Als Angehöriger einer Krebspatientin ist eines unvermeidbar: Einem werden von vielen Seiten oft gut gemeinte “alternative” Therapiemöglichkeiten vorgeschlagen.

Kurkuma, Canabisöl, Hemohim, Reservatrol, Methadon, intra-arterielle Chemotherpaie, Bruno Gröning und so weiter. Da ist viel hanebüchenes Zeug dabei, man glaubt es erst, wenn man es selbst hört und liest.

Die gut gemeinten Ratschläge lassen sich in drei Katergorien einordnen. Da sind erstens die Diät-Tips, zweitens die medikamentösen Alternativtherapien und drittens die – nennen wir sie mal – “spirituellen” Vorschläge zur Heilung.

Vielleicht schreibe ich zu einigen der vorgeschlagenen Alternativen irgendwann noch mal mehr. Ich antworte jedenfalls auf die Vorschläge die uns erreichen damit, dass wir uns entschieden haben, den Weg zu gehen, der erwiesernmaßen lebensverlängernd wirkt: Den der Medizin.

Es ist gar nicht so leicht zu beantworten, um wie viel Jahre die Medizin eigentlich das Leben Krebskranker verlängert. Zum einen müssen unterschiedliche Krebsarten unterschieden werden, zum andern spielen neben dem medizinischen Fortschritt noch Faktoren wie eine bessere Krebsvorsorge und Früherkennung eine Rolle.

Was man jedoch sicher sagen kann ist: Alternativemedizin tötet. Auch zusätzlich zur konventionellen Krebstherapie, also der ganzen oder teilweisen operativen Entfernung vom Tumoren, der Strahlentherapie und der Chemotherapie, wirkt Alternativmedizin nicht. Wer mehr Beispiele braucht sei an das Blog Science Based Medicine verwiesen.

Hier habe ich nur eine Abbildung aus einem Paper vom Januar 2018 eingebunden. Die Abbildung zeigt den Anteil der überlebenden Krebspatienten und Patientinnen über einen Zeitraum von 7 Jahren nach ihrer Diagnose. Die Patienten hatten die häufigsten Krebsarten, also Lungenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs.

Die gestrichelte Linie zeigt die Patienten, die sich auf konventionelle Therapiemethoden verlassen haben. Die durchgezogene Linie zeigt Patienten, die sich statt der konventionellen Therapie auf alternativmedizinische Methoden verlasen habe.

Nach sechs Jahren war die Hälfte der Alternativmedizinpatienten tot. Drei Viertel der Patienten mit konventioneller Therapie war noch am Leben.

Wahrscheinlich renne ich mit diesem Artikel bei den meisten meiner Leserinnen und Leser offene Türen ein. Ich finde einen anderen Aspekt der “alternativen” Therapien diskussionswürdig:

Mir fällt es als promoviertem Molekularbiologen und Proteinbiochemiker relativ einfach, den uns vorgeschlagenen alternativen Therapien argumentativ zu begegnen. Ich habe das Gefühl, ich erspare Titien dadurch seit der Diagnose und während ihrer Therapie eine Menge Unsicherheit und Zweifel.

Wie geht es wohl Patienten, die nicht in der Lage sind, medizinische gesichertes Wissen von alternativem Humbug zu unterscheiden? Die nicht wissen, ob sie ihrer Onkologin oder dem Freundeskreis oder der Webseite, die sie selbst auf Facebook “recherchiert” haben trauen können?

Sich bei der Wahl der Therapie sicher zu fühlen trägt auch zur Lebensqualität Krebskranker bei.

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16 Kommentare

  1. Eigentlich bin ich ja ganz bei Ihnen.
    Aber der intellektuellen Redlichkeit halber (und weil mich sowas besonders ärgert, wenn es von Leuten kommt, denen ich unterstelle, dass sie es das wissen) sollte man anmerken, dass es für den in der Grafik dargestellten Effekt auch diverse denkbare Erklärungen gibt, welche die spektakuläre Headline nicht rechtfertigen.
    Z.B. könnte es sein, dass Patienten, die eine Diagnose bekommen, die auf extrem geringe Heilungschancen hindeutet, anschließend eher geneigt sind, zum alternativmedizinischen Strohhalm zu greifen und damit statistisch eine kürzere Überlebenszeit haben.
    Gruß,
    Michael

    1. Hallo Michael,
      du sprichst einen wichtigen Punkt an, den die Autoren der Studie aber berücksichtigt haben:

      Following 2:1 matching, 560 patients who received CCT were matched to 280 patients who received AM based on cancer type, age, clinical group stage, CDCS, insurance type, race, and year of diagnosis.

