Neuer Trendsport Arschkriechen

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Zum erfolgreichen Arschkriechen gehören immer zwei. Bloggerin Dr. Isis und einer ihrer Studenten machen vor, wie es in der Wissenschaft funktioniert. Hinter dieser Art der Anbiederung steckt ein generelles Problem kreativer Berufe: Wie kann Leistung objektiv beurteilt werden bei fehlenden Beurteilungskriterien?

Dr. Isis ist neu auf ScienceBlogs.com. Ich bin auf ihr Blog kurz vor ihrem Wechsel zur US-Partnerseite aufmerksam geworden. Dr. Isis hatte den Inhalt eines Papers zum Zusammenhang von Herzinfarkten und der Zeitumstellung recht substanzlos kritisiert, und sich darüber aufgeregt, wie sich die Autoren der Studie erdreisten konnten, ihr im Blog zu antworten und zu fordern, dass das Paper doch bitteschön auch da diskutiert wird, wo es publiziert wurde, nämlich im Kommentarbereich des herausgebenden New England Journal of Medicine (NEJM). Die Diskussion wurde bei Ludmila im Blog weiter geführt.
Ich habe mir bei Dr. Isis noch ein paar Artikel durchgelesen und weitere Bestätigung gefunden, ihr Blog nicht in meinen Feedreader aufzunehmen. Sie hat eine Anleitung zum ordentlichen Arschkriechen publiziert.
Aber der Reihe nach.
Dr. Isis greift in einem ihrer Artikel ein paar Kommentare auf, in denen es darum geht, wie Studenten besser mit ihren Profs interagieren. Ihre Sicht der Dinge ist, dass die Studenten die Initiative ergreifen müssen, um von Professoren wahrgenommen zu werden und so letztendlich Mentoren zu gewinnen. So weit, so gut. Nur mit dem “wie” bin ich nicht einverstanden.

Heiße Arschkriechtips

Dr. Isis rät den Studenten: “You show up to office hours so much the professor starts reserving a chair for you”. Weiter schreibt sie: “When Dr. Isis taught last Spring she had her office hours at 6:30 am on Friday mornings. Dr. Isis is a morning person and likes to get her day started promptly. Every Friday morning, when Dr. Isis arrived with her coffee in hand, she found one student sitting outside of her office door, waiting. […] This student asked thoughtful questions and, over the semester, I grew to know him quite well.[…] I am quite proud of him”.
Dr. Isis findet das gut. Sie hat beschlossen, diesen Studenten zu unterstützen.
Ich finde das abstoßend. Wenn ich, als hypothetischer Prof morgens um halb sieben vor meinem hypothethischen Büro einen Studenten vorfinden würde, gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Typ durchgeknallt, und ich schicke ihn sofort nach Hause. Oder er schläft den Rausch der Uni-party vom Vortag aus, dann biete ich ihm vielleicht noch einen Kaffe an, und ich schicke ihn anschließend ebenfalls nach Hause.
Gehts eigentlich noch? Ist es nun nicht mehr die Leistung in Praktika, Seminaren und Prüfungen, die zählt?
Stell dir vor, du wohnst in einer WG, willst abends noch ein Bier trinken gehen und fragst deinen Mitbewohner, ob er noch mit gehen möchte. Er lehnt dankend ab, er müsse schon bald ins Bett, um am nächsten Morgen um halb sieben pünktlich beim Prof auf der Matte zu stehen und ein paar tiefgründige Fragen zu stellen. Jede Woche.
Dieser Student gehört zu einer Spezies, die den direkten Weg nach oben über den Eingang des Enddarms Vorgesetzter suchen. Und Dr. Isis gehört, das kann ohne großartige Interpretationskompetenz gesagt werden, offensichtlich zu jener Spezies hierarchisch Höhergestellter, die, um im Bild zu bleiben, in freudiger Erwartung beide Arschbacken spreizen.
Nicht-rektale Förderkriterien
Klar ist also: Zum erfolgreichen kriechen gehören immer zwei. Die eigentliche Frage dieses Artikels ist jedoch: Hat Dr. Isis keine angemesseneren Kriterien, um festzustellen, welche ihrer Studenten auf dem weiteren Weg in der Wissenschaft unterstützt werden sollen?
Oder allgemeiner: Wie kann ein Vorgesetzter objektiv die Leistung der Mitarbeiter beurteilen und die Richtigen fördern, wenn es keine unmittelbar messbaren Leistungskriterien gibt, wie zum Beispiel in der Wissenschaft? Und auch wichtig: Wie merkt man seinem zukünfigen Chef an, ob er den oben beschriebenen direkten Dienstweg liebt (und meidet ihn oder sie folglich)?
Die Wissenschaft ist mit Sicherheit auch nicht die einzige Branche, in der dieses Hinterntürchen benutzt wird, um “weiter” zu kommen. Wie sieht das wohl in anderen “kreativen” Branchen aus, die ebenfalls ohne direkt messbare Leistungskriterien auskommen? Also bei den Werbern oder in der Medienbranche zum Beispiel?
Erfahrungen jemand?

