Kategorie: Konferenzen und Reisen

  • Was noch tun, außer sein Mitgefühl zeigen?

    Was noch tun, außer sein Mitgefühl zeigen?

    Gestern habe ich ein kurzes Video aus Tel Aviv gesehen. Kurz nach Mittag. Bewölkter Himmel. Die Sirenen heulen, Vögel fliegen auf, Explosionen sind zu hören, vermutlich der Iron Dome in Aktion. Dennoch schafft es eine Hamas-Rakete durch die Raketenabwehr und schlägt in ein Haus ein.

    Ich hätte eigentlich heute in einem Flieger der Lufthansa nach Tel Aviv sitzen sollen. Ich hätte mich dann nach Gvulot durchgeschlagen, ein Kibbutz etwa 10 km vom Gazastreifen entfernt. Ich hätte dort drei Tage lang einen Workshop für Wissenschaftler mit zwei Kollegen gegeben. 

    Statt dessen hatten wir drei heute ein Zoom-Meeting. Mein Kollege in Tel Aviv war heute Morgen schon schwimmen, ein Bad in seiner Nähe habe wieder geöffnet. Er braucht 40 Sekunden für eine Bahn. Wenn der Bademeister bei Raketenalarm pfeift also maximal 20 Sekunden bis an den Beckenrand. Dann hat er noch 70 Sekunden um in den nächsten Luftschutzbunker zu kommen. Das reicht.

    Viele der ermordeten Israelis und der Geiseln der Hamas seien, wie er, Teil des linken Spektrums in Israel und hätten sich vor dem Angriff am 7. Oktober für die Belange der Palästinenser eingesetzt. Er wünscht sich Frieden und weiß doch, dass die Hamas und deren Terrorinfrastruktur zerstört werden muss. 

    Wie lange kann es gehen, bis Frieden herrscht? Optimistisch gesprochen eine Generation, vielleicht 30 Jahre, meint er. Es ist kompliziert. Er weiß es nicht. 

    Mir fehlen auch die Worte. Aber die einfach gestrickten und die verkappten Antisemiten, die jetzt ihre Masken fallen lassen, die finden welche. In den Sozialen Medien und auf “Pro-Palästina”-Demonstrationen. Was kann man dem entgegen setzen?

  • Wo der Schmerz raus will

    Wo der Schmerz raus will

    Mein Tag fing heute Morgen mit einer Pantoprazol und 800 mg Ibuprofen an. Um meinen Pegel zu halten, lege ich alle vier Stunden 400 mg Ibuprofen nach. Um zwei Stunden versetzt und ebenfalls im Vierstundenrhythmus gibts 20 Tropfen Novalgin. 

    Mit den Nachwehen der Silvesternacht hat das nichts zu tun. Pünktlich zum Beginn meiner Weihnachtspause meldete sich mein unterer Rücken, seit vier Tagen mit nie gekannter Vehemenz. Die linke Pobacke schmerzt, es zieht das Bein runter und der linke Fuß ist taub. Sitzen geht gar nicht. Liegen ist ok, der Arzt meinte ich solle mich bewegen, spazieren gehen, Radfahren. Können vor Schmerzen. 

    Es ist, als wolle mein Körper sicherstellen, dass ich in meinem Urlaub auch tatsächlich Pause mache. Ich ergebe mich.

    Eine alternative, nicht weniger belegbare Hypothese über die Ursache habe ich noch: Mein Jahr wahr so schmerzhaft, ich kann das gar nicht alles rausheulen. Da sucht sich der Schmerz einen anderen Weg, bei mir eben das Rückenmark runter, an einem Lendenwirbel raus und dann den Ischiasnerv entlang.

    Heute vor einem Jahr in Seoul.

    Heute vor einem Jahr war ich mit Titien zum Familientreffen in Seoul. Direktflug von Frankfurt. Titiens Bruder ist mit einer Koreanerin verheiratet. Er hat seine Frau und seine Tochter, meine Nichte, zum letzten Mal vor einem Jahr gesehen. Er arbeitet in Jakarta, Frau und Tochter sind in Pandemiezeiten in Korea besser aufgehoben.

    Zwei Freundinnen von mir haben in 2020 ebenfalls ihre Partner verloren. Ian, Martas Mann, ist an Knochenkrebs gestorben. Felipe, der Mann von Almoraima, ist vor vier Tagen ebenfalls an einem Hirntumor gestorben. Alle in unserem Alter.

    An sie habe ich gestern Abend gedacht, und an die vielen Menschen, die Titien und mich im vergangenen Jahr unterstützt haben. Danke und frohes neues Jahr.

  • Großer Nackenkissen und Halskrausentest

    Großer Nackenkissen und Halskrausentest

    Jeder Sportler weiß: Wer längere Zeit nicht trainiert, verliert nicht nur Kondition, sondern auch die Leistungsfähigkeit der nicht mehr beanspruchten Muskelgruppen. Eine Folge der Coronaviruspandemie ist daher sicher massenhafter Muskelkater bei Freizeitsportlern, die durch Covid-bedingte Einschränkungen wochenlang nicht trainieren konnten. 

