Schlagwort: Pharmaindustrie

  • Wie Big Biotech die Hepatitis C Therapie revolutioniert

    Wie Big Biotech die Hepatitis C Therapie revolutioniert

    Ich erinnere mich noch sehr gut an das Therapietagebuch von Jörg Böckem auf Spiegel Online. Herr Böckem ist Journalist und ex-Junkie. Er war mit dem Hepatitis C Virus (HCV) infiziert und unterzog sich von 2006 bis 2007 einer antiviralen Behandlung, die ihn heilte. Er dokumentierte die Therapie inklusive der fürchterlichen Nebenwirkungen in regelmäßigen Kolumnen auf Spiegel Online. Ich las damals jeden seiner Einträge im Therapietagebuch, vor allem weil mir Böckems offener, ehrlicher Stil gefiel, und zum Teil wahrscheinlich auch aus Voyeurismus.

    Seine Hepatitis C wurde mit einer Kombination aus dem Nukeleosidanalogon Ribavirin, das virostatisch wirkt, und einem PEGylierten (und damit retardiert wirkendem) Interferon behandelt. Jörg Böckem war mit dem Genotyp 1 des Hepatitis C Virus infiziert und hatte Glück zu jener Hälfte der Patienten zu gehören, die nach Abschluss der einjährigen Therapie virenfrei waren.

    Hepatitis C ist keine seltene Krankheit. Es wird davon ausgegangen, dass weltweit bis zu 200 Millionen Menschen infiziert sind. In Georgien sind mindestens 7% der Bevölkerung HCV-Positiv und in den USA sterben inzwischen mehr Menschen an den Folgen einer Hepatitis C Infektion als an AIDS.

    Seit Jörg Böckems interferongeschwängertem Tagebuch voller Horrorstories der Nebenwirkungen der Medikamente, fand eine Biotechrevolution bei der Hepatitis C Therapie statt.

    Das von Gilead Sciences entwickelte und erst seit kurzem zugelassene Kombipräparat Harvoni® kann oral eingenommen und muss nicht mehr injiziert werden. Die Nebenwirkungen sind im Gegensatz zur interferonbasierten Therapie äußerst mild. Die Therpiedauer ist von einem Jahr auf zwei bis drei Monate verkürzt und vor allem: Während die interferonbasierte Therapie nur bei der Hälfte der Träger des Hepatitis C Virus Genotyp 1 anschlägt, wirkt Harvoni®  bei über 95%, je nach Studie bis 99% der Infizierten.

    Harvoni® besteht aus einem spezifischen Inhibitor der RNA-Polymerase (Sofosbuvir) und einem Inhibitor des NS5A Proteins des Hepatitis C Virus (Ledipasvir). Sofosbuvir (Sovaldi®) wird auch alleine bei der Hepatitis C Therapie eingesetzt. 

    Andere Unternehmen wie AbbVie (Viekira Pak®), Bristol Myers Squibb und Merck USA ziehen mit ähnlichen Präparaten nach und haben die Zulassung Ihrer Hepatitis C Medikamente entweder beantragt oder bereits erhalten. Harvoni® wirkt auch bei Infektionen mit anderen Hepatitis C Genotypen zu über 90% und wird zur Therapie vorgeschlagen.

    Die Kosten des Fortschritts

    Klingt fast zu gut um war zu sein? Spätestens bei den Kosten der neuen Hepatitis C Medikamente schlucken Krankenkassen, Gesundheitspolitiker und Mitblogger Joseph Kuhn. Die Harvoni-Therapie schlägt in den USA mit umgerechnet über 1000 Euro zu Buche – pro Pille. Das sind fast 85 000 Euro für eine zwölfwöchige Behandlung.

    Wie sind diese Kosten zu rechtfertigen? Aus Sicht der Pharmaunternehmen sind es neben dem Ziel natürlich Gewinn machen zu wollen, die hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben, die durch Verkäufe erfolgreicher Medikamente wieder eingespielt werden müssen. Außerdem würden durch die medikamentöse Behandlung hohe Folgekosten für die Gesundheitssysteme vermieden, beispielsweise durch nun nicht mehr notwendige Lebertransplantationen nach Zirrhosen.

    Tatsache ist, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller selten den realen Marktpreisen entsprechen und zum Teil deutliche Preisnachlässe ausgehandelt werden. Für die Märkte in Schwellenländern werden außerdem Lizenzen an Unternehmen vergeben, die auch von patentgeschützen Wirkstoffen Generika herstellen und deutlich günstiger anbieten können.

    Gilead hat sich unterdessen vorgenommen Hepatitits C auszurotten. Das Unternehmen plant eine Pilotstudie im 5 Millionen Einwohner Land Georgien, in dem, wie weiter oben schon erwähnt, 7% aller Bewohner HCV positiv sind. Gilead plant, die notwendigen Medikamente allen Infizierten Georgiern kostenlos zur Verfügung zu stellen. Unterstützt werden sie dabei vom US-amerikanischen Center for Disease Control and Prevention. Ein globaler Fond zur Bekämpfung von Hepatitis C, ähnlich wie zur Bekämpfung von Tuberkulose, AIDS und Malaria, ist angedacht.

