Kaum ein Raucher, der restlos glücklich mit seiner Sucht ist, wird freiwillig auf die E-Zigarette umsteigen. Wer umsteigt, das sind die Gesundheitsbewussten, die mit dem schlechten Gewissen, diejenigen, die aufhören wollen.
Die E-Zigarette wird auch so vermarktet: Zwei Drittel der in einer Studie untersuchten Marketing Claims von Anbietern der elektrischen Zigarette nehmen direkt auf den Ausstieg aus dem Tabakkonsum Bezug.
Wie sieht es aber mit der Evidenz aus? Hilft die E-Zigarette um mit dem Rauchen aufzuhören? Dadurch, dass die elektrische Variante der Zigarette eine relativ neue Erfindung ist, gibt es nicht besonders viele Studien zum Thema. Diejenigen, die ich mir angeschaut habe, zeigen keinen klaren Nutzen des Tabakersatzprodukts beim Abgewöhnen der Sucht.
Eine klinische Studie mit 657 aussteigewilligen Teilnehmern aus Australien hat untersucht, ob die E-Zigarette beim Aufhören besser hilft als Nikotinpflaster oder der kalte Entzug in Form von Placebo-E-Zigaretten.
Die Teilnehmer der Studie wurden drei Monate mit den Zigarettenersatzpräparaten versorgt, und sechs Monate nach Studienstart wurde der Erfolg beim Aufhören ausgewertet. 7,3% der Teilnehmer, die auf E-Zigaretten umgestiegen waren, hatten auch sechs Monate nach Studienstart den tabakhaltigen Zigaretten entsagt. 5,8% der Teilnehmer, die Nikotinpflaster benutzten und 4.1% der Teilnehmer, die nikotinfreie Placebo-E-Zigaretten bekamen, waren ebenfalls zigarettenfrei nach den sechs Monaten Beobachtungszeitraum. Ein klarer Nutzen sieht anders aus.
Eine aktuell publizierte Populationsstudie fand zwar, dass signifikant mehr Frauen, junge Erwachsene und Menschen mit wenig Bildung sich auf die E-Zigaretten einlassen; in der Studie war jedoch der Anteil derjenigen, die nach einem Jahr aufgehört hatten in der Gruppe jener, die E-Zigaretten rauchten sogar niedriger als in der Zigaretten rauchenden Kontrollgruppe.
Die Autoren schreiben, mit Einschränkung der statistischen Aussagekraft ihrer Daten, dass es verboten werden sollte, E-Zigaretten in der Werbung als Mittel zum Aufhören anzupreisen, so lange die Evidenz hierfür fehle. Eine Stellungnahme des Deutschen Krebsforschungszentrums dkfz zur E-Zigarette kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen: „Die Evidenz reicht bislang nicht aus, um qualifizierte Aussagen zur Wirksamkeit der E-Zigarette als Hilfsmittel zum Rauchstopp zu treffen.“
Zur Frage, ob ehemalige Raucher mit den weniger direkt gesundheitsschädlichen E-Zigaretten wieder anfangen, also auf die alte Sucht im neuen Gewand hereinfallen, habe ich leider keine Daten gefunden. Eine Annekdote aus den Kommentaren zum Artikel gestern beschreibt, wie die E-Zigarette von einem ehemaligen Raucher zur Kontrolle von Hunger und Gewicht eingesetzt wird.
Vielleicht besinnen sich ja die Hersteller der E-Zigarette und bewerben ihre Produkte in Zukunft als Diätmittel.
Monat: Juni 2014
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Hilft die E-Zigarette beim Aufhören mit dem Rauchen?
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Die E-Zigarette kann Millionen Menschenleben retten. Wozu dann regulieren?
Tabak hat im zwanzigsten Jahrhundert 100 Millionen Menschenleben gefordert. Die WHO prognostiziert 1 Milliarde Tabaktote weltweit für dieses Jahrhundert – wenn der bisherige Trend anhält.
Seit 2007 wird ein Mittel gegen den Tabaktod angeboten. Die E-Zigarette raucht nicht, sie produziert Dampf. Die E-Zigarette stinkt nicht, weil nichts verbrannt wird. Die E-Zigarette ist weniger gesundheitsschädlich, denn es entsteht kein Kohlenmonoxid, keine Blausäure, kein Arsen, keine Nitrosamine und keine polyzyklischen Kohlenwasserstoffe.
