Kategorie: Technik

  • Verrückte Amateurbiologen züchten Killerviren in Garagenlaboren

    Verrückte Amateurbiologen züchten Killerviren in Garagenlaboren

    Am Sonntag erschien in der FAZ online ein aus dem amerikanischen von Volker Stollorz übersetzter Artikel zum Ende des Forschungsmoratoriums an einem Influenzavirus vom Typ A/H5N1. Ein Risikokommunikator nimmt darin Stellung zur Gefahr der Freisetzung des Erregers, zum Beispiel durch einen Unfall oder durch einen dem Wahnsinn anheim gefallenen Wissenschaftler, der an dem Virus forscht.

    Der Risikokommunikator bemängelt, dass keine „echte“ Diskussion in der Zeit des Moratoriums (immerhin ein Jahr) über die Gefährlichkeit des Erregers und die Risiken der Forschung daran geführt wurde. Er führt an, dass das Moratorium die Forschung an gefährlichen Viren nicht sicherer gemacht habe. Peter Sandman, der Autor des Artikels, hat in seinem sicher gut gemeinten Artikel leider weitgehend das Thema verfehlt. Zumindest hat er für eine Biosicherheitedebatte den falschen Aufhänger gewählt.

    Das eigentlich wichtige Ergebnis der Studie war nicht, dass im Labor ein potentiell gefährliches Grippevirus entstanden ist, welches durch Tröpfcheninfektion zwischen Säugetieren übertragen werden kann. Das wichtige Ergebnis war, wie einfach das Virus gefährlich geworden ist: Fünf simple Punktmutationen haben gereicht, dass ein in Vögeln endemisches Virus plötzlich von Frettchen zu Frettchen übertragen werden kann. Punktmutationen kommen in der freien Wildbahn deutlich häufiger vor, verglichen etwa mit dem Entstehen neuer Virenstämme durch Rekombination.

    Das heißt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass einige solcher Stämme bereits in ihren Wirten das draußen existieren und nur wenig (Zeit) zur Übertragung auf den Menschen fehlt. Wozu da aber eine freiwillige Forschungspause von einem Jahr gut sein soll, will mit nicht einleuchten. Lars Fischer hat dieses Argument in seinem Blog aufgerollt und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Moratorium in diesem Fall kontraproduktiv war.

    Doch zurück zum Artikel in der FAZ. Der Autor hat in einem Punkt Recht. Das Moratorium wurde nicht für eine ausführliche Debatte über Biosicherheit genutzt, insbesondere über das sogenannte Dual Use Dilemma. Übersetzt auf die Forschung mit pathogenen Erregern heißt das: In wie weit sollen wissenschaftliche Ergebnisse der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, wenn diese in den falschen Händen dazu benutzt werden können Biowaffen herzustellen?

    Nun, eben jene Debatte fand vor gut einem Jahr schon bei mir im Blog statt. Ich habe damals meine Leser um ihre Meinung gebeten: Was soll mit den H5N1 Daten geschehen? Etwa die Hälfte der 339 abgegeben Stimmen entfiel auf die Option „Publikation mit modifiziertem Ergebnis- und Methodenteil“ – also so, dass die Ergebnisse zwar öffentlich sind, aber gewisse Hürden existieren, die es nicht jedem Labor ermöglichen die Experimente zu wiederholen. Exakt ein Drittel der Teilnehmer der Umfrage stimmten für die Forschungsfreiheit und die Publikation der Manuskripte ohne Einschränkung. Nur 15% waren der Meinung, man sollte von der Publikation gänzlich absehen.

    Weltkarte der Hochsicherheitslabore (S4). Labore in Betrieb sind rot. Eine zoombare Karte gibt es hier.

    Ein weiterer Aspekt, den Sandman in seinem Artikel in der FAZ behandelt, betrifft die generelle Sicherheit der Forschung an gefährlichen Erregern. Leider taugt die aktuelle Diskussion um die Influenzaviren dafür nur bedingt, obwohl es mehrere Medien, die von Killerviren oder Supervirern sprechen, gerne bedrohlich hätten. Die Viren sind einfach nicht gefährlich genug. Nicht einmal die Frettchen, die sich im Labor mit den mutierten H1N1 Viren infizierten, starben.

    Gefährliche Erreger gibt es dennoch wahrlich genug. Ebola, Lassa und Marburg-Viren zum Beispiel verursachen hemorrhagisches Fieber. Eine Ansteckung verläuft fast immer tödlich. Weltweit gibt es nur rund 30 Labore (vier davon in Deutschland) an denen mit solchen Organismen geforscht werden darf. Solche Labore sind komplett abgeschirmt oder gleich in eigenen Gebäuden angesiedelt. Diese Labore der Sicherheitsstufe S4 haben ihr eigenes, geschlossenes Ventilationssystem und drinnen herrscht Unterdruck, so das selbst bei einem Leck nichts entweichen kann. Wissenschaftler, die in solchen Räumen arbeiten, müssen mehrere Schleusen passieren, bevor sie die Räumlichkeiten betreten oder verlassen können und  tragen einen Überdruckanzug im Labor. Hier im Video gibt’s das ganze in Bildern  (ab min. 6:45).

