Kategorie: Naturwissenschaften

  • Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Glyphosat, Krebs und die möglichen Kosten für Bayer

    Acht Geschworene in einem Gericht entscheiden nicht, ob ein Pestizid krebserregend ist. Die Gefährlichkeit wird basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen von Genehmigungsbehärden eingestuft. 
    Wenn also nun ein kalifornisches Geschworenengericht einem schwer krebsranken Gärtner und Hausmeister Entschädigungszahlungen in Höhe 289 Millionen US-Dollar zuspricht, dann zeigt das vor allem, dass die Geschworenen viel Mitgefühl mit dem Kläger haben.
    Es zeigt auch, dass die Geschworenen nicht in der Lage waren, die wissenschaftliche Faktenlage richtig einzuschätzen. Die ist nämlich eindeutig: Glyphosat verursacht kein Krebs.
    Wie ein Blick in die Kommentarspalten zu Artikeln zeigt, die diese Tatsache ohne zu relativieren berichten, sind die acht Geschworenen des Gerichts in Kalifornien nicht die einzigen, die Probleme damit haben, wissenschaftliche Daten richtig einzuordnen und im Zweifelsfall ihre gefühlte Wahrheit zu überdenken. 
    Wäre das nicht schön, wenn es weniger wissenschaftlichen Analphabetismus gäbe, und Fakten und Daten, Meinungen und Entscheidungen beeinflussen und bestimmen würden? 
    Wir sind weit davon entfernt. Obwohl Bayer bereits Einspruch gegen das Urteil eingelegt hat, ist die Bayer-Aktie nach bekannt werden des Urteil um gut 10% eingebrochen. Bayer ist seit der Übernahme von Monsanto dieses Jahr der Besitzer des Unternehmens, das verklagt wurde.

    Bayer verliert acht Milliarden Euro an Wert

    Der Kursverlust von 10% bedeutet konkret, dass der Bayer-Konzern in Folge des 253 Millionen Euro Urteils mit dem Schlusskurs gestern gut acht Milliarden Euro an Wert verloren hat.
    Der Markt rechnet also damit, dass dies nicht die einzige Verurteilung von Monsanto zu Glyphosat uns Krebs bleibt, sondern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mehrere Milliarden Euro entweder an Kläger gezahlt werden müssen oder es zu einer außergerichtlichen Einigung in Folge einer Sammelklage kommen wird, um die Kläger zu entschädigen und Bayer zukünftige Rechtssicherheit in der Causa Glyphosat zu bieten.
    Acht Milliarden Euro wären deutlich mehr Entschädigungszahlungen, als zum Beispiel Merck für den Skandal um ihr Schmerzmittel Vioxx zahlen musste (4,9 Milliarden USD), oder Bayer für ihr 2001 vom Markt genommenen Cholesterinsenker Lipobay (4,2 Milliarden USD).
    Der Unterschied ist: Sowohl Lipobay als auch Vioxx verursachen schwere Nebenwirkungen und es kam im Zusammenhang mit deren Einnahme zu Todesfällen. Die Zahlungen an die Kläger sind also gegründet und gehen mit einem zumindest impliziten Schuldeingeständnis einher. 
    Soll sich Bayer im Falle Glyphosat für etwas schuldig bekennen, ohne dass es dafür hinreichende Indizien geschweige denn Beweise gäbe? Würde eine außergerichtliche Einigung im Fall Glyphosat mit potentiell tausenden Klägern nicht automatisch als Schuldeingeständnis gewertet werden?

    Hinweis: Der Artikel dient der Information und ist keine Anlageberatung. Erklärung zu Interessenkonflikten: Ich besitze zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels keine Wertpapiere der Bayer AG. Ich plane auch nicht in den 72 Stunden nach Veröffentlichung des Artikels Wertpapiere der Bayer AG zu kaufen. 
  • Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit – 10 Jahre WeiterGen

    Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit – 10 Jahre WeiterGen

    Dieser Artikel erschien zuerst im Jubiläumsblog 10 Jahre Scienceblogs.
    Wenn Juristen, Philosophen und Theologen im Ethikrat über die Zukunft meiner Forschungsdisziplin entscheiden wollen und dabei jegliche Pragmatik vermissen lassen. Wenn Journalisten vor lauter neutralem einerseits – andererseits den ihnen bequemen Meinungen soviel Gewicht einräumen wie fundierten wissenschaftlichen Ergebnissen, dann macht mich das wütend.
    Als Ende 2007 so über die Zukunft der Stammzellforschung in Deutschland diskutiert wurde, machte mich das so wütend, dass ich entschied, mich nicht nur über Artikel in Zeitungen zu ärgern, sondern meinem Ärger Luft zu verschaffen und in Form eines Blogs dagegen anzuschreiben. Ironisch, manchmal zynisch, aber immer aus der Sicht eines tatsächlich forschenden Wissenschaftlers.
    Ich traf mit meinen ersten Schreibversuchen offenbar Ton und Thema und drei Monate später zog mein noch junges Blog zu den ScienceBlogs um und WeiterGen war geboren. Rekrutiert worden bin ich damals übrigens von Beatrice Lugger. Die damalige Chefredakteurin der ScienceBlogs ist eine der Ausnahmefiguren in der deutschsprachigen Wissenschaftskommunikationszene – und das schreibe ich nicht, weil sie akutell als Direktorin am NaWik meine direkte Vorgesetze ist (mehr davon später).
    Es folgten Jahre produktivsten Schaffens. Tags wurde im Labor geforscht und abends, oft bis spät in die Nacht, wurde für WeiterGen recherchiert, geschrieben, kommentiert und publiziert.
    Der Mischung der Frustrationen aus nicht funktionierenden Experimenten im Labor, abgelehnten wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die meinen Wissenschaftsalltag charakterisierende fehlende Unterstützung durch Vorgesetze, stand etwas Positives gegenüber: Ich bekam meine regelmäßige Dosis Glückshormone durch die Publikation meiner Artikel im Blog, durch die lebhaften Diskussionen in den Kommentarspalten und durch den täglichen Blick auf meine Leserzahlen in Google Analytics.
    Meine Texte wurden durch viel üben besser, ich wurde als Blogger zu Konferenzen eingeladen: Dem EMBO-Meeting und – auch wieder katalysiert durch Kontakte von Beatrice Lugger – zu mehreren Lindau Nobel Laureate Meetings; und ich bekam ein Angebot, bei einem renommierten Verlag ein populärwissenschaftliches Buch zu veröffentlichen.
    Zu letzterem sollte es nie kommen. Der Buchvertrag und der Wunsch, mehr Blogartikel zu schreiben, fiel meiner damaligen Entscheidung zum Opfer, mich auf meine akademische Laufbahn zu konzentrieren. Eine Fehlentscheidung, wie sich herausstellen sollte. Zwei Jahre später, mit neun Papers aus dem Postdoc, und nach Bewerbungen an Unis und Instituten weltweit, hatte ich immer noch keine Stelle als unabhängiger Forschungsgruppenleiter.
    Ich entschied mich für einen Richtungswechsel. Mein trotziger Gedanke war: Wenn ich nach zehn Jahren Wissenschaft, also vier Jahren Doktorarbeit und fast sechs Jahren Postdoc, den nächsten Schritt nicht komfortabel gehen kann, dann mache ich eben etwas anderes.
    Ich hatte Angst vor dem Schritt ins Ungewisse, aber ich hatte ein Leitmotiv: Durch meine Erfahrung mit dem Bloggen wusste ich: Es wird irgendwas mit Wissenschaftskommunikation.
    Ich gründete ein Software-Startup, mit dem wir Wissenschaftler halfen, mit der aktuellen und jeweils relevanten Fachliteratur auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Ich gründete eine Agentur für Wissenschaftskommunikation mit Spezialisierung auf Kommunikation für große, internationale Forschungsprojekte. Ich fing an, Workshops für Wissenschaftler zu geben. Und ich nahm vor knapp drei Jahren das Angebot an, am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) in Karlsruhe zu arbeiten.
    Aus meiner Leidenschaft ist also in den letzten zehn Jahren mein Beruf geworden, und aus Beatrice Lugger, der Person, die mich damals zu den ScienceBlogs geholt hat, ist meine Vorgesetzte und Mentorin geworden. Ohne WeiterGen wäre ich nie da gelandet wo ich jetzt bin.
    Ich sollte ScienceBlogs dankbarer sein und wieder mehr Artikel schreiben. An möglichen Themen mangelt es wahrlich nicht. Ich mache mich auf die Suche nach der Zeit, die ich vor zehn Jahren dafür gefunden habe.

  • Wissenschaftsbarometer: Was unterscheidet Forscher vom Rest der Bevölkerung?

    Wissenschaftsbarometer: Was unterscheidet Forscher vom Rest der Bevölkerung?

