Schlagwort: Nobelpreis

  • Wer es sich leisten kann. Randy Schekman gegen den Impact Factor und über Open-Access-Publishing

    Heute findet die diesjährige Preisverleihung der Nobelpreise statt. Ab kurz vor eins sollte hier der die Liveübertragung der Vergabe des Friedensnobelpreises in Oslo zu sehen sein und ab zwanzig nach vier sollten dann auch die Naturwissenschaftler in Stockholm ihre Medaillen und Urkunden entgegen nehmen dürfen.

    Einer der diesjährigen Preisträger ist Randy Schekman, der zusammen mit James Rothman und Thomas Südhof den Preis für Physiologie und Medizin bekommt, und zwar für die Aufklärung der zellulären Sekretionswege und Vesikeltransport. Auf Englisch heißt das so:
    „for their discoveries of machinery regulating vesicle traffic, a major transport system in our cells.

    Hier ist der Link zu Scheckmans 54 minütigem Vortrag den er am 7.12. am Karolinska-Institut hielt. Für diejenigen, die sich näher mit der Thematik befassen wollen oder einen historischen Überblick über das Feld bekommen möchten.
    Wissenschaftler stehen ja nur selten im öffentlichen Rampenlicht. Die Verleihung der Nobelpreise ist jedoch eine der Ausnahmen und Randy Schekman nutzt die momentane Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, um in einem Artikel im Guardian Open Access zu propagieren und explizit die von ihm so gekannten Luxusmagazine Cell, Nature und Science, sowie den Impact Factor im Allgemeinen zu kritisieren. Insbesondere geht es ihm um den negativen Einfluss, den die hochselektiven Magazine auf den generellen Wissenschaftsbetrieb haben:

    Luxury-journal editors […] accept papers that will make waves because they explore sexy subjects or make challenging claims. This influences the science that scientists do. It builds bubbles in fashionable fields where researchers can make the bold claims these journals want, while discouraging other important work […].

    Scheckman erklärt weiter, wie Open-Access Magazine (wie das von ihm co-herausgegebene eLife Journal) den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Literatur erlauben und unter Einhaltung aller notwendigen Qualitätskriterien fairer publizieren, da sie eine größere Anzahl an Artikeln veröffentlichen können als die Luxusmagazine und nicht auf Abonnenteneinnahmen angewiesen sind.
    Obwohl aktuell bereits etwa 20% der biomedizinischen Fachliteratur frei zugänglich sind, vollzieht sich der Kurswechsel hin zu offenen Modellen zu langsam – und stößt an Grenzen.  Ein Artikel in einem „Luxusmagazin“ wird in den Köpfen der Wissenschaftler immer noch mit hoher Qualität gleichgesetzt. Einer aktuellen Umfrage der Nature Publishing Group zur Folge, sind es demnach  immer noch das Prestige des Magazins, sowie der Impactfaktor, die neben der fachlichen Relevanz entscheiden, an welches Magazin das eigene Manuskript geschickt wird.
    Weiter werden in den Auswahlkriterien der Forschungfinanzierer und der Berufungskommissionen viel Wert auf Publikationen in Luxusmagazinen gelegt. Ein Erstautorenpaper in Cell, Nature oder Science ist in meiner Erfahrung immer noch fast so etwas wie eine Garantie für das berufliche Weiterkommen auf der akademischen Karriereleiter. Es zählt der Name mehr als die Inhalte.
    Es ist daher leider immer noch eine Luxusposition, die der Nobelpreisträger Schekman einnimmt, wenn er sagt, dass sein Labor die Luxusmagazine boykottiere und seine Mitarbeiter ihre Manuskripte woanders einreichen würden. Es ist eine Luxusposition, die ihm nach 46 eigenen Artikeln in Cell, Nature und Science nichts mehr anhaben wird, die einigen Postdocs in seinem Labor aber die Karriere kosten kann.

  • Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Google feiert die Geburtstage einflussreicher Persönlichkeiten und wichtige Jahrestage in dem sie ihr Logo thematisch anpassen. Ein sogenanntes Google-Doodle wurde vorgestern Rosalind Franklin zu teil. Wer war Rosalind Franklin?
    Sie war eine Strukturbiologin bevor der Begriff überhaupt erfunden war. Sie hat an der Entdeckung der Struktur der DNA entscheidend mitgearbeitet und ihr ist dennoch akademische Anerkennung, vergleichbar mit der von Francis Crick und James Watson, versagt geblieben.
    Rosalind Franklin. Quelle: Wikipedia
    Die Geschichte von Rosalind Franklin ist sehr gut recherchiert, von etlichen Briefen und Aufzeichnungen gestützt und daher recht einfach nachzuerzählen. Sie gibt einen ungewöhnlich detaillieren Einblick in den damaligen akademischen Alltag mit erfolgreichen Kooperationen und persönlichen Antipathien, genialen Momenten, Managementfehlern und der unautorisierten Nutzung der Daten Dritter.
    Ähnliches spielt sich auch heute noch in den Laboren ab, wenn auch die Entdeckungen oftmals weit weniger bahnbrechend sind als die Aufklärung der Struktur der DNA.
    Franklin begann 1951 am MRC in London als wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung Biophysik von John Randall zu arbeiten. Randall gab ihr ein Projekt zur Untersuchung von DNA durch Röntgenstrukturanalyse, einer Methode mit der sie Erfahrung hatte.
    Bislang hatte Maurice Wilkins und sein Doktorand Raymond Gosling an dem Projekt gearbeitet – mit erfolgsversprechenden, jedoch zu ungenauen Ergebnissen. Während Wikins im Urlaub war, wurde Franklin das Projekt (und die Aufsicht über den Doktoranden Gosling) komplett übertragen – allerdings ohne Wilkins rechtzeitig und adäquat davon zu unterrichten.
    Dieser klare Kommunikationsfehler von Randall war der Auslöser für Reibereien zwischen den Kollegen Wilkins und Franklin. Die Charaktere beider Forscher – Wilkins scheu und bedacht, Franklin ungeduldig und direkt – tat ihr übriges um das Verhältnis beider Forschern weiter zu belasten.
    Neben den technischen Aspekten der Röntgenstrukturanalyse, die Franklin ohne Zweifel beherrschte, war die größte Herausforderung die richtige Interpretation der Daten. Watson, Crick, sowie Linus Pauling vermuteten, dass DNA helikal vorlag, jedoch hatten deren Modelle Fehler, die erst durch die Arbeit von Franklin an DNA mit unterschiedlich starker Hydratation und durch ihre hervorragenden Beugungsaufnahmen der DNA erkannt werden konnten.
    Am 30. Januar 1953 reiste Watson ans MRC, um Wilkins eine Kooperation vorzuschlagen. Er wollte mit vereinten Kräften Linus Pauling bei der Lösung der Struktur der DNA zuvor zu kommen. Wilkins war nicht in seinem Büro und Watson traf auf Franklin, die ihm klar zu verstehen gab, dass sie alleine in der Lage sei, ihre Daten zu interpretieren und nicht auf die Kooperation angewiesen wäre.
    Beugungsaufnahme 51 (Quelle: Wikipedia)
    Der vor den Kopf gestoßene Watson traf sich am selben Tag dennoch mit Wilkins, der ihm im Rahmen der geplanten Kooperation eine Beugungsaufnahme Franklins zeigte – ohne deren Wissen oder Zustimmung.
    Diese Aufnahme 51 war der Schlüssel zum Verständnis der DNA Struktur. Es war keine einfache Helix, wie von Pauling postuliert, es waren keine drei umeinander geschlungene Fasern, wie Watson und Crick dachten, sondern zwei Stränge, die eine Doppelhelix bildeten.
    Fünf Wochen nach dem verhängnisvollen Meeting am MRC in London hatten Watson und Crick die DNA-Struktur gelöst. Sie publizierten ihr Doppelhelixmodell in Nature am 25. April 1953. Franklin war inzwischen ans Birbeck College in London gewechselt. Randall, ihr alter Chef, legte großen Wert darauf, dass ihre Daten zur DNA-Struktur am MRC verblieben.
    Obwohl die Daten von Franklin nach Aussagen von Francis Crick entscheidend für die Aufklärung der DNA Struktur waren, wurde ihr keine eigentliche Autorschaft auf dem Paper zu Teil. Sie wurde in einem Nebensatz gegen Ende des Briefs an Nature erwähnt:

    We have also been stimulated by a knowledge of the general nature of the unpublished experimental results and ideas of Dr. M. H. F. Wilkins and Dr. R. E. Franklin and their coworkers at Kings College, London.

