Schlagwort: DNA

  • Titiens erste Therapie: Bestrahlen, Temozolomid, Dexamethason

    Titiens erste Therapie: Bestrahlen, Temozolomid, Dexamethason

    Die Stammhirnbiopsie führte zum Anschwellen des Gehirns. Dem wurde mit der Gabe von Dexamethason begegnet. Dexamethason ist ein Cortisonderivat, das oral eingenommen wird und die Blut-Hirn-Schranke gut überwindet.

    Titiens Speichelfluss musste nach der Operation unterdrückt werden, da sie nicht mehr schlucken konnte. Hierfür wurden Scopolamin-Pflaster jeweils hinter den Ohren, also über den Speicheldrüsen angebracht.

    Direkt am Tag nach der Aufnahme im Krankenhaus in Karlsruhe soll ihre Strahlentherapie beginnen. Geplant sind 30 Zyklen mit jeweils 1,8 Gray Dosis. Jeden Werktag. Zuerst findet ein Planungs-CT statt, dann wird eine Maske aus einem selbstaushärtenden Kunststoffnetz hergestellt, die ihren Kopf während der Bestrahlung in Position hält.

    Titien mit Maske vor der Bestrahlung.

    Die Strahlen zerstören die DNA in den Zellen. Idealerweise werden fast nur Tumorzellen getroffen und das gesunde Gewebe wird bis auf einen Sicherheitssaum verschont. Bei der ersten Bestrahlung muss sich Titien übergeben. Nicht aufgrund der Strahlenbelastung, sondern aus Angst.

    Nachdem Sie wieder schlucken gelernt hat, fängt parallel zu den Bestrahlungen die erste Chemotherapie an. Sie bekommt Temozolomid in Tablettenform. Fünf Tage lang, dann drei Wochen Pause. Dann wieder fünf Tage Temozolomid.

    Temozolomid hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber vielen anderen Chemotherapeutika: Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke, gelangt also dahin wo es wirken soll. Temozolomid methyliert die DNA und führt so zu Fehlern in der Replikation sich aktiv teilender (Tumor)-zellen, die in der Folge absterben.

    Diese Kombinationstherapie aus Bestrahlungen und Temozolomid ist seit gut zehn Jahren der Standard bei Glioblastomen. Es gibt einige neuere therapeutische Ansätze zur Behandlung. Darum soll es in einem anderen Artikel gehen.

    Parallel schluckt sie weiter Dexamethason. Hochdosiert. Bis zu 20 mg pro Tag. Die Folgen sind Wassereinlagerungen in Gesicht und Körper. Sie entwickelt ein veritables Cushing-Syndrom.

    Das Gesicht wird runder dank hochdosiertem Kortison.
  • Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Warum Rosalind Franklin nicht die Anerkennung zu Teil wurde, die sie verdiente

    Google feiert die Geburtstage einflussreicher Persönlichkeiten und wichtige Jahrestage in dem sie ihr Logo thematisch anpassen. Ein sogenanntes Google-Doodle wurde vorgestern Rosalind Franklin zu teil. Wer war Rosalind Franklin?
    Sie war eine Strukturbiologin bevor der Begriff überhaupt erfunden war. Sie hat an der Entdeckung der Struktur der DNA entscheidend mitgearbeitet und ihr ist dennoch akademische Anerkennung, vergleichbar mit der von Francis Crick und James Watson, versagt geblieben.
    Rosalind Franklin. Quelle: Wikipedia
    Die Geschichte von Rosalind Franklin ist sehr gut recherchiert, von etlichen Briefen und Aufzeichnungen gestützt und daher recht einfach nachzuerzählen. Sie gibt einen ungewöhnlich detaillieren Einblick in den damaligen akademischen Alltag mit erfolgreichen Kooperationen und persönlichen Antipathien, genialen Momenten, Managementfehlern und der unautorisierten Nutzung der Daten Dritter.
    Ähnliches spielt sich auch heute noch in den Laboren ab, wenn auch die Entdeckungen oftmals weit weniger bahnbrechend sind als die Aufklärung der Struktur der DNA.
    Franklin begann 1951 am MRC in London als wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung Biophysik von John Randall zu arbeiten. Randall gab ihr ein Projekt zur Untersuchung von DNA durch Röntgenstrukturanalyse, einer Methode mit der sie Erfahrung hatte.
    Bislang hatte Maurice Wilkins und sein Doktorand Raymond Gosling an dem Projekt gearbeitet – mit erfolgsversprechenden, jedoch zu ungenauen Ergebnissen. Während Wikins im Urlaub war, wurde Franklin das Projekt (und die Aufsicht über den Doktoranden Gosling) komplett übertragen – allerdings ohne Wilkins rechtzeitig und adäquat davon zu unterrichten.
    Dieser klare Kommunikationsfehler von Randall war der Auslöser für Reibereien zwischen den Kollegen Wilkins und Franklin. Die Charaktere beider Forscher – Wilkins scheu und bedacht, Franklin ungeduldig und direkt – tat ihr übriges um das Verhältnis beider Forschern weiter zu belasten.
    Neben den technischen Aspekten der Röntgenstrukturanalyse, die Franklin ohne Zweifel beherrschte, war die größte Herausforderung die richtige Interpretation der Daten. Watson, Crick, sowie Linus Pauling vermuteten, dass DNA helikal vorlag, jedoch hatten deren Modelle Fehler, die erst durch die Arbeit von Franklin an DNA mit unterschiedlich starker Hydratation und durch ihre hervorragenden Beugungsaufnahmen der DNA erkannt werden konnten.
    Am 30. Januar 1953 reiste Watson ans MRC, um Wilkins eine Kooperation vorzuschlagen. Er wollte mit vereinten Kräften Linus Pauling bei der Lösung der Struktur der DNA zuvor zu kommen. Wilkins war nicht in seinem Büro und Watson traf auf Franklin, die ihm klar zu verstehen gab, dass sie alleine in der Lage sei, ihre Daten zu interpretieren und nicht auf die Kooperation angewiesen wäre.
    Beugungsaufnahme 51 (Quelle: Wikipedia)
    Der vor den Kopf gestoßene Watson traf sich am selben Tag dennoch mit Wilkins, der ihm im Rahmen der geplanten Kooperation eine Beugungsaufnahme Franklins zeigte – ohne deren Wissen oder Zustimmung.
    Diese Aufnahme 51 war der Schlüssel zum Verständnis der DNA Struktur. Es war keine einfache Helix, wie von Pauling postuliert, es waren keine drei umeinander geschlungene Fasern, wie Watson und Crick dachten, sondern zwei Stränge, die eine Doppelhelix bildeten.
    Fünf Wochen nach dem verhängnisvollen Meeting am MRC in London hatten Watson und Crick die DNA-Struktur gelöst. Sie publizierten ihr Doppelhelixmodell in Nature am 25. April 1953. Franklin war inzwischen ans Birbeck College in London gewechselt. Randall, ihr alter Chef, legte großen Wert darauf, dass ihre Daten zur DNA-Struktur am MRC verblieben.
    Obwohl die Daten von Franklin nach Aussagen von Francis Crick entscheidend für die Aufklärung der DNA Struktur waren, wurde ihr keine eigentliche Autorschaft auf dem Paper zu Teil. Sie wurde in einem Nebensatz gegen Ende des Briefs an Nature erwähnt:

