Schlagwort: Journalismus

  • Elon rettet die ScienceBlogs

    Elon rettet die ScienceBlogs

    Gestern habe ich gelesen, dass die ScienceBlogs zum Jahresende dicht machen. Das Blogportal war ja die Heimat dieses Blogs von 2008-2018. Der aktuelle und wohl fünfte Besitzer der ScienceBlogs, der Konradin-Verlag, wird ab Januar 2023 kein weiteres Geld mehr in das Projekt stecken.

    Die Schließung ist natürlich schade für die Autoren und die Leser. In den Kommentaren zu den Artikeln in denen die Schließung thematisiert wird, werden aber schon Pläne geschmiedet, wie man das Projekt weiterführen könnte. Ich denke aktuell nicht, dass das gelingen wird.

    Das werbefinanzierte Blogportal hat meines Wissens nach zu keinem Zeitpunkt gewinnbringend gewirtschaftet. Neben den Kosten für das Hosting und den fast vernachlässigbar geringen Beträgen, die als Lohn an die Blogger ausgezahlt wurden, entstehen weitere Kosten beim Betrieb einer solchen Plattform: Im Marketing und Vertrieb, redaktionell, administrativ, und rechtlich.

    Obwohl sich Blogs als Format für “Long-Form” Journalismus eigentlich sehr gut für die Kommunikation von Wissenschaftsthemen eignet, ist das Format aus der Mode gekommen. Es gibt zu wenig Leser und zu wenig neue und gute Autoren, um eine kritische Masse zu erreichen, die notwendig wäre, um solch ein Portal wirtschaftlich zu betreiben.

    Das Geschäftsmodell der Finanzierung durch Werbung ist gescheitert. Popups und Bandenwerbung nerven einfach nur. Niemand klickt darauf und die Hälfte hat sowieso Werbeblocker installiert. Außerdem kann im Umfeld von Blogs mit wissenschaftlichem Anspruch nicht jeder Scheiß beworben werden, ohne bei Stammlesern und Autoren auf Widerstand zu stoßen.

    Ein Abomodell, bei dem Leser regelmäßig bezahlen müssten, um die Inhalte zu sehen, ist ebenfalls chancenlos. Die Stammleserschaft von Wissenschaftsblogs ist zu klein und zu arm. Fast noch wichtiger: Das Ziel vieler Autoren ist meiner Ansicht nach, möglichst viele Menschen mit den Artikeln zu erreichen. Eine Bezahlschranke würde das verhindern.

    Eine direkte Finanzierung durch externe Geldgeber z.B. aus der Industrie scheitert an Interessenkonflikten und möglicher inhaltlicher Einflussnahme (siehe Pepsigate).

    Die Finanzierung durch “neutrale” Geldgeber, wie z.B. unabhängige Stiftungen oder öffentliche Förderorganisationen, wird ja für den Wissenschaftsjournalismus allgemein seit Jahren diskutiert. Seit diesem Jahr gibt es den Innovationsfonds Wissenschaftsjournalismus, der jährlich 300.000 EUR vergibt. Ob damit eine nachhaltige Finanzierung einer Blogplattform möglich wäre? Ich wage es zu bezweifeln.

    Ich bin mal gespannt, was die übrigen Autorinnen und Autoren der ScienceBlogs vor haben. Bettina Wurche, die Autorin von Meertext, hat jedenfalls schon angekündigt, dass sie plant, Ihren Blog weiter zu führen – wo auch immer. Sie verweist in Ihrem aktuellen Artikel auch auf ihr Twitter Profil.

    Vielleicht findet ja Elon einen Weg, wie “Content Creators” dort Geld verdienen können. Ich würde jedenfalls die acht Dollar bezahlen.

  • Spiel nicht mit den Schmuddelkindern – Ist Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation

    Spiel nicht mit den Schmuddelkindern – Ist Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation

    Die Plattform Wissenschaftskommunikation.de ist eine super Sache! Nicht umsonst ist mein Arbeitgeber Partner bei dem Projekt. Auf der Plattform werden die verschiedensten Kommunikationsformate akribisch gesammelt und organisiert. Es gibt Beiträge zur Forschung, der Science of Science Communication, und es gibt Seiten zur Arbeitswelt mit Profilen von Menschen, die Wissenschaft kommunizieren: Wissenschaftsjournalisten, Angestellte von Kommunikationsabteilungen und Pressestellen an Forschungsinstituten, freiberufliche Kommunikatoren und die eine oder den anderen Wissenschaftler.

    Die Seite hat außerdem den Anspruch, aktuelle Ereignisse in der Wissenschaftskommunikation zu kommentieren. Gerne kontrovers, so wie sich das für ein zünftiges Blog gehört. So geschehen dann auch letzten Donnerstag von der Journalistin Heidi Blattmann zu den Siggener Impulsen 2018.

    Frau Blattmann ist bei ihrer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Papier [pdf] leider nicht über die Fußnote der ersten Seite hinaus gekommen. Dafür macht sie ein anderes, altes Fass auf.