    Wissenschaft im Dialog hat vorvergangene Woche das vierte Wissenschaftsbarometer publiziert. Das Wissenschaftsbarometer ist eine repräsentative Bevölkerungsumfrage  zur Wahrnehmung von Wissenschaft in der Gesellschaft. Insgesamt wurden für die Umfrage 1007 Personen telefonisch befragt. Wissenschaft im Dialog hat die Ergebnisse sehr schön aufbereitet und zum Download zur Verfügung gestellt.
    In der Datei mit den detaillierten Ergebnissen (pdf) werden die 1007 Befragten weiter aufgeschlüsselt: Nach Wohnort, Haushaltsgröße, Einkommen, Alter, Schulbildung, Parteivorlieben, und so weiter.
    Die angerufenen Teilnehmer wurden auch nach Ihrem Berufsfeld gefragt. 78 der Befragten gaben an, in Wissenschaft und Forschung zu arbeiten und 77 sagten, früher in Wissenschaft und Forschung gearbeitet zu haben (844 nicht). Wäre es nicht interessant zu sehen, in wie weit die befragten Wissenschaftlerinnen und Forscher die Lage zur Wahrnehmung ihres Berufsfeldes in der Bevölkerung anders einschätzten als der Rest?
    Ich bin der Frage nachgegangen und habe hier die interessantesten Ergebnisse der detaillierten Aufschlüsselung des Datensatzes zum Wissenschaftsbarometer 2017 zusammengetragen. Meine Auswertung ist wegen zum Teil fehlender statistischer Signifikanz nicht ganz ernst gemeint.

    Wissenschaftler sind an allem interessiert – nur nicht an Wirtschaft und Finanzen

    Zunächst geht es um generelle thematische Interessen, und da wird klar, dass Wissenschaftler mannigfach interessiert sind. Natürlich an Wissenschaft, aber sowohl für  Politik, Kultur als auch Sport haben prozentual mehr Wissenschaftler gesagt, sehr oder eher großes Interesse zu haben als der Rest der Befragten.
    Nur an Themen zu Wirtschaft und Finanzen ist das Interesse der Wissenschaftler im Vergleich zu den nicht- oder nicht mehr Wissenschaftlern niedriger. Das verwundert wenig. Es gibt etliche Wissenschaftler, die nicht ohne Stolz auf ihren Beitrag zur reinen Grundlagenforschung verweisen, und die Fragen nach dem wirtschaftlichen Nutzen Ihrer Forschung mit Schulterzucken beantworten.
    Vielleicht auch deshalb verdienen viele Wissenschaftler so wenig, dass sich die Frage nach dem Wohin mit dem Geld gar nicht stellt. Warum sollte man sich mit Finanzthemen beschäftigen, wenn das eigene Gehalt durch Miete und Lebenshaltungskosten komplett aufgezehrt wird?
    Interessen der im Wissenschaftsbarometer befragen Teilnehmer. Quelle: Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid, CC BY-ND 4.0

    Wie funktioniert eigentlich Wissenschaft und was machen Wissenschaftler den ganzen Tag?

    Was bei der Analyse der detaillierten Ergebnisse weiter auffällt, ist die mangelnde Kenntnis der Bevölkerung, was Wissenschaft eigentlich ist und wie der Alltag vieler Wissenschaftler aussieht.
    Auf die Frage, was es heißt, wissenschaftlich zu forschen, beschreiben die befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit: Ideen haben, Probleme erkennen und analysieren, Thesen oder Theorien aufstellen und sie verifizieren, beobachten, prüfen, Zusammenhänge sehen, Erkenntnisse gewinnen.
    Davon weiß ein Teil der Bevölkerung wenig. 30% der befragten Nichtwissenschaftler gaben an, nicht zu wissen oder keine Angaben machen zu wollen oder können, was es heißt etwas wissenschaftlich zu erforschen (Seite 269-270).
    Auch bei der Fragen, welche Fähigkeiten man als Wissenschaftlerin mitbringen muss gibt es Diskrepanzen zwischen aktiven Forschern und der Bevölkerung. Zusammengefasst meinen Wissenschaftler, dass Intelligenz, Neugier und allgemeines Wissen weniger wichtig sind, als die befragten Nichtwissenschaftler glauben.
    Ausdauer, Geduld und Hartnäckigkeit hingegen werden von Wissenschaftlern als wichtige Fähigkeiten beschrieben, als sie in der Gesellschaft wahrgenommen werden. 25% der Wissenschaftler meinen, Kreativität sei eine wichtige Fähigkeit.
    Nur 4% der Nichtwissenschaftler schreibt diese Eigenschaft Wissenschaftlern zu.Laien und Experten sind sich Immerhin einig, dass Fachwissen und eine gute Ausbildung für Wissenschaftler benötigte Fähigkeiten sind (Seite 279).
    Man kann diese Ergebnisse als einen Hinweis an die Kommunikation von Wissenschaft interpretieren. Es geht offenbar nicht nur darum, was Wissenschaftler machen, sondern auch wie Wissenschaft funktioniert. Es reicht nicht, wissenschaftliche Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie für die Gesellschaft verständlich werden. Es geht auch darum, den Prozess des Forschens, sowie die wissenschaftliche Methode (mit) zu kommunizieren.
    Vielleicht nimmt dann die Bevölkerung die Wissenschaft als weniger bedrohlich war – 45% der befragten Nichtwissenschaftler gab an, dass sich durch Wissenschaft und Forschung die Lebensbedingungen zu schnell ändern würden (Seite 195).
    Wissenschaftler müssen dann auch nicht mehr zynisch verbergen, dass Intelligenz bei der Ausführung Ihres Berufs eine wichtige Rolle spielt.

