Kategorie: Naturwissenschaften

  • 500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    Wissenschaftliche Forschung an Universitäten und öffentlichen Instituten wird im Allgemeinen durch öffentliche Gelder finanziert. Der Weg von der Idee zum finanziell geförderten Forschungsprojekt ist jedoch mühsam, langwierig und frustrierend. Anträge müssen geschrieben und revidiert werden, vorläufige Ergebnisse müssen präsentiert werden, formale Richtlinien und Deadlines müssen eingehalten werden. Das ganze dauert oft noch länger als später das publizieren der Ergebnisse. Wäre es nicht toll, wenn es alternative Pfade zu den gängigen Wegen im Förderjungel aus Institutsetats, DFG-Anträgen, BMBF-Mitteln und EU-Projekten gäbe?

    Gibt es seit ein paar Tagen auch in Deutschland, heißt Sciencestarter, und ist eine Crowdsourcing-Plattform nach dem überaus erfolgreichen Vorbild Kickstarter. Doch ob das funktioniert, ist eher zweifelhaft.

    Wissenschaftliche Projekte unterschieden sich in einem ganz grundsätzlichen Aspekt von den Projekten die auf Kickstarter erfolgreich finanziert werden: Dort gibt es einen realen Gegenwert für den eingesetzten Betrag. Ganz gleich ob es sich um Comicbücher, Filme über Frauenrechte, Schlüsselanhänger, iPhone-Hüllen oder Musikalben handelt. Das eingesetze Geld ist eine Investition, die einem Kauf gleich kommt. Bei Erreichen des Finanzierungsziels kann man sich als Gegenleistung das Album oder den Film herunterladen oder bekommt das Buch, den Anhänger oder die iPhonehülle zugeschickt.

    Das eingesetzte Geld für wissenschaftliche Projekte – ob auf der deutschen Sciencestarter oder den Vorbildern petridish, Microryza und SciFund kommt hingegen Spenden gleich. Wissenschaftliche Grundlagenforschung stellt nunmal keine Produkte her und Fotos von Artgeschützen Tieren, Einladungen zu Labmeetings oder in Kunstharz eingegossener Pferdemist, wie er bei einem der derzeit sechs geförderten Projekten auf der deutschen Sciencestarter Seite für 500 Euro Spendenvolumen angeboten wird, sind symbolische Gegenleistungen.

    Wer spendet also für Crowdfundingprojekte mit wissenschftlichem Hintergrund? Es ist wohl weniger die wissenschaftsinteressierte und spendenfreudige Öffentlichkeit als vielmehr Verwandte, Freunde und Bekannte, wie eine entsprechende Auswertung des Wissenschafts-Crowdsourcing-Referenzprojekt von Ethan Perlstein ergab. Perlstein hat hat erfolgreich 25 000 Dollar zur Erforschung des Wirkmechanismus von Amphetaminen eingeworben. Eine Analyse seines Facebook-Netzwerks ergab, das rund 10% der mit ihm verbundenen Freunde gespendet haben. Der größte Spender war offenbar sein Großvater Walter. Perlstein selbst schreibt:

    Friends and fam­ily are the first stop on the crowd­fund­ing whis­tle stop tour!

    Die Macher von Sciencestarter.de wissen natürlich auch, dass eher der Wunsch als ein realistisch erreichbarer Finanzierungserfolg für Forschungsprojekte bei der Konzeption der Seite Pate stand. Die von der Wissenschaftskommunikationsinititative Wissenschaft im Dialog gegründete und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft unterstützte Plattform legt daher auch Wert darauf, den kommunikativen Mehrwert von Sciencestarter zu vedeutlichen:

    Mit der Plattform stellt Wissenschaft im Dialog auch ein neues multimediales Werkzeug für die Wissenschaftskommunikation zur Verfügung. Die Öffentlichkeit erlebt Wissenschaft als Prozess und kann diesen unmittelbar mitgestalten.

    Folglich sind auf Sciencestarter auch explizit Wissenschaftskommunikationsprojekte erwünscht:

    Sciencestarter ist die deutschsprachige Crowdfunding-Plattform zur Finanzierung von Projekten aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Forscher, Studenten und Wissenschaftskommunikatoren können hier ihre Projekte durch viele einzelne Personen finanzieren lassen.