    Man weiß also mit gefährlichen Erregern umzugehen und Laborunfällen ist vorgebeugt. Bleibt einzig die Gefahr des Diebstahls pathogener Keime durch Laborangestellte. Denn die von Sandman beschworenen Amateurbiologen, die in Garagenlaboren Killerviren züchten, die gibt es nur im Film.

    Bild oben: Die Influenzaabteilung in einem Marinehospital in den USA 1918 (NavyMedicine, CC BY 2.0)
  • 500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    Wissenschaftliche Forschung an Universitäten und öffentlichen Instituten wird im Allgemeinen durch öffentliche Gelder finanziert. Der Weg von der Idee zum finanziell geförderten Forschungsprojekt ist jedoch mühsam, langwierig und frustrierend. Anträge müssen geschrieben und revidiert werden, vorläufige Ergebnisse müssen präsentiert werden, formale Richtlinien und Deadlines müssen eingehalten werden. Das ganze dauert oft noch länger als später das publizieren der Ergebnisse. Wäre es nicht toll, wenn es alternative Pfade zu den gängigen Wegen im Förderjungel aus Institutsetats, DFG-Anträgen, BMBF-Mitteln und EU-Projekten gäbe?

    Gibt es seit ein paar Tagen auch in Deutschland, heißt Sciencestarter, und ist eine Crowdsourcing-Plattform nach dem überaus erfolgreichen Vorbild Kickstarter. Doch ob das funktioniert, ist eher zweifelhaft.

    Wissenschaftliche Projekte unterschieden sich in einem ganz grundsätzlichen Aspekt von den Projekten die auf Kickstarter erfolgreich finanziert werden: Dort gibt es einen realen Gegenwert für den eingesetzten Betrag. Ganz gleich ob es sich um Comicbücher, Filme über Frauenrechte, Schlüsselanhänger, iPhone-Hüllen oder Musikalben handelt. Das eingesetze Geld ist eine Investition, die einem Kauf gleich kommt. Bei Erreichen des Finanzierungsziels kann man sich als Gegenleistung das Album oder den Film herunterladen oder bekommt das Buch, den Anhänger oder die iPhonehülle zugeschickt.

    Das eingesetzte Geld für wissenschaftliche Projekte – ob auf der deutschen Sciencestarter oder den Vorbildern petridish, Microryza und SciFund kommt hingegen Spenden gleich. Wissenschaftliche Grundlagenforschung stellt nunmal keine Produkte her und Fotos von Artgeschützen Tieren, Einladungen zu Labmeetings oder in Kunstharz eingegossener Pferdemist, wie er bei einem der derzeit sechs geförderten Projekten auf der deutschen Sciencestarter Seite für 500 Euro Spendenvolumen angeboten wird, sind symbolische Gegenleistungen.

    Wer spendet also für Crowdfundingprojekte mit wissenschftlichem Hintergrund? Es ist wohl weniger die wissenschaftsinteressierte und spendenfreudige Öffentlichkeit als vielmehr Verwandte, Freunde und Bekannte, wie eine entsprechende Auswertung des Wissenschafts-Crowdsourcing-Referenzprojekt von Ethan Perlstein ergab. Perlstein hat hat erfolgreich 25 000 Dollar zur Erforschung des Wirkmechanismus von Amphetaminen eingeworben. Eine Analyse seines Facebook-Netzwerks ergab, das rund 10% der mit ihm verbundenen Freunde gespendet haben. Der größte Spender war offenbar sein Großvater Walter. Perlstein selbst schreibt:

    Friends and fam­ily are the first stop on the crowd­fund­ing whis­tle stop tour!

    Die Macher von Sciencestarter.de wissen natürlich auch, dass eher der Wunsch als ein realistisch erreichbarer Finanzierungserfolg für Forschungsprojekte bei der Konzeption der Seite Pate stand. Die von der Wissenschaftskommunikationsinititative Wissenschaft im Dialog gegründete und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft unterstützte Plattform legt daher auch Wert darauf, den kommunikativen Mehrwert von Sciencestarter zu vedeutlichen:

    Mit der Plattform stellt Wissenschaft im Dialog auch ein neues multimediales Werkzeug für die Wissenschaftskommunikation zur Verfügung. Die Öffentlichkeit erlebt Wissenschaft als Prozess und kann diesen unmittelbar mitgestalten.

    Folglich sind auf Sciencestarter auch explizit Wissenschaftskommunikationsprojekte erwünscht:

    Sciencestarter ist die deutschsprachige Crowdfunding-Plattform zur Finanzierung von Projekten aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Forscher, Studenten und Wissenschaftskommunikatoren können hier ihre Projekte durch viele einzelne Personen finanzieren lassen.