    Muskelschwäche betrifft aber nicht nur Freizeitsportler. Eine weithin unterschätzte Folge des mit der Coronakrise zusammenhängenden Rückgangs der Reisetätigkeit, ist eine durch Trainingsmangel verursachte Schwächung der Hals- und Genickmuskeln der Fahrgäste und Passagiere in Bus, Bahn und Flugzeug. “Ich habe Genick” wird das neue “Ich habe Rücken”, sobald längeres unterwegs sein wieder Teil des Berufsalltags Vielreisender wird.

    Um nach langer Reisepause schmerzhaften Genickschmerzen und möglichen Langzeitschäden vorzubeugen, empfiehlt es sich, den nach monatelangem Ausharren im Home Office gänzlich untrainierten Nacken mit einem entsprechenden Kissen zu stützen. 

    Auch wer nur sporadisch verreist, erfährt hier im großen Nackenkissen und Halskrausentest, welche Produkte die Profis wählen, und welche Kissentrends zur unmittelbar bevorstehenden Urlaubszeit an zahllosen Koffern und Rucksäcken baumeln werden.

    Die Testerin

    Wir konnten für unseren großen Nackenkissentest eine hervorragend geeignete Testerin gewinnen. Titien Maier leidet in Folge eines Gehirntumors an zunehmender Muskelschwäche. Sie kann ohne Kissen den Kopf nicht mehr gerade halten. Ihr Ehemann und Pfleger Tobias verriet uns im Interview: “Wenn ich sie ohne Nackenkissen im Rollstuhl durch Karlsruhe fahre, wackelt ihr Kopf wie ein Kuhschwanz”.

    Die Testbedingungen

    Um trotz eingeschränkter Reisemöglichkeiten die Herausforderungen von Langstreckenreisen an die Nackenmuskulator möglichst realistisch zu simulieren, wurden zwei Testszenarien entworfen. Zum einen wurden Rollstuhlfahrten durch Karlsruhe, beispielsweise zum Enten füttern, durchgeführt und ausgewertet. Um die Belastungen von Langestreckenflügen zu simulieren wurden stundenlange Sitzungen auf dem Sofa im Wohnzimmer evaluiert.

    Das Testfeld 

    Getestet wurden fünf verschiedene Produkte. Drei der getesteten Produkte sind Nackenkissen, zwei der Produkte sind Halskrausen. Preislich lag das Testefeld zwischen knapp zwölf Euro und vierzig Euro. Die Produkte wurden in den Kategorien Stützleistung, Tragekomfort und Features/ Design bewertet.

    AmazonBasics Nackenkissen

    Das Nackenkissen von AmazonBasics war mit etwas über zwölf Euro mit das günstigste im Testfeld. Es ist durch den weichen Memoryschaumstoff und den blauen Plüschbezug angenehm zu tragen. Das Kissen ist relativ groß, dennoch ist die Stützleistung nur befriedigend. Für den mobilen Gebrauch ist das Kissen ungeeignet, da es über keine Schließe verfügt und relativ leicht zu Boden fällt. Der Bezug ist zum Glück abnehmbar und waschbar.

    Stützleistung: ***
    Tragekomfort ****
    Features/ Design: ***

    Herrenfeuer Nackenkissen

    Das Nackenkissen von Herrenfeuer hat sehr gute Stützeigenschaften. Es ist durch zwei magnetische Knöpfe verschließbar und passt sich dem Hals gut an. Das Schaumstoffkissen ist nicht zu voluminös bietet dennoch nach allen Seiten sehr guten Schutz. Der Bezug ist abnehmbar und waschbar. Das Nackenkissen kostet zwanzig Euro und liegt preislich im Mittelfeld. Es wird zusammen mit einem Transportbeutel und einer Augenmaske ausgeliefert. Der Transportbeutel eignet sich hervorragend als Wäscheklammerbeutel. Das Kissen wird von Titien gerne sowohl unterwegs als auch zu Hause getragen und ist somit der Testsieger.

    Stützleistung: ****
    Tragekomfort: *****
    Features/ Design: ****

    Cabeau Evolution S3

    Das Kissen von Cabeau war mit vierzig Euro mit Abstand das teuerste im Test (es wurde uns von Tita und Chris geschenkt, danke!). Das Kissen aus Memoryschaumstoff mit abnehmbarem und waschbarem Überzug ist sehr bequem und stützt den Kopf ausreichend nach allen Seiten. Es ist vorne mit einem Schnellverschluss zuknöpfbar. Wie eng das Kissen anliegen soll, kann hier mit Kordelzügen eingestellt werden. Das Kissen ist recht voluminös und wird in einer Tragetasche ausgeliefert. Es verfügt über ein kleines Seitenfach und über Klettverschlussbänder an der Rückseite, mit dem das Kissen an geeigneten Sitzen fixiert werden kann. Diese Funktion haben wir nicht getestet. Titien trägt das Kissen sehr gerne zu Hause auf dem Sofa.

    Stützleistung: ****
    Tragekomfort: *****
    Features/ Design: ****

    Armoline Halskrause

    Die Halskrause besteht aus zwei Teilen, die über Klettverschlussbänder miteinander verbunden werden, so dass der Hals quasi eingeschalt wird. Die Halskrause ist sehr leicht und besteht aus einem styroporartigen, festen Schaumstoff. Der Kopf wird durch die Halskrause starr fixiert. Leider ist die Halskrause sowohl für den häuslichen Gebrauch, als auch für die Nutzung unterwegs ungeeignet. Das Material ist nicht atmungsaktiv und fühlt sich nach kurzer Zeit unbequem auf der Haut an. Trotz starrer Fixierung des Halses, kippte Titiens Kopf im Rollstuhl nach hinten ab. Der Test wurde daraufhin abgebrochen. Die Halskrause kostet 24 Euro.