    Besonderheiten bei Anhängern von SPD und AfD

    Heute ist ja Bundestagswahl. Ich habe deshalb auch überflogen, ob die Aufschlüsselung nach politischen Parteien, ungewöhnliche Antwortmuster ergeben. Das Wissenschaft mehr schadet als nützt glauben zum Beispiel 6% der befragten Wissenschaftler. Bei Nichtwissenschaftlern sind es 13%. Fast ein Viertel (24%) der befragten Personen, die sich der SPD zuordnen gaben an, das Wissenschaft mehr schadet als nützt (Seiten 179,180).
    Dass die Menschen zu sehr der Wissenschaft und zu wenig dem Glauben und Ihren Gefühlen vertrauen, denken 28% der befragten Wissenschaftler. 45% derer, die sich als sehr oder eher religiös bezeichneten stimmten der Aussage zu. Die Anhänger einer Partei überboten diesen Wert noch locker. Menschen vertrauen zu sehr der Wissenschaft und zu wenig dem Glauben oder Ihren Gefühlen gaben 57% der AfD Wähler an (Seiten 204, 205).
    In diesem Sinne, vertrauen Sie der Wissenschaft und gehen Sie heute wählen.

  • Meine einzige Sechs war in Mathe

    Meine einzige Sechs war in Mathe

    Mich verbindet so etwas wie Hassliebe mit Mathematik. Ich war immer schon von der Klarheit und gleichzeitig der Abstraktion dieser Wissenschaft fasziniert und habe Freunde bewundert, denen das Verständnis für Mathematik zufliegt. Mir ging es leider nicht so. Es war in der Schule mein schlechtestes Fach. In meiner gesamten Schullaufbahn schrieb ich eine einzige Sechs. Das war in Mathe. Ich bin nicht stolz darauf. Ich bin mehr als einmal an mir gestellten Aufgaben verzweifelt, zum Teil aus Mangel an ausreichendem Methodenwissen, aus Mangel an Talent, und zum Teil an einer fehlenden Greifbarkeit der Problemstellungen. Vielleicht lag es auch an meinem Mathelehrer. Die Abstraktion der Mathematik, die ich einerseits bewundere, hat mir jedenfalls oft deutlich meine intellektuellen Grenzen aufgezeigt.
    Das Heidelberg Laureate Forum ist das Gipfeltreffen preisgekrönter Wissenschaftler aus Mathematik und Computerwissenschaften. Die Koryphäen kommen dort kommende Woche mit 200 Nachwuchswissenschaftlern aus etlichen Ländern in Heidelberg zusammen. Wie kommt es also, dass ausgerechnet ich, mit zugegebenermaßen beschränktem mathematischen Verständnis und kaum erwähnenswerten Ausflügen in die Programmierung von Computern, von dort berichten darf?
    Moderne Mathematik und Computerwissenschaften haben mit der von mir so innig gehassliebten Schulmathematik wahrscheinlich so viel zu tun wie eine Magnetschwebebahn mit der Draisine. Das Verständnis der Grundlagen wird für mich also sicher nicht einfacher – und darüber kann ich dann auch nicht berichten auf dem HLF-Blog. Ich habe mir aber vorgenommen beim Laureate Forum in Heidelberg die Fragestellungen zu verstehen, die hinter der Forschung stehen. Die potentiellen und realen Anwendungen der beiden Forschungsgebiete vorzustellen, schlicht also das für mich geistig so Fremde und Abstrakte greifbar zu machen.
    Ich habe mir zur Vorbereitung auf das Heidelberg Lautete Forum durchgelesen an was die 200 Nachwuchswissenschaftler forschen. Sowohl die Faszination wie auch das Verständnis für Mathematik und Computerwissenschaften haben dabei schon zugenommen. Einige mehr oder weniger zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich, ihre Motivation, und ihre Forschungsgebiete zur Einstimmung auf die Tagung drüben im englischsprachigen Blog jeden Tag diese Woche vor. Unter anderem von mir gibt es dann kommende Woche auch auf dem deutschen Blog des HLF Texte aus Heidelberg. Der Twitter Hashtag ist #hlf15.