    Ich hätte da schon eine Idee. Wie wäre es mit einer crowdgefundenen Wissenschaftsblogplattform? Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können, die sämtliche technische Probleme, wie nicht funktionierende Plugins, fehlende Kommentarvorschau und Editierfunktion und mangelhafte Darstellung auf mobilen Geräten löst. Darüberhinaus eingenommenes Kapital käme direkt den Bloggern zu Gute. Wer ab 25 EUR spendet bekäme ein eigenes Profilbild und kann die Kommentarvorschau und Editierfunktion nutzen. Wer ab 100 EUR spendet, würde aus der Seitenspalte verlinkt, für 250 Euro gäbe es einen Gastbeitrag eines Wissenschaftsbloggers auf der eigenen Seite zu einem Thema nach Wahl,…

    Bild oben Jesse Pinkman und Walter White beim Meth kochen in der Serie Breaking Bad via Ethan Perlsteins Website (CC BY-NC-SA 3.0)
  • Guttenberg auf Stufe sechs der Wissenschaftshölle

    In den USA werden verurteilte Kriminelle die für die Gesellschaft keine direkte Gefahr darstellen gerne mit elektronischen Fußfesseln überwacht. Die Fußfesseln entlasten die chronisch überbelegten Gefängnisse und kosten den Steuerzahler weniger als eine Unterbringung im Knast. Außerdem ermöglichen sie, die so markierten Straftäter jederzeit zu orten. Falls ein Täter sich zu weit von zu Hause entfernt, wird Alarm geschlagen. Eine Variante ermöglicht auch die Durchsetzung von Unterlassungsbefehlen. Alarm wird dann ausgelöst, wenn sich der Täter bestimmten Gebäuden oder Einrichtungen nährt.

    Unser ehemaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist, nachdem er in Deutschland als Plagiator überführt wurde, in die USA ausgewandert. Er hat sich im malerischen Greenwich (Connecticut) ein Haus gekauft und ist dort, nördlich von New York, eigenen Angaben zur Folge, sehr glücklich. Neben dem Plan, sich um seine Familie zu kümmern, ein Buch zu schreiben und den ein oder anderen Neuenglandhummer zu verdrücken, nimmt der Politiker  der Reserve offenbar auch einige lokale Termine wahr. Letzte Woche stand ein Vortrag in Yale an, einer Universität an der amerikanischen Ostküste mit einem hervorragendem wissenschaftlichen Ruf. Es sollte laut Spiegel online um „Mythen der transatlantischen Beziehungen gehen“.

    Einige Doktoranden empfanden die Einladung des überführten Plagiators an die Eliteuniversität offenbar nicht angemessen. Sie riefen zu einem Protest für „akademische Integrität“ auf und verließen demonstrativ den Seminarraum, als der CSU-Politiker anfing zu sprechen (sic). Während Guttenberg an eine akademische Einrichtung, also den Ort seines Vergehens zurück kehrte, ersetzten die demonstrierenden Doktoranden so die elektronische Fußfessel. Zumindest dieser Kontrollmechanismus scheint zu funktionieren.

    Obwohl langsam die promovierten Politiker auszugehen scheinen, erfreut sich das identifizieren von plagiierten Stellen in Doktorarbeiten von Personen mit öffentlichen Funktionen weiterhin großer  Beliebtheit. Ein Grund mag sein, dass es für dritte relativ einfach ist, Plagiate aufzuspüren. Um das Vergehen Guttenberg und Consorten in einem etwas größeren Rahmen einzuordnen, hier eingebunden eine Darstellung der neun Kreise der Wissenschaftshölle. Die Grafik ist angelehnt an Dantes Inferno und so original mit Erklärungen 2010 im Neuroskeptic Blog erschienen. Der Blogpost wurde jetzt in „Perspectives on Psychological Science“, einem peer-reviewten Magazin, erneut veröffentlich (.pdf).

    Guttenberg selbst wird gar nicht die Chance haben, alle Kreise der Hölle zu durchlaufen. Dazu hätte  er ja eigene Daten haben müssen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, was sich sonst gerade im Fegefeuer tut, empfiehlt sich außerdem der Retraction Watch Blog.

  • Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Was viele nicht wissen, die nicht direkt im akademischen Wissenschaftsbetrieb arbeiten: Die Europäische Komission spielt eine wichtige Rolle bei der Forschungsfinanzierung. Seit den 1980er Jahren fördert die EU Wissenschaft und Technologie in Rahmenprogrammen, die jeweils über mehrere Jahre laufen. Aktuell befinden wir uns im FP7 (Framework Programme 7), das von 2007-2013 läuft.