    Ich hätte da schon eine Idee. Wie wäre es mit einer crowdgefundenen Wissenschaftsblogplattform? Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können, die sämtliche technische Probleme, wie nicht funktionierende Plugins, fehlende Kommentarvorschau und Editierfunktion und mangelhafte Darstellung auf mobilen Geräten löst. Darüberhinaus eingenommenes Kapital käme direkt den Bloggern zu Gute. Wer ab 25 EUR spendet bekäme ein eigenes Profilbild und kann die Kommentarvorschau und Editierfunktion nutzen. Wer ab 100 EUR spendet, würde aus der Seitenspalte verlinkt, für 250 Euro gäbe es einen Gastbeitrag eines Wissenschaftsbloggers auf der eigenen Seite zu einem Thema nach Wahl,…

    Bild oben Jesse Pinkman und Walter White beim Meth kochen in der Serie Breaking Bad via Ethan Perlsteins Website (CC BY-NC-SA 3.0)
  • Das Waffenarsenal der Hamas ist der Grund für den Konflikt

    Das Waffenarsenal der Hamas ist der Grund für den Konflikt

    Tag drei der „Pillars of Defence“ Operation. Eine Waffenruhe während dem Besuch des ägyptischen Außenministers Kandil in Gaza wurde nicht eingehalten. Israel hat über Nacht intensive Angriffe geflogen und rund 150 Ziele attackiert, nach offiziellen Angaben hauptsächlich Raketenabschussbasen der Hamas. Von Raktetenangriffen aus Gaza geht weiterhin Gefahr für die israelische Bevölkerung aus, sogar in Tel Aviv wurde gestern Luftalarm ausgelöst.
    Die Hamas verfügt über ein Arsenal an Raketen mit unterschiedlicher Reichweite, hauptsächlich aus iranischer Produktion, die ins Land geschmuggelt werden (ein Grund für die Seeblockade). Israel wird damit täglich beschossen. Das geht seit Jahren so, mal mehr (2008: 3278 Raketen) mal weniger (2010: 231 Raketen). Seit Anfang 2011 verfügt Israel über ein Raketenabwehrsystem, genannt „Iron Dome„, das anfangs sehr erfolgreich Raketen aus Gaza schon in der Luft zerstörte (über 90% Erfolgsrate).
    Der gezielten Tötung von Ahmet Jabari vorgestern ging eine Eskalation der Gewalt an der Gaza-israelischen Grenze voraus. Seit Anfang der „Pillars of Defence“ (oder Pillars of Cloud?“) hat sich der Beschuss Israels durch Raketen aus Gaza deutlich verstärkt (siehe eingebundener Raketenzähler unten). Das Iron Dome Raketenabwehrsystem funktioniert, ein Vergleich der abgefeuerten (350)  mit den abgeschossenen Raketen (130) zeigt allerdings, dass es wahrscheinlich nicht so effizient ist wie bislang angenommen (oder Raketen, die nicht auf bewohntes Gebiet gerichtet sind ignoriert).

    Medienberichten zur Folge werden derzeit tausende israelische Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive mobilisiert. Das Ziel eines Einmarschs in Gaza kann nur sein, Raketenlager und Raketenabschussbasen die für Luftangriffe nicht erreichbar sind (unterirdisch oder in stark bewohntem Gebiet) aufzuspüren und zu zerstören. Seit Beginn der Operation Pillars of Defence sind 19 Palästinenser und drei Israelis getötet worden. Hoffentlich bleiben die Opferzahlen gering.
    Verwandte Artikel im Blog:

    Modifizierte Infografik und Raketenzähler: IDF Blog

     

  • Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Was viele nicht wissen, die nicht direkt im akademischen Wissenschaftsbetrieb arbeiten: Die Europäische Komission spielt eine wichtige Rolle bei der Forschungsfinanzierung. Seit den 1980er Jahren fördert die EU Wissenschaft und Technologie in Rahmenprogrammen, die jeweils über mehrere Jahre laufen. Aktuell befinden wir uns im FP7 (Framework Programme 7), das von 2007-2013 läuft.

    Insgesamt wird in diesem Zeitrahmen ein Budget von über 50 Milliarden Euro verwaltet und verteilt. Zwei Drittel des Geldes werden in kooperative Wissenschaftsprojekte aller Sparten investiert. Weitere rund 15% werden vom European Research Council direkt an exzellente Forscher vergeben. Ein Teil davon sind die sehr prestigeträchtigen ERC-Grants.

    Aktuell wird in Straßburg über das Budget der Europäischen Komission für das achte Rahmenprogramm (Horizon 2020) verhandelt. Insgesamt ist für die Wissenschafts- und Technologieförderung für den Zeitraum bis 2020 rund 80 Milliarden Euro veranschlagt. Das übersteigt das Budget des Bundesministeriums für Bildung un Forschung. Allerdings ist die Genehmigung dieser Summer ob der klammen Haushaltslage einiger Mitgliedsstaaten keinesfalls sicher.