    Wenn man den historischen Aufzeichnungen glauben kann, war Franklin auch nach der Publikation des Artikels von Watson und Crick nicht von der vorgeschlagenen Struktur überzeugt. Sie vermisste stichhaltige, experimentelle Daten, die das Modell stützten.
    Neun Jahre später war die Doppelhelixstruktur wissenschaftlich etabliert und Watson, Crick und Wilkins bekamen 1962 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Entdeckung der Struktur der DNA.
    Franklin freilich ging leer aus. Sie war bereits 1958 mit 37 Jahren an Krebs gestorben.

  • Ein Nachruf auf Christian de Duve

    Ein Nachruf auf Christian de Duve

    Vergangenen Samstag ist Christian de Duve im Alter von 95 Jahren gestorben. Er war ein Pionier der Zellbiologie. De Duve hat bei Experimenten zur Aktivität von Enzymen in Zellextrakten zufällig die Lysosomen und die Peroxysomen entdeckt. Beides sind Zellkompartimente, die bei Abbaureaktionen eine zentrale Rolle spielen und die sich durch geeignete Zentrifugationsmethoden aus Zellextrakten isolieren lassen. Er hat einen epochalen Beitrag zum Verständnis des Aufbaus und der Struktur der eukaryontischen Zelle geleistet, also auch von menschlichen Körperzellen. Er ist dafür 1974 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden.
    De Duves Entdeckungen erleben aktuell eine Renaissance durch die Aufklärung der molekularen Mechanismen und Wirkungsweisen der Autophagie, also eines zellulären Selbstreinigungsmechanismus, bei dem das Lysosom eine zentrale Rolle spielt. Das de-Duve-Institut in Brüssel hat anlässlich seines neunzigsten Geburtstags einen Artikel abgedruckt, der sein Leben und Wirken gut zusammenfasst (pdf).
    Ich habe de Duve 2011, also mit 93 Jahren, in Lindau beim Nobelpreisträgertreffen als Redner erlebt. Meine Mitschrift seines Vortrags von damals gebe ich hier leicht verändert wieder. De Duves Vortrag handelte nicht von seiner außerordentlichen Leistung als Forscher. Er präsentierte ein Sieben-Punkte-Programm zur Rettung der Welt. Er war der einzige Laureat, der mit Standing Ovations bedacht wurde.
    De Duve nutze seinen Gehstock an Stelle eines Laserpointers um auf Details seiner insgesamt vier Folien umfassenden Präsentation hinzuweisen. Das war egal, sein Vortag war einfach zu verstehen, seine Botschaft war klar: Was macht uns Menschen anders und was müssen wir tun, um weiter existieren zu können?
    Er zeigte auf, wie erfolgreich der Mensch ist. Mit gerade mal dem Vierfachen an Gehirnmasse eines Schimpansen beherrschen wir die Welt mit der Folge, dass wir sie heillos überbevölkern. Über sechs Milliarden von uns leben derzeit auf der Erde, mit einem rasanten Anstieg in den letzten 200 Jahren. Die Überbevölkerung geht mit Problemen einher:

    • Die Rohstoffresourcen gehen zur Neige
    • Die Biodiversität geht zurück
    • Wälder gehen zurück und Wüsten breiten sich aus
    • Der Klimawandel
    • Die Energiekrise
    • Umweltverschmutzung
    • Übervolle Ballungsräume
    • Konflikte und Krieg.

