel Vioxx zahlen musste (4,9 Milliarden USD), oder Bayer für ihr 2001 vom Markt genommenen Cholesterinsenker Lipobay (4,2 Milliarden USD).
    Der Unterschied ist: Sowohl Lipobay als auch Vioxx verursachen schwere Nebenwirkungen und es kam im Zusammenhang mit deren Einnahme zu Todesfällen. Die Zahlungen an die Kläger sind also gegründet und gehen mit einem zumindest impliziten Schuldeingeständnis einher. 
    Soll sich Bayer im Falle Glyphosat für etwas schuldig bekennen, ohne dass es dafür hinreichende Indizien geschweige denn Beweise gäbe? Würde eine außergerichtliche Einigung im Fall Glyphosat mit potentiell tausenden Klägern nicht automatisch als Schuldeingeständnis gewertet werden?

    Hinweis: Der Artikel dient der Information und ist keine Anlageberatung. Erklärung zu Interessenkonflikten: Ich besitze zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels keine Wertpapiere der Bayer AG. Ich plane auch nicht in den 72 Stunden nach Veröffentlichung des Artikels Wertpapiere der Bayer AG zu kaufen.