    Insgesamt wird in diesem Zeitrahmen ein Budget von über 50 Milliarden Euro verwaltet und verteilt. Zwei Drittel des Geldes werden in kooperative Wissenschaftsprojekte aller Sparten investiert. Weitere rund 15% werden vom European Research Council direkt an exzellente Forscher vergeben. Ein Teil davon sind die sehr prestigeträchtigen ERC-Grants.

    Aktuell wird in Straßburg über das Budget der Europäischen Komission für das achte Rahmenprogramm (Horizon 2020) verhandelt. Insgesamt ist für die Wissenschafts- und Technologieförderung für den Zeitraum bis 2020 rund 80 Milliarden Euro veranschlagt. Das übersteigt das Budget des Bundesministeriums für Bildung un Forschung. Allerdings ist die Genehmigung dieser Summer ob der klammen Haushaltslage einiger Mitgliedsstaaten keinesfalls sicher.

    Die Erhöhung des Budgets auf 80 Milliarden macht aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise Sinn. Die nationale Wissenschafts- und Technologieförderung ist traditionell einer der ersten Sektoren bei denen eingespart wird, da erstens keine sofortigen Gewinne aus Investitionen zu erwarten sind, zweitens Forschung einfach teuer ist und drittens Wissenschaftler leider keine große Lobby haben, um politischen Druck auszuüben. Wenn Landwirte drohen, mit Traktoren nach Brüssel zu fahren um ihre Subventionen zu verteidigen, zeigt das Wirkung. Wenn Wissenschaftler die Pipette aus Protest niederlegen interessiert das kein Schwein.

    Heute haben über 40 Nobelpreisträger, darunter die Deutschen Werner Arber, Günter Blobel, Johann Deisenhofer, Richard Ernst (Schweiz), Gerhard Ertl, Robert Huber, Klaus von Klitzing, Erwin Neher, Christinane Nüsslein Volhard, Heinrich Rohrer (Schweiz), Bert Sakman, Rolf Zinkernagel und Harald zur Hausen eine Protestnote unterschrieben, die sich gegen geplante Budgetkürzungen richtet. Der offene Brief wurde heute in Zahlreichen Tageszeitungen in Europa abgedruckt, darunter offenbar auch die FAZ. Ich finde ihn derzeit leider nicht online im Originallaut. Hier ist der Link zum Aufruf in der FAZ.

    Was aber jeder, ob mit oder ohne Nobelpreis tun kann, ist die heute gestartete Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets zu unterschreiben: http://www.no-cuts-on-research.eu/.

    Die Petition wurde von der initiative for science in Europe heute iniziiert und wird von führenden Wissenschaftlern unterstützt. Derzeit hat die Petition gut 10 000 Unterschriften.

    Verwandte Artikel im Blog:
    Bild oben von Open Consortium.
  • Empört sein reicht nicht aus – Gründe für Genmaisgate

    Empört sein reicht nicht aus – Gründe für Genmaisgate

    Die erste Welle der Empörung über die Studie „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize“ von Gilles-Eric Séralinie und Kollegen ist abgeebbt. Empört waren kritische Verbraucher und Anti-GMO Aktivisten ob der vermeintlich verheimlichten kanzerogenen Wirkung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und ob der kollektiven Verantwortungslosigkeit eines suspekten, von Monopolisten dominierten Industriezweigs, deren Profitstreben auf dem Rücken von Konsumenten, Produzenten und der Umwelt ausgetragen zu werden scheint.

    Empört waren auch viele Wissenschaftler, allerdings aus anderen Gründen: Die Séralini-Studie war schlecht designt und mangelhaft statistisch ausgewertet. Weiter werden von den Autoren Rohdaten zurück gehalten und vorab wurden nur ausgewählte Journalisten informiert, um damit die öffentliche Meinung selektiv zu beeinflussen. Thematisiert wurde die Studie und die Reaktionen schon in meinem Artikel Ende September

    Nature News hat Ende letzter Woche einen Ausschnitt aus dem Non-Disclosure-Agreement publiziert, das die ausgewählten Journalisten unterschreiben sollten:

    A refund of the cost of the study of several million euros would be considered damages if the premature disclosure questioned the release of the study.

    Das ist, um es milde zu sagen und um bei den Worten von Nature zu bleiben, höchst ungewöhnlich. Im dem Artikel wird weiter bestätigt, dass die Zahl der Ratten (10 pro Gruppe) nicht ausreichend waren. Um belastbare Aussagen bei Karzinogenizitätstests dieser Dauer zu gewinnen, würden mindestens 50 Ratten pro Gruppe empfohlen.