    Ist der Wissenschaftsjournalismus Teil der Wissenschaftskommunikation oder muss er sich davon abgrenzen? Man fühlt sich beim Lesen ihres Artikels in das Jahr 2014 zurück versetzt, als die Gefechte um die Definition des Begriffs Wissenschaftskommunikation gefühlt ihren Höhepunkt erreicht hatten.

    An ihr und an anderen Haudegen der Branche sind die Diskussionen von damals offenbar weitgehend wirkungsfrei vorbei gegangen. Deshalb wittert Frau Blattmann gleich eine Verschwörung der Wissenschafts-PR wenn sie anmerkt, dass die Wikipedia Seite zur Wissenschaftskommunikation Anfang Oktober 2018 ganz plötzlich umgeschrieben worden sei – mit eben jener neumodischen Definition von Wissenschaftskommunikation, die den Journalismus mit einbezieht – und die ihr aufstößt.

    Niemand will den Wissenschaftsjournalismus vereinnahmen oder dessen Unabhängigkeit in Frage stellen. Alle sind sich der besonderen Rolle des Journalismus bewusst. Woher kommt dann der Wunsch der Journalistin, ihren Beruf von dem allgemeinen Begriff Wissenschaftskommunikation abzugrenzen? Josef König liefert eine mögliche Antwort auf die Frage in einem Kommentar unter einem Artikel von Markus Pössel (der übrigens Hauptautor des Wikipedia-Artikels zur Wissenschaftskommunikation ist). Josef König schreibt da:

    Ich bin seit ca. 30 Jahren in der Hochschulpresse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig und mit dem idw deutlich auch darüber hinaus. Ich glaube, dass ich die Vorbehalte gut erkenne. Für mich stellt sich die Entwicklung so dar, dass in dieser Zeit die PR-Leute als nicht kompetent und als keine geeigneten Gesprächspartner von Wissenschaftsjournalisten angesehen wurden. Der neuen Begriff Wisskomm kommt mir daher wie ein „Kampbegriff“ gegen diese Sicht der Wissenschaftsjournalisten vor, und seine „Perfidie“ liegt darin begründet, dass er sie gleichsam eingemeindet und somit die klare Rollentrennung verwischt.

    Geht es also um Eitelkeit und die Standesdünkel der guten alten Zeit der journalistischen Deutungshoheit von damals?

    Heute suchen alle nach Möglichkeiten, den Wissenschaftsjournalismus nachhaltig zu finanzieren und gleichzeitig dessen Unabhängigkeit zu gewährleisten. Übrigens auch Thema des Siggener Impulspapiers. Auf Seite vier und auf Seite sieben.Wichtiger als alte Wortdefinitions-Grabenkämpfe, wie ich finde.

    Titelbild: Theodoor Verstraete – Frühling in Shoore (Zeeland). Public Domain Lizenz

  • Keine Geschichten mehr? Relotius und Wissenschaftskommunikation

    Keine Geschichten mehr? Relotius und Wissenschaftskommunikation

    Wie Claas Relotius wohl Weihnachten verbringt? Vielleicht bei seinen Eltern. In vertrauter Umgebung im Bildungsbürgertum. Klassische Musik kommt leise aus den zu groß geratenen Standlautsprechern im Wohnzimmer. Es ist Brahms. Ein Holzscheit knackt im offenen Kaminofen. Relotius sitzt im selben Ledersessel, in dem er sonst immer sitzt, wenn er bei seinen Eltern zu Besuch ist. Er versucht sich auf die Musik zu konzentrieren. Denn sobald seine Gedanken abschweifen, wird ihm schwindelig. 
    Er kann einem schon fast wieder Leid tun, wie er jetzt in den Medien von den ehemaligen Kollegen auseinander genommen wird. Von denen, die es immer schon wussten, und denen, die ihre Empörung öffentlich teilen müssen. Und von den Lesern. Jenen, die jetzt den Untergang des SPIEGEL prophezeien, und von jenen, die meinen, dass die Reportage, also die von Relotius bevorzugte journalistische Darstellungsform, als Format ausgedient hat.
    Letztere Stimme kommt auch aus der Ecke der Wissenschaft. Mein Eindruck ist, dass viele Forschende eine Aversion gegen das Geschichten erzählen in der Wissenschaftskommunikation haben. Große Fallzahlen zählen mehr als Anekdoten. Porträtierte Einzelschicksale wirken aber mehr als die statistisch signifikanten Ergebnisse des letzten Papers. Das wird als ungerecht wahrgenommen. 
    Auch Julika Griem, Vizepräsidentin der DFG, fragte in ihrem Vortrag beim diesjährigen Forum Wissenschaftskommunikation, warum “alle gegenwärtig auf erzählerische Vermittlung setzen”. Sie wünscht sich, dass die Wissenschaftskommunikation ihr Publikum nicht nur einseitig mit Narrativen füttert und “irgendwo abholt, sondern sorgfältig, umsichtig, furchtlos und […] zärtlich überfordert”. Hier das Transkript ihrer Rede als pdf. Die Wissenschaftskommunikation bräuchte laut Griem “keinen barrierefreien Abenteuerspielplatz, sondern ein bisschen mehr hartnäckigen und frustrationstoleranten Ernst für die Sache”.
    Bei allem Ernst: Wer als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler Zielgruppen jenseits der eigenen Fachcommunity erreichen will, muss lernen, die sachliche Wohlfühlecke zu verlassen. Eine gute Geschichte bleibt eine gute Geschichte. Sie soll das erzählen, was die Daten aussagen. Und wahr muss sie sein.

