Monat: April 2013

  • Kochen und Wissenschaft – mit Bildern aus dem BestenRestaurant der Welt

    Kochen und Wissenschaft – mit Bildern aus dem BestenRestaurant der Welt

    Katalonien hat eine lange kulinarische Tradition, die in der weltweit höchsten Dichte von Restaurants mit drei Michelin-Sternen gipfelt. Ferran Adrià und sein inzwischen
    geschlossenes Restaurant „El Bullí“ dürfte den meisten ein Begriff sein. Der Celler Can Roca in Girona stand lange im Schatten von Adriàs Küche. Heute ist das Restaurant, das von den drei Roca-Brüdern gegründet und geleitet wird, zum besten Restaurant der Welt gekürt worden. Auch wenn sich dadurch nichts ändert, außer dass es noch schwieriger wird, einen Tisch dort zu reservieren, ist das doch eine Meldung wert – und ein Anlass meine Fotos hier zu teilen, die ich an einem Abend im Can Roca geschossen habe. Rund 25 Gänge mit dazugehörigen Weinen.
    Kochen und Wissenschaft ist auf keinen Fall so weit auseinander, wie es anfangs scheinen mag. Wer ein Ei kocht, denaturiert Proteine, und die Herstellung von Bier und Wein ist pure Mikrobiologie. Wer Fleisch grillt, Brot toastet oder Pommes brät, verlässt sich auf die Maillard-Reaktion, bei der Aminosäuren mit reduzierenden Kohlehydraten reagieren, die dabei braun werden und Geschmacksstoffe entwickeln.
    Harvard hat sich dem Thema „Wissenschaft und Kochen“ mit einer eigenen Veranstaltungsreihe genähert, und viele bekannte Restaurantchefs eingeladen, inklusive Ferran Adria vom El Bullí und Carme Ruscalleda vom Restaurant Sant Pau in Sant Pol, eine Stunde nördlich von Barcelona gelegen und ebenfalls mit drei Michelin Sternen dekoriert. Als ich 2011 einen Freund in Harvard besucht habe, hat sie dort zufällig gerade einen Vortrag über die Maillard-Reaktion gehalten. Auf Catalan, aber mit einem Dolmetscher. Ein zweiter Assistent hat während ihres Vortrags im Hintergrund Migas gekocht, eine spanische Spezialität aus altem Brot, bei der die Maillard-Reaktion ebenfalls geschmacksgebend ist.
    Carme Ruscalleda in Harvard beim Vortrag über die Maillard-Reaktion.

    Migas ist ein sehr altes, traditionelles Gericht. Ganz im Gegenteil zur Molekularküche, die von Ferran Adrià wenn nicht erfunden, so doch maßgeblich mitbestimmt wurde. Entwicklungen wie künstlicher Kaviar durch Sphärisierung mit Alginat und Kalziumchlorid, oder der Einsatz von Geruchsstoffen wie zum Beispiel Zigarrenrauch in Schäumen gehen auf ihn zurück. Bislang kamen diese Impulse für die Weiterentwicklung dessen, was in der Küche produziert wird häufig von den Köchinnen und Köchen selbst.
    Ich wundere mich, warum nicht mehr Naturwissenschaftler dabei eine Rolle spielen. Wir sind prädestiniert für die molekulare Küche. Wir experimentieren, wir verstehen die Chemie hinter den Gerichten, wir haben Laborerfahrung und kennen uns mit den benutzten Geräten aus. Versuchsanleitungen sind nichts anderes als Rezepte und wenn ein Experiment wiederholt wird, dann wird das nachgekocht, wir sprechen also schon die gleiche Sprache.
    Ich habe zusammen mit meinem Nachbarn Giancarlo Fiori, einem Sternekoch aus Chile, der auf den Fotos vom Can Roca auch zu sehen ist, jedenfalls das Labor schon einmal zum Kochstudio umfunktioniert. Die Ergebnisse waren vielversprechend und zum Teil sogar genießbar. Ich denke, ich werde im nächsten Blogpost vorstellen, was wir genau gekocht haben. Dieser hier soll den Profis Ruscalleda, Roca und Adrià vorbehalten bleiben. Als kleines Bilderrätsel hier dennoch schon mal ein Teaser: Was ist das?

