Kategorie: Kultur

  • Forschungsfinanzierung durch private Spenden

    Forschungsfinanzierung durch private Spenden

    Kreativität bei der Bewerbung um Forschungsmittel beschränkt sich häufig auf mehr oder weniger weit her geholte Assoziationen des eigenen Forschungsvorhabens mit Krankheiten. Die Assoziationen werden mit Zahlen und Fakten untermauert, in Anträge geschrieben und an Forschungsorganisationen wie die DFG geschickt. Seit vergangener Woche wissen wir, dass die Wege, Forschungsgelder einzutreiben nun um eine Option erweitert wurde. Sciencestarter ist online. Das ist eine deutsche Crowdfundingplattform für Projekte aus der Wissenschaft.
    Ob Sciencestarter den gewünschten Erfolg bei der Finanzierung wissenschaftlicher Forschungsprojekte haben wird, ist fraglich, fällt doch der Hauptanreiz von Crowdfunding bei Sciencestarter fast gänzlich weg: Es gibt keine adäquate Gegenleistung für das investierte Kapital. Letztendlich kommen also Investitionen in Projekte Spenden gleich. Die Untersuchung eines Refernzprojekts ergab dann auch, dass ein guter Teil des crowd-gefundeten Geldes von Personen aus der näheren Umgebung der Forscher stammen, also von der Familie, von Verwandten und von Freunden aus sozialen Netzwerken – und nicht etwa von der wissenschaftsinteressierten Allgemeinheit.
    Aber die Finanzierung von Forschung aus privaten Quellen muss ja nicht bei einer Crowdfundingplattform aufhören. Gestern erschien ein Artikel in der spanischen Tageszeitung „La Vanguardia„mit dem Titel: „Mikrospender der Wissenschaft“ (Teil 1, Teil 2). Der Artikel führt aus, wie Verwandte und Hinterbliebene von Patienten für die Forschung spenden, zum Teil aus vorhandenem Kapital, zum Teil die Erlöse aus dem Verkauf selbstgemachter Artikel. Große Kliniken in Katalonien schöpfen demnach bis zu 30% ihres Forschungsbudgets aus solchen Quellen. Auch hier kommt das Geld aus der persönlichen Umgebung Betroffener, auch hier spielen soziale Netzwerke beim Fundraising eine Rolle.
    Jährliches Spendenaufkommen für Forschungsprojekte beim „Marató de TV3“ in Katalonien. Daten von Wikipedia.
    In Katalonien gibt es noch andere Wege, wie Spenden für die Wissenschaft gesammelt werden. Einmal im Jahr, am letzten Sonntag vor Weihnachten, findet auf TV3, einem lokalen Fernsehkanal, ein Spendenmarathon statt, der sogenannte „Marató de TV3„. Jedes Jahr hat wird für eine bestimmte Art von Krankheit gesammelt (dieses Jahr, am 16.12. ist es Krebs), und es kommen innerhalb eines Fernsehnachmittags und -Abends Millionenbeträge zusammen, die direkt den forschenden Laboren zu Gute kommen (siehe eingebundene Grafik oben).
    Meine Wahlheimat ist selbstverständlich nicht der einzige Ort der Welt, an dem private Spenden für die Wissenschaft gesammelt werden. Während meines letztjährigen Besuchs des Weizmann-Institut in Israel ist mir aufgefallen, dass fast alle Gebäude die Namen großzügiger Spender tragen. Die Instituts-Website weiß mehr: Das Weizmann hat ein ausgewiesenes Spendenprogramm, innerhalb dessen von Kleinspenden über Einzelstipendien, Spenden für Material und Equipment bis zu kompletten Lehrstühlen und eben auch Institutsgebäude gestiftet, gespendet und verschenkt werden können.
    Verteilung des Spendenvolumens in Deutschland 2001 anhand einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Spendenrats (Quelle)
    Das Spendenaufkommen in Deutschland ist laut Wikipedia international unterdurchschnittlich. Im Schnitt sind es jährlich zwischen drei und fünf Milliarden Euro. Rund drei Viertel dieses Geldes geht in die humanitäre Hilfe. Weitere relevante Posten sind die Kultur- und Denkmalpflege, der Tierschutz und der Umweltschutz. Von Wissenschaft und Forschung weit und breit nichts zu sehen.
    Wenn ich als Privatspender für die Wissenschaft spenden wollte, wüsste ich auch gar nicht an wen. Aber jetzt gibt es ja Sciencestarter.