    We have also been stimulated by a knowledge of the general nature of the unpublished experimental results and ideas of Dr. M. H. F. Wilkins and Dr. R. E. Franklin and their coworkers at Kings College, London.

    Wenn man den historischen Aufzeichnungen glauben kann, war Franklin auch nach der Publikation des Artikels von Watson und Crick nicht von der vorgeschlagenen Struktur überzeugt. Sie vermisste stichhaltige, experimentelle Daten, die das Modell stützten.
    Neun Jahre später war die Doppelhelixstruktur wissenschaftlich etabliert und Watson, Crick und Wilkins bekamen 1962 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Entdeckung der Struktur der DNA.
    Franklin freilich ging leer aus. Sie war bereits 1958 mit 37 Jahren an Krebs gestorben.

  • Anonymität in Zeiten kommerzieller DNA-Analysen

    Anonymität in Zeiten kommerzieller DNA-Analysen

    Ich kann mit hoher Wahrscheinlichkeit erraten, wie dein Ur-Ur-Ur Großvater – väterlicherseits – mit Nachnamen hieß: Genauso wie du. Was trivial klingt hat kulturelle Hintergründe. Traditionell nehmen Ehepaare bei der Hochzeit den Nachnamen des Bräutigams an, und die Kinder heißen dann ebenso. Nicht nur der Nachname wird so über Generationen weitergegeben, auch das Y-Chromosom männlicher Nachkommen stammt immer vom Vater, und der hat es von dessen Vater, und so weiter.
    Genealogie heißt die Erforschung der Abstammungsverhältnisse. Es ist eine Hilfswissenschaft, die wohl vor allem von Großvätern mit viel Zeit ausgeübt wird, und in den USA überaus populär ist. Seit ein paar Jahren wird die Genealogie durch moderne DNA Sequenziermethoden unterstützt. In großen, öffentlichen Datenbanken wie Ysearch und SMGF werden Informationen zu kurzen, sich wiederholenden aber individuell sehr unterschiedlichen DNA Sequenzen des Y-Chromosoms gespeichert, sowie die dazugehörigen Nachnamen. Das hilft den Garagenahnenforschern, etwas über die eigenen Wurzeln heraus zu finden. Man lässt kommerzielle Unternehmen die eigenen sogenannten Short Tandem Repeat (STR) Regionen sequenzieren, und vergleicht die Ergebnisse über eine einfach Eingabemaske dann mit den Einträgen in den Sequenzdatenbanken.

    Den Nachnamen aus Sequenzdaten bestimmen

    DNA Sequenziermethoden werden nicht nur zur privaten Ahnenforschung genutzt. Es gibt große, wissenschaftliche Studien mit dutzenden bis tausenden Teilnehmern, bei denen die DNA der Probanden möglichst komplett sequnenziert wird, beispielsweise um einen Eindruck von der generellen Variabilität menschlicher DNA zu bekommen, oder um bestimmte phänotypische Eigenschaften Unterschieden in der DNA zu zu ordnen. Die Teilnehmer dieser Studien werden in den allermeisten Fällen anonymisiert, so dass durch die Analyse der DNA Sequenzen kein Rückschluss auf die Identität des Teilnehmers möglich ist – oder möglich sein sollte.
    Letzte Woche wurde ein Paper in Science publiziert (Gymrek et al.), in dem berechnet wurde, wie hoch das Risiko ist, den Namen eines Probanden zu identifizieren – nur durch die Nutzung öffentlich zugänglicher Datenbanken und durch Internetsuchen. Die Autoren zeigen an einem Testset, dass ihr Algorithmus optimal eingestellt 12% der Namen korrekt identifiziert (5% falsch positiv, 83% unbekannt). In Kombination mit relativ unspezifischen Informationen wie Geburtsjahr und bewohntem US-Bundesstaat war es den Autoren möglich, die Zahl der möglichen Spender einer DNA Probe auf durchschnittlich ein Dutzend Personen einzuschränken.
    Die Ergebnisse der Gruppe aus israelischen und US-amerikanischen Forschern sind nicht erschreckend, sie zeigen aber, das die Anonymität von Teilnehmern an großen DNA-Sequenzierstudien unter Umständen nicht gewahrt bleibt, vor allem wenn zusätzliche persönliche Informationen verfügbar sind, auch wenn diese relativ allgemein sind, wie Alter und Nationalität.