    Das Single Study Syndrom

    Hier retrospektiv noch ein paar weitere Gedanken und Beobachtungen zu Genmaisgate. Joachim Müller-Jung beschreibt in der FAZ ein Phänomen, dass in der New York Times „Single Study Syndrome“ getauft wurde: Einzelne Veröffentlichungen, die vermeintlich den wissenschaftlichen Status Quo eines Forschungsgebiets in Frage stellen, werden in der öffentlichen Berichterstattung über Gebühr gehypt. Ob die publizierten Daten tatsächlich die revolutionären Rückschlüsse erlauben wird zur Nebensache – zumindest wenn es der eigenen Agenda dient.

    Das Seralini Paper passt in dieses Raster, ebenso wie die Veröffentlichung von Felisa „Iron Lisa“ Wolfe-Simon letztes Jahr in Science, in der ein Bakterium präsentiert wurde, dass anstatt Phosphor, mutmaßlich Arsen in die DNA verbaut. Oder die Debatte um Squalen als Adjuvans in Grippeimpfstoffen (Golfkriegssyndrom).

    Müller-Jung schlägt vor, Publikationen, die von unabhängiger Seite noch nicht verifizierte Daten enthalten, als solche zu kennzeichnen. Eine Folge könnte ihm zu Folge sein, dass weniger sensationalistisch über Wissenschaft berichtet würde. Sein Vorschlag ist wenig praktikabel, denn alle neuen Publikationen enthalten Daten, die noch nicht von unabhängiger Seite reproduziert wurden. Oder würde die mediale Berichterstattung über Wissenschaft in Deutschland auf Papers beschränkt, deren Daten zwar unabhängig bestätigt wurden, die aber schon Jahre alt sind? Wohl kaum.

    Die Ursachen von Genmaisgate

    Es sind in erster Linie zwei Faktoren, die allgemein für das Single Study Syndrome und im besonderen für Genmaisgate verantwortlich sind. Zum einen ist es ein punktuelles Versagen des Gutachtersystems. Wäre bereits von den Reviewern angemerkt worden, dass die Séralini-Studie eklatante Mängel aufweist, wäre sie nie in dieser Form publiziert worden. Hätten die Gutachter die passenden Kontrollexperimente zu den Arsenbakterien gefordert, hätte sich schon vor der Veröffentlichung herausgestellt, dass die Autoren Artefakte gemessen haben.

    In zweiter Linie ist es schlechter Journalismus. Zugegeben, der hohe Pulsschlag des Internet verleiten zu schnellen, knackigen Statements. Gehört es nicht dennoch zum journalistischen Handwerkszeug zu recherchieren und – gerade bei vermeintlich sensationellen Nachrichten – auch kritische Expertenmeinungen einzuholen und zu bewerten? Das werden sicher alle bestätigen, nur in der Praxis sieht es offenbar manchmal anders aus, sei es aus Zeitdruck oder weil eine bestimmte Aussage der eigenen Agenda dient.

    Letztlich kommt noch ein dritter Faktor hinzu, den ich in meinem Artikel gestern bereits angesprochen habe: Die wissenschaftliche Alphabetisierung. Hier zwei Zitate aus der Kommentarspalte zu Müller-Jungs Artikel in der FAZ:

    Mit Viren wird Erbgut in pflanzliche Zellkerne verpflanzt. Die Carrier können aber auch wieder aus den Zellkernen mit Ihren DNA-Gebilden wieder austreten und Magenzelle und/oder Darmzellen von Schweinen und Kühen und Vegetariern befallen.
    Das hat der Mann nun anhand von Ratten bewiesen.

    Wer meint dass Gene durchs Kochen deaktiviert werden hat Recht. Die Genfragmente, die dabei freigesetzt werden, können aber von Körperzellen aufgenommen und reaktiviert werden.

    So lange solche Sätze auftauchen, ist noch nicht genug zum Thema gesagt, geschrieben und gezeigt worden. Oder, um es in den Worten von Kommentator nuckythompson zu meinem Artikel Ende September zu sagen:

    Es ist aber so, dass grüne Biotechnologie ihren Schrecken verliert, wenn man sich mehr als oberflächlich damit auseinandersetzt.

    Foto oben: Sprague-Dawley Ratten mit großen Tumoren. Teil einer Abbildung aus dem Séralini-Paper.
  • Felix Baumgartners Sprung aus fast 37 km Höhe LIVE!

    Felix Baumgartners Sprung aus fast 37 km Höhe LIVE!