    Die Erhöhung des Budgets auf 80 Milliarden macht aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise Sinn. Die nationale Wissenschafts- und Technologieförderung ist traditionell einer der ersten Sektoren bei denen eingespart wird, da erstens keine sofortigen Gewinne aus Investitionen zu erwarten sind, zweitens Forschung einfach teuer ist und drittens Wissenschaftler leider keine große Lobby haben, um politischen Druck auszuüben. Wenn Landwirte drohen, mit Traktoren nach Brüssel zu fahren um ihre Subventionen zu verteidigen, zeigt das Wirkung. Wenn Wissenschaftler die Pipette aus Protest niederlegen interessiert das kein Schwein.

    Heute haben über 40 Nobelpreisträger, darunter die Deutschen Werner Arber, Günter Blobel, Johann Deisenhofer, Richard Ernst (Schweiz), Gerhard Ertl, Robert Huber, Klaus von Klitzing, Erwin Neher, Christinane Nüsslein Volhard, Heinrich Rohrer (Schweiz), Bert Sakman, Rolf Zinkernagel und Harald zur Hausen eine Protestnote unterschrieben, die sich gegen geplante Budgetkürzungen richtet. Der offene Brief wurde heute in Zahlreichen Tageszeitungen in Europa abgedruckt, darunter offenbar auch die FAZ. Ich finde ihn derzeit leider nicht online im Originallaut. Hier ist der Link zum Aufruf in der FAZ.

    Was aber jeder, ob mit oder ohne Nobelpreis tun kann, ist die heute gestartete Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets zu unterschreiben: http://www.no-cuts-on-research.eu/.

    Die Petition wurde von der initiative for science in Europe heute iniziiert und wird von führenden Wissenschaftlern unterstützt. Derzeit hat die Petition gut 10 000 Unterschriften.

    Verwandte Artikel im Blog:
    Bild oben von Open Consortium.
  • Harmonie ist eine Strategie – Die Folgen der digitalen Personalisierung

    Harmonie ist eine Strategie – Die Folgen der digitalen Personalisierung

    Eli Pariser hat ein Buch über eine der größten Veränderungen des Internets geschrieben seit der Erfindung der Suchmaschinen. Er nennt es die Filter Bubble. Es geht um die digitale Personalisierung, um die auf einen persönlich zugeschnittenen Suchergebnisse in Google, die passenden Buchvorschläge in Amazon und die gefilterte Facebook-Timeline, die längst nicht mehr alle Updates aller Freunde gleich bewertet. Pariser warnt vor einer Relevanz-Monokultur, vor ewig gleichen, durch Algorithmen bestimmten Loops aus wiederkehrenden Inhalten und Meinungen, vor der gefilterten Blase, in der sich jeder Internetnutzer befindet und aus der es immer schwieriger sei auszubrechen.

    Der Mann mit dem klangvollen Namen ist kein Unbekannter im Web. Internetaktivist trifft es vielleicht am besten. Pariser war Chef von MoveOn.org und ist einer der Gründer von Avaaz, zwei online-Bürgerrechtsbewegungen mit recht klarer politischer Linie. Dieses Jahr hat er Upworthy gegründet. Upworthy möchte die Seite werden, auf der man awesome, meaningful and visual things to share findet. Upworthy füllt also die von Eli Pariser beschworene Filter Bubble mit Inhalten, die Eli Parisers Agenda entsprechen.

    Sascha Lobo, ein weiterer -wenn man so will – Internetaktivist, hat die digitale Personalisierung in seiner aktuellen Kolumne in SPIEGEL Online von einer anderen Seite beleuchtet. Es geht um das Sammeln persönlicher Daten und ob diese von Versicherungen genutzt werden können, um personalisierte Policen anzubieten. Lobo illustriert das in seinem Artikel am Beispiel einer Autoversicherung in Großbritannien, die einen neuen Tarif anbietet: Daten über das Fahrverhalten werden elektronisch gesammelt und Verstöße gegen die Verkehrsordnung mit einem Punktesystem geahndet. Bei wiederholten Verstößen erlischt der Versicherungsschutz.

    Lobo selbst denkt weiter und fragt, was wäre, wenn nicht die Autoversicherung, sondern die Krankenversicherung sehr persönliche Daten sammeln würde und danach den Versicherungstarif  anpasste. Er führt Joggen gehen als eine Tätigkeit an, die zu günstigeren Versicherungskonditionen führen kann. Der Gedanke, dass Krankenversicherungen persönliche Daten Nutzen, um Ihre Policen anzupassen war hier im Blog auch schon mal Thema: Was wäre, wenn Versicherungen spezielle Tarife anbieten würden für Kunden, die den Unternehmen ihre DNA Sequenzen überlassen?

    Es dürfte rechtlich nicht einfach sein, diesen gläsernen Kunden direkt günstigere Tarife einzuräumen. Aber die Versicherer könnten beispielsweise häufiger Kosten für bestimmte Vorsorgeuntersuchungen übernehmen, falls eine genetische Prädisposition, beispielsweise für Dickdarmkrebs oder Brustkrebs bestünde. Andere Untersuchungen wären im Ausgleich nicht durch die Policen gedeckt und schon wäre die Krankenversicherung personalisiert.