    Weniger ist mehr: Datenschutz und kommerzielle DNA-Analysen

    Es gibt noch eine dritte Gruppe Menschen, die Teile ihrer DNA sequenzieren lassen. Während das Ziel der Ahnenforscher ist, über STRs die eigene Abstammung zu rekonstruieren, sind ein Großteil der privaten Kunden von Sequenzierunternehmen auf etwas ganz anderes aus: Sie interessieren sich für die Wahrscheinlichkeit in Zukunft an bestimmten Krankheiten zu leiden. Dazu werden sogenannte SNPs analysiert, also ebenfalls kurze DNA Sequenzen, die mit dem Auftreten von Krankheiten assoziiert sind. Menschen, die sich durch die Sequenzierung von SNPs über Krankheitsrisiken informieren haben oft gute Gründe, ihre Anonymität zu wahren.
    Wie hoch ist also das Risiko, dass durch die Analyse dieser SNP-Daten Rückschlüsse auf die Person möglich sind? Dazu habe ich Bastian Greshake befragt, Gründer von openSNP, einer Plattform auf der die Ergebnisse solcher SNP-Analysen publiziert, analysiert und diskutiert werben können.
    WeiterGen: Bastian, ist die Anonymität der Benutzern von openSNP nach der Publikation des Gymrek-Papers noch gewährleistet?
    Bastian Greshake: Ich vermute das es aktuell nicht so einfach wäre die Benutzer von openSNP mit Nachnamen anreden zu können (also wenn sie ihn nicht angegeben haben). Komplett ausschliessen kann man das natürlich nicht. In dem Paper dort nutzen sie die Haplotypen von bis zu 60 Y-chromosomalen Short Tandem Repeats, darin steckt, meiner Ansicht nach, um einiges mehr an Ancestry-Information, als man über die SNPs die 23andMe auf dem Y-Chromosom testet bekommt (openSNP nutzt hauptsächlich SNP-Daten von 23andMe-Analysen, WG).
    WG: Was wäre nötig, um die Anonymität der openSNP Benutzer zu gefährden?
    BG: Falls entsprechende Referenzdaten zur Verfügung stünden, könnte man theoretisch von den SNPs aus die Y-STRs imputen, also aus den SNPs die Y-STRs vorhersagen und dann die in der Publikation benutzten Methoden verwenden um die Identität zu ermitteln. Alternativ könnte man direkt Namensdatenbanken verwenden, die SNP-Daten anstelle von STRs verwenden. Diese sind aber derzeit noch nicht weit verbreitet, oder zumindest nicht öffentlich.
    WG: Das Risiko, dass aktuell aus SNP-Daten Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen werden können ist also sehr gering Was können openSNP Kunden dennoch selbst tun, um ihre Anonymität zu wahren?
    BG: Ganz generell gilt: Je weniger Metadaten über die Person mit den SNP-Daten verknüpft sind desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer Zuordnung. Um die eigene Anonymität zu wahren, sollte man also beispielsweise darauf verzichten sein Alter und seinen Wohnort anzugeben. Angaben dazu sind auf openSNP freiwillig.
    Weitere Artikel im Blog zum Thema:

    Titelbild Rosie Cotton (CC BY-NC-SA 2.0).

    ResearchBlogging.orgGymrek, M., McGuire, A., Golan, D., Halperin, E., & Erlich, Y. (2013). Identifying Personal Genomes by Surname Inference Science, 339 (6117), 321-324 DOI: 10.1126/science.1229566

  • Es wird immer billiger: Kommerzielle DNA Sequenzierung zur Vorhersage von Krankheiten

    Es wird immer billiger: Kommerzielle DNA Sequenzierung zur Vorhersage von Krankheiten

    Vor zwei Wochen nahm ich an einer Diskussionsrunde zu personalisierten genetischen Tests Teil. Firmen wie 23andMe bieten für ein paar Hundert Dollar an, die eigene DNA zu analysieren und dann Rückschlüsse auf Krankheitsrisiken, aber auch auf die persönliche Abstammung zu ziehen. Ich habe hier im Blog von der Diskussionsrunde (live) berichtet.

    Im Zuge meiner Vorbereitungen habe ich aktuelle Angebote für diese personalisierten genetischen Tests recherchiert. 23andMe testet derzeit für 300 Dollar. Das sind 100 Dollar weniger als vor knapp drei Jahren. Günstiger ist natürlich gut, und auch die Zahl der ausgewerteten Merkmale ist von rund 120 vor drei Jahren auf derzeit 243 gestiegen. Insgesamt werden dafür von 23andMe Daten von rund einer Million SNPa analysiert. Die Technik, die 23andMe verwendet nennt sich Genotypisierung. Dabei werden Mutationen in kurzen DNA-Abschnitten (single nucleotide polymorphisms, SNPs), Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Krankheiten zugeordnet. Die Wahrscheinlichkeiten wurden (und werden weiter) in sogenannten genomweiten Assoziationstudien (GWAS) bestimmt.

    Die Genotypisierung ist nicht die einzige Möglichkeit, Daten zu Krankheitswahrscheinlichkeiten durch die Analyse der DNA zu gewinnen. Die Alternative ist die DNA Sequenzierung. Und hier sind die Kosten in den letzten Jahren dramatisch gefallen. Die Grafik des National Human Genome Research Institutes zeigt detailliert, wie sich die Kosten für die DNA Sequenzierung seit 2001 entwickelt haben. Der Preisverfall übeflügelt das Moorsche Gesetz weit und besonders auffällig ist der Preisknick nach 2007 (siehe Abbildung oben). Dieser hängt mit einer technischen Neuerung zusammen: Das sogenannte Next Generation Sequencing hat vor ein paar Jahren das traditionelle Sanger-Sequenzing in den großen Sequenzierzentren abgelöst. Das Next Generation Sequencing unterschiedet sich vor allem durch eine massive Parallelisierung der Sequenziervorgänge, hier ein Übersichtsartikel über Sequenziertechniken.