Ist die elektrische Zigarette also die Lösung eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit? Die Teilnehmer einer Vortragsrunde mit dem Titel “Sanftes Töten oder unsere größte Chance für das Gesundheitswesen” äußerten sich gestern auf dem Euro Science Open Forum (ESOF) vorsichtig positiv, hatten allerdings auch Bedenken.
Wilson Compton, Stellvertretender Direktor vom NIDA zitierte Literatur, wonach genetische Unterschiede in Nikotinrezeptoren dazu beitragen, wie viele Zigaretten ein Raucher braucht und wie abhängig und krank er dementsprechend wird. Auch sei bei Jugendlichen die Plastizität des Gehirns noch hoch, und daher die Gefahr der Abhängigkeit von Nikotin daher höher.
Das sind allerdings keine Bedenken spezifisch gegen die elektrische Variante der Nikotinzufuhr, und so hatte Sudhanshu Patwardhan, internationaler Engagement Officer von Nicoventures Media, also der Vertreter der Industrie, es leicht, die E-Zigarette als die Lösung aller Gesundheitsprobleme darzustellen. Er prognostizierte, dass 2021 mehr Geld mit E-Zigaretten als mit traditionellen Tabakprodukten umgesetzt wird.
Als Kontrapunkt sprach danach Deborah Arnott, die Leiterin der not-for-profit Organisation ASH (action on smoking and health). Die E-Zigarette sei seit 2007 auf dem europäischen Markt, und obwohl die Hälfte der Raucher in Großbritannien sie schon ausprobiert habe, würde nur ein Drittel derjenigen die es probieren, tatsächlich umsteigen, berichtete Arnott. Dennoch sei zu beobachten, dass obwohl die Zahl der Nutzer der E-Zigaretten derzeit stark ansteigt, die Gesamtzahl der Raucher weiter abnehmen würde.
Alle Teilnehmer der Session erkannten großes Potential in den elektronischen Zigaretten, da die gesundheitlichen Gefahren durch die giftigen Inhaltsstoffe tabakbasierter Zigaretten weitgehend wegfallen würden. Besonders Arnott warnte aber auch vor potentiellen neuen Gefahrenquellen durch zugesetzte Aromastoffe, Verunreinigungen, und vor fehlender Regulierung des Marktes. Auch die Gefahr, dass die E-Zigarette eine Einstiegsdroge für Jugendliche sei, ist gegeben und kann noch nicht beurteilt werden, da der Markt einfach noch zu jung sei.
“People smoke for nicotine but die from tar” war die Erkenntnis, auf die alle Präsentationen aufbauten. Der Rauch ist also das Problem, und nicht das Nikotin. Zumindest aus gesundheitspolitischer Sicht.
Wer Abhängigkeiten aber generell nicht mag, für den sind aber auch mit LED Lämpchen bestückte Vaporisieraparaturen keine Alternative. Für den gibts nur den Entzug. Und für ehemalige Raucher die Hoffnung, nicht auf die alte Sucht im neuen Gewand hereinzufallen.Wie funktioniert die E-Zigarette?
Die inzwischen in der dritten Generation verfügbaren elektronischen Zigaretten enthalten ein Reservoir für eine Nikotinhaltige Lösung, ein Heizelement, welches diese Lösung verdampft, einen Sensor, der erkennt, ob und wie stark der Raucher an der Zigarette zieht, und ein elektrisches Schaltelement, welches mit einer wiederaufladbaren Batterie verbunden ist und welches das Heizelement, sowie bei manchen ein eingebautes LED Lämpchen reguliert.
Was wird mit der E-Zigarette eingeatmet?
Die durch das Heizelement verdampfte Lösung basiert häufig auf Propandiol und Glycerin und enthält bis zu 20 mg/ ml Nikotin. Den meisten E-Zigartetten werden noch Aromastoffe beigemischt. Am Heizelement wird das dickflüssige Gemisch verdampft, es wird also kein Rauch eingeatmet.
Ist die E-Zigarette gesundheitsschädlich?
Propandiol und Glycerin sind nicht giftig. Nikotin ist in den verwendeten Dosierungen ebenfalls nicht gesundheitsschädlich. Bei den zugesetzten Aromastoffen ist es häufig nicht abschließend geklärt, wie gesundheitsschädlich diese sind, und insbesondere ob sie durch das notwendige Erhitzen nicht gesundheitsschädlich werden. Weiter besteht die Gefahr durch Verunreinigungen unbekannte Stoffe einzuatmen.