    Bild: Großvater erzählt eine Geschichte von Samuel Albrecht Anker. Gemeinfreie Lizenz.
  • Warum ich die Krautreporter unterstütze, obwohl mich die Inhalte gar nicht interessieren

    Warum ich die Krautreporter unterstütze, obwohl mich die Inhalte gar nicht interessieren

    Letzten November auf der WissensWerte in Bremen waren die meisten Journalisten hoffnungslos oder hoffnungsvoll naiv. So jedenfalls wirkte die Session über “Wie retten wir den Journalismus” auf der Konferenz der Wissenschaftsjournalisten auf mich. In der eineinhalbstündigen Diskussionsrunde wurden alternative Geschäftsmodelle für selbstständige Journalisten diskutiert. Wie verdient man als Journalist überhaupt noch Geld?
    Ein enthusiastisches Mitglied im Vorstand der Freischreiber, erzählte wie er es doch schafft, als selbstständiger Journalist zu überleben. Crowdfunding und der Zugriff auf Stiftungskapital wurde als Möglichkeit zur Finanzierung einzelner Rechercheprojekte vorgestellt – und kritisiert. Man könne sich ja von den Gönnern abhängig machen. Ein Tablet-Abonnement basiertes Wissenschaftsmagazin namens Substanz wurde vorgestellt. Das Magazin will mit Hintergrundartikeln aus der Wissenschaft begeistern und wollte dieses Frühjahr zum ersten Mal erscheinen.
    Hinter vorgehaltener Hand wurde aber erwähnt, wie es wohl dennoch bei vielen läuft: Tags sind sie unabhängige Journalisten, und nachts werden für Unternehmen PR-Aufträge angenommen. Mögliche Interessenkonflikte, die dabei entstehen, werden anscheinend durch ein Themenembargo auf Zeit gelöst.
    Alle kreativen Lösungen täuschen über das eigentliche Problem hinweg: Durch das Internet und die kostenlose Verfügbarkeit unendlich vieler Artikel mit und ohne Nachrichtenwert sind die gängigen Geschäftsmodelle der tradierten Printmedien weitgehend zusammengebrochen. Die spürbar leidtragenden sind die Produzenten der Inhalte, also die Journalisten, die nun leider nicht mehr genug Geld verdienen. Geld, dass bislang aus Werbung und Zeitschriften- und Zeitungsabonnements kam.
    Wie also kann “im Internet” mit journalistischen Texten Geld verdient werden? Ein Zusammenschluss von – wenn ich richtig gezählt habe – 28 Journalisten, der unter dem Namen Krautreporter firmiert, versucht es aktuell mit einer Crowdfundingkampagne. Für 60 EUR erhält man eine zwölfmonatige Krautreportermitgliedschaft.
    Die Krautreporter wollen mit 15.000 zahlenden Kunden 900.000 Euro einsammeln. Das entspricht abzüglich der Verwaltungskosten und Ausgaben für die Web-Infrastruktur und umgelegt auf die 28-köpfige Redaktion jeweils einem anständig bezahlten Halbtagsjob. Ich habe mich angemeldet, ohne dass ich überhaupt weiß, was eine Krautreportermitgliedschaft bedeutet.
    Ich habe in den vergangenen Tagen vor allem negative Stimmen zu dem Projekt gelesen. Die Kritik reicht vom fehlenden Themenkonzept über missratene Kommunikation mit den möglichen zukünftigen Lesern und der fehlenden Begeisterung der Krautreporter selbst, bis zu Kritik am Bezahlsystem (hier, hier, hier und hier).
    Ich habe das alles gelesen und meine Meinung zu dem Projekt trotzdem nicht geändert. Obwohl mich die Inhalte wahrscheinlich nur bedingt interessieren (mit Hanno Charisius ist gerade einmal ein Wissenschaftsjournalist an Bord), ist alleine der Versuch auf diese Weise mit Journalismus online Geld zu verdienen es Wert unterstützt zu werden.
    Journalisten ohne finanzielle Perspektive führen mittelfristig zu qualitativ schlechtem, abhängigen Journalismus und machen langfristig die vierte Gewalt einer Demokratie zum Papiertiger. Ganz unabhängig von gesellschaftlichen und politischen Dimensionen haben es Menschen, die schreiben können, verdient auch dafür bezahlt zu werden.
    Aktuell fehlen noch knapp eineinhalb Tausend Anmeldungen zur erfolgreichen Finanzierung. Die Kampagne läuft noch bis heute Nacht. Hier kann man Krautreporter unterstützen.