Autor: Tobias

  • Austherapiert

    Austherapiert

    Gestern lag dann auch der Arztbrief im Briefkasten. Die Auswertung des PET-Scans mit Tracer hat ergeben, dass ihr Tumor im Stammhirn weiter wächst. Alle sonstigen Stellen, die im MRT verdächtig aussahen, sind offenbar nicht aktiv, also wahrscheinlich Artefakte der vergangenen Bestrahlungen.

    Was das bedeutet haben wir schon am Freitag Nachmittag erfahren. Ich verpasste den Anruf unserer Onkologin um halb zwei und rief sie zurück, als ich zurück von meiner kurzen Rennrad-Tour war.

    Ihr lägen inzwischen die Bilder des PET-Scans vor und demnach sei ein Rezidiv im Pons aufgetreten. Das sei die Stelle, an der schon zwei Mal bestrahlt wurde und eine weitere Bestrahlung hätten die Radiologen ausgeschlossen.

    Wir sollten noch einmal kommende Woche zur Avastin-Therapie kommen, aber sie denkt, dass auch nach Rücksprache mit dem Tumorboard, keine weitere Therapiemöglichkeiten bestünden.

    Schaut euch die unscharfen, farbigen Bilder gut an. Sie sind sechzehnhundert Euro wert. Die Kasse zahlt den FET-PET-Scan nämlich nicht.

    Titien geht es nicht gut. Sie ist weitestgehend auf meine Hilfe angewiesen. Sie braucht Hilfe beim Anziehen. Zum Duschen braucht sie einen Duschlift. Spazieren gehen wir nur noch mit Rollstuhl, in der Wohnung braucht sie den Rollator und kann damit auch nur mit Mühe gehen.

    Am schlimmsten ist, dass die Kommunikation mit ihr nur noch eingeschränkt möglich Kommunikation ist. Der Tumor beeinträchtigt ihre Aussprache. Je nach Tageszeit und -form ist sie schwer bist fast gar nicht zu verstehen. Das erfordert von mir Geduld und ist für sie frustrierend.

    Hier eine Liste mit schönen Momenten, ohne bestimme Reihenfolge:

    Ich habe inzwischen das Kochen übernommen. Sie sitzt dazu auf ihrem Rollator bei mir in der Küche und überwacht, dass ich für die asiatischen Rezepte auch die richtigen Zutaten in der richtigen Menge nehme.

    Wir haben 5 kg Sonneblumenkerne, 2,5 kg Erdnussbruch und 3 l getrocknete Mehlwürmer gekauft. Jeden Tag kommen Kohlmeisen, Blaumeisen, Spatzen und Amseln zu uns auf den Balkon.

    Ich kann dankenswerterweise auch weiter von zu Hause aus arbeiten und muss nicht ins Büro oder verreisen. Meine Seminare gebe ich online – und das funktioniert sehr gut. Ich habe mir einen Greenscreen gekauft. So kann ich einen Hintergrund meiner Wahl einstellen, während ich meine Seminare gebe, während Titien hinter mir auf dem Sofa liegen kann.

    Titien hat die Krankenschwestern der onkologischen Ambulanz ins Herz geschlossen. Nachdem sie letztes Jahr jeder schon ein Plüschtier geschenkt hat, folgte letzte Woche je ein T-Shirt mit dem jeweiligen Lieblingstier. Sie waren außer sich vor Freude. Meet Schwester Eule, Schwester Lama, Schwester Hund und Schwester Faultier. Nicht auf dem Bild: Schwester Panda und Schwester Papagei.

    Titien hat sehr viele Leser und bekommt sehr schöne Kommentare auf die Artikel in ihrem Blog und auf ihren Posts auf Facebook. Dort zu schreiben und mit den Leserinnen und Lesern aus aller Welt zu interagieren bedeutet ihr unheimlich viel.

    Wir sind immer sehr früh wach und haben jeden Morgen Zeit, ausgiebig zusammen zu frühstücken. Jeden Tag trinken wir Kaffee zusammen nach dem Mittagessen – oft mit Kuchen oder süßen Teilchen vom Bäcker.