    Weltweite Verteilung der Next Generation Sequenziermaschinen, Stand 09/2012. Quelle http://omicsmaps.com

    Interessant ist auch die weltweite Verteilung der Next-Generation Sequenziermaschinen, sie bildet annährend die Verteilung der Wissenschaftsausgaben ab. Aktuell sind 2035 dieser Sequenziergeräte im Einsatz. 922 davon stehen in Nordamerika, 604 in Europa und 377 in Asien. Das weltweit größte Sequenzierzentrum ist das BGI in China mit 166 Maschinen. In Deutschland stehen 142. Trotz dieser Explosion an Sequenzierpower kostet aktuell die Sequenzierung eines kompletten menschlichen Genoms noch deutlich zu viel, um kommerziell mit SNP-Genotyping konkurrieren zu können. Das sogenannte Exomesequening, bei nicht das ganze Genom sequenziert wird, sondern nur die Teile, die tatsächlich für Proteine kodieren, ist jedoch ein günstigerer Zwischenschritt, der mittelfristig die Genotypisierung wenn nicht ganz ablösen, doch zumindest ergänzen wird. 23andMe muss derzeit dennoch keine Angst vor Konkurrenz haben. Das Unternehmen bietet (für bestehende Kunden) die Sequenzierung des Exoms mit 80-facher Coverage bereits für 999 Dollar an.

    Trotz aller Preisstürze: Deutlich günstiger und häufig zuverlässiger als genetische Tests zur Vorhersage von Krankheiten sind Blutdruck messen, ein Blick auf den Bauchumfang und auf persönliche Laster.

    Quelle Bild oben: Wetterstrand KA. DNA Sequencing Costs: Data from the NHGRI Large-Scale Genome Sequencing Program www.genome.gov/sequencingcosts.

  • Radikalisierte Terrorkommandos – Was verursacht Brustkrebs?

    Spätestes seit Cornelius‘ Artikel vom Vormonat wissen wir, dass Krebs „der Feind im eigenen Körper [ist], der aus einer irgendwann entarteten […] Zelle hervorgegangen ist, die sich Schritt für Schritt zu einem mit allen Wassern gewaschenen Terrorkommando […] verwandelt hat„.

    Es sind Mutationen, die für Krebs verantwortlich sind. Mutationen, die dazu führen, dass sich Zellen unkontrolliert teilen. In Nature ist jetzt eine Studie des Cancer Genome Atlas Consortiums erschienen, in der systematisch die molekularen Grundlagen von Brustkrebs analysiert und kartiert wurden. Oder um in Cornelius‘ dichterischem Duktus zu bleiben: In der Studie wird untersucht, welche Terrorkommandos im Busen zum Einsatz kommen und was diese radikalisiert.

    Brustkrebs ist der bei Frauen am häufigsten diagnostizierte bösartige Tumor. In Deutschland sterben pro Jahr über 17 000 Menschen an den Folgen von Brustkrebs und jedes Jahr werden 72 000 neue Fälle diagnostiziert. Da nur etwa 5% aller Brustkrebserkrankungen erblich bedingt sind, stellt sich die Frage, welche für Brustkrebs verantwortliche Mutationen in welchen Genen im Lauf eines Lebens auftreten. Ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen von Brustkrebs erlaubt einerseits eine bessere Klassifizierung diagnostizierter Tumore und andererseits viel zielgerichtetere Therapien, beispielsweise mit Antikörpern und Hormonantagonisten.

    Die Autoren der Studie, ein großes Konsortium hauptsächlich in den USA ansässiger Forschergruppen, haben Tumorzellen und zur Kontrolle Keimbahnzellen von 825 Patienten mit einer ganzen Batterie von molekularen Hochdurchsatzverfahren untersucht. Gesammelt wurden mRNA Expressionsdaten, Informationen zur DNA Methylierung und zu DNA Punktmutationen. Weiter wurde die microRNA sowie das komplette Exom sequenziert und die Expression bestimmter Proteine gemessen. Für 348 Tumore waren schließlich Daten von allen angewandten Techniken vorhanden.

    Mammakarzinome können klinisch in drei therapeutische Gruppen eingeteilt werden. ER-positive Tumore sprechen auf Hormonantagonisten an. Brustkrebszellen, in denen mehrere Kopien des HER2 Gens gefunden werden, können mit Antikörpern therapiert werden. Eine dritte Klasse, der diese Marker fehlen, sind auf Chemotherapie angewiesen. Diese Klassifizierung konnte in den letzten Jahren durch Genexpressionsanalyse auf vier Subtypen erweitert werden. Diese vier molekularen Klassen konnten in der jetzt vorliegenden Studie bestätigt und verfeinert werden.

    Eines der Schlüsselergebnisse ist, dass viele der neu entdeckten Brustkrebsmutationen spezifisch in den einzelnen, bereits etablierten Subklassen auftraten. Die Integration mit den Ergebnissen der anderen Analysemethoden erlaubt jetzt deutlich detailliertere Einblicke, was auf molekularer Eben in den Brustkrebsklassen passiert. Eine Zusammenfassung bietet diese Tabelle.

    Zudem sollten diese Ergebnisse ermöglichen, die Brustkrebsdiagnose durch Einsatz komplementärer Techniken zu verbessern. Eine Maßnahme, die Leben retten kann. Matthias Mann, Direktor am MPI für Biochemie und einer der weltweit führenden Proteomforscher spricht davon, dass derzeit 10% aller diagnostizierten Brustkrebsfälle falsch klassifiziert werden.

