Schlagwort: Research Blogging

  • Anonymität in Zeiten kommerzieller DNA-Analysen

    Anonymität in Zeiten kommerzieller DNA-Analysen

    Ich kann mit hoher Wahrscheinlichkeit erraten, wie dein Ur-Ur-Ur Großvater – väterlicherseits – mit Nachnamen hieß: Genauso wie du. Was trivial klingt hat kulturelle Hintergründe. Traditionell nehmen Ehepaare bei der Hochzeit den Nachnamen des Bräutigams an, und die Kinder heißen dann ebenso. Nicht nur der Nachname wird so über Generationen weitergegeben, auch das Y-Chromosom männlicher Nachkommen stammt immer vom Vater, und der hat es von dessen Vater, und so weiter.
    Genealogie heißt die Erforschung der Abstammungsverhältnisse. Es ist eine Hilfswissenschaft, die wohl vor allem von Großvätern mit viel Zeit ausgeübt wird, und in den USA überaus populär ist. Seit ein paar Jahren wird die Genealogie durch moderne DNA Sequenziermethoden unterstützt. In großen, öffentlichen Datenbanken wie Ysearch und SMGF werden Informationen zu kurzen, sich wiederholenden aber individuell sehr unterschiedlichen DNA Sequenzen des Y-Chromosoms gespeichert, sowie die dazugehörigen Nachnamen. Das hilft den Garagenahnenforschern, etwas über die eigenen Wurzeln heraus zu finden. Man lässt kommerzielle Unternehmen die eigenen sogenannten Short Tandem Repeat (STR) Regionen sequenzieren, und vergleicht die Ergebnisse über eine einfach Eingabemaske dann mit den Einträgen in den Sequenzdatenbanken.

    Den Nachnamen aus Sequenzdaten bestimmen

    DNA Sequenziermethoden werden nicht nur zur privaten Ahnenforschung genutzt. Es gibt große, wissenschaftliche Studien mit dutzenden bis tausenden Teilnehmern, bei denen die DNA der Probanden möglichst komplett sequnenziert wird, beispielsweise um einen Eindruck von der generellen Variabilität menschlicher DNA zu bekommen, oder um bestimmte phänotypische Eigenschaften Unterschieden in der DNA zu zu ordnen. Die Teilnehmer dieser Studien werden in den allermeisten Fällen anonymisiert, so dass durch die Analyse der DNA Sequenzen kein Rückschluss auf die Identität des Teilnehmers möglich ist – oder möglich sein sollte.
    Letzte Woche wurde ein Paper in Science publiziert (Gymrek et al.), in dem berechnet wurde, wie hoch das Risiko ist, den Namen eines Probanden zu identifizieren – nur durch die Nutzung öffentlich zugänglicher Datenbanken und durch Internetsuchen. Die Autoren zeigen an einem Testset, dass ihr Algorithmus optimal eingestellt 12% der Namen korrekt identifiziert (5% falsch positiv, 83% unbekannt). In Kombination mit relativ unspezifischen Informationen wie Geburtsjahr und bewohntem US-Bundesstaat war es den Autoren möglich, die Zahl der möglichen Spender einer DNA Probe auf durchschnittlich ein Dutzend Personen einzuschränken.
    Die Ergebnisse der Gruppe aus israelischen und US-amerikanischen Forschern sind nicht erschreckend, sie zeigen aber, das die Anonymität von Teilnehmern an großen DNA-Sequenzierstudien unter Umständen nicht gewahrt bleibt, vor allem wenn zusätzliche persönliche Informationen verfügbar sind, auch wenn diese relativ allgemein sind, wie Alter und Nationalität.