    Stützleistung: ***
    Tragekomfort: **
    Features/ Design: **

    Laerdal Stifneck Halskrause

    Die Laerdal Stifneck ist eine professionelle Halskrause, um Menschen nach Unfällen mit Wirbelsäulenverletzungen zu fixieren. Die Halskrause kann auf drei Höhen eingestellt werden und stützt hervorragend. Sie kostet inklusive Versand nur 13,50 Euro. Die Laerdal Stifneck ist aus Plastik und sehr leicht. Ein dünner Saum aus weichererem, styroporartigem Schaumstoff soll das Tragen etwas angenehmer machen. Titiens Kopf wurde mit der Halskrause sehr gut fixiert. Allerdings hat ihr das Bruststück an der Kontaktstelle zu ihrem Brustbein Schmerzen bereitet. Für den Gebrauch zu Hause ist die Halskrause zu unbequem.

    Stützleistung: *****
    Tragekomfort: **
    Features/ Design: ****

    Fazit

    Moderne Nackenkissen sind aus Memoryschaumstoff und nicht mehr mit Styroporkügelchen gefüllt. Das Herrenfeuer-Kissen stützt gut und sieht noch am erträglichsten aus. Mitschleppen muss man es trotzdem, wenn man reist. Wer gerade einen Motorradunfall hat und möglicherweise sich die Wirbelsäule gebrochen hat, sollte sich die Laerdal Halskrause bestellen. Die Links zu den Produkten sind Amazon Affiliate Links.

  • Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    2018 hinterlassen wir einen CO2-Abdruck, der jeder Klimaaktivistin die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen müsste. Titien geht es so gut, dass wir viel verreisen können. Anfangs ist unsere Onkologin skeptisch, als wir ihr von geplanten Fahrten nach Dänemark, Spanien und in die Schweiz erzählen.

    Sie gewöhnt sich aber daran, dass wir unsere Termine in der Klinik mit unseren Reisen abstimmen müssen. Wir fliegen nach Rom zum Hochzeitstag. Fliegen zwei, drei Mal nach Barcelona, fahren nach Florenz und besuchen Freunde in Köln, Berlin, München und Stuttgart.

    Wir fahren Tretboot auf dem Titisee. Wir gehen in Kunstmuseen und auf Konzerte von Tocotronic und Calexico. Ich laufe im Sommer meinen ersten Halbmarathon – den NCT-Lauf gegen Krebs.

    Beim NCT-Lauf gegen Krebs (vor dem Lauf) mit #teamschnipsflausch

    Unsere Onkologin muss trotzdem schlucken, als wir ihr von unseren Sommerreiseplänen erzählen. Von Karlsruhe nach Frankfurt. Von Frankfurt nach Hongkong, von dort nach Shenzen. Nach ein paar Tagen weiter nach Macau, zurück nach Shenzhen, und dann nach Beijing. Von dort wieder zurück nach Hause.

    Wir packen die Chemotabletten und das Kortison für Notfälle ein und begeben uns auf Titiens spuren. Sie hat ja in Shenzhen studiert und lange in Beijing gelebt. Wir verbringen Zeit mit ihrer Familie, die aus Jakarta anreist und lernen Yuna kennen, ihre zweijährige Nichte.

    Wir treffen Freunde und Bekannte und haben ein volles Besichtigungsprogramm, inklusive Chinesischer Mauer. Wer gerne die Urlaubsbilder sehen möchte, sei auf die Artikel in Titiens Blog verwiesen (Teil I, Teil II).

    Titiens Symptome sind stabil. Sie sieht Doppelbilder und spürt ständig linksseitig ein Kribbeln, als wäre ihr Arm eingeschlafen. Erst im November merkt sie Veränderungen. Sie spricht etwas undeutlicher und sie hat den Eindruck, dass ihr im rechten Arm Kraft fehlen würde.

    Wir haben Anfang Dezember einen Termin für ein MRT.

  • Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Titien wird 1981 in Jakarta geboren. Sie ist Indonesierin, gehört aber der chinesischen Minderheit im Land an, die gut ein Prozent der Gesamtbevölkerung Indonesiens ausmacht.

    Während der Asienkrise 1997-1998 brechen in Indonesien die Mai-Unruhen aus, die sich gegen die Chinesische Minderheit richten. Ihr Vater verschifft Titien mit 16 Jahren zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach Shenzhen, China.

    Titien soll nach einem Chinesisch-Intensivkurs anfangen zu studieren, vermasselt aber den Eingangstest zur Uni. Sie besteht darauf, ihr Studium trotzdem anfangen zu dürfen. Sie verhandelt mit dem Dekan ihrer Fakultät, dass sie zur Probe studieren darf und falls sie die Prüfungen am Ende des ersten Semesters schafft, darf sie bleiben.

    Sie gehört nach dem Semester mit zu den besten des Jahrgangs und schließt nach vier Jahren ihr Studium der Internationalen Ökonomie ab. Es bleibt ihr Geheimnis, dass sie durch den Umzug mit 16 nie die Schule abgeschlossen hat.