    Ich habe Höhenangst. Schon als kleines Kind graute es mir vor Achterbahnen und Riesenrädern. Ich war in Paris ohne auf den Eifelturm gestiegen zu sein und ich war noch nie oben im Glockenturm der Sagrada Familia, obwohl ich seit fünf Jahren in Barcelona lebe. Selbst auf Balkonen in hohen Wohnhäusern wird mir mulmig und ich stehe lieber nahe der Wand als am Geländer. Keine zehn Pferde bringen mich in einen Heißluftballon und ich werde mit Sicherheit nie Fallschirm springen.

    Dennoch, und vielleicht gerade deswegen bin ich von Felix Baumgartners geplantem Fallschirmsprung aus einem Ballon aus fast 37 km (120 000 Fuß) Höhe fasziniert. Bekannt dürfte sein: Baumgartner will in einer Kapsel an einem Stratosphärenballon auf die Zielhöhe aufsteigen, abspringen, und seinen Fallschirm 1500 Meter über der Erdoberfläche öffnen. Er will den bisherigen Rekord für den höchsten jemals von einem Mensch durchgeführten Fallschirmsprung brechen und als erster Mensch außerhalb eines geschlossenenen Flugobjektes die Schallmauer durchbrechen.

    Übertragen wird das ganze Live aus Roswell, New Mexico mit etlichen Kameras, unter anderem drei an Felix Baumgarnters Weltraumanzug (eine auf der Brust, jweils eine an den Beinen). Die Liveübertragung ist hier eingebunden, aktuell wird noch der Countdown eingeblendet, hoffentlich bald auch Livebilder.

    Der erste Versuch vergangenen Dienstag wurde abgebrochen, da eine Windböe den sich im aufblasen befindenden Ballon erfasst und auf den Boden gedrückt hat (Foto oben, Quelle: RedBullStratos). Die aktuelle Statusmeldung ist, dass die Wetter- und Windbedingungen ähnlich seien wie am Dienstag, der Sprung aber heute durchgeführt werden soll.  Hier noch ein paar Fakten, die vielleicht nicht allen geläufig sind:

    Besteht das Risiko, dass Baumgartner schwerelos davon schwebt und nicht auf die Erde zurück fällt?

    Nein. Die Gravitation der Erde entspricht in 37 km Höhe noch 98,8% der Schwerkaft auf Meereshöhe (Quelle: Wired). Er kommt also auf jeden Fall auf die Erde zurück – tot oder lebendig. Auch Space-Shuttle und Raumstationen sind übrigens nicht schwerelos. Sie bewegen sich in einem Orbit um die Erde, so dass die resultierende Kraft aus Gravitation und Zentrifugalkraft in etwa Null entspricht und lokal der Eindruck entsteht, man wäre schwerelos. Ich hoffe diese Erklärung wird auch von den Physikern und Astronomen akzeptiert. Die ISS beispielsweise rotiert mit 7.71 km pro Sekunde! in 370 km um die Erde um dort oben zu bleiben.

    Wird Baumgartner tatsächlich die Schallmauer durchbrechen?

    Ja. Die Luft in der Absprunghöhe ist dünn genug, dass Baumgartner für etwa eine Minute lokal schneller als der Schall fällt. Die Schallgeschwindigkeit ist ebenfalls vom umgebenden Medium abhängig (in weniger dichter Luft, also oben, ist er langsamer als in Bodennähe) Dennoch wird Baumgartner wohl eine kurze Zeit lang so schnell fallen, dass er auch die Schallgeschwindigkeit am Boden übertrifft. Der Aufstieg in die Stratosphäre soll rund zwei Stunden dauern, der freie Fall endet nach fünfeinhalb Minuten, wenn Baumgartner dann hoffentlich selbst den Fallschirm öffnet. Die eingebundene Grafik unten ist von Wired Science.

     Ist Felix Baumgartner noch ganz bei Trost?

    Das ist schwer zu sagen. Ich bin schon mal fünf Meter von einem Sprungturm aus gewollt in ein Becken voller Wasser gefallen, das fand ich schon verrückt genug. Ich habe aber auch Höhenangst. Alkohol und Drogen sind klassische Katalysatoren von risikoreichem Verhalten. Hohe Testosteronwerte werden mit risikoreichem Verhalten in Verbindung gebracht. Letztes Jahr erschien zudem ein Paper, das Toxoplasmoseinfektionen mit Extroversion und mangelnder Gewissenhaftigkeit in Verbindung brachte (hat tip: The Starving Neuron). Ich denke aber kaum, dass sich Baumgärtner high oder besoffen in die Kapsel setzt, die ihn da nach oben bringt. Aussagen über sein endokrines System und mögliche Infektionskrankheiten sind hier aus der Ferne jedoch schwer möglich.