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  • 500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    500 Euro für eingeschweißte Pferdescheiße

    Wissenschaftliche Forschung an Universitäten und öffentlichen Instituten wird im Allgemeinen durch öffentliche Gelder finanziert. Der Weg von der Idee zum finanziell geförderten Forschungsprojekt ist jedoch mühsam, langwierig und frustrierend. Anträge müssen geschrieben und revidiert werden, vorläufige Ergebnisse müssen präsentiert werden, formale Richtlinien und Deadlines müssen eingehalten werden. Das ganze dauert oft noch länger als später das publizieren der Ergebnisse. Wäre es nicht toll, wenn es alternative Pfade zu den gängigen Wegen im Förderjungel aus Institutsetats, DFG-Anträgen, BMBF-Mitteln und EU-Projekten gäbe?

    Gibt es seit ein paar Tagen auch in Deutschland, heißt Sciencestarter, und ist eine Crowdsourcing-Plattform nach dem überaus erfolgreichen Vorbild Kickstarter. Doch ob das funktioniert, ist eher zweifelhaft.

    Wissenschaftliche Projekte unterschieden sich in einem ganz grundsätzlichen Aspekt von den Projekten die auf Kickstarter erfolgreich finanziert werden: Dort gibt es einen realen Gegenwert für den eingesetzten Betrag. Ganz gleich ob es sich um Comicbücher, Filme über Frauenrechte, Schlüsselanhänger, iPhone-Hüllen oder Musikalben handelt. Das eingesetze Geld ist eine Investition, die einem Kauf gleich kommt. Bei Erreichen des Finanzierungsziels kann man sich als Gegenleistung das Album oder den Film herunterladen oder bekommt das Buch, den Anhänger oder die iPhonehülle zugeschickt.

    Das eingesetzte Geld für wissenschaftliche Projekte – ob auf der deutschen Sciencestarter oder den Vorbildern petridish, Microryza und SciFund kommt hingegen Spenden gleich. Wissenschaftliche Grundlagenforschung stellt nunmal keine Produkte her und Fotos von Artgeschützen Tieren, Einladungen zu Labmeetings oder in Kunstharz eingegossener Pferdemist, wie er bei einem der derzeit sechs geförderten Projekten auf der deutschen Sciencestarter Seite für 500 Euro Spendenvolumen angeboten wird, sind symbolische Gegenleistungen.

    Wer spendet also für Crowdfundingprojekte mit wissenschftlichem Hintergrund? Es ist wohl weniger die wissenschaftsinteressierte und spendenfreudige Öffentlichkeit als vielmehr Verwandte, Freunde und Bekannte, wie eine entsprechende Auswertung des Wissenschafts-Crowdsourcing-Referenzprojekt von Ethan Perlstein ergab. Perlstein hat hat erfolgreich 25 000 Dollar zur Erforschung des Wirkmechanismus von Amphetaminen eingeworben. Eine Analyse seines Facebook-Netzwerks ergab, das rund 10% der mit ihm verbundenen Freunde gespendet haben. Der größte Spender war offenbar sein Großvater Walter. Perlstein selbst schreibt:

    Friends and fam­ily are the first stop on the crowd­fund­ing whis­tle stop tour!