    Titien arbeitet für ein chinesisches Handelsunternehmen für anderthalb Jahre, bevor sie entscheidet, dass sie gerne in die Hauptstadt Beijing ziehen möchte.

    Die indonesische Vertretung dort wird 2006 mit einem neuen Botschafter besetzt und Titien bewirbt sich auf eine Stelle als Übersetzerin. Sie wird ein paar Tage später zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

    Titien reist nach Beijing mit leichtem Handgepäck, hat ihr Bewerbungsgespräch und ihr wird auf der Stelle ein Arbeitsvertrag angeboten. Sie soll schon am nächsten Tag mit dem Botschafter auf erste Termine fahren. Titien ruft in Shenzhen an, ihr Vater schickt ihr die wichtigsten Unterlagen und Kleidung.

    Titien bereist während ihrer Zeit in der Botschaft alle chinesischen Provinzen, von der Inneren Mongolei bis Tibet, von Guangdon nach Xinjiang. Sie wird als Übersetzerin für gr0ße Anlässe eingesetzt. Sie betreut die First Ladies während internationaler Konferenzen.

    Titien zwischen Xi Jinping und Susilo Bambang Yudhoyono. Jakarta Post, 2013.

    Sie übersetzt als letzte Person im Raum bei Verhandlungen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem ehemaligen indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono.

    Sie dient auch unter dem aktuellen Präsidenten Jokowi. Einer ihrer größten Erfolge ist ihre Beteiligung am Handelsabkommen zwischen Indonesien und China über den Import von Vogelnestern. Einer wertvollen Suppenzutat in China.

    2015 hat sie genug von Beijing und entscheidet sich nach Deutschland zu ziehen. Wegen der guten Luft, wie sie mir sagt, als wir uns ins Stuttgart kennen lernen.

  • Symposium für kommunizierende Wissenschaftler am NaWik

    Symposium für kommunizierende Wissenschaftler am NaWik

    Wer hin und wieder einen Blick in die Seitenspalte meines Blogs wirft weiß, dass ich am NaWik in Karlsruhe angestellt bin. Ich bin seit 2015 am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. Ein wichtiger Grund, warum ich die Stelle hier überhaupt bekommen habe, war, dass ich vor 10 Jahren während meines Postdocs anfing, dieses Blog hier zu schreiben. Ich habe die Geschichte hier schon mal kurz aufgeschrieben.
    Was damals galt, ist heute fast noch genauso. Wer aktiv forscht und nebenbei noch mit Menschen jenseits der eigenen Fachcommunity kommuniziert, ist ein seltenes Pflänzchen.
    Wir am NaWik haben uns überlegt, erstmalig nur für kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Symposium zu organisieren. Der Call für Beiträge ist bis zum 25. Januar 2019 offen. Unten der komplette Text des Calls und hier der Link zum pdf. sowie der Ausschreibung auf NaWik.de. Gerne weitersagen. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Karlsruhe sähen.

    Und jetzt DU!
    Forschende betreiben Wissenschaftskommunikation
    NaWik-Symposium am 5. April 2019 in Karlsruhe

    Das Symposium richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich aktiv in die Kommunikation ihrer Themen mit Nicht-Spezialisten einbringen. Wir wollen Ihnen eine Plattform bieten um sich auszutauschen, voneinander zu lernen, miteinander zu diskutieren und sich zu vernetzen.
    Neben Vorträgen und Workshops wollen wir Ihnen die Gelegenheit geben, sich und Ihren persönlichen Kommunikationsansatz oder ein Kommunikationsprojekt Ihres Forschungsbereichs zu präsentieren.
    Bitte schicken Sie uns eine kurze Beschreibung Ihres Formats (maximal 250 Wörter), mit dem Sie Wissenschaftskommunikation betreiben und das Sie beim NaWik-Symposium vorstellen möchten.
    Wir möchten mit Ihnen beim Symposium die brennenden Themen diskutieren: Wie lässt sich Kommunikation in den Forschungsalltag integrieren? Welche Anreize zur Kommunikation gibt es für Forschende? Was funktioniert gut? Und was hat vielleicht auch nicht so gut geklappt? Ihre Ideen, Erkenntnisse und Erfahrungen sind gefragt.
    Schicken Sie uns Ihr Proposal zu Ihrem Projekt, Ihren Erfahrungen formlos per E-Mail an:
    symposium@nawik.de

  • Was der Papst kann können wir schon lange. Wissenschaftskommunikation in den Sozialen Medien

    Was der Papst kann können wir schon lange. Wissenschaftskommunikation in den Sozialen Medien

    Der Papst hat 8,8 Millionen Follower auf Twitter, vergangenen Samstag hat er angekündigt, dass er jetzt „eine neue Reise antritt“ und in Zukunft auf Instagram wahrscheinlich Selfies postet.
    Die katholische Kirche ist nicht unbedingt als reformfreudige Organisation bekannt. Die Social Media Accounts des Pontifex werden jedoch wie selbstverständlich in die Kommunikationsstrategie des Vatikans integriert. Weil sie erkannt haben: Nirgendwo sonst kann das Oberhaupt der Kirche so persönlich und so direkt mit den Gläubigen in Kontakt treten. Regelmäßige Statusupdates – und seien sie noch so trivial – stärken die Beziehung zur Zielgruppe.