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13 Kommentare

  1. Zunächst finde ich es tatsächlich interessant, sich damit zu beschäftigen, mit welchen Strategien man sich als Student bei bestimmten Professoren gut in Szene setzen kann (nicht daß ich strategisches Vorgehen und Anbiederung gutheißen möchte, mein Interesse bezieht sich lediglich auf die Erfahrungsberichte und Einschätzungen). Ich bin jedenfalls gespannt auf die Antworten hier bei den Kommentaren.
    Was den von Dir kritisierten Beitrag bei Dr. Isis angeht, so lese ich den allerdings als ironische Anmerkung und nicht als ernstgemeinte Anleitung zum Arschkriechen. Die “Ratschläge” sind jedenfalls nach meinem Gefühl nicht ernst gemeint.

  2. @Marc: Nach meinem Gefühl keine Ironie und durchaus ernst gemeinte Anmerkungen.
    Ich denke es sollte weniger um die Strategien der Studenten gehen, wie man sich gut in Szene setzt, sondern um die Strategien der Dozenten und Vorgesetzten, wie man Mitarbeiter und Studenten unvoreingenommen beurteilt und fördert.

  3. “Wenn ich, als hypothetischer Prof morgens um halb sieben vor meinem hypothethischen Büro einen Studenten vorfinden würde”.
    Also ich habe das mit “06:30” so interpretiert, dass sie um diese Zeit so ne Art “Sprechstunde” hat (“Office hours” – oder ist das was anderes). Da ist es dann natürlich nicht ungewöhnlich, wenn dann auch Studenten da sind. Obwohl ich mich nie freiwillig mit nem Prof einlassen würde, der seine Sprechstunde so früh ansetzt 😉

  4. Dass es in kreativen Berufen keinerlei objektive Kriterien zur Beurteilung von LEistung und Ergebnis gibt halte ich für sehr gewagt 😉 … da, du ein paar Beispiele für “kreative” Berufe anführst, kann ich dir auch sagen unsere “Vorstellung” von kreativen Berufen liegen nicht so weit auseinander – ich würde vermutlich nicht nur Werbe- und Medienleute dazu zählen, die noch zu den eher profaneren “Kreativen” zählen, aber das macht nix.
    ansonsten kann ich mich deiner kritik an diesem altertümlichen bild von professoraler Güte die nach jahren des dienens dem demütigen studenten die höheren weihen erschließt… voll anschließen. ohne die hiwis und doktoranden/… würde von der genialität so mancher Profs nicht viel übrig bleiben, deshalb tun sie gut daran jeden der was leisten will auch dazu zu ermutigen und unterstützen.

  5. Weltklasse Beitrag – leider nicht nur in der Welt der Akademiker, sondern an jedem anderen Arbeitsplatz gang und gäbe. Meine Kollegin beispielsweise ist sich nicht zu schade, sich öffentlich zu entblöden, und bietet dem leicht erkälteten Chef gerne auch einmal an, ihm Tee an seinen Platz zu bringen – unter lautstarkem Bemitleiden versteht sich – wonach sie dazu über geht, sich nach dem Befinden seiner Tochter zu erkundingen und dann in noch größerer Lautstärke kund tut, wie überaus schwierig es doch war, diese Dienstreise zu buchen, ja dass sie sich quasi fast hätte dafür prostituieren müssen um das ersehnte Flugticket zu ergattern (- was es ja aber ihrer Meinung nach bestimmt auch Wert gewesen wäre!).
    Das Brechen kommt mir tagtäglich allerdings aber nicht ihretwegen, nein, sondern viel mehr weil mein Chef anscheinend mit Vollgas drauf abfährt – während andere Leute still und leise ihre Berge von Arbeit abschuften, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren; dafür dann aber auch komplett ignoriert werden und keinerlei Vorteil von dem haben, was ihnen einst Muttern als Bescheidenheit und Genügsamkeit mit auf den Weg gegeben hat.
    Dass es das Phänomen GIBT steht also außer Frage: die Frage lautet viel mehr, wie man als nicht-Arschkriecher damit umgeht. Ich bin kurz davor, mich nach einer neuen Arbeitsstelle umzusehen, weil ich auf keinen Fall mein Wertesystem aufgeben oder umwerfen will – dazu müsste ich nämlich mein Rückgrat komplett ausbauen (was mir Natürlich einen wesentlich bessern Gleit-Effekt verschaffen würde ;-)).
    Einer meiner damaligen HiWi Stellen an der Uni habe ich damals übrigens bekommen, weil ich mich im Hauptseminar mit meinem Prof angelegt und eine heiße Diskussion mit ihm angefangen habe (in der ich zudem persönlich wurde, was ihn aber wohl nicht weiter gestört hat). Es gibt also auch noch Profs (und hoffentlich auch Chefs!), die es SCHÄTZEN, dass man eine eigene Meinung hat und diese auch äußert.
    Wie oben im Beitrag gesagt, die Lösung scheint zu sein, dass man bei der nächsten Chef-Wahl etwas vorsichtiger ist – aber dann: wie macht man das? Ins Vorstellungsgespräch gehen und fragen “Stehen sie eigentlich auf Schleimscheißer”? – auch schwierig.
    Wer auch immer denkt, die Lösung des Problems parat zu haben kann sich sicher sein dass er in meinem Testament Erwähnung finden wird… Sehr unterhaltsames Thema insgesamt. Allen Arbeitnehmern ob in Sciences oder Humanities viel Glück und alles Gute! AL