    Titien hat sich ein Worteratespiel auf ihr Handy geladen. Jeden Abend bevor wir einschlafen spielen wir zusammen ein paar Runden und versuchen aus zusammenhangslosen Buchstaben die gewünschten Wörter zu bilden.Titien ist sehr viel begabter darin als ich, in etwas sinnlosem Sinn zu finden.

  • Drei Gründe warum man an Verschwörungstheorien glaubt

    Drei Gründe warum man an Verschwörungstheorien glaubt

    Warum sind es eigentlich immer die Köche? Ein vorher mir gänzlich unbekannter Modekoch namens Attila Hildmann erreicht gerade traurige Berühmtheit durch das Verbreiten kruder Verschwörungstheorien rund um Covid-19. Mein Freund Giancarlo wohnt in Doha, ist Leibkoch eines katarischen Prinzen, und schickt mir regelmäßig über WhatsApp die jüngsten Nachrichten aus Verschwöristan.

    Es sind nicht nur die Köche. In Großbritannien, einem Land, in dem ja sonst bekanntermaßen rational entschieden wird, glauben offenbar 60% aller Einwohner an Verschwörungstheorien. Schon vor Covid.

    Welche Faktoren führen dazu, dass Menschen an Verschwörungstheorien glauben?

    Verschwörungstheorien bedienen sozialpsychologische Wünsche bei ihren Jüngern, schreiben Douglas et al. in ihrem Übersichtsartikel. Wenn diese Wünsche von Verschwörungstheorien eher gedeckt werden als von der schnöden Realität, dann wird die Alternative bereitwillig angenommen und verbreitet. Die Autoren unterteilen die Gründe für die Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien in drei Bereiche: Epistemische, existenzielle und soziale Motive.

    Epistemische Motive meint: Einfache, in sich logische Erklärungen und Bestätigungen für das was man sowieso schon glaubt (zu wissen). Existenzielle Motive meint: Keinen Einfuss zu haben auf die Umgebung und Kontrolle zu verlieren. Insbesondere wenn es keine klare, offizielle Erklärungen gibt und man sich selbst unsicher fühlt. Soziale Motive meint: Den Wunsch ein positives Selbstbild oder ein positives Image der eigenen Gruppe zu wahren. Der Glaube an Verschwörungstheorien ist unter Narzissten weiter verbreitet und in Gruppen, die sich marginalisiert oder auf der Verliererseite fühlen.

    Es scheint, als Böte die Corona-Krise einen idealen Nährboden für Verschwörungstheorien. Es gibt keine einfachen Erklärungen für das was gerade passiert, die Unsicherheit ist hoch, Kontrolle wird abgegeben und es ist naheliegend, sich auf der Verliererseite zu wähnen.

    Der wahrgenommene Anstieg an Verschwörungstheorien ist möglicherweise keine reine Corona-Modeerscheinung, die so schnell wieder verschwinden wird wie die selbst geschneiderten Masken. Die Forschung zeigt: Verschwörungstheorien erodieren Sozialkapital und führen zu Misstrauen gegenüber Institutionen im Allgemeinen und der Wissenschaft im Besonderen.

    Ich frage mich, was man dagegen tun kann? Reicht es aus, weiter beharrlich zu erklären, wie Wissenschaft funktioniert? Werden die “Vertrauensfaktoren” Eigene Expertise, Ehrlichkeit, und gute Absichten von Aluhüten überhaupt anerkannt?

    Zumindest die “Schwer erreichbaren Zielgruppen” sollten in den Fokus gerückt werden. Denn der Glaube an Verschwärungsthorien sei weiter verbreitet bei Menschen mit weniger ausgeprägtem analytischen Denken und einem niedrigeren Bildungsstand.

  • Es geht abwärts mit Titien

    Es geht abwärts mit Titien

    Titien geht es zunehmend schlechter. Ihr Zustand ändert sich fast täglich. Erste Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen konnten mit Dexamethason erfolgreich bekämpft werden. Jetzt hilft auch eine Erhöhung der Kortisonmenge nicht mehr, um die Symptome wirksam einzudämmen. 

