Schlagwort: China

  • Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    Leben in vollen Zügen (und Flugzeugen) so lange es geht

    2018 hinterlassen wir einen CO2-Abdruck, der jeder Klimaaktivistin die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen müsste. Titien geht es so gut, dass wir viel verreisen können. Anfangs ist unsere Onkologin skeptisch, als wir ihr von geplanten Fahrten nach Dänemark, Spanien und in die Schweiz erzählen.

    Sie gewöhnt sich aber daran, dass wir unsere Termine in der Klinik mit unseren Reisen abstimmen müssen. Wir fliegen nach Rom zum Hochzeitstag. Fliegen zwei, drei Mal nach Barcelona, fahren nach Florenz und besuchen Freunde in Köln, Berlin, München und Stuttgart.

    Wir fahren Tretboot auf dem Titisee. Wir gehen in Kunstmuseen und auf Konzerte von Tocotronic und Calexico. Ich laufe im Sommer meinen ersten Halbmarathon – den NCT-Lauf gegen Krebs.

    Beim NCT-Lauf gegen Krebs (vor dem Lauf) mit #teamschnipsflausch

    Unsere Onkologin muss trotzdem schlucken, als wir ihr von unseren Sommerreiseplänen erzählen. Von Karlsruhe nach Frankfurt. Von Frankfurt nach Hongkong, von dort nach Shenzen. Nach ein paar Tagen weiter nach Macau, zurück nach Shenzhen, und dann nach Beijing. Von dort wieder zurück nach Hause.

    Wir packen die Chemotabletten und das Kortison für Notfälle ein und begeben uns auf Titiens spuren. Sie hat ja in Shenzhen studiert und lange in Beijing gelebt. Wir verbringen Zeit mit ihrer Familie, die aus Jakarta anreist und lernen Yuna kennen, ihre zweijährige Nichte.

    Wir treffen Freunde und Bekannte und haben ein volles Besichtigungsprogramm, inklusive Chinesischer Mauer. Wer gerne die Urlaubsbilder sehen möchte, sei auf die Artikel in Titiens Blog verwiesen (Teil I, Teil II).

    Titiens Symptome sind stabil. Sie sieht Doppelbilder und spürt ständig linksseitig ein Kribbeln, als wäre ihr Arm eingeschlafen. Erst im November merkt sie Veränderungen. Sie spricht etwas undeutlicher und sie hat den Eindruck, dass ihr im rechten Arm Kraft fehlen würde.

    Wir haben Anfang Dezember einen Termin für ein MRT.

  • Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Wer ist Titien – ein Steckbrief

    Titien wird 1981 in Jakarta geboren. Sie ist Indonesierin, gehört aber der chinesischen Minderheit im Land an, die gut ein Prozent der Gesamtbevölkerung Indonesiens ausmacht.

    Während der Asienkrise 1997-1998 brechen in Indonesien die Mai-Unruhen aus, die sich gegen die Chinesische Minderheit richten. Ihr Vater verschifft Titien mit 16 Jahren zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach Shenzhen, China.

    Titien soll nach einem Chinesisch-Intensivkurs anfangen zu studieren, vermasselt aber den Eingangstest zur Uni. Sie besteht darauf, ihr Studium trotzdem anfangen zu dürfen. Sie verhandelt mit dem Dekan ihrer Fakultät, dass sie zur Probe studieren darf und falls sie die Prüfungen am Ende des ersten Semesters schafft, darf sie bleiben.

    Sie gehört nach dem Semester mit zu den besten des Jahrgangs und schließt nach vier Jahren ihr Studium der Internationalen Ökonomie ab. Es bleibt ihr Geheimnis, dass sie durch den Umzug mit 16 nie die Schule abgeschlossen hat.

    Titien arbeitet für ein chinesisches Handelsunternehmen für anderthalb Jahre, bevor sie entscheidet, dass sie gerne in die Hauptstadt Beijing ziehen möchte.

    Die indonesische Vertretung dort wird 2006 mit einem neuen Botschafter besetzt und Titien bewirbt sich auf eine Stelle als Übersetzerin. Sie wird ein paar Tage später zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.

    Titien reist nach Beijing mit leichtem Handgepäck, hat ihr Bewerbungsgespräch und ihr wird auf der Stelle ein Arbeitsvertrag angeboten. Sie soll schon am nächsten Tag mit dem Botschafter auf erste Termine fahren. Titien ruft in Shenzhen an, ihr Vater schickt ihr die wichtigsten Unterlagen und Kleidung.

    Titien bereist während ihrer Zeit in der Botschaft alle chinesischen Provinzen, von der Inneren Mongolei bis Tibet, von Guangdon nach Xinjiang. Sie wird als Übersetzerin für gr0ße Anlässe eingesetzt. Sie betreut die First Ladies während internationaler Konferenzen.

    Titien zwischen Xi Jinping und Susilo Bambang Yudhoyono. Jakarta Post, 2013.

    Sie übersetzt als letzte Person im Raum bei Verhandlungen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem ehemaligen indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono.

    Sie dient auch unter dem aktuellen Präsidenten Jokowi. Einer ihrer größten Erfolge ist ihre Beteiligung am Handelsabkommen zwischen Indonesien und China über den Import von Vogelnestern. Einer wertvollen Suppenzutat in China.

    2015 hat sie genug von Beijing und entscheidet sich nach Deutschland zu ziehen. Wegen der guten Luft, wie sie mir sagt, als wir uns ins Stuttgart kennen lernen.