    Foto: Gilead
    Erklärung zu einem möglichen Interessenkonflikt: Der Autor besitzt Aktien von Gilead Sciences.
  • Wie Patienten von Open Data profiteren könnten

    Wie Patienten von Open Data profiteren könnten

    Das Hauptthema war das gleiche wie seit Jahren in den Blogs. In der Session zu „Open research and education“ auf dem Open Knowledge Festival in Helsinki wurde viel über Open Access diskutiert, also um den kostenlosen Zugang zu wissenschaftlicher Literatur für alle, im Idealfall mit damit verbundenen Rechten, die Daten weiter verwerten zu können.

    Selbstverständlich ist Open Access wichtig und die Kritik an dem Geschäftsgebaren der großen, kommerziellen Wissenschaftsverlage angebracht: Es ist nicht ersichtlich, worin genau die Wertschöpfung der Verlage besteht, um die horrenden Abopreise für Wissenschaftsmagazine zu rechtfertigen. Das hier keine wirksamen Marktmechanismen greifen, ist unter anderem an der Breite der Preise für Einzelartikel der Verlagshäuser ersichtlich (Abbildung unten). Wenn sich Teilnehmer einer Konferenz zu Open Date gegenseitig vom Nutzen von Open Access überzeugen wollen, gleicht das allerdings dem Einrennen offener Türen, wie einer der Teilnehmer in einer der Diskussionsrunden kritisch anmerkte.

    Artikelkosten und deren assoziierten Publikationslizenzen. Open Access ist nicht teuer. Abbildung von Ross Mounce, CC by 3.0

    Wie Open Data den Wissenschaftsbetrieb beeinflussen kann, wurde an zwei weiteren Beispielen versucht aufzuzeigen. Ein Labor in Australien führt öffentliche Laborbücher im Wiki-Format. Inititativen wie Figshare fungieren als frei zugängliches Repositorium für wissenschaftliche Daten mit Fokus aus deren visuelle Darstellung, sei es als Abbildung, Animation oder Video. In wie weit diese sicher sehr löblichen Ansätze Spielerei einiger Idealisten bleiben oder tatsächlich beeinflussen, wie wir in Zukunft Wissenschaft betreiben, publizieren und kommunizieren, ist von der Reform der gängigen vertraglichen Rahmenbedingungen hinsichtlich des geistigen Eigentums der Forschungsergebnisse abhängig – und nicht zuletzt von den Geschäftsmodellen und Finanzierungsmöglichkeiten der Open Data Bewegung.

    Ich würde mir wünschen, dass bei kommenden Konferenzen zur Rolle von Open Data in der Wissenschaft noch andere, dringendere Aspekte thematisiert werden: Wie und wo werden wissenschaftliche Datensätze standardisiert gespeichert und frei zugänglich, so dass diese auch langfristig und ohne Qualitätsverlust interpretierbar bleiben? Wie können komplexe Daten visualisiert werden, so dass auch nicht-Experten von wissenschaftlichen Ergebnissen profitieren können?

    Ben Goldacre beschreibt in seinem neuem Buch Bad Pharma wie pharmazeutische Unternehmen Ergebnisse von Patientenstudien unterschlagen, die nicht den gewünschten Effekt zeigen (ein Auszug hier im Guardian). Es wird nur publiziert, was der Marketingstrategie entspricht. Das ist doch ein Thema wie gemacht für Open Data: Open Pharma. Der direkte Nutzen für Patienten (und Ärzte) ist offensichtlich.

  • Gründe gegen die Impfung mit Pandemrix

    frau mit maske.jpg

    Ab heute soll man sich mit dem Impfstoff Pandemrix beim Arzt gegen Schweinegrippe immunisieren lassen können. Die öffentliche Diskussion ist durch die Gründe gegen eine Impfung sprechen geprägt. Ich habe die Gründe gesammelt und schätze sie hier ein.
    (mehr …)

  • Regividerm: Die Chronik der Neurodermitis-Wundersalbe

    Vitamin B12 und Avocadoöl aus der Tube heilt Neurodermitis. Und alle glauben es. Die volle Chronik des PR-Stunts bei Stationäre Aufnahme.
    (mehr …)

  • Röschenflechte, machtlose Medizin und ethische Forschungsförderung

    Röschenflechte, machtlose Medizin und ethische Forschungsförderung

    Reisebericht Teil 2: Die Röschenflechte ist ein unschöner Hautausschlag. Meine Urlaubsbegleitung leidet und die Ärzte sind machtlos. Genauso machtlos wie Betroffene seltener genetischer Krankheiten und Millionen Menschen in der dritten Welt, infiziert mit Tuberkulose, erkrankt an AIDS und Malaria. 85 % der Menschen weltweit haben keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten. Warum gibt es eigentlich keine Komission, die sich mit ethisch gebotener Forschungsförderung beschäftigt?
    (mehr …)