      Unabhängig davon konnten die Autoren zeigen, dass die Patienten, die vermehrt zu alternativmedizinischen Methoden gegriffen haben eher weiblich waren, einen höheren Bildungsstand aufwiesen und statistisch eine höhere erwartete Überlebenszeit hatten.

    2. Hallo Tobias,
      grundsätzlich stimme ich dir zu. Nur es gibt einen dritten Weg – ein sowohl, als auch. Hier wird es nur schwierig, jemanden zu finden, der das begleitet.
      Felix ging teilweise diesen Weg.
      Liebe Grüße
      Margit

    3. Hallo Margit,
      ich glaube, Felix war da nicht alleine. Titien nimmt auch solche Drinks, die sie von ihrer Freundin geschenkt bekommen hat. In dieser Studie gaben 60% der Brustkrebspatientinnen an, zusätzlich alternative Therapien verfolgt zu haben. Einen Effekt hatte das freilich nicht.

  2. Hallo Tobias,
    ich habe 199x eine ähnliche Erfahrung an ganz anderer Stelle im Medizinbetrieb gemacht – bei der Geburtsvorbereitung. In mehrerer GV-Kursen, die ich zusammen mit meiner Frau besucht habe war das wichtigste Thema Alternativmedizin und nicht von Seiten der Teilnehmer, von den Hebammen! Ich kann argumentativ zwar dagegenhalten, aber nur bei Sachen die ich schon kenne. Das Thema Bachblüten z.B. habe ich hier zum erstenmal überhaupt gehört und musste mich erst einmal informieren, was das überhaupt ist. Mein Eindruck: viele (zuviele) Hebammen sind Alternativmedizinschleudern.

  3. Ja, furchtbar sind diese Therapievorschläge von allen Seiten. Ich hatte Leukämie und habe von allen möglichen Bekannten alle bekannten und unbekannten Therapien vorgeschlagen bekommen. Ich hatte häufig nicht die Kraft um mich argumentativ gegen diese „gut gemeinten Ratschläge“ richtig zur Wehr zu setzen. Häufig habe ich diese Leute dann kommentarlos stehen gelassen. Jetzt wo der Krebs geheilt ist begegne mir diese Leute immer noch etwas reserviert. Aber damit kann ich gut leben. Ich weiß nämlich, was für ein Quatsch in deren Köpfen vorgeht.

  4. Die Studie führt ja die höhere Sterblichkeit darauf zurück, dass Leute, die zu alternativen Therapien greifen, häufiger richtige Behandlungen ablehnen.

    Eine andere Frage ist, ob zumindest einige der alternativen Therapien für sich allein bereits das Leben verkürzen oder die Heilungschancen mindern. Bei der Misteltherapie oder bei Laetriel ist das ja im Rahmen des Vorstellbaren. Und auch bei Diäten wäre ich sehr skeptisch. Gesunde Ernährung wird kaum was schaden, aber es gibt ja viel, was auf “Aushungern” hinausläuft. Da ist es sogar wahrscheinlich, dass das dem Patienten mehr schadet als dem Krebs, und davon raten die Ärzte ja auch explizit ab.

    1. BBr, es gibt auf dem Markt der Alternativtherapien sicher einige, die direkt schaden. Um die Germanische Neue Medizin ist es ja ruhig geworden seit Hamer tot ist.
      Ich kenne aber persönlich einen Fall, bei dem die Patientin unsagbare Schmerzen erleiden musste, weil sie an den Quatsch glaubte.
      Viele andere Alternativtherapien schaden direkt, wenn wirksame Behandlungen verzögert oder gar nicht wahrgenommen werden – und indirekt, weil sie die Patienten häufig mit einem Gefühl zurück lassen, nicht alles getan zu haben.

  5. Als ehemaliger Krebspatient möchte ich zumindest einer “alternativen” Behandlungsmethode ergänzend zur klassischen Chemotherapie ihren Wert zusprechen: Cannabis.

    Ich habe mir nach der Therapie teils die Seele aus dem Leib gekotzt, auch die Behandlung mit Hormonen hat bei mir nur zu einem Mondgesicht geführt – die Übelkeit konnte damit nicht behoben werden.

    Der Tipp meiner Onkologin, es doch mal mit nem Joint zu probieren war aber Gold wert. Vor der Behandlung ne Tüte – und es geht einfach alles ein wenig einfacher. Wohlgemerkt ist das mittlerweile 20 Jahre her – ich geh mal davon aus, dass auch die Wissenschaft heute bessere Methoden kennt um Cannabis zu konsumieren.

