Schlagwort: Wakefield

  • Vaxxed: Wie die Sozialen Medien einem Filmfestival das Weltbild etwas gerade rücken

    Vaxxed: Wie die Sozialen Medien einem Filmfestival das Weltbild etwas gerade rücken

    Wir sprachen gerade über Soziale Medien in der Wissenschaftskommunikation. Wie der Zufall es will, liefert uns ein Filmfestival in den USA aktuell schönstes Anschauungsmaterial.
    Das Tribeca Film Festival schmückt sich jedes Jahr mit tollen Filmen, oft abseits des Mainstreams. Dokumentationen zählen zum Kernprogramm. Dieses Jahr sollte der Film “Vaxxed: From cover up to catastrophe” gezeigt werden.
    Der Regisseur des Films ist Andrew Wakefield. Wakefield ist eine Ikone der Impfgegner-Szene. Er ist durch die Publikation einer Studie in einem renommierten Wissenschaftsjournal bekannt geworden, in der ein vermeintlicher Zusammenhang zwischen der Kombi-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) und Autismus bei Kindern gezeigt wurde.
    Inzwischen konnte klar gezeigt werden, dass kein Zusammenhang zwischen der Impfung und Autismus besteht. Wakefield wurde mehrfaches wissenschaftliches Fehlverhalten nachgewiesen, er hat seine Approbation als Arzt verloren und das besagte Paper ist zurück gezogen worden.
    Die auf der Tribeca-Seite publizierte Biografie von Wakefield. Rote Korrekturen von Joe Hanson https://twitter.com/jtotheizzoe/status/713414630572367872
    Fakten interessieren jedoch die Impfgegner-Szene wenig, und auch die Organisatoren des Tribeca-Filmfestivals waren offenbar ebenfalls schlecht informiert, als sie die Dokumentation ins Programm hoben. Robert, de Niro, einer der Gründer des Filmfestivals, begründete die Nominierung von “Vaxxed” unter anderem damit, dass er selbst ein autistisches Kind habe, und alle Themen im Zusammenhang mit den Ursachen von Autismus offen diskutiert und untersucht werden sollten [sic].
    Vor allem auf Twitter wurde Kritik an der Nominierung des Films laut. Um zu verdeutlichen, wie wenig die Dokumentation Wakefields mit der realen Datenlage zu tun hat, wurde unter dem Hashtag #futuretribecadocumentary absurde Titel für zukünftige Dokumentationen beim Tribeca Festival vorgeschlagen:
     


     
    Die Macher des Festivals reagierten. In einem ersten Schritt wurde die geschönte Biografie von Wakefield von der Webseite des Festivals entfernt.
    Gestern Nacht dann wurde auf der Facebook-Seite von Tribeca ein Statement von de Niro ergänzt, in dem er erklärt, dass er nachdem er unter anderem mit Wissenschaftlern gesprochen hat, sich entschieden hat, die Dokumentation aus dem Festivalprogramm zu entfernen.
    Screenshot von der Facebook-Seite des Tribeca Filmfestivals