  6. Treffen sich eine Krankenschwester und ein Assistenzarzt im Magen des Oberarztes.
    “Na?”, fragt die Krankenschwester, “hat er Sie auch gefressen?”
    “Nee”, sagt der Assistenzarzt, “ich komm’ von unten…”

  7. Es dichtete schon Georg Kreisler:
    “Ich versteh nix von Jus’ und Latein,
    Mathematik, die lass’ ich lieber sein.
    Doch ich krieche sehr gern,
    und auch gut – marsch, marsch , marsch –
    in den Arsch, in den Arsch, in den Arsch.
    Ein Minister wird sehr leicht nervös,
    aber bei mir bleibt keiner lange bös’,
    denn ich blick’ ihm ins Aug’ und merk gleich
    ‘Der ist barsch!’
    Und steck schon tief im Arsch, tief im Arsch, tief im Arsch.”
    Read ‘Professor’ for ‘Minister’ – und dann ist dem Ganzen wohl nichts mehr hinzuzufügen.

  8. Warum fahren Vorgesetzte so auf arschkriecherei ab?
    tja.. vieleicht sind das die seltenen Momente, wo man vermeintlich nicht einer potentiell ” in schach zu haltenden” Gruppe gegenübersteht – endlich mal einer nichts von einem einfordert, sondern jenes Verhalten zeigt, dass Durchschnitts-Mitarbeiter sich jeden Tag bei ihren Kollegen abholen.
    Und meißtens ist das Bild des Vorgestzten über den Mitarbeiter unvollständig, da er viel zu wenig Kontakt hat, um den wahren Kern der “freundlichen ” Umwerbung zu deuten. Das Bedeutet die Kollegen sind sehr viel besser in der Lage das Verhalten zu beurteilen, da sie den Arschkriecher auch erleben wenn der Chef mal nicht da ist…..
    Für alle gebeutelten: Letzendlich ist ein ein Chef immer zuerst dem Unternehmen (oder Forschungsgruppe o.a.) verpflichtet. Diejenigen Mitarbeiter die die Gesamtbilanz im zu verantwortenden Bereich positiv vorranbringen werden langfristig immer begünstigt werden – denn alles andere Schadet der eigenen Position. Das heißt, dass Problem erledigt sich irgendwann von alleine….
    Problematisch wie immer : der öffentliche Dienst mit lebenslangen Beschäftigungsgarantien, Finanzierung unabhängig von Leistung, festbesetzten Positionen in Entscheidungsgremien usw. …(ein Arschkriecher Paradies 🙂 )

  9. @Tobias, Erfahrungen:
    Ja – Hatte mal eine Mitarbeiterin, die hat sich auf der Weihnachtsfeier tootaaaal super mit meiner Freundin verstanden hat, um mir anschließend zu berichten wie toll sie alles findet ( Job, Freundin, mein verständnissvolles Verhalten ihr gegenüber usw.)
    Ich: kurzer Anflug von Übelkeit….
    Problem: wurde von den Kollegen aufgrund ihres zwiespältigen Sozialverhaltens gnadenlos rausgemobbt…(tat mir dann wieder aufrichtig leid)

  10. Ich bin Arzt in Deutschland und folgendes steht fest:
    Kariere erst möglich wenn:
    -Aschkriechen beim Chef
    -Mobben der Kollegen die anders (z.B. anständig) sind
    -dem fachlich unkompetenten chef durch eigene Ahnungslosigkeit größer erscheinen lassen
    -sex mit votgesetzten
    -besuch der satanischen rituale mit vorgesetzten
    Nur wenn Sie das tun, dann werden sie ein erfolgreicher Arzt in Deutschland.
    Sonst kommen Sie nicht weiter.
    Willkommen in der Realität. Diese Gesellschaft schafft sich selbst ab un dhoffentlich schon sehr sehr bald.

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