    Auf jeden Fall viel Glück!

  • Ziemlich lächerlich. John Gurdons Zeugnis im Wortlaut

    John Gurdon, Nobelpreisträger 2012 für Medizin und Physiologie zusammen mit Shin’ya Yamanaka, war offenbar nicht besonders gut in der Schule. Hier ein Ausschnitt aus seinem Zeugnis als er 16 Jahre alt war. Sein Biologielehrer hatte wenig Hoffnung.

    Besonders schön, wie ich finde: …several times he has been in trouble, because he will not listen, but will insist on doing his work in his own way.

  • Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Wissenschaftskommunikation hat häufig ein Wahrnehmungsproblem, denn oft interessiert keine Sau, was da wieder publiziert wurde. Versteht ja sowieso keiner. Nur einmal im Jahr, bei der Vergabe der Nobelpreise sind sich alle einig: Da ist ja wirklich mal was Tolles erforscht worden! Muss ja, sonst gäbe es keinen Preis dafür. Wissenschaftsredaktionen mühen sich – geleitet von den knappen Pressemitteilung der schwedischen Akademie der Wissenschaften (Physik, Chemie) oder dem Nobelgremium des Karolinskainstituts (Physiologie und Medizin) – den Nutzen für die Medizin oder die Technik aus jahrzehntelanger und zum Teil jahrzehntealter Forschung heraus zu destillieren und möglichst schnell die frohe Kunde weiter zu verbreiten: Wieder sind zwei Forscher ausgezeichnet worden. Und einer war tatsächlich im Labor als der Anruf aus Stockholm kam (Gurdon am Montag).

    Bemerkenswerter als die heutige Auszeichnung der beiden US-amerikanischen Forscher Robert Lefkowitz und Brian Kobilka für die Entdeckung und Erforschung der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist, dass bis gestern kaum jemand von deren wissenschaftlichen Errungenschaften gehört hat, oder deren Bedeutung einordnen konnte. Ist aber auch egal, denn spätestens zwei Wochen nach der Vergabe der Nobelpreise ist auch schon wieder vergessen, wer da warum in Stockholm ausgezeichet wurde. Oder kann sich noch jemand hier ad hoc daran erinnern, wer letztes Jahr die Nobelpreise für Medizin, Physik und Chemie erhielt?

    Wie zwölf mal in den letzen 15 Jahren gingen auch dieses Jahr beide Preise, für Medizin/ Physiologie und für Chemie, an Forscher, die sich mit molekularbiologischen Themen auseinandersetzen. Grundbegriffe aus der Molekularbiologie sollten also bekannt sein, vor allem wenn man über die Nobelpreise schreibt. Muss der diese Woche neu auf Deutsch (aber in altbackenem Design und ohne RSS feed) gestartete New Scientist dann tatsächlich noch von „Signal-Eiweißen“ sprechen? Es sind Proteine! Spiegel Online erklärt GPCRs so: „Die beiden Forscher erhalten den Preis für die Entdeckung von Rezeptoren in der Zellwand, die wichtige Signale von außen in die Zelle leiten„. Zellwand? Die Proteine sitzen in der Zellmembran.

    Reiner Korbmann greift in seinem Blog „Wissenschaft kommuniziert“ die Frage auf, ob die Wissenschaft am Rande der Informationsgesellschaft stehen bleibe, da die Kommunikation nicht funktioniert. Er fasst das Ergebnis einer Tagung zu diesem Thema so zusammen: „Wir [die Kommunikatoren] müssen die Wissenschaftler dazu bringen, über die Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und nachzudenken.

    Und dann?

    Ich habe eine andere Theorie: Wissenschaftskommunikation muss das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen und anfangen sich damit zu beschäftigen, was Wissenschaftler tatsächlich erforschen – um dann in Masse und Klasse darüber berichten. Wissenschaft im Dialog listet Studienangebote für Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. Wie viele der dort Eingeschriebenen haben ein Blog? Wie viele Doktoranden sitzen in den Laboren und wissen nicht, was sie nach der Promotion wirklich machen möchten? Schon mal daran gedacht über Wissenschaft zu schreiben? Es ist wirklich einfach anzufangen. Es gibt Anleitungen für gute Blogposts. Und es gibt hier gesammelt 150 persönliche Statements wie man dazu kommt „Science Writer“ zu werden. Ein Beruf, den es so im Deutschen übrigens gar nicht gibt. Brauchen wir wirklich Crowdfunding für Wissenschaftsprojekte, oder vielleicht einfach einen Fonds, aus dem guter Wissenschaftsjournalismus bezahlt wird?