    Die Macher von Sciencestarter.de wissen natürlich auch, dass eher der Wunsch als ein realistisch erreichbarer Finanzierungserfolg für Forschungsprojekte bei der Konzeption der Seite Pate stand. Die von der Wissenschaftskommunikationsinititative Wissenschaft im Dialog gegründete und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft unterstützte Plattform legt daher auch Wert darauf, den kommunikativen Mehrwert von Sciencestarter zu vedeutlichen:

    Mit der Plattform stellt Wissenschaft im Dialog auch ein neues multimediales Werkzeug für die Wissenschaftskommunikation zur Verfügung. Die Öffentlichkeit erlebt Wissenschaft als Prozess und kann diesen unmittelbar mitgestalten.

    Folglich sind auf Sciencestarter auch explizit Wissenschaftskommunikationsprojekte erwünscht:

    Sciencestarter ist die deutschsprachige Crowdfunding-Plattform zur Finanzierung von Projekten aus Wissenschaft, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Forscher, Studenten und Wissenschaftskommunikatoren können hier ihre Projekte durch viele einzelne Personen finanzieren lassen.

    Ich hätte da schon eine Idee. Wie wäre es mit einer crowdgefundenen Wissenschaftsblogplattform? Für 2500 Euro Startkapital sollte man eine moderne und technisch funktionierende Blogplattform einrichten können, die sämtliche technische Probleme, wie nicht funktionierende Plugins, fehlende Kommentarvorschau und Editierfunktion und mangelhafte Darstellung auf mobilen Geräten löst. Darüberhinaus eingenommenes Kapital käme direkt den Bloggern zu Gute. Wer ab 25 EUR spendet bekäme ein eigenes Profilbild und kann die Kommentarvorschau und Editierfunktion nutzen. Wer ab 100 EUR spendet, würde aus der Seitenspalte verlinkt, für 250 Euro gäbe es einen Gastbeitrag eines Wissenschaftsbloggers auf der eigenen Seite zu einem Thema nach Wahl,…

    Bild oben Jesse Pinkman und Walter White beim Meth kochen in der Serie Breaking Bad via Ethan Perlsteins Website (CC BY-NC-SA 3.0)
  • Gegen die Homoehe – Ils Sont Fous Ces Français!

    Was? 100 000 demonstrieren in Frankreich gegen gleichgeschlechtliche Ehen und gegen die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare? Die Logik dahinter muss mir erst mal jemand erklären. Auch dem größten französischen rustre sollte nach disem Video klar sein, dass die Homoehe durchaus Sinn macht.

    CollegeHumor’s Favorite Funny Videos
  • Guttenberg auf Stufe sechs der Wissenschaftshölle

    In den USA werden verurteilte Kriminelle die für die Gesellschaft keine direkte Gefahr darstellen gerne mit elektronischen Fußfesseln überwacht. Die Fußfesseln entlasten die chronisch überbelegten Gefängnisse und kosten den Steuerzahler weniger als eine Unterbringung im Knast. Außerdem ermöglichen sie, die so markierten Straftäter jederzeit zu orten. Falls ein Täter sich zu weit von zu Hause entfernt, wird Alarm geschlagen. Eine Variante ermöglicht auch die Durchsetzung von Unterlassungsbefehlen. Alarm wird dann ausgelöst, wenn sich der Täter bestimmten Gebäuden oder Einrichtungen nährt.

    Unser ehemaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist, nachdem er in Deutschland als Plagiator überführt wurde, in die USA ausgewandert. Er hat sich im malerischen Greenwich (Connecticut) ein Haus gekauft und ist dort, nördlich von New York, eigenen Angaben zur Folge, sehr glücklich. Neben dem Plan, sich um seine Familie zu kümmern, ein Buch zu schreiben und den ein oder anderen Neuenglandhummer zu verdrücken, nimmt der Politiker  der Reserve offenbar auch einige lokale Termine wahr. Letzte Woche stand ein Vortrag in Yale an, einer Universität an der amerikanischen Ostküste mit einem hervorragendem wissenschaftlichen Ruf. Es sollte laut Spiegel online um „Mythen der transatlantischen Beziehungen gehen“.