    Heute Morgen waren wir noch mal in der Klinik zu unserem ambulanten Avastin-Termin. Wir haben gehofft, mit unserer Ärztin zu sprechen und das weitere therapeutische Vorgehen zu besprechen. Wir hoffen, dass noch mal eine Runde Strahlentherapie in Frage kommt. Wir hoffen, dass wir schnellstmöglich ein Termin für einen FET-PET Scan bekommen. Damit können metabolisch aktive Zellen von nekrotischen Zellen in ihrem Hirn unterschieden werden und die Strahlentherapie kann so besser geplant werden. Wir wissen noch nicht, wie und wann es weiter geht.

    Letzten Samstag waren wir noch mit dem Rollator beim Bäcker. 300 m mit Pausen dazwischen – aber machbar. Inzwischen gehen auch kurze Strecken nur noch im Rollstuhl. Vor ein paar Tagen ist Titien in der Küche gestürzt beim Versuch, den Trittmülleimer zu bedienen. Seither ist sie auch in der Wohnung nur noch mit Rollator unterwegs. Vorhin habe ich den Duschlift wieder installiert, so kann Titien beim Duschen sitzen. 

    Der Tumor in Titiens Stammhirn beeinträchtig stark ihre Aussprache. Ich muss oft nachfragen, was sie gerade gesagt und gemeint hat. Es macht uns beiden Angst zu sehen, wie unsere Kommunikation durch ihre Krankheit beeinträchtigt wird. Noch geht es und noch kann sie schreiben und tippen.

    Gerade zum Beispiel sitzt sie hinter mir auf dem Sofa mit Stift und Papier und schreibt ihren Eltern, ihrer Tante und ihrem Bruder. Abschiedsbriefe.

  • Wie viele Menschen sind tatsächlich mit Corona infiziert?

    Wie viele Menschen sind tatsächlich mit Corona infiziert?

    Titien nimmt seit drei Wochen wieder Kortison, um die Symptome ihres Hirntumors in Schach zu halten. Kortison schwächt das Immunsystem, Titien ist also Teil der Risikogruppe; wir isolieren uns zu Hause so gut es geht während der Coronavirus-Pandemie.

    Doch nicht nur deshalb legen wir Wert auf Social Distancing. Wir wissen auch, dass die gemeldeten Fallzahlen die Zahl der tatsächlich infizierten Menschen weit unterschätzt. Das liegt vor allem an zwei Gründen: Es wird bei weitem nicht flächendeckend getestet, auch nicht bei Menschen die klare Symptome zeigen. Und es gibt viele Fälle, bei denen die Infektion zum Glück sehr mild verläuft. 

    Hier der Versuch einer Näherung, wie viele Menschen tatsächlich mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert sind oder waren. Ich gehe bei der Schätzung von der “Infection Fatality Ratio” (IFR) aus, also dem Anteil der Infizierten, die sterben.

    Die IFR beträgt etwa 1%, eine Person von 100 infizierten Personen stirbt an COVID-19. Die Zahl basiert auf einer noch nicht peer-reviewten Studie, die anhand von über 3000 PCR-Tests der 3700 Passagiere des Kreuzfahrtschiffs Diamond Princess die Infection Fatality Rate mit 1,2% (0,38-2,7%) bestimmt hat.

    In Deutschland sind aktuell 560 COVID-19 Todesfälle dokumentiert. Vom Zeitpunkt der Infektion bis zum Tod vergehen geschätzt zwei Wochen. Das heißt bei heute 560 Toten war die Gesamtzahl der Infizierten vor zwei Wochen in Deutschland bei:

    560/0,01=56.000

    Die Zahl der Toten verdoppelt sich etwa alle zwei bis drei Tage, also auch die Zahl der Infizierten. Konservativ geschätzt sind also in den letzten zwei Wochen vielleicht fünf Verdopplungen passiert. Also:

    56.000 x 2^5 = 1.792.000

    Menschen, die in Deutschland infiziert waren oder sind. Gut 2% der Bevölkerung. Laut Worldometer sind aktuell 63.929 Fälle gemeldet, 28 Fach weniger als meine Schätzung es vorschlägt.