    Interessanterweise fanden die Autoren der Nature Studie außerdem, dass eine der etablierten Brustkrebsklassen, der sogenannte basal-like-Subtyp, eine ähnliche molekulare Signatur aufweist wie eine Form des Ovarialkarzinoms. Die Autoren folgern, dass beide Krebstypen folglich auf die gleichen therapeutischen Ansätze reagieren sollten.

    Die Studie ist online bei Nature frei zugänglich. Das Foto oben ist von tipstimes (CC BY-SA 2.0). Zur Diskussion ob dieses Photo eine sehr ernste Krankheit unnötig sexualisiert hier entlang.
    ResearchBlogging.orgThe Cancer Genome Atlas Network (2012). Comprehensive molecular portraits of human breast tumors Nature DOI: 10.1038/nature11412

  • Können Gene Leben retten? Debatte über personalisierte DNA-Analyse

    Können Gene Leben retten? Debatte über personalisierte DNA-Analyse

    Hat sich schon jemand hier seine SNPs sequenzieren lassen? Ich noch nicht, obwohl ich es mir seit Jahren durch den Kopf gehen lasse. Derzeit bietet 23andMe, das wohl bekannteste DNA-Typisierungsunternehmen, die Analyse der eigenen Nukleotidpolymorphismen für 299$ an. Insgesamt werden aktuell über 200 verschiedene genetische “Traits” also Merkmale analysiert und die Ergebnisse für den Verbraucher graphisch aufbereitet dargestellt.

    Wer das Analysekit von 23andMe anfordert, in ein Röhrchen spuckt und es an die Zentrale in Californien schickt, kann binnen zwei bis drei Wochen die Ergebnisse online einsehen. Man erfährt  dann unter anderem, ob ein überdurchschnittlich hohes Risiko für bestimmte Krankheiten wie Brustkrebs und Alzheimer besteht.

    Was sich hier einfach in zwei Sätzen zusammenfassen lässt, wirft natürlich etliche Fragen auf: Wer garantiert, dass die Analyseergbnisse richtig sind und korrekt interpretiert werden? Wie geht der Kunde oder die Kundin mit dem gewonnenen Wissen um? Profitiert man selbst überhaupt von dem Wissen? Wie werden die äußerst sensiblen, persönlichen Daten dauerhaft vor unerwünschten Zugriffen geschützt? Wie kann genetische Diskriminierung verhindert werden?

    Ich Besuche nachher ab 10:00 Uhr eine Debatte zu diesen Themen: “Direct to Consumer Genetic Testing: Can your genes really… save your life?” Hier der Link zum Veranstaltungsankündigung (.jpg) mit Details zum Programm und zu den Sponsoren.

    Auf dem Podium wird unter Anderem Lluis Armengol, der CEO von qGenomics sitzen. qGenomics bietet genetische Tests an. Weiter sind Xavier Estivill und Roderic Guigó dabei. Beide leiten große Forschungsgruppen, die sich mit der Sequenzanalyse von DNA beschäftigen. Guigó ist außerdem einer der Köpfe des ENCODE Projects, das hier im Blog vor kurzem erst Thema war. Pascal Borry von der Uni Leuven in Belgien wird Auskunft über ethische und soziale Aspekte des direct-to-consumer testings geben.

    Ich werde versuchen die Erkenntnisse der Veranstaltung per Live-Blog hier zu dokumentieren – falls ich es schaffe, das von den ScienceBlogs-Overlords frisch installierte Plugin rechtzeitig zum laufen zu bekommen. Sonst gibts Updates auf Twitter.

    Bis dahin hier noch der Verweis auf thematisch verwandte Artikel hier im Blog:

     
    09.55
    Guten morgen und Willkommen zum Live-Blog von der Diskussionsrunde zu direct-to-consumer genetic testing.

    09.57
    Das Wetter heute morgen in Barcelona: Frische 18°C, keine Wolke trübt den strahlend blauen Himmel. Folglich bin ich heute – wie alle Fahrer – auf Trockenreifen angereist. Die Veranstaltung findet am CRG statt.

    09.59
    Das Live-Blog Plugin scheint soweit zu funktionieren, wahrscheinlich muss die Seite aber manuell neu geladen werden, um die Updates zu sehen.

    10.05
    Eine weitere gute Nachricht: Die Speakers trudeln auch ein, der Beamer funktioniert, und es sieht so aus, als könne es demnächst losgehen.

    10.13
    Nur einer der hier anwesenden hat bislang seine SNPs sequenzieren lassen. Das ist überraschend. Aber es gibt einige, die es sich – wie ich auch – zumindest überlegen.

    10.21
    Kelly Rabionet gibt jetzt erst mal eine sehr grundsätzliche Einleitung. Zellen – DNA drin – 20 000 Gene  – ATCG basen – Sequenzen – Vererbung – Mutationen – Krankheiten. Das ist etwas zu basic für die hier anwesenden und wohl auch für die hier mitlesenden.

    10.27
    Rabionet erinnert, wie die Tests funktionieren. Bislang wird nicht die ganze DNA sequenziert, sondern nur bestimmte Stellen untersucht, von denen man weiß, dass Nukleotidaustausche mit gewissen Phänotypen korrelieren.

    10.36
    Rabionet zeigt an graphischen Beispielen, wie die Sequenzierungsdaten grapisch aufbereitet werden. Wer sich das ansehen will, findet die gleichen Slides auf der 23andMe und der deCodeMe Website. Es wird jedenfalls schon eine Herausforderung klar: Wie stellt man die gewonnenen Daten so dar, dass der Verbraucher sie versteht?

