Wissenschaftskommunikation hat häufig ein Wahrnehmungsproblem, denn oft interessiert keine Sau, was da wieder publiziert wurde. Versteht ja sowieso keiner. Nur einmal im Jahr, bei der Vergabe der Nobelpreise sind sich alle einig: Da ist ja wirklich mal was Tolles erforscht worden! Muss ja, sonst gäbe es keinen Preis dafür. Wissenschaftsredaktionen mühen sich – geleitet von den knappen Pressemitteilung der schwedischen Akademie der Wissenschaften (Physik, Chemie) oder dem Nobelgremium des Karolinskainstituts (Physiologie und Medizin) – den Nutzen für die Medizin oder die Technik aus jahrzehntelanger und zum Teil jahrzehntealter Forschung heraus zu destillieren und möglichst schnell die frohe Kunde weiter zu verbreiten: Wieder sind zwei Forscher ausgezeichnet worden. Und einer war tatsächlich im Labor als der Anruf aus Stockholm kam (Gurdon am Montag).

Bemerkenswerter als die heutige Auszeichnung der beiden US-amerikanischen Forscher Robert Lefkowitz und Brian Kobilka für die Entdeckung und Erforschung der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist, dass bis gestern kaum jemand von deren wissenschaftlichen Errungenschaften gehört hat, oder deren Bedeutung einordnen konnte. Ist aber auch egal, denn spätestens zwei Wochen nach der Vergabe der Nobelpreise ist auch schon wieder vergessen, wer da warum in Stockholm ausgezeichet wurde. Oder kann sich noch jemand hier ad hoc daran erinnern, wer letztes Jahr die Nobelpreise für Medizin, Physik und Chemie erhielt?

Wie zwölf mal in den letzen 15 Jahren gingen auch dieses Jahr beide Preise, für Medizin/ Physiologie und für Chemie, an Forscher, die sich mit molekularbiologischen Themen auseinandersetzen. Grundbegriffe aus der Molekularbiologie sollten also bekannt sein, vor allem wenn man über die Nobelpreise schreibt. Muss der diese Woche neu auf Deutsch (aber in altbackenem Design und ohne RSS feed) gestartete New Scientist dann tatsächlich noch von “Signal-Eiweißen” sprechen? Es sind Proteine! Spiegel Online erklärt GPCRs so: “Die beiden Forscher erhalten den Preis für die Entdeckung von Rezeptoren in der Zellwand, die wichtige Signale von außen in die Zelle leiten“. Zellwand? Die Proteine sitzen in der Zellmembran.

Reiner Korbmann greift in seinem Blog “Wissenschaft kommuniziert” die Frage auf, ob die Wissenschaft am Rande der Informationsgesellschaft stehen bleibe, da die Kommunikation nicht funktioniert. Er fasst das Ergebnis einer Tagung zu diesem Thema so zusammen: “Wir [die Kommunikatoren] müssen die Wissenschaftler dazu bringen, über die Wissenschaftskommunikation zu diskutieren und nachzudenken.

Und dann?

Ich habe eine andere Theorie: Wissenschaftskommunikation muss das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen und anfangen sich damit zu beschäftigen, was Wissenschaftler tatsächlich erforschen – um dann in Masse und Klasse darüber berichten. Wissenschaft im Dialog listet Studienangebote für Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. Wie viele der dort Eingeschriebenen haben ein Blog? Wie viele Doktoranden sitzen in den Laboren und wissen nicht, was sie nach der Promotion wirklich machen möchten? Schon mal daran gedacht über Wissenschaft zu schreiben? Es ist wirklich einfach anzufangen. Es gibt Anleitungen für gute Blogposts. Und es gibt hier gesammelt 150 persönliche Statements wie man dazu kommt “Science Writer” zu werden. Ein Beruf, den es so im Deutschen übrigens gar nicht gibt. Brauchen wir wirklich Crowdfunding für Wissenschaftsprojekte, oder vielleicht einfach einen Fonds, aus dem guter Wissenschaftsjournalismus bezahlt wird?

Für eine wissenschaftliche Alphabetisierung der Gesellschaft!