    Ah, bevor ich es vergesse: Der eigentliche Anlass dieses Artikels: Mein Blog hat jetzt auch eine eigene Facebookseite. Wer etwas für die Aufwertung der eigenen Filterblase tun will: Folgen, teilen und liken!

    Foto oben von stopsign (CC BY-NC-SA 2.0)
  • Empört sein reicht nicht aus – Gründe für Genmaisgate

    Empört sein reicht nicht aus – Gründe für Genmaisgate

    Die erste Welle der Empörung über die Studie „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize“ von Gilles-Eric Séralinie und Kollegen ist abgeebbt. Empört waren kritische Verbraucher und Anti-GMO Aktivisten ob der vermeintlich verheimlichten kanzerogenen Wirkung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und ob der kollektiven Verantwortungslosigkeit eines suspekten, von Monopolisten dominierten Industriezweigs, deren Profitstreben auf dem Rücken von Konsumenten, Produzenten und der Umwelt ausgetragen zu werden scheint.

    Empört waren auch viele Wissenschaftler, allerdings aus anderen Gründen: Die Séralini-Studie war schlecht designt und mangelhaft statistisch ausgewertet. Weiter werden von den Autoren Rohdaten zurück gehalten und vorab wurden nur ausgewählte Journalisten informiert, um damit die öffentliche Meinung selektiv zu beeinflussen. Thematisiert wurde die Studie und die Reaktionen schon in meinem Artikel Ende September

    Nature News hat Ende letzter Woche einen Ausschnitt aus dem Non-Disclosure-Agreement publiziert, das die ausgewählten Journalisten unterschreiben sollten:

    A refund of the cost of the study of several million euros would be considered damages if the premature disclosure questioned the release of the study.

    Das ist, um es milde zu sagen und um bei den Worten von Nature zu bleiben, höchst ungewöhnlich. Im dem Artikel wird weiter bestätigt, dass die Zahl der Ratten (10 pro Gruppe) nicht ausreichend waren. Um belastbare Aussagen bei Karzinogenizitätstests dieser Dauer zu gewinnen, würden mindestens 50 Ratten pro Gruppe empfohlen.

    Das Single Study Syndrom

    Hier retrospektiv noch ein paar weitere Gedanken und Beobachtungen zu Genmaisgate. Joachim Müller-Jung beschreibt in der FAZ ein Phänomen, dass in der New York Times „Single Study Syndrome“ getauft wurde: Einzelne Veröffentlichungen, die vermeintlich den wissenschaftlichen Status Quo eines Forschungsgebiets in Frage stellen, werden in der öffentlichen Berichterstattung über Gebühr gehypt. Ob die publizierten Daten tatsächlich die revolutionären Rückschlüsse erlauben wird zur Nebensache – zumindest wenn es der eigenen Agenda dient.

    Das Seralini Paper passt in dieses Raster, ebenso wie die Veröffentlichung von Felisa „Iron Lisa“ Wolfe-Simon letztes Jahr in Science, in der ein Bakterium präsentiert wurde, dass anstatt Phosphor, mutmaßlich Arsen in die DNA verbaut. Oder die Debatte um Squalen als Adjuvans in Grippeimpfstoffen (Golfkriegssyndrom).

    Müller-Jung schlägt vor, Publikationen, die von unabhängiger Seite noch nicht verifizierte Daten enthalten, als solche zu kennzeichnen. Eine Folge könnte ihm zu Folge sein, dass weniger sensationalistisch über Wissenschaft berichtet würde. Sein Vorschlag ist wenig praktikabel, denn alle neuen Publikationen enthalten Daten, die noch nicht von unabhängiger Seite reproduziert wurden. Oder würde die mediale Berichterstattung über Wissenschaft in Deutschland auf Papers beschränkt, deren Daten zwar unabhängig bestätigt wurden, die aber schon Jahre alt sind? Wohl kaum.

    Die Ursachen von Genmaisgate

    Es sind in erster Linie zwei Faktoren, die allgemein für das Single Study Syndrome und im besonderen für Genmaisgate verantwortlich sind. Zum einen ist es ein punktuelles Versagen des Gutachtersystems. Wäre bereits von den Reviewern angemerkt worden, dass die Séralini-Studie eklatante Mängel aufweist, wäre sie nie in dieser Form publiziert worden. Hätten die Gutachter die passenden Kontrollexperimente zu den Arsenbakterien gefordert, hätte sich schon vor der Veröffentlichung herausgestellt, dass die Autoren Artefakte gemessen haben.

    In zweiter Linie ist es schlechter Journalismus. Zugegeben, der hohe Pulsschlag des Internet verleiten zu schnellen, knackigen Statements. Gehört es nicht dennoch zum journalistischen Handwerkszeug zu recherchieren und – gerade bei vermeintlich sensationellen Nachrichten – auch kritische Expertenmeinungen einzuholen und zu bewerten? Das werden sicher alle bestätigen, nur in der Praxis sieht es offenbar manchmal anders aus, sei es aus Zeitdruck oder weil eine bestimmte Aussage der eigenen Agenda dient.