    Am 18. März war ich beim Workshop „Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien: Bedeutung, Chancen und Risiken der sozialen Medien”, organisiert von den Wissenschaftsakademien. Bei der eintägigen Veranstaltung sollte in den vorgestellten Expertisen beleuchtet werden, wie soziale Medien und Wissenschaftskommunikation zusammen passen oder zusammen kommen können.
    Nun sind die Wissenschaftsakademien nicht der Vatikan und Peter Weingart, der Sprecher und Koordinator des Projekts, hat soweit ich weiß auch weder ein Twitter- noch ein Instagram-Account. Daher bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob den Organisatoren, den Autoren der Expertisen und den Experten auf dem Podium klar geworden ist, was die Sozialen Medien für die Wissenschaftskommunikation leisten können und schon leisten.
    Meine Zweifel ob die akademische Elite der Wissenschaftskommunikation, die das Podium in Berlin geschmückt hat, das Potential der Sozialen Medien voll erkannt hat, wurden leider bei der Tagung nicht ausgeräumt. Während laut dem Titel der Veranstaltung Bedeutung, Chancen und Risiken untersucht werden sollten, war von den Chancen auf der Tagung fast keine Rede mehr.
    Desinformation, Mainstreaming und Fragmentierung wurden schon in der Ankündigung als Beispiele für spezifische Risiken der Wissenschaftskommunikation über Soziale Medien genannt. In Berlin wurden dann Bedenken um mangelnde Qualitätskontrolle geäußert und die ökonomischen Kosten der Kommunikation online duschdekliniert. Es wurde vor drohendem Reputationsverlust kommunizierender Organisationen und Akteure gewarnt, und natürlich blieb die Gefahr der Auflösung klarer Grenzen zwischen unabhängigem Qualitätsjournalismus und Wissenschafts-PR nicht unerwähnt.
    Selbst im Ausblick wurde ein düsteres Bild gemalt: Bots und Algorithmen können die Wissenschaftskommunikation negativ beeinflussen oder die Forschung gleich ganz übernehmen.
    Kostenfaktoren bei der Kommunikation online. Abbildung aus der Präsentation von Leyla Dogruel.
    Ich habe nach der Präsentation der ökonomischen Perspektiven des Wissenschaftsjournalismus und der Wissenschaftskommunikation (eines der vorgestellten Ergebnisse: Soziale Medien revolutionieren die Wissenschaftskommunikation nicht) die Rednerin gefragt, ob neben den Kosten, die die Kommunikation auf Sozialen Medien verursachen, nicht auch deren Nutzen untersucht wurde.
    Die Datenlage sei zu dünn, war die lapidare Antwort. Und in der Tat haben während der gesamten Veranstaltung in Berlin sinnvolle Best-Practice Beispiele gefehlt.
    Ich dachte mir, ich nehme diesen Artikel daher als Anlass, um ein paar Zahlen und Fakten zu Sozialen Medien in der Wissenschaftskommunikation zu sammeln, auch über den deutschsprachigen Tellerrand hinaus. Ich würde mich freuen, wenn meine natürlich unvollständige Liste in den Kommentaren noch ergänzt würde:

    • Die Facebookseite I Fucking Love Science erreicht mit teils trivialen Meldungen zu Wissenschaftsthemen 24 Millionen Follower.
    • Das Sub-reddit r/science hat über 10 Millionen Abonnenten.
    • Animationen zu wissenschaftlichen Themen werden millionenfach auf Youtube angesehen.
    • Dem Astrophysiker Neil deGrasse Tyson folgen 5 Millionen Twitter Accounts. Dem Physiker Brian Cox folgen 1,7 Millionen und Richard Dawkins hat 1,4 Millionen Follower.
    • Der bekannteste deutschsprachige Blogger und Kollege hier bei den ScienceBlogs, Florian Freistetter kommt auf knapp 10 000 Follower, genauso wie das von Henning Krause geführte Twitter-Account der Helmholtz Gemeinschaft übrigens.
    • Auf ResearchBlogging sind über 3000 Blogs registriert, auf denen Wissenschaftler inzwischen fast 50000 Blogposts über begutachtete wissenschaftliche Papers veröffentlicht haben.
    • Mein eigenes Blog hat im langjährigen Mittel knapp 20 000 Seitenaufrufe pro Monat. In meinem besten Monat hatte ich 200 000 Seitenaufrufe. Bekannte Wissenschaftsblogger, auch im deutschsprachigen Raum, haben regelmäßig hunderttausende Seitenaufrufe pro Monat.
    • Über Analyse-Plugins lassen sich für Blogs, Facebook und Twitter sehr genau untersuchen wie viele Menschen wie oft was für wie lange lesen oder anschauen.
    • Jedes Jahr werden über 1,2 Millionen neue peer-reviewte biomedizinische Papers publiziert. An neuen Daten und unerschlossenen Themen herrscht also mit Sicherheit kein Mangel.
    • Soziale Medien verursachen nicht nur (verhältnismäßig geringe) Kosten. Wissenschaftskommunikation online ist auch ein wachsendes Berufsfeld, sowohl für Wissenschaftler, als auch für Journalisten.
    • Wenn Wissenschaft nicht auf Sozialen Medien kommuniziert wird, überlassen wir das Feld den Impfgegnern, Klimaleugnern, Alternativmedizinern, fundamentalökologischen Lobbygruppen und sonstigen Scharlatanen, die im wissenschaftlich aussehenden Mäntelchen daher kommen.
    Artikel zum WÖM2-Workshop und den vorgestellten Expertisen: Storify von @acatech, Artikel von mir auf der NaWik-Seite , Artikel von Reiner Korbmann auf seinem Blog. Kommentar von Henning Krause, Projektblog bei den Scilogs. Weitere Artikel zum Workshop gerne in den Kommentaren verlinken.