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13 Gründe für den Postdoc. Mich haben sie von einem Rückfall geheilt.
Gestern hatte ich einen Rückfall. Den ersten seit zwei Jahren, seit ich nicht mehr als Postdoc arbeite, sondern selbstständig bin. Ich bin eingeladen worden, der Verteidigung einer Doktorarbeit beizuwohnen, mein Funktion ist die des externen Herausforderers. Ich muss mir also die Dissertation des Kandidaten gründlich durchlesen, und mir Fragen überlegen, die ich bei der Disputation stellen kann. Beim Lesen des Ergebnisteils waren sie wieder da, die ganzen Ideen für Projekte, und ich habe den Kick gespürt, den ich bekomme, wenn sich sich eine unerforschte Frage auftut und ich weiß, welche Experimente und Analysen notwendig sind, um den nächsten Schritt zu gehen.
Ich weiß nicht, warum ich überhaupt zugesagt habe, bei der Disputation dabei zu sein. Aus altruistischen Gründen, oder weil ich einfach noch nie in Tallinn war? Heute morgen war ich jedenfalls wieder geheilt von dem Rückfall. Ich habe mich erinnert, zu welchem Preis man die Kicks der eigenen Ideen einkauft.Klick aufs Bild vergrößert die Abbildung. Von the upturned microscope .
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Drei überraschende Tatsachen zur Fussball-WM. Die letzte gesteht die FIFA so nie ein!
1. Die Heimmannschaft wird durch den Schiedsrichter systematisch bevorzugt.
Die Fussball-WM ist in vollem Gange und, untertrieben gesprochen, von Überraschungen nicht ganz frei. Wer hätte gedacht, dass Brasilien im Auftaktspiel gegen Kroatien solche Schwierigkeiten hat. Die Seleção hat letztendlich dennoch klar gewonnen nicht zuletzt durch einen strittigen Elfmeter.
Fred fällt im koratischen Strafraum um. Elfmeter.
Die Kritik am japanischen Unparteiischen wurde zwar von Offiziellen zurück gewiesen, es gibt dennoch Studien, die zeigen, dass Schiedsrichter zwar unbewusst aber systematisch die Heimmannschaft bevorzugen.
Boyko et al. beschreiben in Ihrer Studie ein Regressionsmodell, mit dem sie in der englischen Premierleage anhand von über 5000 analysierten Partien zeigen konnten, dass bei fast allen der 50 untersuchten Schiedsrichtern einen Hang zur Bevorzugung der Heimmannschaft gab. Der Grad der Bevorzugung war unterschiedlich hoch zwischen den Individuellen Unparteiischen.2. Der zum markieren der Freistoßdistanz eingesetze Schaum ist mindestes eine, höchstes jedoch drei Minuten haltbar.
Der von dem Argentinier Pablo C. Silva patentierte Markierungsschaum, der nur eine bestimmte Zeit sichtbar ist, wird unter dem Namen 9.15 fairplay als Spray vertrieben und von den WM-Schiedsrichtern genutzt, um die Distanz der Mauer zum Ball beim Freistoß zu markieren.
Der Schaum besteht aus:- einem Emulgator, um den Schaum stabil zu halten. Laut Patentschrift hauptsächlich Sorbitanfettsäureester
- einem Chelatkomplex, also beispielsweise EDTA,
- einem ungiftigen Konservierungsmittel
- 5%-30% Triebmittel, das aus einer Mischung aus Butan, Isobutan und Propan besteht
- und Wasser
Der Legende nach kam der Erfinder, selbst Amateurfussballer, nach einem verlorenen Match auf die Idee.
3. Der FIFA-WM-Pokal ist innen hohl
Der FIFA-WM-Pokal, ist aus 18 Karat, also 75% Gold. Er müsste bei einer Höhe von 36,8 cm und einem von mir geschätzten Volumen von drei Litern und einer Dichte von 16,5 g/cm3 des Goldes (75% Gold, 25% Kupfer) rund 50 kg wiegen. Zu viel, um bei der Siegerehrung leichtfertig über Kopf gerissen zu werden.
Laut FIFA ist der Pokal 6,175 kg schwer. Bei dem aktuellen Goldpreis von rund 940 EUR pro Feinunze beträgt der Materialwert alleine fast 140.000 EUR.
Ein weiteres Geheimnis, das von der FIFA verschwiege wird: Der WM Pokal wurde ursprünglich einem halben, fettigen Chickenwing nachempfunden.