    Letztlich kommt noch ein dritter Faktor hinzu, den ich in meinem Artikel gestern bereits angesprochen habe: Die wissenschaftliche Alphabetisierung. Hier zwei Zitate aus der Kommentarspalte zu Müller-Jungs Artikel in der FAZ:

    Mit Viren wird Erbgut in pflanzliche Zellkerne verpflanzt. Die Carrier können aber auch wieder aus den Zellkernen mit Ihren DNA-Gebilden wieder austreten und Magenzelle und/oder Darmzellen von Schweinen und Kühen und Vegetariern befallen.
    Das hat der Mann nun anhand von Ratten bewiesen.

    Wer meint dass Gene durchs Kochen deaktiviert werden hat Recht. Die Genfragmente, die dabei freigesetzt werden, können aber von Körperzellen aufgenommen und reaktiviert werden.

    So lange solche Sätze auftauchen, ist noch nicht genug zum Thema gesagt, geschrieben und gezeigt worden. Oder, um es in den Worten von Kommentator nuckythompson zu meinem Artikel Ende September zu sagen:

    Es ist aber so, dass grüne Biotechnologie ihren Schrecken verliert, wenn man sich mehr als oberflächlich damit auseinandersetzt.

    Foto oben: Sprague-Dawley Ratten mit großen Tumoren. Teil einer Abbildung aus dem Séralini-Paper.
  • Felix Baumgartners Sprung aus fast 37 km Höhe LIVE!

    Felix Baumgartners Sprung aus fast 37 km Höhe LIVE!

    Ich habe Höhenangst. Schon als kleines Kind graute es mir vor Achterbahnen und Riesenrädern. Ich war in Paris ohne auf den Eifelturm gestiegen zu sein und ich war noch nie oben im Glockenturm der Sagrada Familia, obwohl ich seit fünf Jahren in Barcelona lebe. Selbst auf Balkonen in hohen Wohnhäusern wird mir mulmig und ich stehe lieber nahe der Wand als am Geländer. Keine zehn Pferde bringen mich in einen Heißluftballon und ich werde mit Sicherheit nie Fallschirm springen.

    Dennoch, und vielleicht gerade deswegen bin ich von Felix Baumgartners geplantem Fallschirmsprung aus einem Ballon aus fast 37 km (120 000 Fuß) Höhe fasziniert. Bekannt dürfte sein: Baumgartner will in einer Kapsel an einem Stratosphärenballon auf die Zielhöhe aufsteigen, abspringen, und seinen Fallschirm 1500 Meter über der Erdoberfläche öffnen. Er will den bisherigen Rekord für den höchsten jemals von einem Mensch durchgeführten Fallschirmsprung brechen und als erster Mensch außerhalb eines geschlossenenen Flugobjektes die Schallmauer durchbrechen.

    Übertragen wird das ganze Live aus Roswell, New Mexico mit etlichen Kameras, unter anderem drei an Felix Baumgarnters Weltraumanzug (eine auf der Brust, jweils eine an den Beinen). Die Liveübertragung ist hier eingebunden, aktuell wird noch der Countdown eingeblendet, hoffentlich bald auch Livebilder.

    Der erste Versuch vergangenen Dienstag wurde abgebrochen, da eine Windböe den sich im aufblasen befindenden Ballon erfasst und auf den Boden gedrückt hat (Foto oben, Quelle: RedBullStratos). Die aktuelle Statusmeldung ist, dass die Wetter- und Windbedingungen ähnlich seien wie am Dienstag, der Sprung aber heute durchgeführt werden soll.  Hier noch ein paar Fakten, die vielleicht nicht allen geläufig sind:

    Besteht das Risiko, dass Baumgartner schwerelos davon schwebt und nicht auf die Erde zurück fällt?

    Nein. Die Gravitation der Erde entspricht in 37 km Höhe noch 98,8% der Schwerkaft auf Meereshöhe (Quelle: Wired). Er kommt also auf jeden Fall auf die Erde zurück – tot oder lebendig. Auch Space-Shuttle und Raumstationen sind übrigens nicht schwerelos. Sie bewegen sich in einem Orbit um die Erde, so dass die resultierende Kraft aus Gravitation und Zentrifugalkraft in etwa Null entspricht und lokal der Eindruck entsteht, man wäre schwerelos. Ich hoffe diese Erklärung wird auch von den Physikern und Astronomen akzeptiert. Die ISS beispielsweise rotiert mit 7.71 km pro Sekunde! in 370 km um die Erde um dort oben zu bleiben.

    Wird Baumgartner tatsächlich die Schallmauer durchbrechen?

    Ja. Die Luft in der Absprunghöhe ist dünn genug, dass Baumgartner für etwa eine Minute lokal schneller als der Schall fällt. Die Schallgeschwindigkeit ist ebenfalls vom umgebenden Medium abhängig (in weniger dichter Luft, also oben, ist er langsamer als in Bodennähe) Dennoch wird Baumgartner wohl eine kurze Zeit lang so schnell fallen, dass er auch die Schallgeschwindigkeit am Boden übertrifft. Der Aufstieg in die Stratosphäre soll rund zwei Stunden dauern, der freie Fall endet nach fünfeinhalb Minuten, wenn Baumgartner dann hoffentlich selbst den Fallschirm öffnet. Die eingebundene Grafik unten ist von Wired Science.