    De Duve mahnte nicht nur, er bot Lösungsvorschläge an. Ein Sieben-Punkte-Programm zur Rettung der Welt mit ansteigender Wahrscheinlichkeit, dass die Vorschläge zur Lösung der Probleme beitragen:

    1. Nichts tun. Laut de Duve keine Lösung, wir sollten unser Schicksal nicht den Darwinschen Mechanismen überlassen.
    2. Menschen genetisch optimieren. Derzeit keine Option, da dies zum einen ein ethisches Dilemma aufwirft und zum anderen technisch nicht realisierbar ist.
    3. Die Plastizität des Gehirns ausnützen und neu “verdrahten”. Das dadurch bessere Menschen geschaffen werden ist unwahrscheinlich, technisch jedoch möglicherweise machbar.
    4. Die Religionen aufrufen zum Wandel beizutragen. De Duve sieht hier großes Potential. Es gebe immerhin rund eine Milliarde Katholiken, das Wort der Religionsführer hätte Gewicht. Er mahnte, Religionen sollten sich weniger mit dem Leben nach dem Tod beschäftigen als damit, was jetzt aktuell auf der Erde passiert. Zwischenapplaus aus dem Publikum.
    5. Umweltschutz. Er betonte, es sei wichtig, die Umwelt nicht zu verschmutzen, kritisierte jedoch gleichzeitig, dass die Umweltbewegung religiöse Züge trüge mit der Natur als der heiligen Kuh. De Duve ist anderer Meinung: Nature is not good, nature is not bad, nature is indifferent.
    6. Chancengleichheit für Frauen. De Duve betonte, er habe keine feministische Agenda, jedoch seien Frauen gesellschaftlich benachteiligt und das müsse sich ändern. Er stellte Wichtigkeit der Frauen auf die frühkindliche Erziehung heraus. Auch dieser Punkt wurde mit Zwischenapplaus bedacht.
    7. Bevölkerungskontrolle. “Wir sind zu viele Menschen auf der Erde, also muss die Zahl verringert werden. Er wog ab, wie das zu erreichen sei, der zivilisiertere Weg wäre Geburtenkontrolle anstatt Menschen zu töten. Da kann man ihm nur beipflichten.

    Wir werden alle das Phänomen kennen, mit zunehmendem Alter eine andere Perspektive auf die Zeit zu bekommen. Als Kleinkind hat man kein Konzept für Zeit. In der Grundschule dauern Wochen Monate und die Sommerferien scheinen endlos. Später wird in Semestern gedacht, dann in Jahren und die Zeit scheint zu verfliegen. Ich kann mir gut vorstellen, das man mit 93 wieder einen anderen Blickwinkel auf die Zeit hat. Einen noch größeren Rahmen. De Duve ist ein alter Mann, er wirkte jedoch weise.
    De Duve hat in Belgien im Kreis seiner Familie Sterbehilfe in Anspruch genommen. Dort ist das legal. In Deutschland hingegen klafft hier eine gesetzliche Lücke, die Oliver Tolmein in seinem Biopolitik Blog der FAZ über Jahre dokumentiert und mit konservativem Tenor kommentiert hat. Das Blog ist leider inzwischen geschlossen.

  • Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Was viele nicht wissen, die nicht direkt im akademischen Wissenschaftsbetrieb arbeiten: Die Europäische Komission spielt eine wichtige Rolle bei der Forschungsfinanzierung. Seit den 1980er Jahren fördert die EU Wissenschaft und Technologie in Rahmenprogrammen, die jeweils über mehrere Jahre laufen. Aktuell befinden wir uns im FP7 (Framework Programme 7), das von 2007-2013 läuft.

    Insgesamt wird in diesem Zeitrahmen ein Budget von über 50 Milliarden Euro verwaltet und verteilt. Zwei Drittel des Geldes werden in kooperative Wissenschaftsprojekte aller Sparten investiert. Weitere rund 15% werden vom European Research Council direkt an exzellente Forscher vergeben. Ein Teil davon sind die sehr prestigeträchtigen ERC-Grants.