    Italien ist trauriger Spitzenreiter mit aktuell 10.799 Corona-Toten. Laut meinem Modell müssten also 34,5 Millionen Menschen in Italien mit dem Virus infiziert sein. Das wären 57% der Gesamtbevölkerung.

    Die Zahl der Corona-Toten wird tragischerweise auch in Deutschland noch ansteigen. Nach meinem Modell müssten wir Mitte April 18.000 Todesfälle in Deutschland haben.

  • Ich bin Kurator bei RealScientists

    Ich bin Kurator bei RealScientists

    Auf dem Twitterkonto „@RealSci_DE“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ihrem Berufsalltag – oft angereichert mit Persönlichem. Das besondere an dem Account ist, dass wöchentlich der Kurator wechselt. Wer @RealSci_DE folgt, bekommt also abwechslungsreiche Kost aus den Laboren, von Exkursionen und aus den Büros derjenigen, die selbst in der Wissenschaft aktiv sind.

    In so fern erfüllt @RealSci_DE genau schon das, was Ministerin Karliczek in ihrem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation vergangene Woche gefordert hat:

    „Es ist daher notwendig, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den öffentlichen Diskurs einbringen, über ihre Forschungsarbeit allgemeinverständlich kommunizieren und Zusammenhänge einordnen.“

    Jedenfalls bin ich diese Woche derjenige, der das @RealSci_DE Konto kuratiert und mit mehr oder weniger zusammenhangslosen Tweets füllen wird.

    Ich habe im Vorfeld zur meinem Einsatz dort einen kleinen Interviewfragebogen ausgefüllt, den ich hier drunter eingebunden habe. Wer über @RealSci_DE hier her gefunden hat, ist herzlich eingeladen, mir natürlich auf meinem @WeiterGen Twitteraccount zu folgen, und gerne auch auch auf LinkedIn.

    Name: Tobias Maier

    Berufsbezeichnung/Stelle: Inhaltlicher Leiter Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation

    Arbeitsort/Institut: NaWik/ Karlsruhe

    Wie bist du in der Wissenschaft gelandet? Bio war in der Schule mein bestes Fach. Dann einfach vermeiden Entscheidungen zu treffen (a.k.a. alle Optionen offen halten), und schon ist man Postdoc.

    Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort? Ich habe 2008 angefangen zu Bloggen, das war mein Fuß in der Türe zur Wissenschaftskommunikation. Nach meinem Postdoc in Systembiologie wollte ich mich der Wissenschaftskommunikation hauptberuflich widmen – und das hat geklappt.

    Erzähle uns etwas über deine Arbeit! Ich gebe sehr viele Seminare für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu allen möglichen Weiterbildungsthemen. Rund um die Wissenschaftskommunikation als Dozent am NaWik, aber auch Workshops zur Karriereentwicklung und über Leadership als freier Trainer. Als inhaltlicher Leiter am NaWik bin ich für die Qualitätssicherung unserer Seminare verantwortlich und für die thematische Aus- und Weiterbildung unserer rund 20 NaWik-Dozentinnen und -Dozenten.  Ich bin außerdem für unsere E-Learning Plattform verantwortlich und in die meisten anderen Aktivitäten an unserem Institut auch irgendwie eingebunden. 

    Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren? Ich habe den Eindruck, vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist die Kommunikation mit Menschen jenseits der eigenen Fachcommunity wichtig. Sei es um zu informieren, zu unterhalten, um einen Gegenpol zu unwissenschaftlichen Stimmen online zu bilden, oder einfach, weil es als Pflicht und wichtiger Teil der eigenen Aufgaben wahrgenommen wird. Unsere Mission am NaWik ist, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu helfen, bei dieser Kommunikation besser zu werden. 

    Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten? Ich bin freiberuflich als Trainer tätig und gebe Workshops für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – hauptsächlich zu Themen wie Karriereentwicklung oder Leadership.

    Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest? Rennrad fahren, Gitarre spielen, schreiben, mechanische Uhren sammeln, klassische Musik hören, Gemüse anbauen, Sachbücher lesen. Außer Rennrad fahren liegen alle anderen aus Zeitmangel weitgehend brach.

    Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)? Früh aufstehen, mit meiner Frau Titien Tee trinken, mit dem Rennrad los, Zeit finden fürs Bloggen, mehr Zeit mit Titien verbringen. 

    Wie viel Follower hast du derzeit auf Twitter? Gut 2000

    Bild oben: Meine Twitter-Timline (Symbolbild).
    (Die Niederländischen Sprichwörter von Pieter Breughel d.Ä. – Public Domain).
  • The more the merrier – why science communication is not only for an academically trained elite

    The more the merrier – why science communication is not only for an academically trained elite

    This is a response to a comment on LinkedIn from Prof. Alexander Gerber on my video interview for the EMBL careers blog. Please go read his comment first. Otherwise my response here might not make much sense.

    Thank you for your long comment, Alexander. We are both proponents of the professionalisation of science communication. In fact, the mission of my employer, the National Institute for Science Communication (NaWik) is to help scientists to communicate better and all our activities have the aim to increase and foster their communication competences.

    The professionalisation of science communication also includes nurturing its academic discipline and translating the findings of the science of science communication into practice. Very relevant for me, there is even the science of science communication training. This recently published book has contributions from both theory and practice.

    In my opinion, professionalising science communication also means implementing an incentive-and-reward system for communicating scientist of all disciplines. It means establishing evaluation criteria for engagement activities by funders and employers. The professionalisation of science communication also includes support services, such as the science media centre.

    Alexander, the YouTube interview you are basing your comment on, is essentially the uncut version of an interview I gave for a blogpost on career alternatives for the EMBL careers blog. The EMBL is a world-leading research institute specialising in basic research in the life sciences, funded by public funds from more than 20 member states. More than 800 staff work at their headquarters in Heidelberg, probably the same number of scientists are employed at their five outstations. 

    The blogpost was essentially targeted to late stage PhD students and postdocs at EMBL who would like to get an overview of career alternatives beyond academic research. Working in science communication is perceived as one such alternative, and my interview was one example for someone who – as an EMBL alum – has made this move. 

    My personal experience with blogging for a dozen years now, the many discussions with friends and colleagues who actively communicate science – and often perform research at the same time; the feedback from the participants of almost 100 days of communication training for scientists over the past five years, as well as numerous examples and statements in books and blogs and in the scientific literature (see here for a recent one) confirm my points: 

    • Online media and the rise of science engagement events have made it very easy for scientists to start communicating science to a wider audience.
    • In addition to external reasons (to give back to society, to educate) and personal reasons (because my funder asks me to do so, to advance my career, to get feedback from others), scientists often report to simply enjoy communicating. 
    • Someone with a PhD in molecular biology does explicitly not need to graduate from a structured science communication degree programme before she can start to engage with audiences beyond her peers. 
    • The professionalisation of our field increases with more scientists with different backgrounds entering. (Please send me a link to this study listing the 600 degree programs, once published. I am happy to pass it on when asked for career advice.)
    • And yes, someone with a cell biology background and an interest in science communication can often explain better her research topic in particular and her field in general, than someone who enjoyed formal education in science communication and now needs to start understanding how cells work.

    Alexander, I believe your comment was an attempt to promote evidence-based science communication and to criticise amateurish engagement attempts by scientists without an academic background in your field (for their own protection). What your comment instead does, is to promote an elitist view of science communication, handing the prerogative to communicate science to a select few.

    Scientists of all disciplines are part of society and damn well should engage with friends, family, their communities and beyond, be it online or offline. Science literacy is low. We need voices of reason and engaged experts. Because the climate change deniers, fake news sellers, alternative medicine quacks and sugar pill believers will certainly not be deterred by your professional standards.