    Einige Doktoranden empfanden die Einladung des überführten Plagiators an die Eliteuniversität offenbar nicht angemessen. Sie riefen zu einem Protest für „akademische Integrität“ auf und verließen demonstrativ den Seminarraum, als der CSU-Politiker anfing zu sprechen (sic). Während Guttenberg an eine akademische Einrichtung, also den Ort seines Vergehens zurück kehrte, ersetzten die demonstrierenden Doktoranden so die elektronische Fußfessel. Zumindest dieser Kontrollmechanismus scheint zu funktionieren.

    Obwohl langsam die promovierten Politiker auszugehen scheinen, erfreut sich das identifizieren von plagiierten Stellen in Doktorarbeiten von Personen mit öffentlichen Funktionen weiterhin großer  Beliebtheit. Ein Grund mag sein, dass es für dritte relativ einfach ist, Plagiate aufzuspüren. Um das Vergehen Guttenberg und Consorten in einem etwas größeren Rahmen einzuordnen, hier eingebunden eine Darstellung der neun Kreise der Wissenschaftshölle. Die Grafik ist angelehnt an Dantes Inferno und so original mit Erklärungen 2010 im Neuroskeptic Blog erschienen. Der Blogpost wurde jetzt in „Perspectives on Psychological Science“, einem peer-reviewten Magazin, erneut veröffentlich (.pdf).

    Guttenberg selbst wird gar nicht die Chance haben, alle Kreise der Hölle zu durchlaufen. Dazu hätte  er ja eigene Daten haben müssen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, was sich sonst gerade im Fegefeuer tut, empfiehlt sich außerdem der Retraction Watch Blog.

  • Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets unterschreiben

    Was viele nicht wissen, die nicht direkt im akademischen Wissenschaftsbetrieb arbeiten: Die Europäische Komission spielt eine wichtige Rolle bei der Forschungsfinanzierung. Seit den 1980er Jahren fördert die EU Wissenschaft und Technologie in Rahmenprogrammen, die jeweils über mehrere Jahre laufen. Aktuell befinden wir uns im FP7 (Framework Programme 7), das von 2007-2013 läuft.

    Insgesamt wird in diesem Zeitrahmen ein Budget von über 50 Milliarden Euro verwaltet und verteilt. Zwei Drittel des Geldes werden in kooperative Wissenschaftsprojekte aller Sparten investiert. Weitere rund 15% werden vom European Research Council direkt an exzellente Forscher vergeben. Ein Teil davon sind die sehr prestigeträchtigen ERC-Grants.

    Aktuell wird in Straßburg über das Budget der Europäischen Komission für das achte Rahmenprogramm (Horizon 2020) verhandelt. Insgesamt ist für die Wissenschafts- und Technologieförderung für den Zeitraum bis 2020 rund 80 Milliarden Euro veranschlagt. Das übersteigt das Budget des Bundesministeriums für Bildung un Forschung. Allerdings ist die Genehmigung dieser Summer ob der klammen Haushaltslage einiger Mitgliedsstaaten keinesfalls sicher.

    Die Erhöhung des Budgets auf 80 Milliarden macht aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Krise Sinn. Die nationale Wissenschafts- und Technologieförderung ist traditionell einer der ersten Sektoren bei denen eingespart wird, da erstens keine sofortigen Gewinne aus Investitionen zu erwarten sind, zweitens Forschung einfach teuer ist und drittens Wissenschaftler leider keine große Lobby haben, um politischen Druck auszuüben. Wenn Landwirte drohen, mit Traktoren nach Brüssel zu fahren um ihre Subventionen zu verteidigen, zeigt das Wirkung. Wenn Wissenschaftler die Pipette aus Protest niederlegen interessiert das kein Schwein.