    Bild oben: Der Sharp PC1246S Pocket Computer auf dem ich mal gelernt habe BASIC zu programmieren.
  • Lebensgefahr im Labor

    Lebensgefahr im Labor

    Es muss im zweiten Jahr meiner Doktorarbeit gewesen sein, als in meinem Labor ein neuer Doktorand eingestellt wurde. Er, mit der gerne zur Schau gestellten Attitüde des etwas verschrobenen Wissenschaftlers, hatte Faible dafür, etablierte Methoden und Versuchsprotokolle nicht zu übernehmen sondern zu optimieren. Prinzipiell kein schlechter Charketerzug für einen Forscher, hier jedoch fast mit fatalen Folgen.
    Jener Doktorand beschloss einen Liter einer frisch in einer Schott-Schraubdeckelflasche (Abbildung oben links) angesetzen Pufferlösung zur Proteinaufreinigung nicht etwa wie üblich im Eisbad zu kühlen, sondern hierfür Trockeneis Pellets einzusetzen, die aus gefrorenem etwa -80°C kaltem CO2 bestehen. Zur effektiveren Kühlung – die vermeintliche Optimierung – wurden die Trockeneispellets dafür direkt in die Pufferlösung gegeben. Um das Austreten weißen CO2 Dampfes zu unterbinden, verschloss der Doktorand die Schraubdeckelflasche fest.
    Trockeneis sublimieren bei Raumtemperatur, geht also vom festen direkt in den gasförmigen Zustand über. Bei der Sublimation findet eine Volumenvergrößerung des CO2 um das 760 fache statt. Die Glasflasche hatte dem Gasdruck wenig entgegenzusetzen und barst.
    Ein Schrapnell schlug etwa 20 Zentimeter vom Kopf einer unbeteiligten Postdoktorandin mit trockenem Plop in eine Styroporbox (Symbolbild oben rechts) ein und blieb dort stecken.
    Der Doktorand entschied damals einvernehmlich mit seinem Arbeitgeber die angefangene Doktorarbeit abzubrechen. Ich glaube er zog dann nach England um dort zu promovieren.
    Jahrelang hielt ich ich diese Geschichte für eine Kuriosität der Laborarbeit. Erst ein jüngst veröffentlichter Diskussionsfaden auf Reddit machte mir deutlich, dass solche beinahe-Unfälle offenbar häufiger sind als angenommen. Mir stellt sich nach Lektüre der Laborkatastrophen die Frage, ob im Laborwissenschaftler nicht ähnlich wie Arbeiter auf Hochseeölplattformen eine großzügige Risikozulage bekommen sollten.
  • Wenn eine wissenschaftliche Karriere einem Marathon gleicht, kommen 90% nie am Ziel an

    Wenn eine wissenschaftliche Karriere einem Marathon gleicht, kommen 90% nie am Ziel an