    Weniger ist mehr: Datenschutz und kommerzielle DNA-Analysen

    Es gibt noch eine dritte Gruppe Menschen, die Teile ihrer DNA sequenzieren lassen. Während das Ziel der Ahnenforscher ist, über STRs die eigene Abstammung zu rekonstruieren, sind ein Großteil der privaten Kunden von Sequenzierunternehmen auf etwas ganz anderes aus: Sie interessieren sich für die Wahrscheinlichkeit in Zukunft an bestimmten Krankheiten zu leiden. Dazu werden sogenannte SNPs analysiert, also ebenfalls kurze DNA Sequenzen, die mit dem Auftreten von Krankheiten assoziiert sind. Menschen, die sich durch die Sequenzierung von SNPs über Krankheitsrisiken informieren haben oft gute Gründe, ihre Anonymität zu wahren.
    Wie hoch ist also das Risiko, dass durch die Analyse dieser SNP-Daten Rückschlüsse auf die Person möglich sind? Dazu habe ich Bastian Greshake befragt, Gründer von openSNP, einer Plattform auf der die Ergebnisse solcher SNP-Analysen publiziert, analysiert und diskutiert werben können.
    WeiterGen: Bastian, ist die Anonymität der Benutzern von openSNP nach der Publikation des Gymrek-Papers noch gewährleistet?
    Bastian Greshake: Ich vermute das es aktuell nicht so einfach wäre die Benutzer von openSNP mit Nachnamen anreden zu können (also wenn sie ihn nicht angegeben haben). Komplett ausschliessen kann man das natürlich nicht. In dem Paper dort nutzen sie die Haplotypen von bis zu 60 Y-chromosomalen Short Tandem Repeats, darin steckt, meiner Ansicht nach, um einiges mehr an Ancestry-Information, als man über die SNPs die 23andMe auf dem Y-Chromosom testet bekommt (openSNP nutzt hauptsächlich SNP-Daten von 23andMe-Analysen, WG).
    WG: Was wäre nötig, um die Anonymität der openSNP Benutzer zu gefährden?
    BG: Falls entsprechende Referenzdaten zur Verfügung stünden, könnte man theoretisch von den SNPs aus die Y-STRs imputen, also aus den SNPs die Y-STRs vorhersagen und dann die in der Publikation benutzten Methoden verwenden um die Identität zu ermitteln. Alternativ könnte man direkt Namensdatenbanken verwenden, die SNP-Daten anstelle von STRs verwenden. Diese sind aber derzeit noch nicht weit verbreitet, oder zumindest nicht öffentlich.
    WG: Das Risiko, dass aktuell aus SNP-Daten Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen werden können ist also sehr gering Was können openSNP Kunden dennoch selbst tun, um ihre Anonymität zu wahren?
    BG: Ganz generell gilt: Je weniger Metadaten über die Person mit den SNP-Daten verknüpft sind desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer Zuordnung. Um die eigene Anonymität zu wahren, sollte man also beispielsweise darauf verzichten sein Alter und seinen Wohnort anzugeben. Angaben dazu sind auf openSNP freiwillig.
    Weitere Artikel im Blog zum Thema:

    Titelbild Rosie Cotton (CC BY-NC-SA 2.0).

    ResearchBlogging.orgGymrek, M., McGuire, A., Golan, D., Halperin, E., & Erlich, Y. (2013). Identifying Personal Genomes by Surname Inference Science, 339 (6117), 321-324 DOI: 10.1126/science.1229566

  • Radikalisierte Terrorkommandos – Was verursacht Brustkrebs?

    Spätestes seit Cornelius‘ Artikel vom Vormonat wissen wir, dass Krebs „der Feind im eigenen Körper [ist], der aus einer irgendwann entarteten […] Zelle hervorgegangen ist, die sich Schritt für Schritt zu einem mit allen Wassern gewaschenen Terrorkommando […] verwandelt hat„.

    Es sind Mutationen, die für Krebs verantwortlich sind. Mutationen, die dazu führen, dass sich Zellen unkontrolliert teilen. In Nature ist jetzt eine Studie des Cancer Genome Atlas Consortiums erschienen, in der systematisch die molekularen Grundlagen von Brustkrebs analysiert und kartiert wurden. Oder um in Cornelius‘ dichterischem Duktus zu bleiben: In der Studie wird untersucht, welche Terrorkommandos im Busen zum Einsatz kommen und was diese radikalisiert.

    Brustkrebs ist der bei Frauen am häufigsten diagnostizierte bösartige Tumor. In Deutschland sterben pro Jahr über 17 000 Menschen an den Folgen von Brustkrebs und jedes Jahr werden 72 000 neue Fälle diagnostiziert. Da nur etwa 5% aller Brustkrebserkrankungen erblich bedingt sind, stellt sich die Frage, welche für Brustkrebs verantwortliche Mutationen in welchen Genen im Lauf eines Lebens auftreten. Ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen von Brustkrebs erlaubt einerseits eine bessere Klassifizierung diagnostizierter Tumore und andererseits viel zielgerichtetere Therapien, beispielsweise mit Antikörpern und Hormonantagonisten.

    Die Autoren der Studie, ein großes Konsortium hauptsächlich in den USA ansässiger Forschergruppen, haben Tumorzellen und zur Kontrolle Keimbahnzellen von 825 Patienten mit einer ganzen Batterie von molekularen Hochdurchsatzverfahren untersucht. Gesammelt wurden mRNA Expressionsdaten, Informationen zur DNA Methylierung und zu DNA Punktmutationen. Weiter wurde die microRNA sowie das komplette Exom sequenziert und die Expression bestimmter Proteine gemessen. Für 348 Tumore waren schließlich Daten von allen angewandten Techniken vorhanden.

    Mammakarzinome können klinisch in drei therapeutische Gruppen eingeteilt werden. ER-positive Tumore sprechen auf Hormonantagonisten an. Brustkrebszellen, in denen mehrere Kopien des HER2 Gens gefunden werden, können mit Antikörpern therapiert werden. Eine dritte Klasse, der diese Marker fehlen, sind auf Chemotherapie angewiesen. Diese Klassifizierung konnte in den letzten Jahren durch Genexpressionsanalyse auf vier Subtypen erweitert werden. Diese vier molekularen Klassen konnten in der jetzt vorliegenden Studie bestätigt und verfeinert werden.