    10.40
    Ein weiteres Problem ist die Einordnung der detektierten Varianzen bezüglich tatsächlicher Krankheiten. Das System basiert auf wissenschaftlichen Publikationen, die diese Phänotypen in Relation zu den Mutationen beschreiben. Jedoch wird da häufig nur ein gewisser Marker oder ein Teil eines betroffenen Gens angeschaut, so dass das Gesamtrisiko einer Krankheit sich durchaus von der Summe der Einzelrisiken – die sicher richtig beschrieben sind – unterscheiden kann.

    10.43
    Eine Anmerkung aus dem Publikum: Die Bewertung der Risiken können sich selbstverständlich im Lauf der Zeit ändern, beispielsweise wenn neue Studien publiziert werden. Außerdem ist die Konfidenz einer SNP-Phänotyp-Korrelation wohl ausschließlich auf der Anzahl der Patienten in der jeweiligen Kohortstudie basiert.

    10.46
    Jetzt komme Lluis Armengol. Er war Doktrand und Postoc hier, und ist jetzt CEO von qGenomics. Die Firma biete hauptsächlich Pränataluntersuchungen an. Sie nutzen DNA-Microarrays.

    10.51
    Er gibt einen Überblick über direct-to-consumer genetic testing Firmen:

    • 50-60 Firmen, heterogene Größe
    • 5 Milliarden Markt für klinische Diagnostics 2010, steigende Tendenz
    • Die meisten sind in den USA und UK, dann Europa
    • zwischen 90 und 1110 Dollars (hängt auch von der Zahl der getesteten Marker ab)
    • Drei große Gebiete: Gesundheit, Abstammung und Life-Style
    10.52
    Hier ist Armengol vor einem Slide mit Firmennamen, die diese Services anbieten:

    10.59
    Unterschiedliche Businessmodelle: Forschungsintensiv (Beispiel decode) vs Serviceorientiert (Beispiel 23andMe) vs. Shops für spezifische Tests (Beispiel Genelex).
    Das Geschäftsmodell ist häufig nicht nur der finanzielle Profit durch den Verkauf von Kits, sondern auch die Schaffung von Communities und der (anonymisierten) Auswertung der Kundendaten.
    Die größten Players: 23andMe, Decode Genetics, Navigenics, Pathway Genomics, Knome (Illumina) und Myriad Genetics.

    11.05
    Schwächen der Geschäftsmodelle:

    • Möglicherweise wird die Größe des DTC (direct to consumer) Marktes überschätzt (immerhin hat hier im Saal sich bislang nur einer testen lassen – oder gibt dies zumindest zu).
    • Und wieder die Frage, wie verlässlich und wie nützlich die Daten tatsächlich für den Verbraucher sind – speziell wenn es keine Möglichkeit gibt, etwas “dagegen zu tun”.
    • Anscheinend niedrige Markteintrittshürden (die eigentlichen Analysen werden in Drittlaboren durchgeführt)
    • Und hier die Erwähnung von Open Source tools: OpenSNP (Gruß an einen der Co-foundersBastian Greshake
    11.13
    Armengol ist fertig, Frage aus dem Publikum: Sind die Firmen in den USA FDA approved? Armengol: Nein.
    Was sind die wahren Kosten der Firmen pro Kunde? Armengol: Nicht mehr als 200 Dollar. Ich denke, das muss noch weniger sein.
    Anmerkung von Pascal Borry: Es gab Ansätze, die Tests umsonst anzubieten, da der wahre Wert in den Daten und in einer großen Anzahl User steckt.
     

    11.15
    Jetzt ist eine Pause, wir schlagen uns die Bäuche voll und nachher geht es mit der Diskussion hier weiter. Ich bitte die Aussetzer des Liveblog-Plugins zu entschuldigen, es geht eben noch nicht alles nach Plan.

    11.35
    Die Exponierte Lage und die Architektur des Gebäudes ist häufig ein Grund für Wissenschaftler, sich hier zu bewerben.

    11.37
    Es geht weiter mit Pascal Ducournau, Assistenzprofessor für Soziologie in Toulouse. Titel seines Vortrags: Direct to consumer health testing services: what commercial strategies for which socio ethical issues? Da bin ich mal gespannt.

    11.38
    Noch eine Zahl: 23andMe hatte angeblich 50 000 Kunden in 2010 und 100 000 in 2011.

    11.43
    Welche Marketingstrategien verfolgen diese Firmen, um Kunden zu gewinnen? Und wie wirken diese soziologisch? Dafür hat Ducournau 42 Firmen untersucht, die DTC testing anbieten. Was sind die Angebote? Wie viele Traits werden untersucht, wie viele Krankheiten direkt? Welche Slogans verwenden die Sites?

    11.46
    Hauptsächlich Marker für Herz-Kreislaufkrankheiten werden untersucht. Dann Brustkrebs und Pharmakogenomics (also wie reagiert man auf bestimme Medikamente). Weiter werden natürlich Krankheiten untersucht, die relativ eindeutig zu untersuchen sind: Zystische Fibrose, Hematochomatosis.

    11.49
    Ducournau fügt den Begriff “healthism” ein: Die persönliche Gesundheit ist der Hauptfaktor fürs Wohlfühlen. Erreicht wird das durch die Änderung des eignen Lebensstils, mit oder ohne therapeutische Hilde. Binsenweisheit oder neues soziologisches Konzept? Ich weiss es nicht.