     Ist Felix Baumgartner noch ganz bei Trost?

    Das ist schwer zu sagen. Ich bin schon mal fünf Meter von einem Sprungturm aus gewollt in ein Becken voller Wasser gefallen, das fand ich schon verrückt genug. Ich habe aber auch Höhenangst. Alkohol und Drogen sind klassische Katalysatoren von risikoreichem Verhalten. Hohe Testosteronwerte werden mit risikoreichem Verhalten in Verbindung gebracht. Letztes Jahr erschien zudem ein Paper, das Toxoplasmoseinfektionen mit Extroversion und mangelnder Gewissenhaftigkeit in Verbindung brachte (hat tip: The Starving Neuron). Ich denke aber kaum, dass sich Baumgärtner high oder besoffen in die Kapsel setzt, die ihn da nach oben bringt. Aussagen über sein endokrines System und mögliche Infektionskrankheiten sind hier aus der Ferne jedoch schwer möglich.

    Auf jeden Fall viel Glück!

  • EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    Ich bin wirklich überrascht, so viele negative Kommentare zu dem Friedensnobelpreis für die EU zu lesen. Der Preis wurde für die Förderung des Friedens und der Versöhnung, der Demokratie und Menschenrechte in Europa vergeben. Was ist denn daran falsch? Aber ich verstehe schon, es ist natürlich einfacher auf die EU zu schimpfen, als selbstgemachte Finanzkrisen in den Griff zu bekommen.

    Eines der Hauptargumente der EU-Befürworter ist ja, dass in der EU seit 60 Jahren Frieden herrscht. In historischen Dimensionen offenbar eine lange Zeitspanne. Ich habe dazu gerade nach genaueren Informationen gesucht – die Liste mit europäischen Konflikten auf Wikipedia ist lang. Und es sind auch viele seit Ende des zweiten Weltkriegs dabei.

    Die Liste ist natürlich wichtig und sicher auch komplett, aber anschaulicher wäre eine Infografik, in der die europäischen Konflikte (vielleicht auch nur die Kriege) dargestellt wären. Letzte Woche habe ich hier ein paar tolle Infografiken vorgestellt, warum also nicht eine für die Kriege in Europa anfertigen? Ich habe eine Idee: Ich biete 100 Euro für die beste Infografik zum Thema historische Konflikte in Europa. Einzige Bedingung: Sie muss mit D3 angefertigt werden. Schon Hans Rosling meinte in einem seiner Talks: If you know how to programme Java Script and D3 you will have a job in the future.

    Ich stelle schon mal eine unabhängige Jury für die Wahl zusammen. Eventuell Peter Vanhee von Open Consortium und Tapio Nurminen von Flo Apps. Wer zu den 100 Euro noch was besteuern möchte, kann sich natürlich auch gerne bei mir melden. Einsendeschluss ist der 13. November.

     Das „Cartogramm“ oben stammt von hier.

     
     

  • Warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (und andere schöne Animationen)

    Warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (und andere schöne Animationen)

    Vorvergangene Woche war ich bei einem Vortrag von Hans Rosling. Hans Rosling ist der Vater von gapminder, einem Visualisierungstool, das Google aufgekauft, und die Familie Rosling damit reich gemacht hat. In seinem Vortrag auf dem OKfestival in Helsinki hat er mit Hilfe von Klopapierrollen visualisiert, warum das Bevölkerungswachstum auf der Erde aller Wahrscheinlichkeit nach bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (hier der Talk, die Klopapierrollen gibt es ab min 56:40). Sein sehr unterhaltsamer Vortrag hat deutlich gemacht, wie sehr eine clevere visuelle Darstellung komplexer Sachverhalte dem Verständnis dienen kann.

    Rosling selbst ist sich der Kraft guter Visualisierungen natürlich bewusst, und er sieht darin einen wachsenden Markt. Auf dem OKfestival sagte er wörtlich: „If you know how to programme Java Script and D3 (eine recht neue Grafikbibliothek) you will have a job in the future“. Er meint damit: das Internet bietet natürlich noch ganz andere Möglichkeiten zur Visualisierung von Daten als das Stapeln von Toilettenpapierrollen: Infografiken und Datenanimationen.

    Die besten (und schönsten) Datenvisualisierungen sind letzte Woche mit den Information is beautiful Awards ausgezeichnet worden: Wie viele Soldaten sind in Afghanistan seit 2001 gefallen, wie alt waren sie und woher stammen sie? Welche Metallica-Songs wurden von der Band wann und wie oft live gespielt? Was ist Stuxnet, was hat das Computervirus angerichtet und was kann noch kommen? Eine Chronologie der 100 längsten Wikipedia-Löschdiskussionen, die tatsächlich zum Löschen des jeweiligen Artikels geführt haben….