    Heute haben über 40 Nobelpreisträger, darunter die Deutschen Werner Arber, Günter Blobel, Johann Deisenhofer, Richard Ernst (Schweiz), Gerhard Ertl, Robert Huber, Klaus von Klitzing, Erwin Neher, Christinane Nüsslein Volhard, Heinrich Rohrer (Schweiz), Bert Sakman, Rolf Zinkernagel und Harald zur Hausen eine Protestnote unterschrieben, die sich gegen geplante Budgetkürzungen richtet. Der offene Brief wurde heute in Zahlreichen Tageszeitungen in Europa abgedruckt, darunter offenbar auch die FAZ. Ich finde ihn derzeit leider nicht online im Originallaut. Hier ist der Link zum Aufruf in der FAZ.

    Was aber jeder, ob mit oder ohne Nobelpreis tun kann, ist die heute gestartete Petition zur Sicherung des EU-Forschungsbudgets zu unterschreiben: http://www.no-cuts-on-research.eu/.

    Die Petition wurde von der initiative for science in Europe heute iniziiert und wird von führenden Wissenschaftlern unterstützt. Derzeit hat die Petition gut 10 000 Unterschriften.

    Verwandte Artikel im Blog:
    Bild oben von Open Consortium.
  • Harmonie ist eine Strategie – Die Folgen der digitalen Personalisierung

    Harmonie ist eine Strategie – Die Folgen der digitalen Personalisierung

    Eli Pariser hat ein Buch über eine der größten Veränderungen des Internets geschrieben seit der Erfindung der Suchmaschinen. Er nennt es die Filter Bubble. Es geht um die digitale Personalisierung, um die auf einen persönlich zugeschnittenen Suchergebnisse in Google, die passenden Buchvorschläge in Amazon und die gefilterte Facebook-Timeline, die längst nicht mehr alle Updates aller Freunde gleich bewertet. Pariser warnt vor einer Relevanz-Monokultur, vor ewig gleichen, durch Algorithmen bestimmten Loops aus wiederkehrenden Inhalten und Meinungen, vor der gefilterten Blase, in der sich jeder Internetnutzer befindet und aus der es immer schwieriger sei auszubrechen.

    Der Mann mit dem klangvollen Namen ist kein Unbekannter im Web. Internetaktivist trifft es vielleicht am besten. Pariser war Chef von MoveOn.org und ist einer der Gründer von Avaaz, zwei online-Bürgerrechtsbewegungen mit recht klarer politischer Linie. Dieses Jahr hat er Upworthy gegründet. Upworthy möchte die Seite werden, auf der man awesome, meaningful and visual things to share findet. Upworthy füllt also die von Eli Pariser beschworene Filter Bubble mit Inhalten, die Eli Parisers Agenda entsprechen.

    Sascha Lobo, ein weiterer -wenn man so will – Internetaktivist, hat die digitale Personalisierung in seiner aktuellen Kolumne in SPIEGEL Online von einer anderen Seite beleuchtet. Es geht um das Sammeln persönlicher Daten und ob diese von Versicherungen genutzt werden können, um personalisierte Policen anzubieten. Lobo illustriert das in seinem Artikel am Beispiel einer Autoversicherung in Großbritannien, die einen neuen Tarif anbietet: Daten über das Fahrverhalten werden elektronisch gesammelt und Verstöße gegen die Verkehrsordnung mit einem Punktesystem geahndet. Bei wiederholten Verstößen erlischt der Versicherungsschutz.

    Lobo selbst denkt weiter und fragt, was wäre, wenn nicht die Autoversicherung, sondern die Krankenversicherung sehr persönliche Daten sammeln würde und danach den Versicherungstarif  anpasste. Er führt Joggen gehen als eine Tätigkeit an, die zu günstigeren Versicherungskonditionen führen kann. Der Gedanke, dass Krankenversicherungen persönliche Daten Nutzen, um Ihre Policen anzupassen war hier im Blog auch schon mal Thema: Was wäre, wenn Versicherungen spezielle Tarife anbieten würden für Kunden, die den Unternehmen ihre DNA Sequenzen überlassen?