Links: FIFA-WM-Pokal. Rechts: Halber gegrillter Flügel eines Hühnchens.
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Warum ich die Krautreporter unterstütze, obwohl mich die Inhalte gar nicht interessieren
Letzten November auf der WissensWerte in Bremen waren die meisten Journalisten hoffnungslos oder hoffnungsvoll naiv. So jedenfalls wirkte die Session über “Wie retten wir den Journalismus” auf der Konferenz der Wissenschaftsjournalisten auf mich. In der eineinhalbstündigen Diskussionsrunde wurden alternative Geschäftsmodelle für selbstständige Journalisten diskutiert. Wie verdient man als Journalist überhaupt noch Geld?
Ein enthusiastisches Mitglied im Vorstand der Freischreiber, erzählte wie er es doch schafft, als selbstständiger Journalist zu überleben. Crowdfunding und der Zugriff auf Stiftungskapital wurde als Möglichkeit zur Finanzierung einzelner Rechercheprojekte vorgestellt – und kritisiert. Man könne sich ja von den Gönnern abhängig machen. Ein Tablet-Abonnement basiertes Wissenschaftsmagazin namens Substanz wurde vorgestellt. Das Magazin will mit Hintergrundartikeln aus der Wissenschaft begeistern und wollte dieses Frühjahr zum ersten Mal erscheinen.
Hinter vorgehaltener Hand wurde aber erwähnt, wie es wohl dennoch bei vielen läuft: Tags sind sie unabhängige Journalisten, und nachts werden für Unternehmen PR-Aufträge angenommen. Mögliche Interessenkonflikte, die dabei entstehen, werden anscheinend durch ein Themenembargo auf Zeit gelöst.
Alle kreativen Lösungen täuschen über das eigentliche Problem hinweg: Durch das Internet und die kostenlose Verfügbarkeit unendlich vieler Artikel mit und ohne Nachrichtenwert sind die gängigen Geschäftsmodelle der tradierten Printmedien weitgehend zusammengebrochen. Die spürbar leidtragenden sind die Produzenten der Inhalte, also die Journalisten, die nun leider nicht mehr genug Geld verdienen. Geld, dass bislang aus Werbung und Zeitschriften- und Zeitungsabonnements kam.
Wie also kann “im Internet” mit journalistischen Texten Geld verdient werden? Ein Zusammenschluss von – wenn ich richtig gezählt habe – 28 Journalisten, der unter dem Namen Krautreporter firmiert, versucht es aktuell mit einer Crowdfundingkampagne. Für 60 EUR erhält man eine zwölfmonatige Krautreportermitgliedschaft.
Die Krautreporter wollen mit 15.000 zahlenden Kunden 900.000 Euro einsammeln. Das entspricht abzüglich der Verwaltungskosten und Ausgaben für die Web-Infrastruktur und umgelegt auf die 28-köpfige Redaktion jeweils einem anständig bezahlten Halbtagsjob. Ich habe mich angemeldet, ohne dass ich überhaupt weiß, was eine Krautreportermitgliedschaft bedeutet.
Ich habe in den vergangenen Tagen vor allem negative Stimmen zu dem Projekt gelesen. Die Kritik reicht vom fehlenden Themenkonzept über missratene Kommunikation mit den möglichen zukünftigen Lesern und der fehlenden Begeisterung der Krautreporter selbst, bis zu Kritik am Bezahlsystem (hier, hier, hier und hier).
Ich habe das alles gelesen und meine Meinung zu dem Projekt trotzdem nicht geändert. Obwohl mich die Inhalte wahrscheinlich nur bedingt interessieren (mit Hanno Charisius ist gerade einmal ein Wissenschaftsjournalist an Bord), ist alleine der Versuch auf diese Weise mit Journalismus online Geld zu verdienen es Wert unterstützt zu werden.
Journalisten ohne finanzielle Perspektive führen mittelfristig zu qualitativ schlechtem, abhängigen Journalismus und machen langfristig die vierte Gewalt einer Demokratie zum Papiertiger. Ganz unabhängig von gesellschaftlichen und politischen Dimensionen haben es Menschen, die schreiben können, verdient auch dafür bezahlt zu werden.
Aktuell fehlen noch knapp eineinhalb Tausend Anmeldungen zur erfolgreichen Finanzierung. Die Kampagne läuft noch bis heute Nacht. Hier kann man Krautreporter unterstützen.