    Für eine wissenschaftliche Alphabetisierung der Gesellschaft!

    Bild via I fucking love science
  • Warum Ian Wilmut für das Klonschaf Dolly keinen Nobelpreis bekommt

    Warum Ian Wilmut für das Klonschaf Dolly keinen Nobelpreis bekommt

    Die Vergabe der Nobelpreise in den naturwissenschaftlichen Disziplinen haben selten politische Tragweite, verglichen beispielsweise mit dem Friedensnobelpreis. Barak Obama erhielt diesen 2009, nachdem er erst kurz im Amt war. Wahrscheinlich hatte er dadurch noch nicht ausreichend Zeit sich als Kandidat zu disqualifizieren. Obama selbst meinte, er habe den Preis nicht verdient. Oder Yasser Arafats Friedensnobelpreis 1994. Oder der für Al Gore 2007.
    Das heißt natürlich nicht, dass die Nobelpreise in den Naturwissenschaften frei jeglicher politischen Dimension wären. Häufiger als die gewürdigten Wissenschaftler selbst, sind es aber eben jene, die unverständlicherweise leer ausgehen. 2009 erhielten Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi eine Hälfte des Medizinnobelpreises für die Entdeckung des AIDS-Erregers. Die Tatsache, dass Luc Montagnier auf dem besten Weg ist zur Galionsfigur der Pseudowissenschaften zu werden, ist das eine. Wieso aber Robert Gallo, einer der Mitentdecker des HI-Virus, nicht gewürdigt wurde, bleibt das Geheimnis des Nobelkomitees des Karolinskainstituts, das den Preis für Physiologie und Medizin vergibt.
    Die diesjährige Vergabe des Nobelpreises weist vermeintliche Parallelen zu dem Fall Gallo auf. Neben Shin’ya Yamanaka, dem Erfinder der Reprogrammierung von Körperzellen zu iPS Zellen, wurde John Gurdon gewürdigt. Zunächst hat Gurdon mit der Reprogrammierung von Zellen durch Transkriptionsfaktoren, wie sie Yamanaka gelungen ist, wenig zu tun. Er ist der Vater von inzwischen klassischen Experimenten, bei denen einer entkernten Eizelle der Zellkern einer Körperzelle eingesetzt wird. Wenn diese Zellchimären sich anfangen zu teilen, können die so generierten Embryonen zu lebensfähigen Tieren heranwachsen. Die gesamte Information, die zur Entwicklung notwendig ist, ist also auch in adulten Zellen noch vorhanden. Gurdon führte diese Experimente mit Froscheiern durch.
    Bekannter sind jedoch die analogen Versuche an Säugetieren, die erst Jahrzehnte später gelangen: Mit dieser Technik wurde am Roslin-Insititut in Edinburgh 1996 das erste „Klonschaf Dolly“ hergestellt. Warum also ist nicht auch Ian Wilmut, der „Vater von Dolly“ mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden? Immerhin erlauben es die Nobelpreisstatuten, dass sich bis zu drei Wissenschaftler einen Preis teilen. Nun, der tatsächliche Beitrag von Wilmut zu den Zellkerntransferexperimenten aus denen letztlich Dolly resultierte, ist umstritten und inzwischen wird Wilmuts Kollege, der weitgehend unbekannte Keith Campbell als geistiger Vater von Dolly angesehen. Der Streit eskalierte bis hin zur öffentlichen Forderung, dass Ian Wilmut die von der Queen verliehene Ritterwürde wieder abgenommen wird.
    Wäre also auch der Kerntransfer in Säugetieren nobelpreiswürdig gewesen, hätte Keith Campbell die Ehre gebührt und nicht Ian Wilmut. Ich hätte es Campbell gegönnt, sozusagen als Wiedergutmachung. Solche Argumente scheinen jedoch in Stockholm nicht zu zählen.