    11.57
    Ein weiterer Aspekt sei die Personalisierung der Gesundheit. Man nimmt selbst Einfluss auf medizinische Entscheidungen und hängt nicht mehr nur vom Hausarzt ab. Dazu passende Slogans der Firmen: Your health your right to know, etc.
    Das gleiche gälte bezüglich der Forschung: “Get involved in a new way of doing research”
    Der Soziologe erwähnt auch die Rolle des Webs. Durch Blogs, Foren und Chartooms würden persönliche Beziehungen zwischen den Benutzern untereinander und zwischen den Unternehmen und deren Kunden geschaffen. In seinen Worten: Emergence of new social entities under the effect of biotechnological discoveries and applications called biosocialities.

    12.00
    Zusammenfassung der Marketingstrategien:

    • Die Ausnutzung des Healthisms (wahrscheinlich war Harald Schmidt einer der Erfinder).
    • Die Individualisierung der Gesundheit
    • Die Bildung digitaler Communities
    12.03
    Hier die Zusammenfassung seiner Thesen http://tegalsi.hypotheses.org/
    Jetzt Pascal Borry. Über Ethik.

    12.08
    Er fängt mit einer Übersicht der Vor-und Nachteile an und erwähnt das Fehler der professionellen Nachsorge und unbekannte Konsequenzen auf die Gesundheitssysteme. Wichtige Punkte, mal sehen ob noch mehr kommt.

    12.16
    Welche Maßnahmen können getroffen werden, um das Feld zu kontrollieren? Borry illustriert das mit einem Foto der Daltons – also unkontrollierbare Outlaws. Hier jetzt seine Vorschläge für Regulierung:

    • Information der Gesellschaft und der Ärzte was solche Tests leisten können, was nicht und wo die Probleme sind
    • Eine Selbstregulation der Industrie, also evtl, ein ethischer Kodex
    • Einführung von Standards bezüglich der Werbung

     

    12.24
    Ein weitere Punkt, der von Burry angesprochen wird: Die Regulierung der genetischen Tests und die Zertifizierung der Labore  (sind die Ergebnisse richtig? Sind die Analysemethoden auf neuestem technischem Stand?). Er führt aus, dass in Frankreich genetische Tests nur zu medizinischen und Forschungszwecken zugelassen sind.
    Das ist natürlich schwer umsetzbar. 23andMe zum Beispiel wirbt direkt damit, auch in andere Länder zu verschicken, unter anderem Frankreich (und auch Deutschland)

    12.31
    Er führt weitere Länder und deren Regulierung an. Holland, Portugal, die Schweiz. Es gibt auch eine europäische Richtlinie zur Regulierung, die allerdings von vielen Ländern nicht ratifiziert ist (unter anderem Deutschland). Interesanterweise hat Island die Richtlinie unterschrieben, deCodeMe, einer der größten Player im Markt, ist (zum Teil) isländisch und die meisten der sequenzierten Kunden sind Isländer. Mit der Richtlinie wäre dem Unternehmen die rechtliche Geschäftsgrundlage entzogen.
    In Frankreich ist man da weiter: Es ist es gesetzlich verboten einen genetischen Test anzufordern. Strafe: 3750 Euro.

    12.36
    Jetzt Diskussionsrunde. Ich habe auch eine Frage, mal sehen ob ich drankomme: Was passiert wenn Versicherungen Zugang zu den Daten bekommen?

    12.38
    Erste Frage kommt zum Nutzen: Können solche Tests helfen, Krankheiten zu verhindern? Gibt es die Möglichkeit der Prävention? Ich denke gewissen Änderungen im Lebensstil oder häufigere Vorsorgeuntersuchungen können schon helfen.

    12.44
    Die erste Frage ist ambivalent beantwortet. Manche denke, man könne durch Tests und das Wissen um eigene Risikofaktoren den Lebensstil ändern und profitieren, andere denken, das würde in die Autonomie des eigenen Lebens eingreifen. Eine Anmerkung war, dass der Nutzen vor allem in Pharmakogenomics liegt. Also: Wie verträgt jemand gewisse Medikamente?

    12.59
    Meine Frage war, was passiert wenn Versicherungen Zugang zu den Daten bekommen? Oder gar selbst Produkte anbieten, die die Analyse der Daten mit einbeziehen? Die Ethiker reden sich raus: Die Qualität und die Relevanz der Tests ist nicht gut genug. Aktuell. Borry fügt an, dass es andererseits darum geht, etablierte und funktionierende Tests allen zur Vefügung zu stellen, und da seien nicht alle Gesundheitssysteme auf dem selben Level

    12.59
    Falls jemand der hier mitliest eine spezifische Frage hat: Bitte kommentieren.

    13.07
    Es gibt zwei Diskussionsstränge: Reicht die Qualität der Tests überhaupt aus zuverlässige Aussagen zu machen? Und wie gehen Gesundheitssysteme mit einer möglichen Datenflut um? Der Grundtenor der Experten scheint zu sein: Technisch sind die aktuellen Genotyping-Tests kein Problem, allerdings veraltet. Exome Sequenzing (also alle mRNA Transkripte nach dem Splicen) ist das nächste. Das Gesamtgenom kommt dann.
    Allerdings sind die Wahrscheinlichkeitsvorhersagen für eine Krankheit basierend auf den SNP-Daten problematisch, da viele zusätzliche  genetische Faktoren, die eine Rolle spielen könnten nicht berücksichtigt werden, da sie aktuelle entweder nicht sequenziert werden, oder deren Einfluss auf eine gewissen Krankheit unbekannt ist.

    13.09
    Frage: Wie groß ist der Prozentsatz der Menschen, die sich sequenzieren lassen würden.
    Antwort: 5 Promille
    Es wurde auch erwähnt, dass sich diese Zahl nicht unbedingt mit dem Wissen ob der Möglichkeiten für die Tests erhöht.

    13.17
    Gute Frage: Wird es je günstig genug sein, dass alle ihr Genom sequenzieren lassen können und werden die Daten je interpretierbar genug sein, um sinnvolle medizinische Vorhersagen zu treffen?
    Kurze Antwort: Günstig ja, sinnvolle Vorhersagen: keine Ahnung.