    Bild: George Caleb Bingham: stump speaking (Wikimedia Commons)
  • Was ist und was wir uns einbilden

    Was ist und was wir uns einbilden

    Titien ist in letzter Zeit häufiger müde als zuvor. Wir machen uns beide Sorgen, dass das ein Symptom für ein Fortschreiten der Krankheit ist, sprich dass der Tumor in ihrem Stammhirn weiter wächst.

    Alle drei Monate hat Titien einen Termin für ein Kontroll-MRT. Am Montag vergangene Woche war es wieder soweit.

    Montag, 18. September 2019

    Titien bekommt zuerst ein Kontrastmittel gespritzt, das sich spezifisch in metabolisch aktiven, also wachsenden Zellen anreichert. Dann muss sie in die Röhre. Danach können die Ärzte anhand der auf den Bildern erkennbaren Intensitätsunterschiede der betroffenen Gehirnregion beurteilen, ob der Tumor still hält oder weiter macht.

    Die Besprechung der Bilder findet immer eine Woche später statt. Meistens zusammen mit unserem Termin im Krankenhaus alle vierzehn Tage, an dem nach einem kurzen Arztgespräch normalerweise die Avastin-Therapie ansteht.

    Ich rufen immer einen Tag vorher an, um Bescheid zu geben, dass es Titien soweit gut geht, und wir den Avastin-Termin wahrnehmen können.

    Dienstag, 24. September 2019

    Titien sitzt mir gegenüber, als ich am morgens um halb acht anrufe, um unseren Termin am Mittwoch zu bestätigen. Ich versuche aus den Zwischentönen in der Stimme der Schwester am Telefon etwas über die jüngsten MRT-Ergebnisse zu erfahren und Titien versucht an meiner Mimik abzulesen, welche Zwischentöne ich höre und wie interpretiere.

    „Maier, guten Morgen, ich möchte nur kurz Bescheid geben, dass es Titien gut geht und wir morgen wie ausgemacht zu unserem Avastin-Termin kommen. Außerdem bräuchten wir einen ein paar Minuten mit der Ärztin, um die letzten MRT-Ergebnisse zu besprechen.“

    “Ja, das müssen wir auf jeden Fall machen” kommt die Antwort der Schwester am anderen Ende der Leitung.

    Mir rutscht das Herz in die Hose. Ich höre Zwischentöne: Sie geht nur auf die MRT-Ergebnisse ein und nicht auf das Avastin. Heißt das, der Tumor wächst und Titien bekommt kein Avastin mehr? Und klingt ihr Tonfall nicht so, als wäre das Gespräch auf jeden Fall notwendig, was auch drauf hindeuten würde, dass der Tumor weiter wächst?

    “Ok, alles bestens und bis morgen dann” sage ich mit freundlichem Tonfall.

    Titien schaut mich mit großen, strahlenden Augen an. Sie verstand mein “alles bestens” als Aussage zu Ihren MRT Ergebnissen.

    Im Bruchteil einer Sekunde ändert sich ihre Mimik von hoffnungsvoller Freude zu Enttäuschung und Angst als ich ihr erkläre, dass nur mit der Terminabsprache alles bestens sei, ich sonst aber nichts näher weiß.

    Wir bereiten uns mental auf Mittwoch vor. Wir haben beide den Eindruck, der Tumor wächst weiter und wir diskutieren abends, wie wir auf die Nachricht reagieren sollen und welche Optionen uns bleiben. Wir schlafen beide schlecht. Ich träume sogar von MRT-Bildern mit großen, hellen, metabolisch aktiven Stellen.

    Mittwoch, 25. September 2019

    Ich bin um viertel vor sieben wach. Ich dusche und wecke Titien. Es ist schwierig, sie in Richtung Badezimmer zu bugsieren.

    Um acht sind wir im Krankenhaus. Zuerst muss – wie eigentlich immer – Blut abgenommen werden. Ich frage mich wieso, wenn doch sowieso die Avastin-Therapie nicht fortgesetzt wird. Wir kommen zurück und werden gleich von unserer Ärztin ins Sprechzimmer mitgenommen.