  • Die biologische Uhr zurück drehen. Nobelpreis für die Reprogrammierung von Stammzellen

    Die biologische Uhr zurück drehen. Nobelpreis für die Reprogrammierung von Stammzellen

    Es gibt über 200 verschiedene Zelletypen im menschlichen Körper. Hautzellen, rote Blutkörperchen, Nervenzellen, Darmepithelzellen, Herzmuskelzellen, und so weiter. Vier Tage nach Befruchtung fangen die Zelltypen an, sich zu differenzieren, nach zwei Wochen sind Ectoderm, Mesoderm, Endoderm und die Geschlechtszellen angelegt, zwei Monate nach der Befruchtung sind die unterschiedlichen Zelltypen größtenteils ausdifferenziert. Lange wurde angenommen, dass dieser zelluläre Entwicklungsprozess einer Einbahnstraße gleicht, der mit pluripotenten Zellen beginnt, Zellen also, die das Potential haben, sich in viele verschiedene Zelltypen zu differenzieren, und in unipotenten, ausdifferenzierten Zellen mit einer definierten Funktion endet.
    Erst vor ein paar Jahren gelang es Shin’ya Yamanaka diesen Prozess der Ausdifferenzierung umzukehren. Er konnte Bindegewebszellen von Mäusen in Labor durch Gabe bestimmter Transkriptionsfaktoren (sie heißen Oct3/4, Sox2, Klf4 und c-Myc) in einen Zustand überführen, in dem die Zellen sich erstaunlicherweise wieder in andere Zelltypen ausdifferenzieren liesen. Die biologische Uhr der Differenzierung wurde sozusagen zurück gedreht. Die so geschaffenen Zellen wurden induzierte pluripotente Stammzellen, oder iPS-Zellen getauft.
    Diese erstaunlichen Ergebnisse wurden inzwischen von vielen Laboren bestätigt und erweitert. Es werden immer weitere Möglichkeiten entdeckt, differenzierte Zelltypen in deren Vorläuferzellen zurück zu verwandeln oder bestimmte Zelltypen ineinander umzuwandeln. Die Methoden werden verfeinert und Stück für Stück werden so die molekularen Grundlagen der Zellentwicklung aufgedeckt.
    Hoffnungen für den therapeutischen Nutzen von iPS-Zellen werden ebenfalls an die induzierten pluripotenten Stammzellen geknüpft. Beispielsweise wäre es denkbar, körpereigene Haut für Brandopfer oder neue Herzmuskelzellen für Infarktpatienten aus iPS Zellen herzustellen. Nicht zuletzt wurde die Entdeckung der Reprogrammierung von Gegnern der Forschung an embryonalen Stammzellen als ein Argument ins Feld geführt, dass man auf richtige Stammzellen nun ja in der Forschung verzichten könne. Experten sind anderer Meinung.
    Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie und Medizin wurde zurecht an Shin’ya Yamanaka verliehen. Seine Forschung steht für einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel mit noch unabsehbaren Konsequenzen, inklusive therapeutischer Anwendungen. Zum zweiten Preisträger dieses Jahr, John Gurdon, mehr heute Nachmittag.
    Die Abbildung oben stammt aus einem Vortrag von Konrad Hochedlinger.

  • Der Leitfaden für die Doktorarbeit in Bildern

    Wenn wir gerade schon bei Infografiken sind, hier die ultimative Visualisierung der Bedeutung der Promotion. Ein Leitfaden in zwölf Bildern.
    Stell dir vor, dieser Kreis symbolisiert das gesamte Wissen der Menschheit.
    Nach der Grundschule weißt du ein bisschen was davon,
    nach dem Abitur ist es schon etwas mehr.
    Mit dem Bachelor fängst du an, dich zu spezialisieren.
    Wenn du einen Master dran hängst, vertiefst du dieses Spezialwissen.
    Wenn du dabei viele wissenschaftliche Publikationen liest, gerätst du an die Grenze dessen, was die Menschheit weiß.
    Dort an der Grenze fokussierst du dich auf ein Thema.
    Du kämpfst für ein paar Jahre mit dieser Grenze.
    Und irgendwann gibt die Grenze nach.
    Und diese Delle, die du hinterlässt, das ist deine Doktorarbeit.
    Natürlich sieht die Welt für dich jetzt vollkommen anders aus!
    Der Blick auf das große Ganze relativiert das wieder etwas.
    .
    .
    .
    Kämpf weiter!
    Diese Bildergeschichte ist schon etwas älter, ich hoffe nicht jeder der hier mitliest kannte sie schon. Sie stammt im Original von Matt Might und ist hier mit englischen Untertitleln. The illustrated guide to a PhD ist unter einer Creative Commons BY-NC-2.5 Lizenz veröffentlicht.