    Es dürfte rechtlich nicht einfach sein, diesen gläsernen Kunden direkt günstigere Tarife einzuräumen. Aber die Versicherer könnten beispielsweise häufiger Kosten für bestimmte Vorsorgeuntersuchungen übernehmen, falls eine genetische Prädisposition, beispielsweise für Dickdarmkrebs oder Brustkrebs bestünde. Andere Untersuchungen wären im Ausgleich nicht durch die Policen gedeckt und schon wäre die Krankenversicherung personalisiert.

    Ah, bevor ich es vergesse: Der eigentliche Anlass dieses Artikels: Mein Blog hat jetzt auch eine eigene Facebookseite. Wer etwas für die Aufwertung der eigenen Filterblase tun will: Folgen, teilen und liken!

    Foto oben von stopsign (CC BY-NC-SA 2.0)
  • EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    EU-Nobelpreis – 100 Euro für Friedensinfografik

    Ich bin wirklich überrascht, so viele negative Kommentare zu dem Friedensnobelpreis für die EU zu lesen. Der Preis wurde für die Förderung des Friedens und der Versöhnung, der Demokratie und Menschenrechte in Europa vergeben. Was ist denn daran falsch? Aber ich verstehe schon, es ist natürlich einfacher auf die EU zu schimpfen, als selbstgemachte Finanzkrisen in den Griff zu bekommen.

    Eines der Hauptargumente der EU-Befürworter ist ja, dass in der EU seit 60 Jahren Frieden herrscht. In historischen Dimensionen offenbar eine lange Zeitspanne. Ich habe dazu gerade nach genaueren Informationen gesucht – die Liste mit europäischen Konflikten auf Wikipedia ist lang. Und es sind auch viele seit Ende des zweiten Weltkriegs dabei.

    Die Liste ist natürlich wichtig und sicher auch komplett, aber anschaulicher wäre eine Infografik, in der die europäischen Konflikte (vielleicht auch nur die Kriege) dargestellt wären. Letzte Woche habe ich hier ein paar tolle Infografiken vorgestellt, warum also nicht eine für die Kriege in Europa anfertigen? Ich habe eine Idee: Ich biete 100 Euro für die beste Infografik zum Thema historische Konflikte in Europa. Einzige Bedingung: Sie muss mit D3 angefertigt werden. Schon Hans Rosling meinte in einem seiner Talks: If you know how to programme Java Script and D3 you will have a job in the future.

    Ich stelle schon mal eine unabhängige Jury für die Wahl zusammen. Eventuell Peter Vanhee von Open Consortium und Tapio Nurminen von Flo Apps. Wer zu den 100 Euro noch was besteuern möchte, kann sich natürlich auch gerne bei mir melden. Einsendeschluss ist der 13. November.

     Das „Cartogramm“ oben stammt von hier.

     
     

  • Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Und morgen interessiert es keinen mehr. Nobelpreise und die Berichterstattung darüber.

    Wissenschaftskommunikation hat häufig ein Wahrnehmungsproblem, denn oft interessiert keine Sau, was da wieder publiziert wurde. Versteht ja sowieso keiner. Nur einmal im Jahr, bei der Vergabe der Nobelpreise sind sich alle einig: Da ist ja wirklich mal was Tolles erforscht worden! Muss ja, sonst gäbe es keinen Preis dafür. Wissenschaftsredaktionen mühen sich – geleitet von den knappen Pressemitteilung der schwedischen Akademie der Wissenschaften (Physik, Chemie) oder dem Nobelgremium des Karolinskainstituts (Physiologie und Medizin) – den Nutzen für die Medizin oder die Technik aus jahrzehntelanger und zum Teil jahrzehntealter Forschung heraus zu destillieren und möglichst schnell die frohe Kunde weiter zu verbreiten: Wieder sind zwei Forscher ausgezeichnet worden. Und einer war tatsächlich im Labor als der Anruf aus Stockholm kam (Gurdon am Montag).