    Aktuell wird in Straßburg über das Budget der Europäischen Komission für das achte Rahmenprogramm (Horizon 2020) verhandelt. Insgesamt ist für die Wissenschafts- und Technologieförderung für den Zeitraum bis 2020 rund 80 Milliarden Euro veranschlagt. Das übersteigt das Budget des Bundesministeriums für Bildung un Forschung. Allerdings ist die Genehmigung dieser Summer ob der klammen Haushaltslage einiger Mitgliedsstaaten keinesfalls sicher.

    Die Erhöhung des Budgets auf 80 Milliarden macht aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise Sinn. Die nationale Wissenschafts- und Technologieförderung ist traditionell einer der ersten Sektoren bei denen eingespart wird, da erstens keine sofortigen Gewinne aus Investitionen zu erwarten sind, zweitens Forschung einfach teuer ist und drittens Wissenschaftler leider keine große Lobby haben, um politischen Druck auszuüben. Wenn Landwirte drohen, mit Traktoren nach Brüssel zu fahren um ihre Subventionen zu verteidigen, zeigt das Wirkung. Wenn Wissenschaftler die Pipette aus Protest niederlegen interessiert das kein Schwein.

    Heute haben über 40 Nobelpreisträger, darunter die Deutschen Werner Arber, Günter Blobel, Johann Deisenhofer, Richard Ernst (Schweiz), Gerhard Ertl, Robert Huber, Klaus von Klitzing, Erwin Neher, Christinane Nüsslein Volhard, Heinrich Rohrer (Schweiz), Bert Sakman, Rolf Zinkernagel und Harald zur Hausen eine Protestnote unterschrieben, die sich gegen geplante Budgetkürzungen richtet. Der offene Brief wurde heute in Zahlreichen Tageszeitungen in Europa abgedruckt, darunter offenbar auch die FAZ. Ich finde ihn derzeit leider nicht online im Originallaut. Hier ist der Link zum Aufruf in der FAZ.

    Was aber jeder, ob mit oder ohne Nobelpreis tun kann, ist die heute gestartete Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets zu unterschreiben: http://www.no-cuts-on-research.eu/.

    Die Petition wurde von der initiative for science in Europe heute iniziiert und wird von führenden Wissenschaftlern unterstützt. Derzeit hat die Petition gut 10 000 Unterschriften.

    Verwandte Artikel im Blog:
    Bild oben von Open Consortium.
  • EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    Ich bin wirklich überrascht, so viele negative Kommentare zu dem Friedensnobelpreis für die EU zu lesen. Der Preis wurde für die Förderung des Friedens und der Versöhnung, der Demokratie und Menschenrechte in Europa vergeben. Was ist denn daran falsch? Aber ich verstehe schon, es ist natürlich einfacher auf die EU zu schimpfen, als selbstgemachte Finanzkrisen in den Griff zu bekommen.

    Eines der Hauptargumente der EU-Befürworter ist ja, dass in der EU seit 60 Jahren Frieden herrscht. In historischen Dimensionen offenbar eine lange Zeitspanne. Ich habe dazu gerade nach genaueren Informationen gesucht – die Liste mit europäischen Konflikten auf Wikipedia ist lang. Und es sind auch viele seit Ende des zweiten Weltkriegs dabei.

    Die Liste ist natürlich wichtig und sicher auch komplett, aber anschaulicher wäre eine Infografik, in der die europäischen Konflikte (vielleicht auch nur die Kriege) dargestellt wären. Letzte Woche habe ich hier ein paar tolle Infografiken vorgestellt, warum also nicht eine für die Kriege in Europa anfertigen? Ich habe eine Idee: Ich biete 100 Euro für die beste Infografik zum Thema historische Konflikte in Europa. Einzige Bedingung: Sie muss mit D3 angefertigt werden. Schon Hans Rosling meinte in einem seiner Talks: If you know how to programme Java Script and D3 you will have a job in the future.

    Ich stelle schon mal eine unabhängige Jury für die Wahl zusammen. Eventuell Peter Vanhee von Open Consortium und Tapio Nurminen von Flo Apps. Wer zu den 100 Euro noch was besteuern möchte, kann sich natürlich auch gerne bei mir melden. Einsendeschluss ist der 13. November.