    Ansonsten unterschreibe ich diesen Artikel vollumfänglich.

    1. Danke Andreas,
      die ganze Cannabis-Geschichte ist eine interessante Entwicklung, vor allem mit der Legalisierung in Canada und der schrittweisen Legalisierung in den USA. Ein großer Markt ist der Gesundheitsmarkt. Ich habe den Eindruck, dass sich sowohl die Chemotherapien als auch das Management der Übelkeit in den letzen 20 Jahren sehr verbessert haben. Titien hat Granisetron und Ondensatron während der Chemo eingenommen.

    2. Andreas, was Ihnen Ihre Onkologin mit dem Zaunpfahl zugewinkt hatte, war Symptombekämpfung, und gegen Übelkeit hilft der Joint sehr oft, auch wenn es heute mit den Setronen (5-HT§-Antagonisten) gute Medikamente gibt, gerne angenommen von den PatientInnen, die sich nicht zudröhnen wollen (oder NichtraucherInnen sind). Bei den “gutgemeinten Vorschläge”, die Tobias anspricht, geht es um Heilung. Und da habe ich als Ärztin leider auch allzuoft erlebt, wie die Alternativmedizin nicht nur Lebenszeit wegen Verzicht auf z.B. Chemotherapie ist, die ja oft eben keine katastrophalen Auswirkungen auf das Lebensgefühl hat, sondern auch Lebensqualität, weil sich die PatientInnen den ganzen Tag über mit der Erkrankung beschäftigen müssen (Akkuwechsel bei der Magnetfeldtherapie, ständiges Zugedröhntsein bei Methadon – letzteres ist auch für die Angehörigen sehr belastend), und ich kenne auch Fälle, in denen die finanziellen Ressourcen durch Therapien völlig aufgebraucht wurden.

  6. Hallo Tobias auch ich bin ja Biologin und interessiere mich durchaus für alternative Heilmethoden obwohl ich ja die letzten 12 Jahre in der Onkologieforschung eines grossen Pharmakonzerns gearbeitet habe. Es gibt in der Natur sehr potente Substanzen, darum geht ja auch einige Forschung in die Richtung eben diese Substanzen zu identifizieren. Sehr interessant finde ich die Mykotherapie. Pilze haben hohe Mengen an Substanzen, die das Immunsystem stimulieren können und auch beschrieben wurden die Nebenwirkungen gerade von Chemotherapien zu reduzieren. Es ist sicher immer wichtig sehr kritisch die angepriesenen Methoden zu prüfen und ein sehr wichtiger Zweig und Weg ist sicher die Schulmedizin aber die alternativen Heilmethoden ganz zu verteufeln finde ich persönlich etwas unfair. Was nicht richtig ist, ist mit der Hoffnung von Menschen zu spielen, die an einer potentiell tödlichen Krankheit erkrankt sind.
    Dies ist ein Auszug aus einem Beispiel von alternativen Substanzen die durchaus Wirkung zeigen.
    http://www.news.medizin-2000.de/2011/krebstherapie_alternativ_wirknachweis.html
    Es gibt auch viele Publikationen rund um die Mykotherapie
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21887458

  7. Sandra,
    danke für den Kommentar. Es ist sicher wichtig, Pflanzen oder Pilze auf Wirkstoffe hin zu untersuchen, die pharmakologische Effekte haben. Das ist aber nicht Alternativmedizin. Denn wenn die so identifizierten und in klinischen Studien getesteten Substanzen wirken, dann sind sie Teil der Medizin und nicht “alternativ”.
    Das ist auch der Aspekt, der bei den Substanzen fehlt, die in deinen Links genannt werden. Es funktioniert vielleicht in einer Zelllinie. Oder es hat einen immunstimulierenden Effekt und die Autoren schreiben selbst, dass sie noch untersuchen wollen, was genau diesen Effekt auslöst. Und falls sie was finden das nachweisbar wirkt, ist es wieder Medizin.
    Die Gefahr ist, dass Patienten auf Halbwissen reinfallen, sich mit irgendwelchen Kräutermischungen therapieren (weil sie irgend wo gelesen haben, dass das wirkt), und so Zeit verschwenden, die besser für eine wirksame Therapie genützt werden muss.
    Also, es ist sicher wichtig, pflanzlichen Wirkstoffen offen gegen über zu stehen. Aber ich halte es sonst mit Tim Minchin, der ja sagt: If you open your mind too much, your brain will fall out.

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