    Bemerkenswerter als die heutige Auszeichnung der beiden US-amerikanischen Forscher Robert Lefkowitz und Brian Kobilka für die Entdeckung und Erforschung der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist, dass bis gestern kaum jemand von deren wissenschaftlichen Errungenschaften gehört hat, oder deren Bedeutung einordnen konnte. Ist aber auch egal, denn spätestens zwei Wochen nach der Vergabe der Nobelpreise ist auch schon wieder vergessen, wer da warum in Stockholm ausgezeichet wurde. Oder kann sich noch jemand hier ad hoc daran erinnern, wer letztes Jahr die Nobelpreise für Medizin, Physik und Chemie erhielt?

    Wie zwölf mal in den letzen 15 Jahren gingen auch dieses Jahr beide Preise, für Medizin/ Physiologie und für Chemie, an Forscher, die sich mit molekularbiologischen Themen auseinandersetzen. Grundbegriffe aus der Molekularbiologie sollten also bekannt sein, vor allem wenn man über die Nobelpreise schreibt. Muss der diese Woche neu auf Deutsch (aber in altbackenem Design und ohne RSS feed) gestartete New Scientist dann tatsächlich noch von „Signal-Eiweißen“ sprechen? Es sind Proteine! Spiegel Online erklärt GPCRs so: „Die beiden Forscher erhalten den Preis für die Entdeckung von Rezeptoren in der Zellwand, die wichtige Signale von außen in die Zelle leiten„. Zellwand? Die Proteine sitzen in der Zellmembran.

    Reiner Korbmann greift in seinem Blog „Wissenschaft kommuniziert“ die Frage auf, ob die Wissenschaft am Rande der Informationsgesellschaft stehen bleibe, da die Kommunikation nicht funktioniert. Er fasst das Ergebnis einer Tagung zu diesem Thema so zusammen: „Wir [die Kommunikatoren] müssen die Wissenschaftler dazu bringen, über die Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und nachzudenken.

    Und dann?

    Ich habe eine andere Theorie: Wissenschaftskommunikation muss das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen und anfangen sich damit zu beschäftigen, was Wissenschaftler tatsächlich erforschen – um dann in Masse und Klasse darüber berichten. Wissenschaft im Dialog listet Studienangebote für Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. Wie viele der dort Eingeschriebenen haben ein Blog? Wie viele Doktoranden sitzen in den Laboren und wissen nicht, was sie nach der Promotion wirklich machen möchten? Schon mal daran gedacht über Wissenschaft zu schreiben? Es ist wirklich einfach anzufangen. Es gibt Anleitungen für gute Blogposts. Und es gibt hier gesammelt 150 persönliche Statements wie man dazu kommt „Science Writer“ zu werden. Ein Beruf, den es so im Deutschen übrigens gar nicht gibt. Brauchen wir wirklich Crowdfunding für Wissenschaftsprojekte, oder vielleicht einfach einen Fonds, aus dem guter Wissenschaftsjournalismus bezahlt wird?

    Für eine wissenschaftliche Alphabetisierung der Gesellschaft!