    Vor einiger Zeit habe ich folgenden Satz gelesen: „Eine Karriere in der Wissenschaft ist kein Sprint, sondern ein Marathon”. Klingt oberflächlich richtig. Wer in der Wissenschaft erfolg haben will, muss Scheuklappen anlegen, Gas geben, und vor allem ausdauernd sein.
    Bei einem Volksmarathon kommen im Durchschnitt rund 80% der Starter im Ziel an, und wer ausreichend trainiert, ist wahrscheinlich bei den Finishern dabei. Der Anteil der promovieren Wissenschaftler, die irgendwann mit unbefristetem Arbeitsvertrag ausgestattet in einem akademischen Umfeld arbeiten, ist hingegen lächerlich gering.  8% der Doktoranden haben aktuellen Zahlen aus den USA zur Folge später tatsächlich eine (immer noch befristete) “Tenure-Track” Stelle inne.
    Ungeachtet der miserablen Aussichten auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere wertet die Mehrzahl der Doktoranden und Doktorandinnen Forschung oder Lehre innerhalb des akademischen Umfelds dennoch als attraktivsten Karriereweg. Kein Wunder, werden doch laut einer Studie 85% aller Doktoranden in den Biowissenschaften innerhalb ihres beruflichen Umfelds ermutigt, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, anstatt sie realistisch und adäquat auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.
    Das Missverhältnis zwischen den akademischen Karriereplänen vieler Nachwuchswissenschaftler und der den tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeiten im System, zusammen mit fehlender oder nur rudimentärer Karriereberatung an den Unis und Instituten führt regelmäßig zu großen Frustrationen. Wenn die Erkenntnis reift, dass man trotz harter Arbeit, trotz guter Ideen, trotz jahrelanger Entbehrungen und trotz vieler Publikationen, den Marathonlauf nicht zu Ende bringen wird, stellt sich nicht selten das Gefühl ein, beruflich gescheitert zu sein.
    Es wird Zeit, dass sich die Kultur ändert. Eine Doktorarbeit ist keine Etappe in einem Wettlauf und eine wissenschaftliche Karriere ist kein Marathon mit einem Ziel, das mit großer Wahrscheinlichkeit nie erreicht wird. Wenn nicht einmal jeder zehnte Doktorand langfristig Platz im akademischen System findet, ist die Promotion vielmehr eine qualifizierende Zusatzausbildung für den Arbeitsmarkt außerhalb, als ein Baustein einer wissenschaftlichen Karriere.
    Das muss nicht nur so kommuniziert werden, ich denke, die Institute und Fakultäten haben ob dieser Zahlen dem wissenschaftlichen Nachwuchs gegenüber sogar die Verantwortung, sie aktiv bei der Berufswahl zu unterstützen. Ich weiß, dass es an britischen Universitäten sogenannte “Career Offices” gibt. Wie steht damit in Deutschland? Gibt es unterstützende Maßnahmen für die Karriere außerhalb? Wie sehen diese aus und werden sie angenommen?

  • Chikungunya-Epidemie – Kommt das Virus bald nach Deutschland?

    Chikungunya-Epidemie – Kommt das Virus bald nach Deutschland?

    Im Dezember 2013 gab es die erste Meldung bestätigter Verdachtsfälle von Infektionen mit dem Chikungunya-Virus auf der Karibikinsel Saint Martin. Wie ein kleiner Punkt, der auf dem Radarschirm einmal schwach aufblinkt wurde registriert, dass ein Virus, dass im mittleren und südlichen Afrika, sowie in Südostasien heimisch ist, zum ersten Mal in der westlichen Hemisphäre auftaucht.
    Inzwischen ist auf dem kleinen Punkt auf dem Radar auf Saint Martin eine veritable Epidemie geworden. Es gibt über 180 000 Verdachtsfälle aus der gesamten Karibik, inklusive der Touristenziele Dominikanische Republik und Martinique. Mehrere Fälle werden inzwischen auch aus Cuba, Mexico, anderen mittelamerikanischen Ländern, sowie den USA beschrieben.
    Die Fälle sind bislang durch Touristen oder Geschäftsreisende eingeschleppt worden, Experten warnen jedoch, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis das Virus auch auf dem amerikanischen Festland endemisch wird.
    Chikungunya-Virus Infektionen in der Karibik seit Ende 2013. Quelle: CDC

    Was ist Chikungunya?

    Das Chikungunya Virus ist ein Alphavirus mit einem 11,6 kB großen, einsträngigen RNA-Genom. Das Virus hat die Form eines Ikosaeders und ist etwa 40 nm im groß. Es befällt Fibroblastenzellen und Muskelvorläuferzellen. Eine Infektion mit dem Chikungunya-Virus führt nach einer normalerweise zwei bis dreitägigen Latenzzeit zu Hautausschlag und akuten Fieberschüben, die mehrere Tage anhalten.
    In der Folge klagen infizierte über arthritis-ähnlichen Schmerzen in den Gelenken der Extremitäten, die in Ausnahmefällen mehrere Jahre anhalten können. Es gibt aktuell weder die Möglichkeit, eine Infektion spezifisch zu therapieren, oder einen Impfstoff gegen die Infektion mit dem Virus. Übertragen wird das Chikungunya-Virus von Stechmücken der Gattung Stegomyia (früher: Aedes).
    Die aktuell dokumentierten Chikungunya-Fälle beschränken sich nicht auf Amerika alleine. In Katalonien sind erste Verdachtsfälle aufgetreten, und Frankreich hat 47 Verdachtsfälle, allesamt bislang jedoch vermutlich eingeschleppt durch Aufenthalte in der Karibik.
    Asiatische Tigermücke. Quelle: Wikipedia
    Was muss passieren, dass die Krankheit auch in Europa zur Epidemie wird? Neben dem Einschleppen aus betroffenen Regionen, muss der Überträger endemisch sein, also die Stechmücken, die das Virus übertragen.
    Ein bekannter Überträger von Chikungunya ist die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus. Die Moskitoart wurde 1990 nach Italien gebracht und ist inzwichen im gesamten Mittelmeeraum verbreitet. 2011 wurde die Moskitoart auch in  in Deutschland gesichtet. Im warmen, äußersten Südwesten des Landes.