    Eines der Schlüsselergebnisse ist, dass viele der neu entdeckten Brustkrebsmutationen spezifisch in den einzelnen, bereits etablierten Subklassen auftraten. Die Integration mit den Ergebnissen der anderen Analysemethoden erlaubt jetzt deutlich detailliertere Einblicke, was auf molekularer Eben in den Brustkrebsklassen passiert. Eine Zusammenfassung bietet diese Tabelle.

    Zudem sollten diese Ergebnisse ermöglichen, die Brustkrebsdiagnose durch Einsatz komplementärer Techniken zu verbessern. Eine Maßnahme, die Leben retten kann. Matthias Mann, Direktor am MPI für Biochemie und einer der weltweit führenden Proteomforscher spricht davon, dass derzeit 10% aller diagnostizierten Brustkrebsfälle falsch klassifiziert werden.

    Interessanterweise fanden die Autoren der Nature Studie außerdem, dass eine der etablierten Brustkrebsklassen, der sogenannte basal-like-Subtyp, eine ähnliche molekulare Signatur aufweist wie eine Form des Ovarialkarzinoms. Die Autoren folgern, dass beide Krebstypen folglich auf die gleichen therapeutischen Ansätze reagieren sollten.

    Die Studie ist online bei Nature frei zugänglich. Das Foto oben ist von tipstimes (CC BY-SA 2.0). Zur Diskussion ob dieses Photo eine sehr ernste Krankheit unnötig sexualisiert hier entlang.
    ResearchBlogging.orgThe Cancer Genome Atlas Network (2012). Comprehensive molecular portraits of human breast tumors Nature DOI: 10.1038/nature11412

  • Alles was Sie schon immer über das Innenleben eines Bakteriums wissen wollten

    Ich schreibe nicht nur hin und wieder Artikel bei ScienceBlogs, sondern publiziere auch meine Forschungsergebnisse in Wissenschaftsmagazinen. Hier die Vorstellung meines jüngsten, recht ausführlichen Papers: Quantification of mRNA and protein and integration with protein turnover in a bacterium.
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  • Proteine am Rande der Faltbarkeit

    Was für ein PR-Stunt! Ich erzähle erst drei Blogposts lang was über Proteinfaltung und Chaperone, um dann dem geneigten Leser hier mein jüngstes Paper unterzujubeln. Evolution, kontroverse Forschungsergebnisse, bunte Abbildungen, Publikationsdrama, ein Vorhersagealgorithmus und ein Zitat aus einem Bibelforum. Alles in einem Blogpost.
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  • Proteinkomplexe in Eukaryonten und Prokaryonten: Ein Experiment

    Ich trage diese Idee schon eine ganze Weile mit mir herum. In absehbarer Zeit komme ich selbst kaum dazu, direkt daran zu arbeiten, außerdem fehlt mir zum Teil das Know-how. Was liegt näher, als hier im Blog um Hilfe zu bitten?
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  • Geld fürs Bloggen über Wissenschaft: ResearchBlogging Awards

    Research Blogging Awards 2010
    ResearchBlogging aggregiert Blogposts über wissenschaftliche Publikationen. Dieses Jahr werden zum ersten Mal Preise für die besten Blogposts vergeben. Hier eine kleine Auswahl möglicher Blogs.
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  • Ein Modellorganismus für die Systembiologie

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    Ein Bakterium mit der Minimalausstattung an Genen, die zum eigenständigen Überleben notwendig sind wird zum Modellorganismus für die Systembiologie. Drei Veröffentlichungen in der neuen Ausgabe von Science beschreiben die molekularen Baupläne von Mycoplasma pneumoniae. Komplexe Regulationsmechnismen verhelfen dem Organismus mit nur rund 700 Genen zu einer erstaunlichen Anpassungsfähigkeit.
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  • Adjuvantien in Impfstoffen: notwendiges Übel oder echte Innovation?

    Die Diskussionen um das Adjuvans Squalen im pandemischen Influenzaimpfstoff Pandemrix hat die Kommentarspalten in meinem Blog gefüllt. Hier ein Gastbeitrag von Moritz Tobiasch zu den molekularen Grundlagen der Immunantwort, über verschiedene Impfstoff-Arten und der Funktionsweise von Adjuvantien.
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  • Der Ursprung und die Zukunft der Schweinegrippe

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    Bisher rund 30 000 Infizierte weltweit und die Pandemie fängt gerade erst an. Die WHO hat die höchste Warnstufe für die Schweinegrippe ausgerufen. In einem aktuellen Paper in Nature wird gezeigt, woher das H1N1 Virus historisch tatsächlich stammt.

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  • Nature meint: Wissenschaft bloggen ist gut

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    Nature wirbt im Leitartikel der aktuellen Ausgabe fürs Bloggen. Ein weiteres Indiz dafür, dass Blogs ernst genommen werden und sich als alternatives Mittel der Wissenschaftskommunikation etablieren. Für Blogposts über wissenschaftliche Veröffentlichungen gibt es seit sechs Monaten ResearchBlogging auf Deutsch.
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