    Wir sitzen da wie zwei Kaninchen vor der Schlange. Die Ärztin öffnet die dicke Mappe mit Titien Unterlagen und sagt: “Es ist alles ok. Stable disease. Kein Unterschied zum letzte Mal.”

    Die Ärztin schaut uns verwundert an, als wir beide anfangen zu weinen. Ich muss ihr erklären, dass das Tränen der Erleichterung sind. Titien war noch nie so fröhlich wie dieses Mal bei der Avastin-Therapie.

  • Was wir im August machen

    Was wir im August machen

    Es ist August, die Seminar- und Workshopsaison ist für ein paar Wochen vorbei und ich freue mich auf die gemeinsame Zeit mit Titien und auf Touren mit meinem neuen Rennrad.

    Wir haben entschieden, dieses Jahr im Sommer höchstens für ein paar Tage mit dem Auto weg zu fahren. Vielleicht nach Leipzig, Jena und Dessau, vielleicht nach Frankreich. Nach fast 60 Reisetagen bislang dieses Jahr tun mir ein paar Tage zu Hause sicher auch gut, vielleicht finde ich sogar wieder Zeit zu schreiben.

    Titien geht es weiter soweit gut. Ihr Zustand ist stabil und sie hat sogar eine Weisheitszahnoperation gut überstanden. Wir hatten Besuch ihrer besten Freundin aus Hongkong und sie hat angefangen in ihrem Blog neben ihren Gedanken auch ihre liebsten Kochrezepte vorzustellen.

    Am Samstag letzte Woche war ich für meine Arbeitgeber im Einsatz und habe in Heidelberg einen Vortrag über Wissenschaftskommunikation gegeben. Im Publikum saß auch Franziska W. Schwarz. Sie hat meine Ausführungen darüber, was es Wissenschaftlern bringt zu kommunizieren in Form einer Sketchnote festgehalten.

    Mein Kollege Philipp hat mich gefragt, ob diese Art der Dokumentation der Inhalte mehr als ästhetischen Aspekten genügt und sich dem Betrachter, der den Vortag nicht gesehen hat, der Sinn erschließt.

  • Das Ende der Avastin-Saga mit unserer Krankenkasse

    Das Ende der Avastin-Saga mit unserer Krankenkasse

    Mein Telefon vibriert in meiner Hosentasche während ich gerade vor einer Gruppe Postdocs stehe und mit ihnen die Grundlagen der Wissenschaftskommunikation erarbeite. Ich drücke den Anruf verstohlen weg und sehe später in der Pause anhand der Nummer, dass es jemand von unserer Krankenversicherung gewesen sein muss. Ich bringe den Workshop zu Ende und rufe zurück.

    Nach kurzer Wartezeit spreche ich mit einer Sachbearbeiterin. Ich nenne ihr Titiens Versichertennummer und erwähne den Anruf vom Morgen. Die Sachbearbeiterin bedankt sich für den Rückruf und  sagt, sie habe leider negative Nachrichten.

    Erneute Ablehnung der Übernahme der Avastin-Kosten

    Auch nach erneuter Prüfung unseres Einspruchs gegen die Ablehnung der Kostenübernahme der Avastin-Behandlung von Titien, sei der medizinische Dienst zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bedingungen für eine Übernahme der Kosten nicht gegeben seien. Die Krankenkasse würde sich dieser Beurteilung anschließen und unsere Bitte um Übernahme der Kosten daher endgültig ablehnen.

    Avastin ist Titiens letzte Chance. Sie hat alle zugelassen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft und auf anraten unserer Ärzte mit der Behandlung schon im März angefangen. Alle zwei Wochen sind wir seither für ein paar Stunden ambulant in der Tagesklinik. Alle zwei Wochen kostet die Behandlung 2.200 Euro. 