  • Ideologische Impfgegner verschulden Masern in München und Berlin

    Ideologische Impfgegner verschulden Masern in München und Berlin

    Die bislang dieses Jahr gemeldeten Masernfälle in Deutschland übertreffen bereits jetzt die an das Robert Koch Institut (RKI) übermittelten Erkrankungen des gesamten Vorjahres um ein Vielfaches. In den ersten sechs Monaten 2013 waren es 942 Fälle, im Jahr 2012 insgesamt 166 Fälle. Masern sind gefährlich und hochgradig ansteckend und keineswegs „nur“ eine triviale Kinderkrankheit. Laut RKI sind fast die Hälfte der 2013 gemeldeten Patienten 20 Jahre und älter und über ein Drittel der dokumentierten Fälle wurden im Krankenhaus behandelt. Die allermeisten Fälle traten in Berlin und im Großraum München auf.
    Nach Einführung des Impfstoffs sind die Masernfälle in den USA drastisch zurück gegangen. Quelle: Wikipedia.
    Masern kann nicht wirksam therapiert werden, aber einer Erkrankung kann durch Impfung sehr wirksam vorgebeugt werden. Seit den frühen siebziger Jahren wird in Deutschland eine Kombi-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) hierfür eingesetzt. Es ist erklärtes Ziel der WHO, die Masern, ähnlich den Pocken, auszurotten. Ganz so erfolgreich ist die Impfkampagne gegen Masern jedoch nicht, und so kommt es zum gelegentlichen Aufflammen von Masernerkrankungen – in Deutschland zum Beispiel 2006 oder 2011.
    In Europa ist es zum einen Impfmüdigkeit, aber auch ideologisch geprägte Impfgegner, die verhindert, dass die Masern verschwinden. In einem aktuellen Artikel in der tz München wird der Frage nachgegangen, warum gerade in der bayerischen Landeshauptstadt aktuell so viele Fälle auftreten. Dazu wird der Leiter des Infektionsschutzes der Stadt mit den Worten zitiert, dass Impfgegner häufig im gut situierten Bildungsbürgertum vorkämen. Dort sind also jene Eltern, die alles richtig machen wollen und sich dennoch bewusst gegen eine Impfung entscheiden.
    Ist es die Angst vor Komplikationen und Nebenwirkungen? Ist es die erwiesenermaßen unbegründete Furcht vor langfristigen Folgen der Impfung, sogenannten „Impfschäden“? Spielt die inzwischen klar widerlegte und komplett zurück gezogene Studie von Andrew Wakefield eine Rolle, in der die MMR Impfung ursächlich mit Autismus in Verbindung gebracht wurde? Oder ist es einfach nur eine Konsequenz des Lebensgefühls des gut situierten Bildungsbürgertums: Biolebensmittel, Naturheilkunde, Homöopathie und andere „alternative“ Medizin, dazu etwas esoterisch angehaucht, natürlich pharmakritisch und gegen Chemie?
    Ich weiß es nicht. Ich habe jedoch Hoffnung, dass Aufklärung in diesen Kreisen noch hilft. Jegliche Hoffnung aufgegeben habe ich jedoch bei den Anthroposophen, an deren Waldorfschulen regelmäßig Ausbrüche der Masern dokumentiert werden.
    In einem aktuellen Merkblatt der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland wird suggeriert, es gäbe keine verlässlichen Studien zur Sicherheit und Effektivität einer Masernimpfung. Unter der Überschrift „Welchen Sinn kann es haben, dass ein Kind Masern bekommt?“ Erklären die anthroposophischen Ärzte, dass Masern oft mit einer tiefgreifenden Reifung des Kindes einhergehe. Den entscheidenden Abschnitt aus dem Merkblatt zur anthroposophischen Medizin möchte ich hier ungekürzt wiedergeben:

    Einen weiteren Gesichtspunkt zur Sinnhaftigkeit einer Masernerkrankung gibt die Anthroposophische Medizin. Sie zieht die geistig-seelische Individualität des Kindes als eigenständige, nicht von den Eltern abstammende Realität in Betracht. Diese muss und will den von den Eltern ererbten Leib individualisieren. Im Rahmen akutentzündlicher, hochfieberhafter Erkrankungen kann dies in besonderem Maße gelingen, da es dabei zu einem starken Abbau und eigenständigen Neuaufbau leiblicher Strukturen kommt. Im Fieber, in der selbst gebildeten Wärme, ist aus dieser Sicht die geistig-seelische Individualität des Kindes in gesteigertem Maße leiblich tätig. Durch das Fieber überwindet das Kind nicht nur die Maserninfektion, sondern individualisiert dabei seinen Organismus. So kann die Regulation des Immunsystems dabei ausreifen, die jeder Mensch individuell erlernen und erwerben muss. Mit der Abheilung des Ausschlags, der Bindehaut- und Atem- wegsentzündung bildet das Kind neue, stabilere Leibesgrenzen aus. – Allergien entstehen, wenn der kindliche Lernprozess des Immunsystems ungenügend erfolgt oder gestört wird. Sie verlaufen typischerweise ohne Fieber und gehen mit chronisch-entzündlichen Hautausschlägen oder Entzündungen der Schleimhäute einher. Allergien werden dort häufiger, wo akut entzündliche Erkrankungen stärker unterdrückt und zurückgedrängt werden.

    Mir bleibt da die Spucke weg.

    Bild oben weltweiter Durchimpfungsraten für Masern (Quelle: Wikipedia)