     Das „Cartogramm“ oben stammt von hier.

     
     

  • Ziemlich lächerlich. John Gurdons Zeugnis im Wortlaut

    John Gurdon, Nobelpreisträger 2012 für Medizin und Physiologie zusammen mit Shin’ya Yamanaka, war offenbar nicht besonders gut in der Schule. Hier ein Ausschnitt aus seinem Zeugnis als er 16 Jahre alt war. Sein Biologielehrer hatte wenig Hoffnung.

    Besonders schön, wie ich finde: …several times he has been in trouble, because he will not listen, but will insist on doing his work in his own way.

  • Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Wissenschaftskommunikation hat häufig ein Wahrnehmungsproblem, denn oft interessiert keine Sau, was da wieder publiziert wurde. Versteht ja sowieso keiner. Nur einmal im Jahr, bei der Vergabe der Nobelpreise sind sich alle einig: Da ist ja wirklich mal was Tolles erforscht worden! Muss ja, sonst gäbe es keinen Preis dafür. Wissenschaftsredaktionen mühen sich – geleitet von den knappen Pressemitteilung der schwedischen Akademie der Wissenschaften (Physik, Chemie) oder dem Nobelgremium des Karolinskainstituts (Physiologie und Medizin) – den Nutzen für die Medizin oder die Technik aus jahrzehntelanger und zum Teil jahrzehntealter Forschung heraus zu destillieren und möglichst schnell die frohe Kunde weiter zu verbreiten: Wieder sind zwei Forscher ausgezeichnet worden. Und einer war tatsächlich im Labor als der Anruf aus Stockholm kam (Gurdon am Montag).

    Bemerkenswerter als die heutige Auszeichnung der beiden US-amerikanischen Forscher Robert Lefkowitz und Brian Kobilka für die Entdeckung und Erforschung der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist, dass bis gestern kaum jemand von deren wissenschaftlichen Errungenschaften gehört hat, oder deren Bedeutung einordnen konnte. Ist aber auch egal, denn spätestens zwei Wochen nach der Vergabe der Nobelpreise ist auch schon wieder vergessen, wer da warum in Stockholm ausgezeichet wurde. Oder kann sich noch jemand hier ad hoc daran erinnern, wer letztes Jahr die Nobelpreise für Medizin, Physik und Chemie erhielt?

    Wie zwölf mal in den letzen 15 Jahren gingen auch dieses Jahr beide Preise, für Medizin/ Physiologie und für Chemie, an Forscher, die sich mit molekularbiologischen Themen auseinandersetzen. Grundbegriffe aus der Molekularbiologie sollten also bekannt sein, vor allem wenn man über die Nobelpreise schreibt. Muss der diese Woche neu auf Deutsch (aber in altbackenem Design und ohne RSS feed) gestartete New Scientist dann tatsächlich noch von „Signal-Eiweißen“ sprechen? Es sind Proteine! Spiegel Online erklärt GPCRs so: „Die beiden Forscher erhalten den Preis für die Entdeckung von Rezeptoren in der Zellwand, die wichtige Signale von außen in die Zelle leiten„. Zellwand? Die Proteine sitzen in der Zellmembran.

    Reiner Korbmann greift in seinem Blog „Wissenschaft kommuniziert“ die Frage auf, ob die Wissenschaft am Rande der Informationsgesellschaft stehen bleibe, da die Kommunikation nicht funktioniert. Er fasst das Ergebnis einer Tagung zu diesem Thema so zusammen: „Wir [die Kommunikatoren] müssen die Wissenschaftler dazu bringen, über die Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und nachzudenken.

    Und dann?