    Avastin ist ein Antikörper, der das einsprossen neuer Blutgefäße in den Tumor verhindert, und so das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt. Es gibt neuere klinische Studien, die zeigen, dass Avastin auch bei Glioblastomen lebensverlängernd wirkt. Aktuelle MRT-Aufnahemen von Titiens Kopf haben außerdem gezeigt, dass die Behandlung bei ihr tatsächlich anzuschlagen scheint.

    Ich kann meine Enttäuschung über die Entscheidung unserer Krankenkasse im Gespräch mit der Sachbearbeiterin nicht verstecken. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass die Behandlung bei Titien ja tatsächlich zu wirken scheint, erkläre erneut, dass der medizinische Dienst aktuelle Studienergebnisse nicht berücksichtig hat und frage am Telefon, wie es mit den ethischen Grundsätzen der Krankenkasse vereinbar sei, einer achtunddreißigjährigen Krebspatientin im Endstadium die Erstattung einer belegbar wirksamen Therapie zu versagen.

    Die Sachbearbeiterin notiert meine Anmerkungen  und bedankt sich erneut für meinen Rückruf. Ich bitte sie, mir die endgültige Ablehnung  auf dem Postweg zu schicken, so dass wir unsere Klage vor dem Sozialgericht vorbereiten können. Als ob es in unserer aktuellen Situation nichts wichtigeres gäbe.

    Eine unerwartete Wendung

    Ein paar Tage später, an einem Freitag Abend, finde ich einen Brief der Krankenkasse im Briefkasten. Er ist deutlich dünner als ich erwartet habe und enthält nur eine Seite. In dem Schreiben steht:

    Betreff: Genehmigung für ein Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikation

    Guten Tag Frau Maier,

    Vielen Dank für das Gespräch mit Ihrem Ehemann.

    Unter Berücksichtigung der sozialmedizinischen Aspekte – bewilligen wir in diesem Einzelfall den Antrag auf die Anwendung von Avastin bei Ihnen. 

    Ich muss den Brief dreimal lesen, um zu verstehen, was das bedeutet. Die Kasse übernimmt rückwirkend zum Zeitpunkt als wir den Antrag gestellt haben und auch in Zukunft die Kosten, die uns durch die Avastin-Behandlung entstehen. Es ist Wochenende und wir haben einen Grund zu feiern.

    Bild oben: Landschaft mit dem jungen Tobias. Jan Brueghel d.Ä. Aufgenommen in der Albertina in Wien.
  • Im Hier und Jetzt angekommen

    Im Hier und Jetzt angekommen

    Heute ist der 05. April 2019. Ich bin mit den Artikeln zu Titiens Hirntumor und wie wir damit umgehen inzwischen im Hier und Jetzt angekommen. Ich habe in den letzen drei Monaten die vergangenen gut zwei Jahre im Zeitraffer zusammengefasst und in 20 Artikel gepackt.

    Ich werde hier weiter über Titien, mich, ihre Krankheit und darüber wie wir damit umgehen schreiben. Zu den bisherigen Artikeln gab es ja ab und zu Rückmeldungen von Lesern in Form von Kommentaren. Ich freue mich immer sehr darüber. Von Freunden kommt die Rückmeldung, dass sie das Blog nutzen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben und deshalb nicht ständig anrufen zu müssen und zu fragen, wie es uns geht. Schön, wenn es auch diesen Zweck erfüllt.

    Heute morgen geht es Titien übrigens gut! Wir haben wie immer zusammen gefrühstückt. Es gab Müsli und schwarzen Tee. Nachher ist das erste Symposium für kommunizierende Wissenschaftler bei uns am NaWik. Ich bin außerplanmäßig doch gleich morgens mit meinem Vortrag dran.

    Heute ist außerdem unser Hochzeitstag. Wir haben das Wochenende um uns zu feiern! Das Video hier drunter ist zwei Jahre alt. Titien übt ihren neuen Nachnamen. Mit Karlsruher Baustellenhintergrund.

    Titien hat in ihrem Blog noch mehr zu den vergangenen zwei Jahren geschrieben. Ich glaube, sie publiziert nachher gleich noch einen Artikel über uns.