  • Die E-Zigarette kann Millionen Menschenleben retten. Wozu dann regulieren?

    Die E-Zigarette kann Millionen Menschenleben retten. Wozu dann regulieren?

    Tabak hat im zwanzigsten Jahrhundert 100 Millionen Menschenleben gefordert. Die WHO prognostiziert 1 Milliarde Tabaktote weltweit für dieses Jahrhundert – wenn der bisherige Trend anhält.
    Seit 2007 wird ein Mittel gegen den Tabaktod angeboten. Die E-Zigarette raucht nicht, sie produziert Dampf. Die E-Zigarette stinkt nicht, weil nichts verbrannt wird. Die E-Zigarette ist weniger gesundheitsschädlich, denn es entsteht kein Kohlenmonoxid, keine Blausäure, kein Arsen, keine Nitrosamine und keine polyzyklischen Kohlenwasserstoffe.
    Ist die elektrische Zigarette also die Lösung eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit? Die Teilnehmer einer Vortragsrunde mit dem Titel “Sanftes Töten oder unsere größte Chance für das Gesundheitswesen” äußerten sich gestern auf dem Euro Science Open Forum (ESOF) vorsichtig positiv, hatten allerdings auch Bedenken.
    Wilson Compton, Stellvertretender Direktor vom NIDA zitierte Literatur, wonach genetische Unterschiede in Nikotinrezeptoren dazu beitragen, wie viele Zigaretten ein Raucher braucht und wie abhängig und krank er dementsprechend wird. Auch sei bei Jugendlichen die Plastizität des Gehirns noch hoch, und daher die Gefahr der Abhängigkeit von Nikotin daher höher.
    Das sind allerdings keine Bedenken spezifisch gegen die elektrische Variante der Nikotinzufuhr, und so hatte Sudhanshu Patwardhan, internationaler Engagement Officer von Nicoventures Media, also der Vertreter der Industrie, es leicht, die E-Zigarette als die Lösung aller Gesundheitsprobleme darzustellen. Er prognostizierte, dass 2021 mehr Geld mit E-Zigaretten als mit traditionellen Tabakprodukten umgesetzt wird.
    Als Kontrapunkt sprach danach Deborah Arnott, die Leiterin der not-for-profit Organisation ASH (action on smoking and health). Die E-Zigarette sei seit 2007 auf dem europäischen Markt, und obwohl die Hälfte der Raucher in Großbritannien sie schon ausprobiert habe, würde nur ein Drittel derjenigen die es probieren, tatsächlich umsteigen, berichtete Arnott. Dennoch sei zu beobachten, dass obwohl die Zahl der Nutzer der E-Zigaretten derzeit stark ansteigt, die Gesamtzahl der Raucher weiter abnehmen würde.
    Alle Teilnehmer der Session erkannten großes Potential in den elektronischen Zigaretten, da die gesundheitlichen Gefahren durch die giftigen Inhaltsstoffe tabakbasierter Zigaretten weitgehend wegfallen würden. Besonders Arnott warnte aber auch vor potentiellen neuen Gefahrenquellen durch zugesetzte Aromastoffe, Verunreinigungen, und vor fehlender Regulierung des Marktes. Auch die Gefahr, dass die E-Zigarette eine Einstiegsdroge für Jugendliche sei, ist gegeben und kann noch nicht beurteilt werden, da der Markt einfach noch zu jung sei.
    “People smoke for nicotine but die from tar” war die Erkenntnis, auf die alle Präsentationen aufbauten. Der Rauch ist also das Problem, und nicht das Nikotin. Zumindest aus gesundheitspolitischer Sicht.
    Wer Abhängigkeiten aber generell nicht mag, für den sind aber auch mit LED Lämpchen bestückte Vaporisieraparaturen keine Alternative. Für den gibts nur den Entzug. Und für ehemalige Raucher die Hoffnung, nicht auf die alte Sucht im neuen Gewand hereinzufallen.

    Wie funktioniert die E-Zigarette?