    Ich habe eine andere Theorie: Wissenschaftskommunikation muss das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen und anfangen sich damit zu beschäftigen, was Wissenschaftler tatsächlich erforschen – um dann in Masse und Klasse darüber berichten. Wissenschaft im Dialog listet Studienangebote für Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. Wie viele der dort Eingeschriebenen haben ein Blog? Wie viele Doktoranden sitzen in den Laboren und wissen nicht, was sie nach der Promotion wirklich machen möchten? Schon mal daran gedacht über Wissenschaft zu schreiben? Es ist wirklich einfach anzufangen. Es gibt Anleitungen für gute Blogposts. Und es gibt hier gesammelt 150 persönliche Statements wie man dazu kommt „Science Writer“ zu werden. Ein Beruf, den es so im Deutschen übrigens gar nicht gibt. Brauchen wir wirklich Crowdfunding für Wissenschaftsprojekte, oder vielleicht einfach einen Fonds, aus dem guter Wissenschaftsjournalismus bezahlt wird?

    Für eine wissenschaftliche Alphabetisierung der Gesellschaft!

    Bild via I fucking love science
  • Warum Ian Wilmut für das Klonschaf Dolly keinen Nobelpreis bekommt

    Warum Ian Wilmut für das Klonschaf Dolly keinen Nobelpreis bekommt

    Die Vergabe der Nobelpreise in den naturwissenschaftlichen Disziplinen haben selten politische Tragweite, verglichen beispielsweise mit dem Friedensnobelpreis. Barak Obama erhielt diesen 2009, nachdem er erst kurz im Amt war. Wahrscheinlich hatte er dadurch noch nicht ausreichend Zeit sich als Kandidat zu disqualifizieren. Obama selbst meinte, er habe den Preis nicht verdient. Oder Yasser Arafats Friedensnobelpreis 1994. Oder der für Al Gore 2007.
    Das heißt natürlich nicht, dass die Nobelpreise in den Naturwissenschaften frei jeglicher politischen Dimension wären. Häufiger als die gewürdigten Wissenschaftler selbst, sind es aber eben jene, die unverständlicherweise leer ausgehen. 2009 erhielten Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi eine Hälfte des Medizinnobelpreises für die Entdeckung des AIDS-Erregers. Die Tatsache, dass Luc Montagnier auf dem besten Weg ist zur Galionsfigur der Pseudowissenschaften zu werden, ist das eine. Wieso aber Robert Gallo, einer der Mitentdecker des HI-Virus, nicht gewürdigt wurde, bleibt das Geheimnis des Nobelkomitees des Karolinskainstituts, das den Preis für Physiologie und Medizin vergibt.
    Die diesjährige Vergabe des Nobelpreises weist vermeintliche Parallelen zu dem Fall Gallo auf. Neben Shin’ya Yamanaka, dem Erfinder der Reprogrammierung von Körperzellen zu iPS Zellen, wurde John Gurdon gewürdigt. Zunächst hat Gurdon mit der Reprogrammierung von Zellen durch Transkriptionsfaktoren, wie sie Yamanaka gelungen ist, wenig zu tun. Er ist der Vater von inzwischen klassischen Experimenten, bei denen einer entkernten Eizelle der Zellkern einer Körperzelle eingesetzt wird. Wenn diese Zellchimären sich anfangen zu teilen, können die so generierten Embryonen zu lebensfähigen Tieren heranwachsen. Die gesamte Information, die zur Entwicklung notwendig ist, ist also auch in adulten Zellen noch vorhanden. Gurdon führte diese Experimente mit Froscheiern durch.
    Bekannter sind jedoch die analogen Versuche an Säugetieren, die erst Jahrzehnte später gelangen: Mit dieser Technik wurde am Roslin-Insititut in Edinburgh 1996 das erste „Klonschaf Dolly“ hergestellt. Warum also ist nicht auch Ian Wilmut, der „Vater von Dolly“ mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden? Immerhin erlauben es die Nobelpreisstatuten, dass sich bis zu drei Wissenschaftler einen Preis teilen. Nun, der tatsächliche Beitrag von Wilmut zu den Zellkerntransferexperimenten aus denen letztlich Dolly resultierte, ist umstritten und inzwischen wird Wilmuts Kollege, der weitgehend unbekannte Keith Campbell als geistiger Vater von Dolly angesehen. Der Streit eskalierte bis hin zur öffentlichen Forderung, dass Ian Wilmut die von der Queen verliehene Ritterwürde wieder abgenommen wird.
    Wäre also auch der Kerntransfer in Säugetieren nobelpreiswürdig gewesen, hätte Keith Campbell die Ehre gebührt und nicht Ian Wilmut. Ich hätte es Campbell gegönnt, sozusagen als Wiedergutmachung. Solche Argumente scheinen jedoch in Stockholm nicht zu zählen.