    Der dritte Platz in der Kategorie Motion Infographic ging an eine Animation des Economist (unten eingebettet), die ebenfalls erklärt, warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden stagnieren wird. Die Argumente sind natürlich die gleichen wie die von Hans Rosling: Die Geburtenrate in fast allen Ländern der Erde ist in den letzten Jahrzehnten auf etwa zwei Kinder pro Frau zurück gegangen. Eine Folge davon ist, dass die Welbevölkerung sich stabilisiert; es gibt keinen „Geburtenüberschuss“. Aufgrund der noch pyramidenförmigen Altersverteilung in vielen Staaten wird die Weltbevölkerung jedoch noch um rund drei Milliarden ansteigen.

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und eine Infografik erklärt besser – und vor allem schöner – als Tabellen und tausend Zeilen Text.

  • Es wird immer billiger: Kommerzielle DNA Sequenzierung zur Vorhersage von Krankheiten

    Es wird immer billiger: Kommerzielle DNA Sequenzierung zur Vorhersage von Krankheiten

    Vor zwei Wochen nahm ich an einer Diskussionsrunde zu personalisierten genetischen Tests Teil. Firmen wie 23andMe bieten für ein paar Hundert Dollar an, die eigene DNA zu analysieren und dann Rückschlüsse auf Krankheitsrisiken, aber auch auf die persönliche Abstammung zu ziehen. Ich habe hier im Blog von der Diskussionsrunde (live) berichtet.

    Im Zuge meiner Vorbereitungen habe ich aktuelle Angebote für diese personalisierten genetischen Tests recherchiert. 23andMe testet derzeit für 300 Dollar. Das sind 100 Dollar weniger als vor knapp drei Jahren. Günstiger ist natürlich gut, und auch die Zahl der ausgewerteten Merkmale ist von rund 120 vor drei Jahren auf derzeit 243 gestiegen. Insgesamt werden dafür von 23andMe Daten von rund einer Million SNPa analysiert. Die Technik, die 23andMe verwendet nennt sich Genotypisierung. Dabei werden Mutationen in kurzen DNA-Abschnitten (single nucleotide polymorphisms, SNPs), Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Krankheiten zugeordnet. Die Wahrscheinlichkeiten wurden (und werden weiter) in sogenannten genomweiten Assoziationstudien (GWAS) bestimmt.

    Die Genotypisierung ist nicht die einzige Möglichkeit, Daten zu Krankheitswahrscheinlichkeiten durch die Analyse der DNA zu gewinnen. Die Alternative ist die DNA Sequenzierung. Und hier sind die Kosten in den letzten Jahren dramatisch gefallen. Die Grafik des National Human Genome Research Institutes zeigt detailliert, wie sich die Kosten für die DNA Sequenzierung seit 2001 entwickelt haben. Der Preisverfall übeflügelt das Moorsche Gesetz weit und besonders auffällig ist der Preisknick nach 2007 (siehe Abbildung oben). Dieser hängt mit einer technischen Neuerung zusammen: Das sogenannte Next Generation Sequencing hat vor ein paar Jahren das traditionelle Sanger-Sequenzing in den großen Sequenzierzentren abgelöst. Das Next Generation Sequencing unterschiedet sich vor allem durch eine massive Parallelisierung der Sequenziervorgänge, hier ein Übersichtsartikel über Sequenziertechniken.

    Weltweite Verteilung der Next Generation Sequenziermaschinen, Stand 09/2012. Quelle http://omicsmaps.com

    Interessant ist auch die weltweite Verteilung der Next-Generation Sequenziermaschinen, sie bildet annährend die Verteilung der Wissenschaftsausgaben ab. Aktuell sind 2035 dieser Sequenziergeräte im Einsatz. 922 davon stehen in Nordamerika, 604 in Europa und 377 in Asien. Das weltweit größte Sequenzierzentrum ist das BGI in China mit 166 Maschinen. In Deutschland stehen 142. Trotz dieser Explosion an Sequenzierpower kostet aktuell die Sequenzierung eines kompletten menschlichen Genoms noch deutlich zu viel, um kommerziell mit SNP-Genotyping konkurrieren zu können. Das sogenannte Exomesequening, bei nicht das ganze Genom sequenziert wird, sondern nur die Teile, die tatsächlich für Proteine kodieren, ist jedoch ein günstigerer Zwischenschritt, der mittelfristig die Genotypisierung wenn nicht ganz ablösen, doch zumindest ergänzen wird. 23andMe muss derzeit dennoch keine Angst vor Konkurrenz haben. Das Unternehmen bietet (für bestehende Kunden) die Sequenzierung des Exoms mit 80-facher Coverage bereits für 999 Dollar an.

    Trotz aller Preisstürze: Deutlich günstiger und häufig zuverlässiger als genetische Tests zur Vorhersage von Krankheiten sind Blutdruck messen, ein Blick auf den Bauchumfang und auf persönliche Laster.

    Quelle Bild oben: Wetterstrand KA. DNA Sequencing Costs: Data from the NHGRI Large-Scale Genome Sequencing Program www.genome.gov/sequencingcosts.