  • Spektakuläre Naturaufnahme – die Geburt eines LKW Fahrers

    Noch nie vorher konnte die Geburt eines Truckfahrers mit der Kamera beobachtet werden. Der oben eingebundene Schnappschuß ist einem besonders geistesgegenwärtigen Naturfotografen gelungen und, wie ich finde, zu Recht auf dem Cover des National Geographic Magazins, zu dessen gleichnamigem Verlag die ScienceBlogs ja seit fast genau zwei Jahren gehören.
    Wir bleiben im Tierreich, und um diesem Blogpost doch noch den nötigen Ernst zu verleihen, hier noch der Hinweis auf einen schon etwas älteren Artikel der BBC News: Komplett zugedröhnte australische Zwergkängurus machen Kornkreise in Opiumfeldern.

    We have a problem with wallabies entering poppy fields, getting as high as a kite and going around in circles. Then they crash.

    Lara Giddings, government official

    Truckfahrer via Schlecky Silberstein
     
     

  • Big Data in der Biologie – Wie die Integration großer Datensätze zu neuem Wissen führt

    Big Data in der Biologie – Wie die Integration großer Datensätze zu neuem Wissen führt

    Wissenschaftliche Daten zu publizieren ist das Ziel eines jeden akademischen Forschungsprojektes. Leider kommt das nur relativ selten vor. Es dauert eben seine Zeit, bis die Experimente geplant und durchgeführt, die Daten analysiert, das Manuskript geschrieben, eingereicht und akzeptiert ist. Insofern ist das, was mir in den letzten drei Wochen widerfahren ist durchaus Grund zum Feiern: Ich habe drei Papers publiziert.

    Zum Glück sind alle drei Veröffentlichungen thematisch verwandt, so dass ich sie hier in einem Blogpost vorstellen kann. Ganz allgemein geht es darum, biologisch relevante Schlussfolgerungen aus den großen Datensätzen zu ziehen. Big Data in der Biologie.
    In den letzten Jahren haben sich die High-Throughput Analysemethoden in der Molekularbiologie ständig verbessert, so dass inzwischen mit relativ wenig Aufwand, große Datensätze durch die Analyse komplexer Proben gewonnen werden können. Omics ist der Modebegriff, der dabei auf alles angewendet wird, was nicht direkt an einer Hand abzuzählen ist. Also: Genomics für mRNA Analysen, Proteomics für die Analyse komplexer Proteinproben, und Metabolomics für, leicht zu erraten, die großflächige Untersuchung der zellulären Metabolite. Diese Omics Begriffe werden wirklich inflationär benutzt. Auf Wikipedia existiert sogar eine Liste mit ein paar Dutzend dieser mehr oder weniger populären Omics Begriffe.
    Leider reicht es häufig nicht mehr aus zu sagen was in einer biologischen Probe drin ist und einfach eine Liste der identifizierten zellulären Bestandteile zu publizieren. Inzwischen sind quantitative, vergleichende Analysen gefragt, um beispielsweise ein und denselben Bakterienstamm mit und ohne bestimmte Mutationen  zu untersuchen. Diesen Ansatz haben wir in dem Borras et al. Paper gewählt. Wie verändert sich das Proteom von Mycoplasma pneumoniae wenn wichtige Gene ausgeknockt werden? Es kommt auf das Gen an, und auf die Analysemethode.
    Für das Wodke et al. Paper haben wir ein Modell des gesamten Zellmetabolismus von M. pneumoniae mit quantitativen, experimentellen Daten abgeglichen und dabei eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Das Bakterium nutzt die ihm zur Verfügung stehende Energie nur sehr ineffizient für Wachstum. Ein Großteil der Energie entfällt auf einfache Instandhaltungsreaktionen, wie beispielsweise die Regulierung des intrazellulären pHs.
    Außerdem zeigen wir in dem Paper, dass wir durch das Verknüpfen der Parametersätze an unterschiedlichen Zeitpunkten entlang der Wachstumskurve von M. pneumoniae aus einem statischen Modell ein quasidynamisches Modell generieren können. Dieser Ansatz vereinfacht die Modellierung komplexer biologischer Vorgänge ungemein, da dynamische Modelle zwar genauer sein können, jedoch mit zunehmender Komplexität schnell unlösbar werden. Unser Modell ist so gut, dass wir damit vorhersagen können, was passiert wenn einzelne Gene oder Kombinationen aus zwei Genen ausgeknockt werden.