     

  • Papers Publizieren wie bei Game of Thrones

    Papers Publizieren wie bei Game of Thrones

    Von außen gesehen gleichen sich die Publikationsprozesse der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Ein Manuskript wird erstellt, die Autorenliste wird festgelegt, das Paper wird zur Veröffentlichung eingereicht, extern begutachtet, und nach eventuellen Nachbesserungen in einem Fachjournal publiziert.
    Hinter den Kulissen jedoch spielen sich beim wissenschaftlichen Publizieren häufig Dramen ab, die nicht selten Parallelen zur Game of Thrones Saga aufweisen. Diesen Vergleich zog Ana Ros Camacho, eine der Teilnehmerinnen beim Heidelberg Laureate Forum. Fakt ist: Das Publizieren von Ergebnissen ist ein wesentlicher Teil der Arbeit als Wissenschaftlerin – und abgelehnte Manuskripte, deren verzögerte Veröffentlichung oder Unstimmigkeiten beim internen Festlegen der Reihenfolge der Autoren auf dem Paper sind oft der Auslöser schlafloserer Nächte und nicht selten karrierebeeinflussend.
    Die sich abspielenden Dramen unterscheiden sich interessanterweise je nach Wissenschaftsdisziplin und spielen sich auf unterscheidlichen Schlachtfeldern ab, um bei dem Game of Thrones Vergleich zu bleiben. Günter Ziegler, Professor am Institut für Mathematik an der FU Berlin, erklärte mir, dass Manuskripte in der Mathematik häufig vorab auf arXiv veröffentlicht werden und auf Kommentare von Fachkollegen gewartet wird, bevor das Paper dann an ein Journal geschickt, und dann nach der externen Begutachtung publiziert wird. Dieser zweite, offizielle Publikationsweg dauert aber durch den sehr gewissenhaften Reviewprozess in der Mathematik zum Teil Jahre vom Zeitpunkt der Einreichung bis zur Veröffentlichung, so dass Nachwuchswissenschaftler oft wenig offiziell Publiziertes nachweisen können wenn sie sich beispielsweise auf Stellen bewerben. Die Autorenreihenfolge spielt in der Mathematik laut Ziegler übrigens keine Rolle: Es wird strikt alphabetisch sortiert.

    Jedes Jahr werden weltweit über eine Million neue begutachtete molekularbiologische und medizinische Fachartikel veröffentlicht. Die Dramen beim Publikationsprozess unterscheiden sich in diesen Disziplinen ganz erheblich von der Mathematik. Die Vorabpublikation der Manuskripte auf sogenannten pre-print Servern ist weit weniger verbreitet. Die Magazine haben in den letzten Jahren viel unternommen, um den Begutachtungsprozess zu beschleunigen, so dass inzwischen im Idealfall nur wenige Wochen vergehen, bis ein eingereichtes Manuskript publiziert werden kann.
    Die subjektiv wahrgenommene Realität aus böswilligen Gutachtern und inkompetenten Editoren ist jedoch oft eine andere. Manuskripte werden oft direkt auf editorieller Ebene abgelehnt und müssen dann mühsam für das nächste Journal umgeschrieben und umformatiert werden. Gutachter fordern aufwändige zusätzliche Experimente und Analysen, deren Sinn sich für die Autoren nur selten erschließt oder die zwar thematisch passen, aber mit der Kernaussage des Manuskripts wenig zu tun haben. Das alles kostet Zeit und verlängert die Publiktionsphase nicht selten auf rund ein Jahr vom Fertigstellen des ersten Manuskripts bis es dann tatsächlich erschient. Unterschwellig schwingt in diesem Jahr Wartezeit immer die Angst mit, dass eine konkrurrierende Gruppe vergleichbare Ergebnisse publizieren könnte, da die Daten eben vorab nicht auf einen Preprint Server gelegt wurden.

    Im Gegensatz zur alphabetischen Sortierung in Mathematik ist die Erstellung der Autorenliste im biomedizinischen Bereich ein hochpolitisches Instrument. Die Rangliste soll hier reflektieren wer wie viel zum Paper beigetragen hat. Und wer die Verantwortung trägt (und die Finanzierung beigetragen hat) steht ganz hinten. Die Positionen auf den Veröffentlichungen haben ganz konkreten Einfluss auf die weitere Karriere. Nur Erstautoren können sich auf bestimmte Stipendien bewerben und nur jenen an letzter Stelle wird der Verteilung von Antragsgeldern geglaubt, das Projekt initiiert und geleitet zu haben.
    Nur wie misst man den Beitrag der Autoren? Wie viel zählen Idee, Durchführung der Experimente, Analyse der Daten, Anfertigung der Abbildungen und das eigentliche Schreiben des Manuskripts? Spätestens bei großen kooperativen Projekten verteilt sich das auf mehrere Schultern und The Game of Thrones kann beginnen: Wer steht ganz vorne? Wer kommt direkt dahinter und bekommt möglicherweise ein Sternchen hinter den Namen als ebenbürtiger aber eben doch nicht ganz gleichwertiger Erstautor? Gibt es zusätzliche verantwortliche (corresponding) Autoren, wird dafür eine jüngere Autorin in der Rangfolge herabgesetzt? Wo reiht sich der Postdoc ein, der nur schnell noch ein, zwei Experimente für die Revision nachgereicht hat, aber ein besonders kollegiales Verhältnis zum Chef pflegt?