    Die inzwischen in der dritten Generation verfügbaren elektronischen Zigaretten enthalten ein Reservoir für eine Nikotinhaltige Lösung, ein Heizelement, welches diese Lösung verdampft, einen Sensor, der erkennt, ob und wie stark der Raucher an der Zigarette zieht, und ein elektrisches Schaltelement, welches mit einer wiederaufladbaren Batterie verbunden ist und welches das Heizelement, sowie bei manchen ein eingebautes LED Lämpchen reguliert.

    Was wird mit der E-Zigarette eingeatmet?

    Die durch das Heizelement verdampfte Lösung basiert häufig auf Propandiol und Glycerin und enthält bis zu 20 mg/ ml Nikotin. Den meisten E-Zigartetten werden noch Aromastoffe beigemischt. Am Heizelement wird das dickflüssige Gemisch verdampft, es wird also kein Rauch eingeatmet.

    Ist die E-Zigarette gesundheitsschädlich?

    Propandiol und Glycerin sind nicht giftig. Nikotin ist in den verwendeten Dosierungen ebenfalls nicht gesundheitsschädlich. Bei den zugesetzten Aromastoffen ist es häufig nicht abschließend geklärt, wie gesundheitsschädlich diese sind, und insbesondere ob sie durch das notwendige Erhitzen nicht gesundheitsschädlich werden. Weiter besteht die Gefahr durch Verunreinigungen unbekannte Stoffe einzuatmen.

  • 13 Gründe für den Postdoc. Mich haben sie von einem Rückfall geheilt.

    Gestern hatte ich einen Rückfall. Den ersten seit zwei Jahren, seit ich nicht mehr als Postdoc arbeite, sondern selbstständig bin. Ich bin eingeladen worden, der Verteidigung einer Doktorarbeit beizuwohnen, mein Funktion ist die des externen Herausforderers. Ich muss mir also die Dissertation des Kandidaten gründlich durchlesen, und mir Fragen überlegen, die ich bei der Disputation stellen kann. Beim Lesen des Ergebnisteils waren sie wieder da, die ganzen Ideen für Projekte, und ich habe den Kick gespürt, den ich bekomme, wenn sich sich eine unerforschte Frage auftut und ich weiß, welche Experimente und Analysen notwendig sind, um den nächsten Schritt zu gehen.
    Ich weiß nicht, warum ich überhaupt zugesagt habe, bei der Disputation dabei zu sein. Aus altruistischen Gründen, oder weil ich einfach noch nie in Tallinn war? Heute morgen war ich jedenfalls wieder geheilt von dem Rückfall. Ich habe mich erinnert, zu welchem Preis man die Kicks der eigenen Ideen einkauft.

    Klick aufs Bild vergrößert die Abbildung. Von the upturned microscope .

  • Academia: Don't believe the hope

    Als kleiner Nachschlag zu meinem gestrigen Artikel über die Probleme in der akademischen Welt, insbesondere in Bezug auf Doktorandinnen und Postdocs, die möglicherweise die Hoffnung treibt, wenn sie nur genug Zeit und Energie investieren, es doch möglich sein sollte, einen Job im akademischen Betrieb zu ergattern.
    Die hier eingebundene Grafik (Klick darauf vergrößert sie) zeigt auf, wo die 16.000 Biologie-Doktorandinnen und Doktoranden, die jedes Jahr in den USA anfangen, sich Jahre später, wieder finden.
    37% aller Promovierenden brechen demnach vor der Doktorprüfung ab. 70% aller Akademiker, die die Promotion abschließen fangen einen Postdoc an. Insgesamt enden weniger als 8% all jener, die eine Promotion anfangen und 15% aller Postdocs auf einer sogenannten Tenure Track Stelle, also einem Job, der eventuell mal in einer unbefristeten Anstellung mündet.
    Infografik: Where will a Biology PhD take you. Quelle: http://www.ascb.org/ascbpost/index.php/compass-points/item/285-where-will-a-biology-phd-take-you
    Das große Problem ist nicht die geringe Anzahl der akademischen Stellen. Es gibt eben nur begrenzt Fördermittel. Es ist das fehlende Interesse des Systems, diejenigen, die darin ausgebildet werden, auf alternative Karrieren vorzubereiten. Wobei der Begriff „Alternative Karriere“ aufgrund der oben dargestellten Zahlenverhältnisse und in Anlehnung an den Vortrag von Gregory Petsko, eigentlich für den akademischen Weg vorbehalten sein sollte.
    Um es mit dem gescheiterten Akademiker und derzeit beliebtesten Nihilisten des Internets zu sagen:
    Academia: Don’t believe the hope.