    13.19
    Weiterer interessanter Punkt: We hilft Laien die Daten zu interpretieren. Nicht nur SNP Data, sondern zum Beispiel auch pränatale Tests auf Krankheiten bei Schwangeren? Eventuell ergibt sich hier ein neues Berufsbild des “Genetic Counselors”. Ärzte jedenfalls scheinen aktuell mit Diagnose und Interpretation überfordert.
    13.20
    So, das wars von hier. Die Session ist vorbei und ich gehe Mittagessen. Leider hakt die Einbindung des Liveblogs noch machmal, ich hoffe diese Macken geben sich noch. Danke fürs mitlesen und Kommentare und Fragen gerne weiter unten.
  • Ein Haufen Daten und doch kein Müll: Das ENCODE-Projekt

    Traditionell werden wissenschaftliche Ergebnisse zu einem Projekt aus einem Labor zu einem Manuskript zusammengefasst, an ein Magazin zum Begutachten geschickt, und eines schönen Tages publiziert. Was passsiert aber, wenn 442 Autoren aus über 100 verschiedenen Instituten und Universitäten 147 verschiedene Zelltypen untersuchen? Es entsteht die Enzyklopädie der DNA-Elemente (ENCODE), deren zweite Phase jetzt auf einen Schlag in 30 Papers publiziert wurde.
    Im ENCODE Projekt wurde systematisch untersucht, welche Teile der DNA tatsächlich in RNA transkribiert werden, wie dies mit bekannten Transkriptionsfaktoren zusammenhängt, also Proteine, die an DNA binden und so die Transkription beeinflussen, wie sich das Chromatin, zwischen den Zelllinien unterscheiden und  wie spezifisch die Histone modifiziert sind (Histone sind Proteinkomplexe, um die die DNA gewickelt ist). Schon dieser Satz mit sechs Kommas macht Mühe zu lesen. Wie soll man dann verstehen was bei dem ENCODE Projekt rauskam?
    Die Autoren fassen es in dem Hauptpaper in Nature so zusammen:  „These data enabled us to assign biochemical functions for 80% of the genome, in particular outside of the well-studied protein-coding regions.“ Anders ausgedrückt: Die DNA, die zwischen den Genen liegt (rund 98% der Gesamt-DNA, im Jargon „Junk-DNA“) hat regulatorische Funktion. Sie beeinflusst direkt und indirekt wann und wie stark Gene abgelesen werden, und ermöglicht dadurch einerseits die große Diversität von Zelltypen und andererseits auch spezifische Antworten von Zellen auf externe Reize.
    Die Ergebnisse einer dermaßen umfangreiche Studie können unmöglich in Textform einem einzelnen Artikel akkurat zusammengefasst werden. Nature hat das auch erkannt, und bietet ein nettes Visualisierungstool zu den jetzt publizierten ENCODE Ergebnissen an. Man kann dort in 13 verschiedenen Handlungssträngen die Ergebnisse der Studie nachvollziehen. Das ganze gibts auch als iPad/iPhone App. Und wer eine etwas skeptischere Analyse der Ergebnisse direkt vom Koordinator des Projects und gleichzeitig verantwortlicher Autor des Nature Papers lesen will, ist mit dem Blogartikel von Ewan Birney gut bedient.

    Die etwas andere graphische Darstellung der Ergebnisse kommt von Luisa Lente. Sie hat das Cover der Ausgabe von Genome Research im Miró-Stil designt (hier links). In dieser Ausgabe sind glaube ich 16 der 30 Papers veröffentlicht. Luisa und Hagen (Erstautor des Tilgner et al. Papers) haben lange hier in Barcelona gewohnt und auch sonst sind die Papers mit Autoren aus meinem persönlichen Umfeld gespickt. Glückwunsch an dieser Stelle, ich werde mich jetzt gleich zur ENCODE Beer Session in Richtung Strand aufmachen, vielleicht kann ich später noch ein paar Fotos von Autoren nachreichen :-).

     

    Edit 20:30.
    Hier ein paar Fotos von der Feier.

    Autoren: Paolo vor Poster, Sara mit Kind und Tom Gingeras, Colin mit Tom Gingeras

    Roderic Guigó und Tom Gingeras vor Luisas Poster

    Im Innenhof

  • Die Open-Access Annotierung des EHEC-Genoms

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    Marina Manrique ist Bioinformatikerin. Sie beschäftigt sich mit der Analyse (der Annotierung) bakterieller Genomsequenzen und sie ist aktiv an einem Crowdsourcing-Projekt beteiligt, das mit der Auswertung der EHEC-Sequenzen beschäftigt ist. Das meiste was man bislang über den pathogenen E. coli Stamm weiß, entstammt diesem Projekt. Hier ein Interview mit Marina.
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  • 1000 Genome sequenziert und immer noch nichts passiert

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    Acht Millionen neu entdeckte Unterschiede bei der Sequenzierung menschlicher Genome. 60 neue Mutationen von einer Generation zur nächsten. Drei unterschiedliche Sequenzierstrategien. Das 1000-Genomes-Konsortium hat eine Pilotstudie in Nature publiziert. Hier ein Überblick über die Ergebnisse und deren Bedeutung.
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  • Die Risiken des Wissens – Wie sind meine DNA-Daten geschützt?

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    Google weiss was Du suchst, Facebook kennt Deine Freunde, Amazon weiss was Du liest, last.fm kennt Deinen Musikgeschmack, Twitter weiss was Du gerade machst, Dein Blog weiss, wie Du denkst, 23andMe, Navigenics oder deCODEme kennen die Sequenzen kurzer, definierter DNA-Stücke Deines Genoms.
    (mehr …)