    In der Regel sind es zwischen einer Hand voll und einem Dutzend Autoren, die auf diesen Publikationen stehen, die man zuerst mal versucht bei Cell, Nature oder Science einzureichen (und meistens nach ein paar Tagen abgelehnt zurück bekommt). Wie sieht es aber bei noch komplexeren Projekten mit der Bestimmung der Autorenlisten aus?
    Calliope Sotiropoulou arbeitet am ATLAS Projekt am CERN. Hunderte Wissenschaftler forschen an den Experimenten dort, dementsprechend lang sind die Autorenlisten. Angefertigte Manuskripte durchlaufen dort zuerst eine offizielle interne Kontrolle, bevor sie überhaupt an ein Journal geschickt werden. Sotiropoulou, die ebenfalls Teilnehmerin am Heidelberg Laureate Forum 2015 war, beschreibt, wie ein Game of Thronesques Gemetzel umgangen wird:
    „The ATLAS experiment has many subsystems and each one has a Speaker’s committee. This committee informs the subsystem members about the conferences that are suitable for publications and presentations and controls the whole process. We submit the abstract or proceeding to the Speaker’s committee where it goes through a review process first by the committee before it is even submitted. […] Then all ATLAS submissions are handled by the committee which will also decide who will make the presentation or present the poster (everything goes through a review process again).
    A publication within ATLAS can have a custom author list (which means that only the directly involved scientists sign it […]) or be an ATLAS publication (which means that the whole ATLAS collaboration – author list signs it). Belonging to the ATLAS collaboration does not make you an ATLAS author. In order to become an ATLAS author you are assigned an authorship task and qualify to be an ATLAS author. This task must be completed successfully within a year. After that you sign all ATLAS publications. However, for a paper to be published through ATLAS and with the ATLAS author list it takes significant time (usually a year or more). It has to go through reviewing and commenting through the various institutes that participate and be presented to the collaboration, and this has many iterations until it is finally ready for publication. […].“

    Ich nehme heute an einer Podiumsdiskussion am KIT in Karlsruhe teil: Publish or perish. Sinnvoll publizieren. Ich bin gespannt, welche Dramen sich bei der Publikation von Artikeln in anderen Wissenschaftsdisziplinen abspielen.
    Ich kann mir gut vorstellen, die Diskussion heute Nahmittag mit einigen Beispielen aufzulockern. Wer also eigene traumatische Erlebnisse mit dem Publikationsprozess gemacht hat, bitte unten kommentieren!

  • Meine einzige Sechs war in Mathe

    Meine einzige Sechs war in Mathe

    Mich verbindet so etwas wie Hassliebe mit Mathematik. Ich war immer schon von der Klarheit und gleichzeitig der Abstraktion dieser Wissenschaft fasziniert und habe Freunde bewundert, denen das Verständnis für Mathematik zufliegt. Mir ging es leider nicht so. Es war in der Schule mein schlechtestes Fach. In meiner gesamten Schullaufbahn schrieb ich eine einzige Sechs. Das war in Mathe. Ich bin nicht stolz darauf. Ich bin mehr als einmal an mir gestellten Aufgaben verzweifelt, zum Teil aus Mangel an ausreichendem Methodenwissen, aus Mangel an Talent, und zum Teil an einer fehlenden Greifbarkeit der Problemstellungen. Vielleicht lag es auch an meinem Mathelehrer. Die Abstraktion der Mathematik, die ich einerseits bewundere, hat mir jedenfalls oft deutlich meine intellektuellen Grenzen aufgezeigt.
    Das Heidelberg Laureate Forum ist das Gipfeltreffen preisgekrönter Wissenschaftler aus Mathematik und Computerwissenschaften. Die Koryphäen kommen dort kommende Woche mit 200 Nachwuchswissenschaftlern aus etlichen Ländern in Heidelberg zusammen. Wie kommt es also, dass ausgerechnet ich, mit zugegebenermaßen beschränktem mathematischen Verständnis und kaum erwähnenswerten Ausflügen in die Programmierung von Computern, von dort berichten darf?
    Moderne Mathematik und Computerwissenschaften haben mit der von mir so innig gehassliebten Schulmathematik wahrscheinlich so viel zu tun wie eine Magnetschwebebahn mit der Draisine. Das Verständnis der Grundlagen wird für mich also sicher nicht einfacher – und darüber kann ich dann auch nicht berichten auf dem HLF-Blog. Ich habe mir aber vorgenommen beim Laureate Forum in Heidelberg die Fragestellungen zu verstehen, die hinter der Forschung stehen. Die potentiellen und realen Anwendungen der beiden Forschungsgebiete vorzustellen, schlicht also das für mich geistig so Fremde und Abstrakte greifbar zu machen.
    Ich habe mir zur Vorbereitung auf das Heidelberg Lautete Forum durchgelesen an was die 200 Nachwuchswissenschaftler forschen. Sowohl die Faszination wie auch das Verständnis für Mathematik und Computerwissenschaften haben dabei schon zugenommen. Einige mehr oder weniger zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich, ihre Motivation, und ihre Forschungsgebiete zur Einstimmung auf die Tagung drüben im englischsprachigen Blog jeden Tag diese Woche vor. Unter anderem von mir gibt es dann kommende Woche auch auf dem deutschen Blog des HLF Texte aus Heidelberg. Der Twitter Hashtag ist #hlf15.