    Bild via I fucking love science
  • Der Leitfaden für die Doktorarbeit in Bildern

    Wenn wir gerade schon bei Infografiken sind, hier die ultimative Visualisierung der Bedeutung der Promotion. Ein Leitfaden in zwölf Bildern.
    Stell dir vor, dieser Kreis symbolisiert das gesamte Wissen der Menschheit.
    Nach der Grundschule weißt du ein bisschen was davon,
    nach dem Abitur ist es schon etwas mehr.
    Mit dem Bachelor fängst du an, dich zu spezialisieren.
    Wenn du einen Master dran hängst, vertiefst du dieses Spezialwissen.
    Wenn du dabei viele wissenschaftliche Publikationen liest, gerätst du an die Grenze dessen, was die Menschheit weiß.
    Dort an der Grenze fokussierst du dich auf ein Thema.
    Du kämpfst für ein paar Jahre mit dieser Grenze.
    Und irgendwann gibt die Grenze nach.
    Und diese Delle, die du hinterlässt, das ist deine Doktorarbeit.
    Natürlich sieht die Welt für dich jetzt vollkommen anders aus!
    Der Blick auf das große Ganze relativiert das wieder etwas.
    .
    .
    .
    Kämpf weiter!
    Diese Bildergeschichte ist schon etwas älter, ich hoffe nicht jeder der hier mitliest kannte sie schon. Sie stammt im Original von Matt Might und ist hier mit englischen Untertitleln. The illustrated guide to a PhD ist unter einer Creative Commons BY-NC-2.5 Lizenz veröffentlicht.

  • Warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (und andere schöne Animationen)

    Warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (und andere schöne Animationen)

    Vorvergangene Woche war ich bei einem Vortrag von Hans Rosling. Hans Rosling ist der Vater von gapminder, einem Visualisierungstool, das Google aufgekauft, und die Familie Rosling damit reich gemacht hat. In seinem Vortrag auf dem OKfestival in Helsinki hat er mit Hilfe von Klopapierrollen visualisiert, warum das Bevölkerungswachstum auf der Erde aller Wahrscheinlichkeit nach bei 10 Milliarden Menschen stagnieren wird (hier der Talk, die Klopapierrollen gibt es ab min 56:40). Sein sehr unterhaltsamer Vortrag hat deutlich gemacht, wie sehr eine clevere visuelle Darstellung komplexer Sachverhalte dem Verständnis dienen kann.

    Rosling selbst ist sich der Kraft guter Visualisierungen natürlich bewusst, und er sieht darin einen wachsenden Markt. Auf dem OKfestival sagte er wörtlich: „If you know how to programme Java Script and D3 (eine recht neue Grafikbibliothek) you will have a job in the future“. Er meint damit: das Internet bietet natürlich noch ganz andere Möglichkeiten zur Visualisierung von Daten als das Stapeln von Toilettenpapierrollen: Infografiken und Datenanimationen.

    Die besten (und schönsten) Datenvisualisierungen sind letzte Woche mit den Information is beautiful Awards ausgezeichnet worden: Wie viele Soldaten sind in Afghanistan seit 2001 gefallen, wie alt waren sie und woher stammen sie? Welche Metallica-Songs wurden von der Band wann und wie oft live gespielt? Was ist Stuxnet, was hat das Computervirus angerichtet und was kann noch kommen? Eine Chronologie der 100 längsten Wikipedia-Löschdiskussionen, die tatsächlich zum Löschen des jeweiligen Artikels geführt haben….

    Der dritte Platz in der Kategorie Motion Infographic ging an eine Animation des Economist (unten eingebettet), die ebenfalls erklärt, warum die Weltbevölkerung bei 10 Milliarden stagnieren wird. Die Argumente sind natürlich die gleichen wie die von Hans Rosling: Die Geburtenrate in fast allen Ländern der Erde ist in den letzten Jahrzehnten auf etwa zwei Kinder pro Frau zurück gegangen. Eine Folge davon ist, dass die Welbevölkerung sich stabilisiert; es gibt keinen „Geburtenüberschuss“. Aufgrund der noch pyramidenförmigen Altersverteilung in vielen Staaten wird die Weltbevölkerung jedoch noch um rund drei Milliarden ansteigen.

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und eine Infografik erklärt besser – und vor allem schöner – als Tabellen und tausend Zeilen Text.