Bild via I fucking love science

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14 Kommentare

  1. Witzig. Prinzipiell ist es ja schön, ein neues Wissenschafts- und Technikmagazin zu haben, aber warum denn so?
    Es sind jedenfalls noch Welten bis zum Niveau von Wired Science oder dem Discover Magazine. Die US-Seite vom New Scientist wirkt auch viel moderner.
    Kennst du die? http://qz.com/
    Die sind auch erst seit kurzem online und das Design setzte Maßstäbe. Warum kann man sowas nicht auch für ein Wissenschaftsmagazin haben?

  2. Dass es keinen rss-Feed gibt, erklärt sich wohl dadurch, dass man in Zukunft 4,90 pro Woche zahlen soll um die Artikel auch nächstes Jahr noch auf dem Tablet zu lesen.

    Hahaha.

  3. Ich finde es übrigens richtig, Geschäftsmodelle zu entwickeln, um auch mit online-Inhalten Geld zu verdienen. Aber doch nicht so?

  4. “Wissenschaftskommunikation muss das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen und anfangen sich damit zu beschäftigen, was Wissenschaftler tatsächlich erforschen – um dann in Masse und Klasse darüber berichten”
    Was hat man sich denn konkret unter “Erklärbär- und Babysprechalter” vorzustellen? Und warum ist ein Widerspruch, wenn man nicht nur über das berichtet, was Wissenschaftler erforschen, sondern es auch erklärt? Oder versteh ich da was falsch?

  5. Pingback: Technik und Wissenschaft im Netz. Eine wöchentliche Rubrik | Forschungs-Blog
  6. Florian, es gibt eben verschiedene Arten Wissenschaft zu kommunizieren. Erklären ist super, nur muss man es nicht immer auf Babysprech herunterbrechen und damit die interessierten Leser langweilen.
    Oder in anderen Worten:
    Talk nerdy to me.
    Ich glaube, etwas ähnliches meint auch Ernst Peter Fischer, wenn er wie in den letzten Artikel bei sich im Blog die Wortwahl bei der Berichterstattung und Übersetzung kritisiert.

  7. @Tobias: “nur muss man es nicht immer auf Babysprech herunterbrechen und damit die interessierten Leser langweilen.”
    Hmm, das ist mir immer noch ein wenig zu unkonkret. Es kommt ja immer auf die Zielgruppe drauf an. Wenn man zu Leuten sprechen will, die keine Ahnung vom Thema haben, dann muss auch entsprechend weit unten mit der Erklärung anfangen…

  8. Ich meinte das, was auch im ersten Kommentar unter dem von dir erwähnten Ted Talk gesagt wird:
    “For me, the main thing Melissa was emphasizing is that you need to cater your information to your audience.
    Let’s say you’re a university professor and a world renowned expert on control theory. If you’re talking at a conference to other world experts, you can have a field day talking about state space notation and frequency response, because they will understand those terms. If you’re talking to freshmen or sophomore engineering students with that jargon, you’re gonna scare the crap out of them. As an engineering student myself, I know a lot of students are scared off by the high level technical stuff when they come in. Like Melissa says, recruiting more engineering students is going to come down to illustrating where it’s relevant, not just showing off how much math and science there is in our work.”

  9. Alles richtig, Florian,
    nur wenn man immer meint zu Leuten zu sprechen, die keine Ahnung haben (und sich mit dem Erklären viel Mühe gibt), kommen diejenigen, die das Grundsätzliche schon kapiert haben nicht voran, sondern langweilen sich.

  10. Wenn mich nicht alles täuscht, Tobias, geht es in dem Zitat nicht um ein “Es kann nur einen Text für alle geben, also fangen wir jedesmal bei Adam&Eva an”, sondern um eine Anpassung des Gesagten bzw Geschriebenen, um adäquat mit dem jeweilig addressierten Publikum zu kommunizieren.
    Insofern kann ich dem mokierten Satz auch nur in der Variante “Wissenschaftskommunikation muss das ausschließliche Beharren auf das Erklärbär- und Babysprechalter endlich hinter sich lassen” zustimmen. Publikumsgerechte Diversifzierung ist angesagt – da darf die Erklärbär-Variante eben nicht hinter sich gelassen werden.

  11. Bei “Erklärbär” fühlte ich mich irgendwie angesprochen, warum auch immer 😉
    Ich kann rolak und Florian zustimmen, es muss der Zielgruppe angepasst sein, was ich schreibe oder sage. Dazu muss ich die Leser oder Hörer aber kennen. Sicherlich falsch ist der reine ErklärBÄR, der immer bei Adam&Eva anfängt, und womöglich nie in die Tiefe kommt.

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