    Für das dritte Paper haben wir erst die Metabolite in M. pneumoniae gemessen, und wo technisch möglich quantifiziert, und dann diese Ergebnisse mit Proteomics- und Genomics-Ergebnissen verbunden. Dank dieses neuen, integrativen Ansatzes können wir erklären, wie M. pneumoniae mit den zu Verfügung stehenden Aminosäuren und Nukleobasen haushaltet. Wir haben sozusagen Angebot und Nachfrage von grundsätzlichen zellulären Bausteinen untersucht.
    M. pneumoniae ist ein sehr einfaches Bakterium mit nicht einmal 700 Genen – ein Grund, warum wir es als Modellorganismus verwenden. Das Bakterium hat dementsprechend auch einen sehr einfachen Stoffwechsel. Es nimmt Glucose als Energiequelle auf, metabolisiert diese zu Pyruvat in der Glyolyse und sekretiert schließlich Milch- und Essigsäure. Mit Hilfe von Enzymassays können wir die Geschwindigkeit messen, mit der M. pneumoniae die Glucose metabolisiert.
    Durch die quantitative Bestimmung der intrazellulären Glycolyseintermediate und der bei deren Umsetzung beteiligten Enzyme des zellulären Energiestoffwechsels, können wir nach Integration mit der Geschwindigkeit, in der die Glucose metabolisiert wird, die intrazelluläre Aktivität der Glycolyseenzyme abschätzen. Biochemiker machen das in vitro mit aufgereinigten Komponenten, wir haben versucht, einen Eindruck von der Enzymaktivität direkt in der Zelle zu bekommen.
    Soweit ein kurzer Abriss der Inhalte der drei Publikationen. Natürlich habe ich das nicht alles alleine erforscht, und ich schreibe ja auch schon die ganze Zeit von „wir„. In den Papers steht detailliert wer wie und was beigetragen hat, namentlich möchte ich hier dennoch Judith Wodke erwähnen, die ich die letzten Jahre als Doktorandin betreut habe und die jetzt wieder in Berlin ist. Mit Ricardo Gutierrez und Josep Marcos habe ich seit Jahren zur quantitativen Messung intrazellulärer Metabolite kooperiert. Beide sind sonst mit der Untersuchung von Dopingproben beschäftigt. Großer Dank gilt natürlich auch allen anderen Autoren, insbesondere Manuel Liebeke, Edda Klipp und Luis Serrano.
    Heute Nachmittag feiern wir die Papers. Traditionell mit Cava, Pan con Tomate, Queso und Jamon auf der Terrasse meines – jetzt ehemaligen – Institutes. Außerdem ist heute noch Sant Jordi und heute Abend spielt Bayern gegen Barça. Ich habe das Gefühl, es wird ein langer Tag – und eine lange Nacht.

    ResearchBlogging.orgWodke, J., Puchałka, J., Lluch-Senar, M., Marcos, J., Yus, E., Godinho, M., Gutiérrez-Gallego, R., dos Santos, V., Serrano, L., Klipp, E., & Maier, T. (2013). Dissecting the energy metabolism in Mycoplasma pneumoniae through genome-scale metabolic modeling Molecular Systems Biology, 9 DOI: 10.1038/msb.2013.6
    ResearchBlogging.orgBorràs, E., Espadas, G., Mancuso, F., Maier, T., Chiva, C., & Sabidó, E. (2013). Integrative quantitation enables a comprehensive proteome comparison of two Mycoplasma pneumoniae genetic perturbations Molecular BioSystems DOI: 10.1039/C3MB25581F
    ResearchBlogging.orgMaier, T., Marcos, J., Wodke, J., Paetzold, B., Liebeke, M., Gutiérrez-Gallego, R., & Serrano, L. (2013). Large-scale metabolome analysis and quantitative integration with genomics and proteomics data in Mycoplasma pneumoniae Molecular BioSystems DOI: 10.1039/C3MB70113A

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    Alles was Sie schon immer über das Innenleben eines Bakteriums wissen wollten

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  • Mendeley gehört jetzt Elsevier. Und außer den beiden ist keiner begeistert.