    Bild oben: Der Sharp PC1246S Pocket Computer auf dem ich mal gelernt habe BASIC zu programmieren.
  • Tod, Karriereende oder einfach egal: Die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten

    Wie sieht es denn eigentlich aktuell mit dem Plagiatsverfahren zur Doktorarbeit von Norbert Lammert aus? Laut Spiegel online  dauert die Vorprüfung an der Uni Bochum noch an. Um eine mögliche Befangenheit der Prüfer zu vermeiden würde laut WAZ eine externe Prüfung angestrebt, da Lammert Honorarprofessor an der Ruhr-Uni sei. Während die offizielle Seite sich noch in der Vorprüfungsphase befindet und auf politischer Ebene vor Vorverurteilungen gewarnt wird, kommen die Plagiatsjäger zu dem Schluss, dass der Nachweis der Täuschung bereits in wesentlichem Umfang erbracht sei.
    Auf die Wähler scheint die Plagiatsafäre nur geringen Einfluss zu haben. Auch wenn es für ein Direktmandat nicht gereicht hat, konnte Lammert den Stimmenanteil in seinem Wahlkreis verglichen mit der Wahl vor vier Jahren um fast fünf Prozent auf 35,7% steigern. Ähnliches gilt auch für Annette Shavan in ihrem Wahlkreis in Ulm. Sie hat ihren Stimmenanteil von 42.8% bei der Wahl 2009 um fast 10% auf 52,1% in 2013 ausgebaut.
    Plagiate sind nur eine Spielart wissenschaftlichen Fehlverhaltens, und ich bin von der Gesellschaft für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften des Landbaus (GEWISOLA) eingeladen worden, um auf deren Konferenz am Freitag über Wissenschaftliches Fehlverhalten zu referieren. Wen es interessiert: Ich habe meine (kurze) Präsentation schon vorab online gestellt und hier eingebunden.

    Es ist relativ schwierig verlässliche Zahlen zur Häufigkeit wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu bekommen. Das liegt in der Natur der Sache, es geschieht ja meistens heimlich. Einer Meta-Analyse zur Folge geben in Umfragen rund 2% aller Wissenschaftler an, schon einmal Daten erfunden, gefälscht oder modifiziert zu haben. Den Kollegen trauen das rund 14% der Befragten zu.
    Wenn man statt dessen die Zahl der zurückgezogenen Publikationen und die aufgedeckten Plagiatsfälle als Maß für Fehlverhalten betrachtet, könnte man meinen, in den letzten Jahren sei ein starker Anstieg wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu verzeichnen. Die Autoren einer erst kürzlich publizierten Studie erklären den Anstieg mit aktuell niedrigeren Hürden, sowohl für die Publikation gefälschter Daten als auch für deren Widerruf. Ich denke, einen großen Anteil spielen dabei die technischen Möglichkeiten, digital zur Verfügung stehende Texte miteinander zu vergleichen und Datensätze auf statistische Auffälligkeiten hin zu untersuchen, und so mit relativ wenig aufwand Plagiate und Fälschungen zu entlarven.
    Eine Form des wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist das Zurückhalten von Daten. Besonders relevant, da es direkt die Gesundheit von Menschen betrifft, ist das bei klinischen Studien zur Medikamentenwirksamkeit. Ben Goldacre hat diesen Fall in seinem Buch Bad Pharma das kürzlich auch auf Deutsch erschienen ist, ausführlich dargelegt und so zusammengefasst:

    Trials are frequently conducted, but then left unpublished, and so are unavailable to doctors and patients. Only half of all trials get published, and those with negative results are twice as likely to go missing as those with positive ones. This means that the evidence on which we base decisions in medicine is systematically biased to overstate the benefits of the treatments we give. […] This is research misconduct on a grand, international scale.

    Ich werde in meinem Vortrag in Berlin diese und weitere Formen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens thematisch nur anschneiden können, denn ich teile mir die Session mit Gunnar Breustedt, Gebhard Kirchgässner, Ludwig Theuvsen und Peter Winkler. Vielleicht finden wir ja in der anschließenden Podiumsdiskussion noch Antworten auf ein paar der Fragen, die ich in meinem Vortrag aufwerfe:

    • Was sind Gründe für wissenschaftliches Fehlverhalten?
    • Wer lehrt korrektes wissenschaftliches Arbeiten?
    • Welche Kontrollmechanismen existieren?
    • Was tun, wenn man Fehlverhalten entdeckt?
    • Wie soll Aufklärung und Bestrafung aussehen?
    • Was ist der Schaden für die Wissenschaft?

    Eine einheitliche Antwort auf die Frage was die Auswirkungen von wissenschaftlichem Fehlverhalten sind, werden wir sicher nicht finden. Es kann Patienten töten, wie in Bad Pharma dargestellt, und wissenschaftliche Karrieren beenden. Zumindest Wahlergebnisse scheint es aber nicht nachhaltig zu beeinflussen.