  • Die biologische Uhr zurück drehen. Nobelpreis für die Reprogrammierung von Stammzellen

    Die biologische Uhr zurück drehen. Nobelpreis für die Reprogrammierung von Stammzellen

    Es gibt über 200 verschiedene Zelletypen im menschlichen Körper. Hautzellen, rote Blutkörperchen, Nervenzellen, Darmepithelzellen, Herzmuskelzellen, und so weiter. Vier Tage nach Befruchtung fangen die Zelltypen an, sich zu differenzieren, nach zwei Wochen sind Ectoderm, Mesoderm, Endoderm und die Geschlechtszellen angelegt, zwei Monate nach der Befruchtung sind die unterschiedlichen Zelltypen größtenteils ausdifferenziert. Lange wurde angenommen, dass dieser zelluläre Entwicklungsprozess einer Einbahnstraße gleicht, der mit pluripotenten Zellen beginnt, Zellen also, die das Potential haben, sich in viele verschiedene Zelltypen zu differenzieren, und in unipotenten, ausdifferenzierten Zellen mit einer definierten Funktion endet.
    Erst vor ein paar Jahren gelang es Shin’ya Yamanaka diesen Prozess der Ausdifferenzierung umzukehren. Er konnte Bindegewebszellen von Mäusen in Labor durch Gabe bestimmter Transkriptionsfaktoren (sie heißen Oct3/4, Sox2, Klf4 und c-Myc) in einen Zustand überführen, in dem die Zellen sich erstaunlicherweise wieder in andere Zelltypen ausdifferenzieren liesen. Die biologische Uhr der Differenzierung wurde sozusagen zurück gedreht. Die so geschaffenen Zellen wurden induzierte pluripotente Stammzellen, oder iPS-Zellen getauft.
    Diese erstaunlichen Ergebnisse wurden inzwischen von vielen Laboren bestätigt und erweitert. Es werden immer weitere Möglichkeiten entdeckt, differenzierte Zelltypen in deren Vorläuferzellen zurück zu verwandeln oder bestimmte Zelltypen ineinander umzuwandeln. Die Methoden werden verfeinert und Stück für Stück werden so die molekularen Grundlagen der Zellentwicklung aufgedeckt.
    Hoffnungen für den therapeutischen Nutzen von iPS-Zellen werden ebenfalls an die induzierten pluripotenten Stammzellen geknüpft. Beispielsweise wäre es denkbar, körpereigene Haut für Brandopfer oder neue Herzmuskelzellen für Infarktpatienten aus iPS Zellen herzustellen. Nicht zuletzt wurde die Entdeckung der Reprogrammierung von Gegnern der Forschung an embryonalen Stammzellen als ein Argument ins Feld geführt, dass man auf richtige Stammzellen nun ja in der Forschung verzichten könne. Experten sind anderer Meinung.
    Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie und Medizin wurde zurecht an Shin’ya Yamanaka verliehen. Seine Forschung steht für einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel mit noch unabsehbaren Konsequenzen, inklusive therapeutischer Anwendungen. Zum zweiten Preisträger dieses Jahr, John Gurdon, mehr heute Nachmittag.
    Die Abbildung oben stammt aus einem Vortrag von Konrad Hochedlinger.

  • Ich blogge vom Nobelpreistägertreffen

    Ich bin dieses Jahr zum zweiten Mal zum Nobelpreisträgertreffen nach Lindau eingeladen. Ich werde dieses Jahr von dem Treffen auf dem Lindaunobelblog der Scilogs berichten, zusammen mit Beatrice Lugger, Lars Fischer und Marcus Jahnel.
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