    Mendeley gehört jetzt Elsevier. Und außer den beiden ist keiner begeistert.

    Wer schon mal ein Paper – also eine wissenschaftliche Publikation geschrieben hat, der weiß, dass da immer auch andere Publikationen zitiert werden, und im Anhang die Liste der Referenzen angefügt wird. Gerüchten zu Folge machen das Professoren kurz vor der Pensionierung noch manuell. Alle anderen benutzen dafür geeignete Software.
    Der Darling der Literaturverwaltungssoftware heißt Mendeley. Das Programm ist kostenlos, es speichert die persönliche Literaturdatenbank „in the cloud“, so dass man von überall darauf Zugriff hat. Man kann pdf-Dateien hochladen und die eigene Bibliothek mit anderen Wissenschaftlern teilen. Das ist sinnvoll, wenn man zusammen an einem Manuskript schreibt.
    Mendeley hat weiter ein benutzerfreundliches cite-while-you-write Plugin für MS-Word und steht damit in direkter Konkurrenz mit dem Platzhirsch Endnote. Ein Argument, das immer für Mendeley sprach, war die Unabhängigkeit der Software. Mendeley war frei, Mendeley war offen (mit eigener API) und Mendeley war unabhängig.
    Seit Dienstag vergangener Woche hat sich das geändert. Was Techcrunch schon vor ein paar Monaten als Gerücht gestreut hat, ist Wirklichkeit geworden: Elsevier, der größte und böseste Verlag für wissenschaftliche Publikationen, hat sich Mendeley einverleibt. Und die finden das auch noch gut!
    Nicht alle sind von dem Deal, der Mendely übrigens angeblich bis zu 100 Millionen Dollar eingebracht haben soll, begeistert, wie Beatrice Lugger auf den Scilogs und  David Dobbs im New Yorker schreibt, und manche rufen unter #mendelete zum Löschen des eigenen Accounts auf, jetzt, da dort wo Mendeley drauf steht, Elsevier drin ist.
    Das einfachste wäre sicher, schlicht die Literaturmanagementsoftware zu wechseln. Möglich ist das, die Nachteile, die durch die Mendeley-Übernahme auftreten aber häufig die gleichen: Endnote gehört Thomson Reuters (die mit dem Impact Factor), Papers wurde Ende letzten Jahres von Springer gekauft, und das, obwohl die Wissenschaftssparte von Springer selbst zum Verkauf stand oder steht. Colwiz gehört der American Chemical Society (ACS publishing) und Readcube gehört zur Nature Publishing Group (NPG). Wer also seine Literaturdaten bei einem Anbieter speichern will, der benutzerfreundlich und unabhängig von einem Verlag ist, hat es nicht einfach.
    Die eigentlich interessantere Frage ist, was Elsevier mit den Daten zu persönlichen Literaturvorlieben und den Informationen zu den wechselseitigen Beziehungen der Nutzer untereinander anstellen wird. Björn Brembs meint, im schlimmsten Fall überzieht Elsevier die pdf-teilenden Nutzer mit Copyrightklagen, im besten Fall entwickeln sie für die Nutzer kostenlose und nützliche Anwendungen, die auf die eignen Nutzerdaten aufbauen. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie versuchen mit dem komfortablen Zugang zu pdfs Geld zu verdienen.
    Wo wir gerade bei nützlichen Tools sind. In Kürze wird Recently an den Start gehen. Recently ist das personalisierte wissenschaftliche Journal. Mit Recently ist es einfach, up to date zu bleiben mit allem, was im eigenen Forschungsgebiet publiziert wird. Recently ist eine Browser-basierte App, die auf dem Computer genauso wie auf Tabletts und Smartphones funktioniert. Und: Recently ist von Verlagen unabhängig.
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